Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
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2022
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Technische Akademie EsslingenInstandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/-lamellen und geklebter Stahlverstärkung
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2022
Daniel Glomb
Christoph Dauberschmidt
Felix Becker
In den letzten Jahrzehnten wurden im großen Umfang Parkhäuser mit Deckensystemen aus Stahl-Trapezblechen und Stahlbetonergänzung errichtet. Hierbei haben sich besonders die Additivdecken durchgesetzt, deren Bauweise es ermöglicht große stützenfreie Parkflächen in kurzer Bauzeit zu realisieren. Diese Deckenkonstruktionen sind durch den Einsatz als Parkflächen einer regelmäßigen Chloridbelastung aus Taumitteln ausgesetzt. Durch Undichtigkeiten, wie Oberflächenrisse in der Beschichtung, gelangen diese Chloride in den Stahlbeton und führen häufig zu Lochkorrosion am Betonstahl. Meist gelangen Chloride im Rissbereich sogar bis zum Trapezblech, wo sie Korrosion mit hohen Querschnittsverlusten an den mittragenden Blechprofilen auslösen können.
Solche geschädigte Deckensysteme sind bislang kaum wirtschaftlich instand zu setzen. Der Korrosionsschutz der Bewehrung muss meist aufwändig durch Freistrahlen mittels HDW und einer Reprofilierung wiederhergestellt werden. Die Korrosion der Bleche lässt sich durch herkömmliche Instandsetzungsmaßnahmen von der Deckenoberseite kaum unterbinden. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird an der Hochschule München eine Instandsetzungs- und Verstärkungsmethode für solche Parkhäuser entwickelt, bei der eine Kombination zweier innovativen Methoden zum Einsatz kommen soll: Zum einen wird ein kathodisches Korrosionsschutz-System (KKS) entwickelt, bei dem Gitter oder Lamellen aus Carbon mit einem zementösen Kleber über die vorhandenen Risse in den Beton eingebracht werden. Das Carbon dient sowohl der Verstärkung der vorhandenen Stahlbetondecke im Stützbereich als auch als Anode für das KKS-System mit Fremdstrom. Zum anderen werden auf das vorhandene Blech von der Deckenunterseite Stahlbleche geklebt und somit die Lasten der geschädigten Bereiche durch die Verstärkung übernommen und in nicht geschädigte Bereiche weitergeleitet. Der Fokus der hier vorgestellten Untersuchungsergebnisse liegt bei dem KKS-System an der Deckenoberseite.
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10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 103 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung Daniel Glomb Institut für Materialund Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Christoph Dauberschmidt Institut für Materialund Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Felix Becker B+P Baustoffprüfung Ingenieurgesellschaft mbH, Hohenlinden, Deutschland Zusammenfassung In den letzten Jahrzenten wurden im großen Umfang Parkhäuser mit Deckensystemen aus Stahl-Trapezblechen und Stahlbetonergänzung errichtet. Hierbei haben sich besonders die Additivdecken durchgesetzt, deren Bauweise es ermöglicht große stützenfreie Parkflächen in kurzer Bauzeit zu realisieren. Diese Deckenkonstruktionen sind durch den Einsatz als Parkflächen einer regelmäßigen Chloridbelastung aus Taumitteln ausgesetzt. Durch Undichtigkeiten, wie Oberflächenrisse in der Beschichtung, gelangen diese Chloride in den Stahlbeton und führen häufig zu Lochkorrosion am Betonstahl. Meist gelangen Chloride im Rissbereich sogar bis zum Trapezblech, wo sie Korrosion mit hohen Querschnittsverlusten an den mittragenden Blechprofilen auslösen können. Solche geschädigte Deckensysteme sind bislang kaum wirtschaftlich instand zu setzen. Der Korrosionsschutz der Bewehrung muss meist aufwändig durch Freistrahlen mittels HDW und einer Reprofilierung wiederhergestellt werden. Die Korrosion der Bleche lässt sich durch herkömmliche Instandsetzungsmaßnahmen von der Deckenoberseite kaum unterbinden. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird an der Hochschule München eine Instandsetzungsund Verstärkungsmethode für solche Parkhäuser entwickelt, bei der eine Kombination zweier innovativen Methoden zum Einsatz kommen soll: Zum einen wird ein kathodisches Korrosionsschutz- System (KKS) entwickelt, bei dem Gitter oder Lamellen aus Carbon mit einem zementösen Kleber über die vorhandenen Risse in den Beton eingebracht werden. Das Carbon dient sowohl der Verstärkung der vorhandenen Stahlbetondecke im Stützbereich als auch als Anode für das KKS-System mit Fremdstrom. Zum anderen werden auf das vorhandene Blech von der Deckenunterseite Stahlbleche geklebt und somit die Lasten der geschädigten Bereiche durch die Verstärkung übernommen und in nicht geschädigte Bereiche weitergeleitet. Der Fokus der hier vorgestellten Untersuchungsergebnisse liegt bei dem KKS-System an der Deckenoberseite. 