eJournals Kolloquium Parkbauten 10/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0208
2022
101 Technische Akademie Esslingen

Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren?

0208
2022
Felix Becker
Christoph Dauberschmidt
Auch mit Einführung der neuen Technischen Regel des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ [TRIH 20] kurz TR-IH ist es weiterhin möglich, chloridbelastete Bauteile durch Applikation eines Oberflächenschutzsystems und Belassen der Chloride im Beton instand zu setzen. Mit Durchführung dieser als Verfahren 8.3 bezeichneten Instandsetzungsmethode wird zunächst keine direkte Repassivierung des Bewehrungsstahls angestrebt. Der Instandsetzungserfolg ist vielmehr an die Änderung der korrosionsrelevanten Kenngrößen gekoppelt. Hierzu zählen die Erhöhung des spezifischen Elektrolytwiderstands des Betons infolge von Austrocknung sowie die Abnahme der Korrosionsströme und Treibspannungen am Bewehrungsstahl. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) 1 geförderten Forschungsvorhabens konnten die in der TR-IH genannten Anwendungsgrenzen weitgehend bestätigt und hinsichtlich der Betongüte und der Art des Oberflächenschutzsystems weiter zugeschärft werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist das Instandsetzungsverfahren 8.3 nur bei Chloridgehalten unter 1,0 M.-%/z und bei diffusionsoffenen Oberflächenschutzsystemen mit einem geringen Risiko anwendbar. Werden diese Randbedingungen nicht eingehalten, bleibt die Anwendung dieser Instandsetzungsmethode weiter mit einem erhöhten technischen Risiko, was eine Aufklärung des Bauherren durch den Sachkundigen Planer erforderlich macht.
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10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 113 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? Felix Becker B+P Baustoffprüfung Ing.mbH Christoph Dauberschmidt Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Zusammenfassung Auch mit Einführung der neuen Technischen Regel des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ [TRIH 20] kurz TR-IH ist es weiterhin möglich, chloridbelastete Bauteile durch Applikation eines Oberflächenschutzsystems und Belassen der Chloride im Beton instand zu setzen. Mit Durchführung dieser als Verfahren 8.3 bezeichneten Instandsetzungsmethode wird zunächst keine direkte Repassivierung des Bewehrungsstahls angestrebt. Der Instandsetzungserfolg ist vielmehr an die Änderung der korrosionsrelevanten Kenngrößen gekoppelt. Hierzu zählen die Erhöhung des spezifischen Elektrolytwiderstands des Betons infolge von Austrocknung sowie die Abnahme der Korrosionsströme und Treibspannungen am Bewehrungsstahl. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) 1 geförderten Forschungsvorhabens konnten die in der TR-IH genannten Anwendungsgrenzen weitgehend bestätigt und hinsichtlich der Betongüte und der Art des Oberflächenschutzsystems weiter zugeschärft werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist das Instandsetzungsverfahren 8.3 nur bei Chloridgehalten unter 1,0 M.-%/ z und bei diffusionsoffenen Oberflächenschutzsystemen mit einem geringen Risiko anwendbar. Werden diese Randbedingungen nicht eingehalten, bleibt die Anwendung dieser Instandsetzungsmethode weiter mit einem erhöhten technischen Risiko, was eine Aufklärung des Bauherren durch den Sachkundigen Planer erforderlich macht. 1 Gemeinsam mit TU Kaiserslautern, Herrn Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit und Herrn Dr.-Ing. Ayhan Celebi 1. Einleitung Die Materialkombination Stahlbeton ist u. a. deshalb seit über einem Jahrhundert überaus erfolgreich, weil der Beton durch den hohen pH-Wert den Betonstahl vor Korrosion schützt. Dadurch bedarf es bei normal exponierten Bauwerken keinen zusätzlichen Korrosionsschutz für Stahlbeton. Allerdings können Chloride z. B. aus Tausalzen und Meereswasser die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauwerken signifikant einschränken. Bei unbeschichteten Bauwerken, insbesondere im Bereich der Infrastruktur, können an der Betonoberfläche anstehende Chloride über Diffusions- und kapillare Saugprozesse in das Betoninnere gelangen. Übersteigt an der Kontaktzone Beton-Stahl der Chloridgehalt des Betons einen Grenzwert, kann chloridinduzierte Korrosion initiiert werden, welche bei ungünstigen Randbedingungen mit hohen Korrosionsraten und damit mit hohen Querschnittsverlusten des Betonstahls in kurzer Zeit einhergeht. Dies kann letztlich zur Schwächung der Tragfähigkeit des Bauwerks führen. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten schon zahlreiche chloridbelastete Bauwerke instandgesetzt wurden, besteht ein immer noch sehr hoher Instandsetzungsbedarf für Bauwerke insbesondere der Verkehrsinfrastruktur wie Brücken, Tunnel, Tiefgaragen, Parkhäuser, Salzwasserschleusen und Kais. Instandsetzungsprinzipien bzw. Verfahren sind in vielen Bundesländern bauaufsichtlich eingeführten Technischen Regel „Instandhaltung von Betonbauteilen“ des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) der TR Instandhaltung [TRIH 20] geregelt. Diese behandelt in Teil 1 „Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung“ und in Teil 2 „Merkmale von Produkten oder Systemen für die Instandsetzung und Regelungen für deren Verwendung“. Europäisch werden die 114 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? Grundsätze für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken durch die 2008 eigeführte DIN EN 1504-9 geregelt. Das in den meisten Fällen durchgeführte Instandsetzungsverfahren 7.2 (früher Prinzip R-Cl) besteht im Entfernen des chloridhaltigen Betons bis hinter die Bewehrungslage durch z. B. Höchstdruckwasserstrahlen und dem anschließenden Reprofilieren mit einem geeigneten und geregelten Betonersatz. Dieses herkömmliche Instandsetzungsverfahren ist meist verbunden mit einem signifikanten Eingriff in die Tragstruktur des Bau-werks, da durch das Entfernen des Betons das statische System während der Instandsetzung verändert wird. Nach derzeitiger Rechtsauffassung muss für diese Instandsetzung durch den Eingriff in die Tragstruktur während der Instandsetzung in Deutschland ein Bauantrag, mit dem daraus folgenden Genehmigungsverfahren, gestellt werden. Ferner ist dieses Instandsetzungsverfahren mit längeren Sperrzeiten des Bauwerks, Staub- und Lärmemissionen und hohen Kosten verbunden. Alternativ zu der herkömmlichen Instandsetzung hat sich in den letzten Jahren eine innovative Instandsetzung nach dem Prinzip des Kathodischen Korrosionsschutzes, Verfahren 10.1 etabliert. Hier wird der Korrosionsprozess des Betonstahls meist durch eine auf die Betonoberfläche applizierte, korrosionsresistente Anode unterdrückt, welche durch Einprägung eines Schutzstroms den Betonstahl zwingt, als Kathode zu wirken. Auch wenn bei diesem Instandsetzungsprinzip die Eingriffe in die Tragstruktur durch Beton-abtrag gegenüber einer herkömmlichen Instandsetzung reduziert werden können, so ist die Anwendung des Prinzips des KKS am Bauwerk mit einem hohen Planungsaufwand und hohen Ausführungskosten verbunden. In der TR-IH ist noch ein