1. Parkhäuser mit additiven Deckensystemen 1.1 Allgemeines zur Bauweise Additive Deckensysteme bestehen aus einer Kombination von Stahltrapezprofiltafeln und einer Stahlbetonrippendecke, welche auf Trägern in Stahloder Verbundbauweise auflagern. An den Obergurten der Träger angebrachte Auflagerknaggen halten die dort abgehängten Profiltafeln in Kombination mit Setzbolzen während des Bauzustandes in Position. Dadurch dienen die Blechprofile im Zuge der Ortbetonergänzung einerseits als unterstützungsfreie Schalung und andererseits als Tragsystem für das Eigengewicht und der Ortbetonergänzung im Endzustand. Der Stahlbetonrippendecke werden die Verkehrslasten zugewiesen und somit entsteht eine additive Tragwirkung beider Komponenten. Ein mechanischer Verbund zwischen dem Blech und der Betondecke entsteht hierbei nicht [1]. Das im Rahmen eines an der Hochschule München laufenden Forschungsvorhabens betrachtete Deckensystem darf im Zuge der statischen Bemessung als eine Kette von einachsig gespannten Einfeldträgern definiert und somit zwischen den Hauptträgern als gelenkig gela- 104 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung gert angenommen werden. Bei Verwendung optionaler Blechformteile und einer kraftschlüssigen Betonage bis zu den Stegen der Träger kann auch eine Betrachtung als Durchlaufplatte erfolgen. Das einwirkende Biegemoment in Feldmitte sowie die Querkraft am Auflager wird additiv aufgenommen und zwischen Bewehrung und Blech verteilt [1]. Durch die Aufteilung der einwirkenden Belastung und der Abhängung der Profilbleche kann somit eine filigrane Bauweise mit großen Spannweiten sichergestellt werden (siehe Abb. 1). Die kurze Bauzeit bei der unterstützungsfreien Erstellung der Decken, sowie die Möglichkeit den Brandschutz über Zulagenbewehrung in der Stahlbetondecke zu gewährleisten, macht dieses Deckensystem zu einer attraktiven Ausführungsvariante bei Parkbauten. Allein ein Hersteller dieser Additivdecken gibt an, in über 500 Projekten rd. 4,5 Millionen Quadratmeter Parkhausflächen erstellt zu haben. Abbildung 1: Ausführungsbeispiel einer Additivdecke im Parkhausbau 1.2 Schädigungsursachen Durch eine Kombination unregelmäßiger oder falscher Wartung, großer Rissbreiten, gerade über den Stahlträgern, und freier Bewitterung bzw. hoher Temperaturänderungen bei Verformungsbehinderung, weisen viele Beschichtungen bereits nach wenigen Jahren Risse und Ablösungen auf. Durch diese Undichtigkeiten gelangen Chloride in die Stahlbetonkonstruktion, wo diese am Betonstahl zu einer chloridinduzierten Lochkorrosion führen können. Diese Korrosion kann die Tragfähigkeit der Deckenkonstruktion durch die hohe Korrosionsgeschwindigkeit und den damit verbundenen Querschnittsverlusten nach wenigen Jahren stark einschränken. Abbildung 2: Skizzenhafte Darstellung der Schadensmechanismen Eine weitere Schwachstelle der Systeme stellt die Hinterläufigkeit des Stahlblechs dar: Durch eine nicht funktionstüchtige Beschichtung und durch Risse im Betonquerschnitt gelangen Chloride häufig auch auf die verzinkte Oberseite der Stahlbleche und führen auch dort innerhalb kurzer Zeit zu deutlichen Querschnittsverlusten an den Blechen bis diese letztlich „durchrosten“. Eine schematische Darstellung der einzelnen Schädigungsmechanismen ist in Abbildung 2 gegeben. Solch geschädigte Deckensysteme sind bislang kaum wirtschaftlich instand zu setzen: Der Korrosionsschutz der Betonstahlbewehrung muss bei hoher Chloridbelastung im Rissbereich meist durch Entfernen des belasteten Betons mittels Höchstdruckwasserstrahlen und anschließender Reprofilierung wieder hergestellt werden. Die Korrosion der Bleche lässt sich durch herkömmliche Instandsetzungsmaßnahmen von der Deckenoberseite kaum unterbinden. Auch sind übliche Verstärkungsmaßnahmen wie Schweißen aufgrund der dünnen Blechdicke oder Nieten und Schrauben aufgrund der geringen Kraftübertragung nicht geeignet, so dass häufig der Abriss der geschädigten Deckenfelder erforderlich ist. Dies ist mit sehr hohen Instandsetzungskosten und einem hohen Ressourceneinsatz sowie langfristigen Nutzungsunterbrechungen verbunden. 1.3 Untersuchung und Kategorisierung einzelner Parkbauten Um einen Überblick über die einzelnen Schädigungsmechanismen an bestehenden Additivdecken zu bekommen, wurde im Rahmen des Forschungsvorhabens Bestandsaufnahmen an sechs Parkbauten (Baujahr 1997 bis 2015) durchgeführt. Dabei lag der Untersuchungsschwerpunkt auf Faktoren, welche die Dauerhaftigkeit der Bestandsdecken maßgeblich beeinflussen. Dazu zählen insbesonde- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 105 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung re der Zustand des Oberflächenschutzsystems, Rissbilder im Deckensystem, die Chloridbelastung im Rissbereich und augenscheinliche Korrosionserscheinungen an der Deckenunterseite (Blech). Zusätzlich wurde stichpunktartig der Querschnittsverlust an Blechund Bewehrungsproben bestimmt. Im Rissaufkommen stellen die Biegerisse über den Hauptträgern den weitaus größten Anteil dar. Diese sind durch das statische System unvermeidbar und erfordern regelmäßige Wartung am Oberflächenschutzsystem sowie eine dauerhaft rissüberbrückende Beschichtung bzw. Rissbandagen. Im Zuge einer vollständigen Risskartierung des jüngsten Parkhauses (Baujahr 2015, Fläche ca. 27.500 m²) wurde deutlich, dass bereits nach einer kurzen Nutzungsdauer eine ausgeprägte Rissbildung zu erwarten ist, sofern das Beschichtungssystem nicht für die zu erwartenden Rissbreiten ausgelegt ist. Aus Tabelle 1 ist eine Risshäufung in den unteren, stark frequentierten und somit stärker mit Verkehr belasteten Parkebenen ablesbar. Die maximalen Rissbreiten traten hauptsächlich im Bereich der Rampen auf, da hier zusätzlich zu der Belastung aus PKW-Verkehr Zwangsspannungen zwischen den Ebenen wirken. Tabelle 1: Parkhaus Baujahr 2015 Auswertung Rissbreitenund längen Geschoss w m [mm] w max [mm] lfm Riss [m] 1. OG 0,23 0,90 573,5 2. OG 0,23 0,60 577,1 3. OG 0,18 0,50 438,2 4. OG 0,17 0,65 465,1 5. OG 0,16 0,30 233,1 Von der Deckenoberseite wurde im Bereich von augenscheinlich verschlissenen Oberflächenschutzsystemen, von Rissen und auffälliger Potentiale, aber auch unauffälligen Referenzstellen tiefengestaffelt Bohrmehlproben entnommen. Von der Deckenunterseite wurden Bohrmehlproben im Bereich von korrodierenden Blechen sowie ebenfalls in unauffälligen Referenzbereichen entnommen. Die Bohrmehlproben wurden anschließend auf den Gesamtchloridgehalt durch Säureaufschluss hin untersucht. Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung der ermittelten Chloridgehalte in Abhängigkeit des Zustandes des Oberflächenschutzsystems an der Deckenoberseite Hierbei zeigte sich von der Deckenoberseite, dass die Chloridbelastung maßgeblich vom Schädigungsbild des Oberflächenschutzsystems abhängt. Sobald Risse oder auch deutliche Verschleißerscheinungen auftreten, ergeben sich Chloridgehalte, die über dem natürlichen Eigenchloridgehalt des Betons liegen und auch den Chloridgehalt von 0,5 M.-%/ z überschreiten, ab dem gemäß TR-IH [2] ein sachkundiger Planer das Korrosionsrisiko bewerten soll. Im Rissbereich kommt es darüber hinaus zu einer Aufkonzentration von Chloriden, so dass hier stellenweise auch sehr hohe Chloridgehalte über 1,5 M.-%/ z auftreten. Abbildung 3 zeigt eine Häufigkeitsverteilung der festgestellten Chloridgehalte an den untersuchten Parkhäusern in Abhängigkeit der Auffälligkeiten. Auch an der Deckenunterseite korreliert das visuell feststellbare Schädigungsbild gut mit den ermittelten Chloridgehalten. Im Bereich von stark durch Korrosion angegriffenen Stahlprofilblechen sind in der Regel auch deutlich erhöhte Chloridgehalte festzustellen, vgl. Abbildung 4. Vereinzelt ergeben sich trotz deutlich sichtbarer Korrosionsspuren lediglich moderate Chloridgehalte über dem Eigenchloridgehalt, hier ist von einer Hinterläufigkeit der Stahltrapezbleche bei einer hohen Chloriddichtheit des Betons auszugehen. Generell deuten die Ergebnisse der Chloridprofile darauf hin, dass sich das tausalzbelastete Wasser zwischen Stahlblech und Beton verteilen kann. In der Regel ergibt sich von der Deckenunterseite ein deutlicher Gradient des Chloridgehalts. Dies belegt die Hinterläufigkeit der Stahltrapezbleche. Dadurch können wasserführende Trennrisse weit von den sichtbaren Korrosionsschäden entfernt sein. 106 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung Abbildung 4: Häufigkeitsverteilung der ermittelten Chloridgehalte in Abhängigkeit der augenscheinlichen Schädigung an den Deckenunterseiten Im Rahmen der Bestandsuntersuchungen konnten die Korrosionserscheinungen an der Deckenunterseite näher untersucht werden. Diese zeichnen sich von der Deckenunterseite maßgeblich durch Verfärbungen und Verlaufsspuren ab. Bei der Probenentnahme wurden zum Teil sehr stark ausgebildete Korrosionserscheinungen auf der Rückseite des Blechs festgestellt (siehe Abbildung 5). Im Falle eines der untersuchten Parkbauten weisen die Proben in einem begrenzten flächigen Bereich zum Teil sehr starke