weiteres Instandsetzungsverfahren für chloridbelasteten Stahlbeton geregelt, welches auf den ersten Blick deutliche Vorteile bietet: Verfahren 8.3 „Erhöhung des elektrischen Widerstandes durch Beschichtung“, welches in der „alten“ Instandsetzungsrichtlinie [RLSIB 01] als Instandsetzungsprinzip W-Cl beschrieben ist. Auch hier kann der chloridbelastete Beton im Bauwerk verbleiben, was zu geringeren Eingriffen in die Tragstruktur im Vergleich zur herkömmlichen Instandsetzung führt. Das Korrosionsschutzprinzip besteht darin, dass trockener Beton einen so hohen spezifischen Elektrolytwiderstand aufweist, dass Korrosionsprozesse stark gebremst werden idealerweise so stark, dass die verbleibenden Korrosionsraten für die Dauerhaftigkeit des Bauwerks unerheblich sind. In der Praxis soll diese Austrocknung des Betons durch das Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems erreicht werden, was zum einen wasserundurchlässig ist und zum anderen gleichzeitig wasserdampfdiffusionsoffen sein soll analog zu modernen Membranen bei Funktionskleidung. 2. Problemstellung Die Anwendung dieses Instandsetzungsverfahrens scheiterte in der Praxis bis dato häufig daran, dass allgemein anerkannte Anwendungsgrenzen für den risikoarmen Einsatz noch nicht hinreichend untersucht waren. So waren bislang folgende Fragen unbeantwortet: • Wie stark bremsen Oberflächenschutzsysteme das Austrocknen des chloridhaltigen Betons? Kann eine hinreichende Austrocknung zum Unterbinden von Korrosion über die gesamte Restnutzungsdauer sichergestellt werden? • Kann chloridhaltiger Beton aufgrund der Hygroskopizität der Salze bei für die Praxis üblichen Luftfeuchten überhaupt hinreichend austrocknen? • Bei welchen Chloridgehalten auf Höhe der Bewehrung kann eine Reduktion der Korrosionskinetik auf ein unschädliches Maß sichergestellt werden? Um diese offenen Fragen zu beantworten und damit die Bewertung der Anwendbarkeit dieser beiden Verfahren zukünftig auf gesicherte Erkenntnisse zu stellen, wurden im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsvorhabens in einem Verbundvorhaben der Technischen Universität Kaiserslautern und der Hochschule München zahlreiche Untersuchungen zur Klärung der vorgenannten offenen Fragen durchgeführt. Die Ergebnisse wurden u.a. in [BEC2020] und [DAU21] veröffentlicht. Die maßgeblichen Erkenntnisse dieses Forschungsvorhabens, im Hinblick auf das Verfahren 8.3 sind nachfolgend zusammengefasst. 3. Vorgaben in den Regelwerken Nach TR-IH [TRIH20] beruht das Verfahren 8.3 (innerhalb des Instandsetzungsprinzips 8) auf einer Absenkung des Wassergehaltes im Beton, die die elektrolytische Leitfähigkeit so stark reduziert, dass die Korrosionsgeschwindigkeit auf praktisch vernachlässigbare Werte gesenkt wird. Das entsprechende Instandsetzungsprinzip wird in der Instandsetzungsrichtlinie [RLSIB 01] als W-Cl bezeichnet. Die Anwendbarkeit des Verfahrens 8.3 / Prinzips W-Cl ist in beiden Regelwerken stark eingrenzt und nur unter bestimmten Bedingungen in der Praxis anwendbar. So fordert z. B. die RL-SIB [RLSIB 01] dass das Verfahren nur angewendet werden darf, „wenn durch Probeinstandsetzungen an Referenzflächen bzw. -bauteilen vor Ausführung der Instandsetzungsmaßnahme die Auswirkung der Maßnahme auf den Korrosionsfortschritt der Bewehrung, z. B. durch Einbau geeigneter Korrosionsstrommessvorrichtungen von einem sachkundigen Planer überprüft worden ist.“ Weiter muss bei höheren Chloridgehalten im Bauteil (> 1 M.