Querschnittsverluste mit bis zu 100 % in Lochkorrosionsnarben und bis zu 80 % Querschnittsverlust als Flächenkorrosion auf. Abbildung 5: Probeentnahme Korrosion am Trapezblech Abschließend wurden die untersuchten Parkbauten für eine gezielte Planung von Instandsetzungsmaßnahmen in sechs Kategorien eingeteilt und somit nach Schädigungsgrad unterteilt. Dabei stellen die Kategorien Nr. 1 (ohne Schädigung) bis Nr. 4 (moderate Schädigung) Parkhäuser dar, die ggf. über herkömmliche Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bis zum Ende ihrer Lebenszeit betrieben werden können. Die Kategorie Nr. 5 (hoher Schädigungsgrad) definiert die Parkbauten, bei denen aufgrund ihres ausgeprägten Schädigungsgrades zeitnah Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Diese Parkbauten können daher als geeignet erachtet werden, entsprechend der im Zuge des Forschungsvorhabens entwickelten Instandsetzungsmethode aus einer Kombination von geklebter Verstärkung und kathodischem Korrosionsschutz wirtschaftlich instandgesetzt zu werden. Die letzte Kategorie Nr. 6 (sehr hoher Schädigungsgrad) lässt vermutlich keine wirtschaftliche Instandsetzung zu - was letztlich häufig zu einem Teil- oder Komplettabbruch führen wird. Eine Übersicht der Kategorisierung ist in Tabelle 2 gegeben. Tabelle 2: Einteilung der untersuchten Parkhäuser in ihre Schädigungskategorien Nr. Baujahr Schadenskategorie/ Schädigungsgrad 1 1997 Klasse 5 hoch 2 2007 Klasse 5 hoch 3 1999 (1985) Klasse 5 hoch 4 2000 Klasse 5 hoch 5 2002 Klasse 2 - sehr niedrig 6 2015 Klasse 3 gering 2. Zielsetzung des Forschungsvorhabens Seit Ende 2019 wird an der Hochschule München das Forschungsvorhaben „GlueCSPark“ bearbeitet - es umfasst zunächst die Entwicklung von Methoden zur Diagnose des Schädigungsumfangs am Bauwerk für die Planung einer zielgerechten Instandsetzungsmaßnahme. Hierbei werden zerstörungsfreie Prüfmethoden für das vorhandene Schädigungsbild weiterentwickelt: Mittels Potentialfeldmessung und galvanostatischer Pulsmessung werden Bereiche mit hoher Korrosionsaktivität der Betonstahlbewehrung und des Stahlblechs geortet. Eine Modifizierung von Ultraschallgeräten soll zukünftig die zerstörungsfreie Restquerschnittsermittlung von der Unterseite der beschichteten Bleche ermöglichen. Die Dauerhaftigkeit des Betonstahls und idealerweise auch die des Blechs soll durch Kathodischen Korrosionsschutz (KKS) sichergestellt werden. Dazu werden Carbongelege bzw. -lamellen mittels eines zuvor auf seine Eignung untersuchten Einbettungsmörtels elektrolytisch mit der Betonoberfläche verbunden und mit Fremdstrom gespeist. Damit wird zusätzlich eine Verstärkungsmaßnahme im Stützenbereich angestrebt, welche die Betonstahlbewehrung gleichzeitig vor Korrosion schützen soll. Um den elektrolytischen Verbund zwischen Blech und Beton wieder herzustellen, sollen ggf. vorhandene Risse und Ablösungen mittels eines leitfähigen Acrylatgels verschlossen werden. Nach Sicherstellung dieses Verbundes kann das Trapezblech theoretisch auch von der Deckenoberseite kathodisch geschützt werden - ob dies bei den großen Bauteildicken im Sickenbereich erfolg- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 107 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung reich sein kann, soll im Zuge des Forschungsvorhabens untersucht werden. Auf der Unterseite der Decken werden Stahlbleche auf das geschädigte Trapezblech geklebt, um die dort auftretenden Zugkräfte im Blech durch die Verstärkung zu übernehmen. In diesem Zusammenhang werden bestehende Additivdecken anhand von Finite-Element- Berechnungen mit den zuvor ermittelten Schädigungsgraden nachgerechnet und damit auch in Abhängigkeit der Größe der Korrosionsstelle die Resttragfähigkeit der Konstruktionen ermittelt. Auf diesen Ergebnissen fußend, werden die Auswirkungen der Verstärkungsmaßnahmen auf die Tragfähigkeit untersucht und Art und Umfang der erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen numerisch optimiert. 3. Experimentelle Untersuchungen 3.1 Allgemeines Nachfolgend wird der aktuelle Stand der experimentellen Untersuchungen aufgeführt. Es sei angemerkt, dass sich das Forschungsvorhaben noch bis Ende 2022 in Bearbeitung befindet. Somit spiegeln die hier aufgeführten Ergebnisse lediglich den aktuellen Stand der Untersuchungen wider. 3.2 Korrosionsmonitoring am Großprüfkörper Um die Korrosionsprozesse am Bauteil untersuchen zu können, wurde ein Prüfkörper als Ausschnitt eines repräsentativen Deckenausschnittes gemäß Abbildung 6 konzipiert. Die Geometrie und Bewehrungsmenge/ führung richtet sich nach der in der Praxis üblichen Ausführung der Additivdecken. In der Platte und im Stegbereich wurden vorab präparierte Blechausschnitte als Anoden und Kathoden verbaut, wobei die Anodenbleche (bez. B1 bis B3) in chloridhaltigen Beton vergossen wurden. Die Verzinkung an den Blechplomben wurde vor dem Verguss entfernt und die Rückseite der Bleche abgedichtet, um einen einseitigen elektrolytischen Anschluss zu gewährleisten. Eine zusätzliche Anode (bez. B0) im unteren Stegbereich als elektrisch entkoppelter Bewehrungsstab im chloridbelasteten Beton ermöglicht die Korrosionsuntersuchung der im Steg befindlichen Biegebewehrung. Die schematische Lage der eingebauten Anoden, Kathoden und der Referenzelektroden ergibt sich aus Abbildung 8 und 9. Die Anoden und Kathoden sowie das verzinkte Stahlblech wurden über ein niederohmiges Strommessgerät mit dem eigentlichen Bewehrungskorb verbunden und der Elementstrom im dauerhaften Kurzschluss gemessen. Somit kann eine Aussage darüber getroffen werden, welche Bereiche stärker korrodieren und welche elektrochemischen Interaktionen zwischen den verschiedenen Elektroden stattfinden. Abbildung 6: Korrosionsmonitoring am Großprüfkörper Die nachfolgenden Messergebnisse stellen die Korrosionsstromdichten der einzelnen Anoden in den ersten 700 Stunden nach Kurzschluss dar. Die Stromdichten der Blechanoden B1 bis B3 (chloridhaltig) nahmen hierbei einen mittleren Endwert von bis zu 45,9 mA/ m² an. Unter der Annahme einer gleichmäßigen Korrosion entspricht dies einem Querschnittsverlust von ca. 53,2 μm/ Jahr (Blechdicke 1250 µm). Abbildung 7 zeigt die Korrosionsstromdichten der Anodenplomben B0 (Betonstahl in chloridhaltigen Beton) und B1 bis B3 (Anodenblech) in der vertikalen Primärachse. Die grüne Sekundärachse stellt den Stromdichte zwischen Bewehrung und dem verzinkten Trapezblech dar. Aufgrund der großen Anodenfläche (ABlech = 1,0 m²) ergeben sich Werte <1,0 mA/ m² und würden auf einer kollektiven Achse keinen übersichtlichen Vergleich darstellen. Abbildung 7: Korrosionsstromdichten der Anoden (vertikale Primärachse) und Stromfluss zwischen Bewehrung und Trapezblech (vertikale Sekundärachse) Bei der Betrachtung der Korrosionsströme (formal: Elementströme) in der Anode B0 wird deutlich, dass eine Schutzwirkung des betonseitig verzinkten Trapezbleches zugunsten des Bewehrungsstahls stattfindet. Die Verzinkung des Bleches induziert einen geringen Schutzstrom und fungiert in den ersten Tagen des Kontaktes somit als Opferanode. Die Anode B0 fällt aufgrund dessen nach ca. 50 h in den kathodischen Bereich und weist eine minimale (negative) Stromdichte auf. Bis zum 108 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung Ende des Messintervalls stieg die Korrosionsstromdichte der Bewehrungsanode bis auf einen aktiven Wert von 21,4 mA/ m². Vergleichsmessungen ohne Kurzschluss der Bewehrung mit dem Trapezblech bestätigen dessen Einfluss. 3.3 Korrosionsortung mittels Potentialfeldmessung und galvanostatische Pulsmessung Neben dem zuvor beschriebenen experimentellen Korrosionsmonitoring, wurde am Großprüfkörper aus Abschnitt 3.1 untersucht, ob mittels Potentialfeldmessung auf der Oberfläche des Aufbetons korrosionsaktive Bereiche im Bauteil (Betonstahl oder Blech) auch bei großen Bauteildicken im Sickenbereich sicher detektiert werden können. Die Messung erfolgte hierbei mittels einer Kupfer-Kupfersulfat-Elektrode in einem auf dem Beton aufgezeichneten Rastermaß von 50 x 50 mm². Ergänzend wurden galvanostatische Pulsmessungen mit einem Rastermaß von 100 x 100 mm² durchgeführt, um zu überprüfen ob durch Pulsmessungen die Detektierbarkeit verbessert werden kann. Bei der zerstörungsfreien Prüfung von Betonbauteilen mittels Potentialfeldmessungen ist in der Praxis bekannt, dass die Messwerte durch unterschiedliche Feuchtegehalten im Beton stark beeinflusst werden. Somit scheint es bei frei bewitterten Bauteilen (z. B. Parkdecks) oft schwierig, korrosionsaktive Bereiche bei hoher Betondeckung ausfindig zu machen. Zumal die Potentialmessung zumeist erst nach Rückbau eines evtl. vorhandenen Oberflächenschutzsystems zum Einsatz kommen kann (z. B. im Zuge einer Instandsetzungsmaßnahme). Das DGZfP-Merkblatt B 03 [3] und Untersuchungen an der TU-München [4] geben hierbei eine Übersicht der Einflussfaktoren und Fehlerquellen. Besonders in Kombination mit einer komplizierten Geometrie, wie bei unterschiedlichen Bauteilhöhen oder Verbundkonstruktionen, lassen sich somit zumeist keine adäquaten Aussagen bzgl. dem Zustand der Bewehrung treffen. Potentialmessungen vor und nach Kurzschluss der Bewehrung mit dem Trapezblech haben ergeben, dass ein elektrischer Kurzschluss zu einer schlechteren Detektierbarkeit der