-% Cl-/ z) von einem sachkundigen Planer geklärt werden, ob eine ausreichende Austrocknung des Bauteils erreicht werden kann [RLSIB 01]. Da der Einfluss des 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 115 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? Chloridgehaltes auf den Korrosionsverlauf zahlreichen Parametern, wie z. B. den Umgebungsbedingungen oder der Betonzusammensetzung unterliegt, kann nach dem aktuellen Stand der Technik kein Grenzwert für den maximalen Chloridgehalt im Altbeton angegeben werden. Aus diesem Grund ist aktuell bei der Anwendung des Instandsetzungsprinzips W-Cl ein aufwendiger Wirksamkeitsnachweis erforderlich, welcher z. B. durch sensorgestützte Monitoring-Systeme erfolgen kann [RLSIB01]. Das Verfahren 8.3 darf nach TR-IH [TRIH20] bei chloridkontaminiertem Beton nur angewendet werden, wenn nach der Ausführung der Instandsetzungsmaßnahme die Auswirkung auf den Korrosionsfortschritt der Bewehrung, z. B. durch Einbau geeigneter Sensoren, von einem sachkundigen Planer über die Restnutzungsdauer überprüft wird. Ab einem Chloridgehalt von 1,5 M.-% Cl - / z an der Bewehrung sollte das Verfahren nicht angewendet werden, da unter Umständen keine ausreichende Austrocknung im Beton eintritt. Für das Verfahren 8.3 werden grundsätzlich die Oberflächenschutzsysteme OS 2, OS 4, OS 5a und OS 5b, OS 8, OS 11 sowie OS 14 als geeignet angesehen. 4. Grundlagen des Instandsetzungsverfahrens 8.3 Die Korrosionsprozesse bei einer chloridinduzierten Makrokorrosion können vereinfacht in einem elektrischen Ersatzschaltbild, wie in Bild 1 in Anlehnung an [RAU92] dargestellt, beschrieben werden. Dabei ist der Korrosionsstrom I e ein Maß für die in einer Zeiteinheit abrostete Eisenmenge und damit bei bekannter Größe der Lochnarbe auch ein Maß für den zeitlichen Querschnittsverlust des Betonstahls. Der Korrosionsstrom I e wird dabei bestimmt von den Geschwindigkeiten der Teilprozesse: anodische und kathodische Teilreaktion sowie dem Ionentransport im (den Stahl umgebenden) Beton zwischen anodischen und kathodischen Oberflächenbereichen. Ein Maß für den Ionentransport stellt dabei der spezifische Elektrolytwiderstand des Betons dar. Die Aktivität der anodischen und der kathodischen Teilreaktion wird durch den anodischen Polarisationswiderstand R a und den kathodischen Polarisationswiderstand R c beschrieben. Als Treibspannung in diesem System wirkt die Potentialdifferenz zwischen Anode und Kathode (E R,C - E R,A ), die sich aufgrund des Potentialabfalls an der Anode infolge des Verlusts der Passivität einstellt. Der Eigenkorrosionsanteil I eigen an der Anode kann bei Messung der Elementströme durch Trennung von Anode und Kathode versuchstechnisch nicht erfasst werden. Wie aus der Gleichung in Bild 1 abgeleitet werden kann, ist eine Verringerung der Reaktionskinetik (ausgedrückt als I e ) u. a. durch eine Erhöhung der Teilwiderstände möglich. Hier setzt nun das Instandsetzungsverfahren 8.3 an: so soll u.a. durch Erhöhung des elektrolytischen Betonwiderstands der Ionentransport im Beton soweit behindert werden, dass der Korrosionsstrom auf ein unschädliches Maß reduziert wird. Diese Erhöhung des Betonwiderstandes soll durch signifikante Reduktion des Feuchtegehaltes des Betons erreicht werden. Hierzu wird auf die Betonoberfläche ein wasserdichtes Oberflächenschutzsystem (Beschichtung) appliziert, welches die weitere Wasseraufnahme verhindert. Gleichzeitig soll ein Austrocknen des Betons sichergestellt werden. Diese Austrocknung kann über die unbeschichtete Rückseite von Innenbauteilen oder idealerweise durch ein wasserdampfdiffusionsoffenes Oberflächenschutzsystem auf der