tiefer gelegenen Korrosionsaktivitäten führt. Eine zusätzliche Befeuchtung der Oberfläche über einen längeren Zeitraum lässt nur Potentialgradienten in der Korrosionszone des oberen Plattenbereichs erkennen. Aktive Bereiche im Steg sind somit nicht mehr zu orten, siehe Abbildung 8. Abbildung 8: Potentialfeldmessung nach 140 Tagen Oberflächenwässerung mittels Cu/ CuSO4-Elektrode in [mV] Erste Vergleichsmessungen mit einem galvanostatischen Pulsmessgerät (bez. GP-5000 GalvaPulseTM) zeigen, dass auch tiefer liegende aktive Bereiche erfassbar sind. Das galvanostatische Messerverfahren eignet sich zur Ermittlung von Elektrolytund Polarisationswiderständen in Stahlbetonkonstruktionen. Dabei wird die Bewehrung einem konstanten Stromimpuls ausgesetzt und die resultierende Potential-Zeit- Kurve mittels einer Referenzelektrode aufgezeichnet und ausgewertet. Der Polarisationswiderstand kann anschließend über die sog. Stern-Geary-Konstante [5] in einen Korrosionsstrom umgerechnet werden. Abbildung 9 zeigt die Ergebnisse der galvanostatischen Pulsmessung mit einer angelegten Stromstärke von 100 μA über 10 Sekunden. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 109 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung Abbildung 9: Abgeleiteter Korrosionsstrom aus galvanostatischer Pulsmessung in [mA] 3.4 Integriertes KKSund Verstärkungssystem 3.4.1 Ansatz Das geplante KKS-System bestehend aus einem ausreichend leitund tragfähigen Einbettungsmörtel und der inerten CFK-Anode wurde in nachfolgend aufgeführten Versuchen auf seine Funktionalität überprüft. Dafür wurden experimentelle Untersuchungen zur Leitfähigkeit beider Komponenten durchgeführt und deren Tragfähigkeit im Verbund genauer analysiert. Die Carbonanode soll hierbei entweder flächig in Form eines Gitters oder eingeschlitzt als Lamellen auf die Oberseite des Ortbetons aufgebracht werden. Neben dem Schutz der Bewehrung soll das KKS-System auch das Blech ausreichend polarisieren und somit die dort stattfindende Eisenauflösung unterbinden. Abschließend werden erste Ergebnisse potentiostatischer Stufenversuche und Biegeversuche vorgestellt, die die Interaktion im Gesamtsystem, bestehend aus Einbettungsmörtel, Carbonanode, Ortbeton, Bewehrung und Blech, zeigen soll. 3.4.2 Sorptionsprüfungen am KKSEinbettungsmörtel Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden drei kommerziell erhältliche Spezialmörtel zur Einbettung von Carbonanoden untersucht. Für die Anwendung im KKS- System müssen diese eine ausreichende elektrolytische Leitfähigkeit besitzen, um auch bei stark differierenden Umgebungsbedingungen (z. B. Temperatur und Feuchtigkeit) eine ausreichende Übertragung der Schutzströme zu gewährleisten. Dies setzt eine ähnliche Leitfähigkeit des Einbettungsmörtels wie die des Betons der Additivdecken voraus. Die Untersuchungen der Produkte erfolgten mittels Sorptionsprüfungen. Die Lagerung von Prüfkörpern in unterschiedlichen Umgebungsfeuchten mit anschließender Bestimmung der Elektrolytwiderstände und der Vergleich mit üblichen Betonen soll Aufschluss darüber geben, ob die vorausgewählten Mörtel elektrolytisch für den Einsatz eines KKS-Systems geeignet sind oder nicht. Hierfür wurden unbewehrte Betonprismen an den Stirnseiten mit Titanmischoxidbänder ausgestattet und bei Labortemperatur (20°C) und relativen Luftfeuchten von 45 % bis 95 % eingelagert. Die Proben wurden während der Lagerung in den jeweiligen Klimaten regelmäßig gewogen und die Elektrolytwiderstände bestimmt. Sobald sich das Gewicht der Proben binnen 14 Tagen um weniger als 0,1 M.-% veränderte, wurden die zuletzt gemessenen Elektrolytwiderstände erfasst und dann die Proben auf Massekonstanz getrocknet. Abbildung 10 zeigt die Ergebnisse der Sorptionsprüfungen, eingeteilt in Adsorption (Wasseraufnahme) und Desorption (Wasserabgabe). Die Produkte Nr. 1 und Nr. 2 besitzen ähnlich gute Widerstandswerte, wobei der höhere Anmach-Wassergehalt bei dem zementgebundenen Mörtel zum Schwinden und damit ggf. zur Rissbildung führen kann. Für eine flächige Anwendung, wie sie bei den additiven Deckensystemen notwendig ist, wurde deshalb der kunststoffmodifizierte Betonersatz für die folgenden Versuche gewählt. 