Betonoberfläche erfolgen. Bild 1: Vereinfachte Darstellung des Korrosionsprozesses als elektrisches Ersatzschaltbild in Anlehnung an Raupach [RAU92] für die Anwendung des Instandsetzungsverfahren 8.3 Hierbei stellt sich zunächst die Frage, welche verbleibenden Elementströme (nachfolgend vereinfacht Korrosionsströme genannt) nach Austrocknung des Betons als unschädlich für das Bauteil zu bewerten sind. Hier sind in [AND04] eine Bewertung der Elementstromdichten hinsichtlich der Auswirkung auf die Lebensdauer der Bewehrung und eine Bewertung des spezifischen Elektrolytwiderstandes im Hinblick auf das Korrosionsrisiko der Bewehrung zu finden, siehe Tabelle 1. Tabelle 1: Auswirkungen der Elementstromdichte und des spezifischen Elektrolytwiderstands auf die Lebensdauer der Bewehrung [AND09] Spezifischer Elektrolytwiderstand Elementstromdichte Jährlicher Querschnittsverlust a Auswirkung auf die Lebensdauer der Bewehrung [Ωm] [µA/ cm²] [mm/ a] [-] 1 2 3 4 > 1.000 £ 0,1 £ 0,001 vernachlässigbar 500 - 1.000 0,1 - 0,5 0,001 - 0,005 gering 100 - 500 0,5 - 1,0 0,005 - 0,010 moderat < 100 > 1,0 > 0,010 groß a Berechnet nach Faraday für gleichmäßige Korrosion 116 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? 5. Bisherige Untersuchungen zur Anwendbarkeit des Verfahrens 8.3 In zahlreichen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass der spezifische Elektrolytwiderstand des Betons mit der Elementstromdichte (vereinfacht als Korrosionsstromdichte bezeichnet) korreliert. In Bild 2 sind die Untersuchungsergebnisse aus [AND04], [BRE04] und [HOR17] gemeinsam mit den Bewertungen aus Tabelle 1 in einer doppellogarithmischen Darstellung zusammengefasst. Dabei zeigt sich zum einen, dass in den zitierten Literaturstellen eine starke Korrelation zwischen spezifischem Elektrolytwiderstand und der Korrosionsstromdichte festgestellt wurde. Es zeigt sich aber auch, dass die Lage der Korrelationsgeraden sehr unterschiedlich ist. Bild 2: Zusammenhang zwischen gemessener Korrosionsstromdichte und spezifischem Elektrolytwiderstand [RAU09] mit Darstellung der Regressionsgerade nach [AND04], [BRE04] und [HOR17] Eine umfangreiche Untersuchungsreihe zu den Anwendungsgrenzen des Instandsetzungsprinzips W-Cl ist in [RAU09] beschrieben. Dabei wurde an unbeschichteten Probekörpern festgestellt, dass bei sehr trockener Lagerung (20 °C/ 50 % r. F.) auch bei Chloridgehalten von über 2 M.-%/ z eine erhebliche Reduktion der Korrosionsrate infolge der ansteigenden spezifischen Elektrolytwiderstände des Betons eintrat. So reduzierten sich die gemessenen Elementstromdichten (jeweils bezogen auf die Gesamtoberfläche des korrodierenden Stabes) nach einer Lagerung von 200 Tagen bei 20 °C/ 50 % r. F. im Mittel rd. um den Faktor zehn. Insgesamt lagen die gemessenen Elementströme meist immer noch um ein Vielfaches über den üblicherweise angenommenen Passivstromdichten. Lediglich die Prüfkörper aus einem Beton CEM III, w/ z = 0,55 zeigten Elementströme in einem Bereich, der nach Tabelle 1 als hinsichtlich der Lebensdauer der Bewehrung vernachlässigbar bzw. gering einzustufen ist, siehe Bild 2. Danach liegen die Messergebnisse von [RAU09] meist zwischen den Regressionsgeraden nach Brem [BRE04] und nach RILEM [AND04]. Es zeigt sich, dass die Bewertung des Korrosionsrisikos nach dem Elektrolytwiderstand entsprechend Tabelle 1 zum Teil stark auf der unsicheren Seite liegt. An einem Praxisbeispiel wird in [RAU17] gezeigt, wie durch tiefengestaffelte Messung des elektrolytischen Betonwiderstandes durch Verwendung der sogenannten