110 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung Abbildung 10: Ergebnisse Sorptionsprüfungen - Adsorptionsprüfkörper (oben) und Desorptionsprüfkörper (unten) der untersuchten Mörtel im Vergleich 3.5 KKS-Vorversuche Nach Auswahl eines geeigneten Einbettungsmörtels wurden verschiedene KKS-Ausführungsvarianten auf ihre Eignung untersucht. Es wurden erste potentiostatische Stufenversuche durchgeführt und hinsichtlich des 100 mV Kriteriums nach DIN EN ISO 1269 [6] überprüft. Die Prüfkörper wurden gemäß Abbildung 11 konzipiert und stellen somit drei unterschiedliche Ausführungsvarianten eines KKS-Systems mit Carbonanoden dar. Variante 1 (V1) und Variante 2 (V2) wurden mit einem Carbongelege ausgeführt, welches in dem kunststoffmodifizierten Betonersatz eingebettet wurde. Die Körper unterscheiden sich hierbei dadurch, dass V1 einen Betonersatz bis zur Bewehrung und V2 eine dünne Aufbetonschicht charakterisiert. Beide Varianten verwenden ein mit SBR (Styrene Butadiene Rubber) getränktes Gelege. Untersuchungen an der RWTH Aachen [7] zeigen, dass diese Art der Imprägnierung größere Stromdichten ermöglichen als epoxidgetränkte Textilgelege aus Carbon. Im Gegensatz dazu besitzt der Körper Variante 3 (V3) epoxidharzgebundene Carbonlamellen (bez. MCCarbon- Fiber Lamella), die in den chloridhaltigen Ortbeton eingeschlitzt und mittels einem leitfähigen Injektionsharz (Epoxidharz mit Graphit versetzt) eingeklebt wurden. Alle Prüfkörper wurden mittels periodisch ansteigenden Spannungsstufen für jeweils 72 Stunden polarisiert. Vor jeder Spannungserhöhung wurde eine Ausschaltmessung über 24 h getätigt. Die Depolarisationsmessung gemäß DIN EN ISO 12696 [6] dient der Überwachung der Bewehrungspolarisation und somit der Leistungsbeurteilung des KKS-Systems. Abbildung 11: Versuchskörpervarianten der potentiostatischen Stufenversuche Im Zuge der hier dargestellten Vorversuche wurde der elektrische Verbund zwischen Bewehrungskorb und dem Trapezblech während der gesamten Prüfdauer und somit auch während der Ausschaltmessung beibehalten. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Anwendung der normativen Schutzkriterien in Bezug auf Additivdecken (Mischpotential zw. Bewehrung und Blech) im Zuge des laufenden Forschungsvorhabens weiter zu untersuchen ist. Nachfolgendes Diagramm stellt die Ergebnisse der Polarisationsmessung graphisch dar. Die Polarisation der einzelnen Prüfkörper wurden hierbei gegen eine MnO2- Referenzelektroden gegen das Mischpotential von Bewehrung und Blech im Beton gemessen. Abbildung 12: Ergebnisse Polarisationsmessung der KKS-Prüfkörpervarianten Im Kurvenverlauf ist zu erkennen, dass das 100 mVDepolarisationskriterium für den Prüfkörper V1 ab einer Spannungsstufe von 2,5 V und bei V2 ab 2,0 V erreicht wurde. Der Prüfkörper V3 mit den eingeschlitzten Carbonlamellen kann in keiner der untersuchten Spannungsstufen eine Depolarisation von 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 111 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung 100 mV nach 24 Stunden Ausschaltmessung aufweisen und eignet sich somit in Bezug auf die hier untersuchten Spannungsstufen nicht für die Anwendung als KKS-System. 3.6 Verstärkung mit Carbon Die kombinierte Nutzung der Carbongelege/ -lamellen als Anode für ein KKS-System und als Verstärkungsmaßnahme zur Rissbreitenbeschränkung stellt eine wirtschaftliche und nachhaltige Alternative zu bestehenden Instandsetzungsvarianten dar. Um die Tragfähigkeit und Rissbildung aus der Kombination von Altbeton, Einbettungsmedium (Mörtel oder Klebstoff) und Carbonanode zu ermitteln, wurden 4-PunktBiegeversuche durchgeführt. Die Abmessungen und der Bewehrungsgehalt der Betonbalken orientieren sich nach den Stützbereichen der Additivdecken in der Praxis. Die hier auftretenden Biegerisse über den Hauptträgern sollen künftig durch das Verstärkungssystem durch Zugkräfte im Carbongelege hinsichtlich ihrer Rissbreite begrenzt werden. Untersucht wurden jeweils drei Versuchskörper ohne Verstärkung (Referenzversuche), mit Verstärkung aus eingeschlitzten Carbonlamellen, als Variante im leitfähigen Harz und zementgebundenen Mörtel, und eine Charge mit im Aufbeton eingebetteten Carbongelegen. Außerhalb des Bereiches des kontinuierlichen Biegemoments wurden vorgespannte Stahlmanschetten als externe Querkraftbewehrung angebracht. Diese sollten ein Versagen in der querkraftfreien Biegezone gewährleisten. Eine Prinzipskizze des Prüfaufbaus ist in Abbildung 13 und die Ergebnisse der Biegezugprüfung in Abbildung 14 dargestellt. Die Prüfung wurde verformungsgeregelt mit einer Prüfgeschwindigkeit von 0,025 mm/ s durchgeführt. Abbildung 13: Versuchsaufbau 4-Punkt-Biegeversuche (hier als Verstärkungsvariante mit Carbongelege im Aufbeton) Abbildung 14: Ergebnisse 4-Punkt-Biegeversuche mit und ohne Carbonverstärkung Die Ergebnisse der Biegeversuche zeigen, dass die mit Carbon verstärkten Biegebalken eine deutliche Steigerung in der Tragfähigkeit aufweisen können. Hierbei konnten insbesondere die Prüfkörpervarianten mit dem Carbongelege im kunststoffmodifizierten Aufbeton und die eingeschlitzten Lamellen im zementgebundenen Vergussmörtel überzeugen. Letztere bewirkten einen mittleren Tragfähigkeitsanstieg um 75 %. Die Charge mit den Carbongelege lag im Mittel mit 60 % nur knapp darunter. Hierbei sei erwähnt, dass das Carbongelege einlagig ausgeführt worden ist und somit eine weitere Steigerung des Widerstandes durch mehrlagige Ausführungsvarianten durchaus möglich ist. 4. Zusammenfassung und Ausblick Im Zuge der hier aufgeführten Untersuchungen an Parkbauten unterschiedlichen Alters konnte festgestellt werden, dass der Zustand bestehender Additivdecken maßgeblich vom Zustand des Oberflächenschutzsystems und somit von dessen fachmännischen Ausführung und einer regelmäßigen Wartung abhängt. Ein Korrosionsmonitoring-System am Großprüfkörper zeigte, dass korrosive Bereiche im unteren Sickenbereich der Additivdecken nicht mittels Potentialfeldmessung detektiert werden können, da einerseits Feuchtegradiente im Beton und andererseits der elektrische Kurzschluss zwischen der Bewehrung und dem Trapezblech zu einem Abschirmungseffekt führen. Dagegen wurden durch erste galvanostatische Messungen am Großprüfkörper auch aktive Bereiche im unteren Sickenbereich teilweise erkennbar. Das KKS-System bestehend aus einem kunststoffmodifizierten Einbettungsmörtel und einem Carbongelege konnte bei ersten Voruntersuchungen eine ausreichende Polarisation am Verbundkörper und eine deutliche Tragfähigkeitssteigerung sicherstellen. Dieses System wird 112 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung insofern im Zuge des laufenden Forschungsvorhabens näher untersucht. Bis zum Abschluss des Forschungsvorhabens folgen weiterführende Untersuchungen zum Einsatz der galvanostatischen Pulsmessung und Versuche einer modifizierten Ultraschallmessung an der Unterseite der Additivdecken, die einen Aufschluss über den Restquerschnitt des geschädigten Bleches ermöglichen soll. Ferner wird z. Z. die Entwicklung und Prüfung eines geklebten Verstärkungssystems auf der Unterseite des vorhandenen Blechs vorangetrieben. Hierbei sollen Stahlbleche auf geschädigte Bereiche geklebt werden. Dort angreifenden Lasten sollen durch die mittels FEBerechnungen optimierte Verstärkung übernommen und in nicht geschädigte Bereiche weitergeleitet werden. Das KKS-System mit dem Carbongelege soll weiter optimiert und auf den Großprüfkörper aus Abschnitt 3.2 appliziert werden. Abschließend soll das System seine Praxistauglichkeit in einem Pilotprojekt unter Beweis stellen. 5. Literatur [1] DIBt Deutsches Institut für Bautechnik: Allgemeine Bauartgenehmigung Nr. Z-26.1-44 vom 23. Oktober 2020 “Hoesch Additiv Decken®” [2] DIBt Deutsches Institut für Bautechnik: Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 1 - Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung; Mai 2020 [3] DGZfP Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung e. V.Fachausschuss für Zerstörungsfreie Prüfung im Bauwesen: Merkblatt B 03 „Elektrochemische Potentialmessungen zur Detektion von Bewehrungsstahlkorrosion“; April 2021 [4] S. Keßler: Zur Verwertbarkeit von Potentialfeldmessungen für die Zustandserfassung und -prognose von Stahlbetonbauteilen - Validierung und Einsatz im Lebensdauermanagement; Dissertation; Technische Universität München; München 2015 [5] A.L. Geary, M. Stern: Electrochemical Polarization: 1. A theoretical Analysis of the Shape of Polarization Curves. Journal of the Electrochemical Society 104: 56-63; January 1974 [6] DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN EN ISO 12969: 2017-05: Kathodischer Korrosionsschutz von Stahl in Beton; Mai 2017 [7] A. Asgharzadeh: Durability of polymer impregnated carbon textiles as CP anode for reinforced concrete; Dissertation; RWTH Aachen University; Aachen 2019 Danksagung: Seit Ende 2019 wird an der Hochschule München das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsvorhaben mit dem Titel „Innovative Instandsetzung von Parkhäusern in Stahlblech-Stahlbeton-Verbundbau durch eine Kombination von geklebter Verstärkung und Kathodischem Korrosionsschutz“ (Akronym: „GlueCS-Park“) bearbeitet. Neben den hier aufgeführten Autoren, sind in diesem Forschungsvorhaben Prof. Dr.-Ing. Christian Schuler und M. Eng. Florian Ilg aus dem hochschulinternen Institut für Materialund Bauforschung für die Untersuchungen und Entwicklungen am Blech verantwortlich. Ein großer Dank geht an unsere Projektpartner die HIB Huber Integral Bau GmbH, Koch GmbH, Laumer Bautechnik GmbH, Sika Deutschland GmbH und der Verein der Freunde des Stahlbaus an der Hochschule München e. V.. Projektträger ist die VDI Technologiezentrum GmbH in Düsseldorf.