Multiring-Elektroden [KOS17] das Austrocknen des Betons nach Applikation eines Oberflächenschutzsystems erfasst werden kann: bei dem Bauwerk handelt es sich um ein Parkhaus in halboffener Bauweise, das gut belüftet ist, was bezüglich der Trocknung günstig ist. Bei der Applikation des Oberflächenschutzsystems verblieb ein erhöhter Restchloridgehalt im Beton. Anhand der zeitlichen Widerstandsverläufe ist erkennbar, dass die elektrolytischen Widerstände des Betons auch noch im Zeitraum von 7 bis 14 Jahren nach der Applikation deutlich steigen. Das bedeutet, dass die Austrocknung des Betons, wie zu erwarten, nur sehr langsam abläuft, aber im Laufe der Zeit zu nennenswerten Austrocknungsgraden geführt hat. Teilweise ist nach 14 Jahren Austrocknung die obere Messbereichgrenze der verwendeten Messelektronik von 100 kΩ erreicht, was einem spezifischen Elektrolytwiderstand von rd. 10.000 Ωm entspricht. Hier kann nach Bild 2 von einer vernachlässigbaren Korrosionsaktivität ausgegangen werden. Hinsichtlich der erforderlichen „Trockenheit“ der Umgebungsluft zur Sicherstellung einer hinreichenden Austrocknung des Betons zeigen die Ergebnisse aus [BRE04], dass die anodischen Korrosionsströme bei Luftfeuchten oberhalb von 66 % r. F. nicht auf ein unschädliches Niveau abfallen. Erst bei Luftfeuchten um 50 % r. F. konnte in [RAU09] ein entsprechender Abfall bei einigen Prüfkörpern festgestellt werden. Es bedarf also sehr trockener Randbedingungen, dass der Beton soweit austrocknet, dass unschädliche Korrosionsaktivitäten zu erwarten sind. 6. Eigene Untersuchungen zur Anwendbarkeit des Verfahrens 8.3 Im Rahmen des o. g. DFG-Forschungsvorhabens wurde an Probekörpern mit unterschiedlichen Betonzusammensetzungen sowie einer Variation unterschiedlicher Oberflächenschutzsysteme anhand eingebauter Korrosionsstrom-Monitoring-Systeme untersucht, wie sich die korrosionsrelevanten Kenngrößen bei Auslagerung in trockenen Klimaten verändern. Zu den Kenngrößen zählen der spezifischen Elektrolytwiderstand des Betons (der bei Austrocknung ansteigen sollte) sowie Elementströme und Treibspannungen (die beide bei Austrocknung abfallen sollten) [RAU17]. Tabelle 2 zeigt die für die Prüfkörper eingesetzte Betonzusammensetzung sowie die verwendeten Oberflächenschutzsysteme (OSSysteme). Durch Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems (Beschichtung) werden die chloridbelasteten Stahlbetonbauteile vor einem weiteren Chlorideintrag und einer 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 117 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? erneuten direkten Wasserbeaufschlagung geschützt. Jede Beschichtung hemmt aber auch den Durchgang von Wasserdampf, insofern kann der darunter befindliche Beton nur verlangsamt austrocknen. Dabei bestimmt die Größe des Wasserdampf-Diffusionskoeffizienten (oder auch die diffusionsäquivalente Luftschichtdicke) der Beschichtung den Durchgang von Wasserdampf und damit auch, wie stark die Austrocknung verlangsamt wird. Hier gelten OS 4-Beschichtungen als eher diffusionsoffen und rissüberbrückende Beschichtungen mit einer Polyurethan-Dichtungsschicht (z. B. OS 11 Beschichtungen) als wasserdampf-diffusionssperrend. Im Rahmen der Untersuchungen wurden Beschichtungen ausgewählt, die ein breites Spektrum bezüglich der diffusionsäquivalenten Luftschichtdicken aufweisen. Tabelle 2: Betonzusammensetzung und verwendete Beschichtungssysteme Sorptionsisotherme: Es wurden u. a. die Sorptionsisotherme von Probekörpern mit der Betonmischung CI 0,5 bei Chloridgehalten 0 M.-%/ z, 2,0 M.-%/ z und 4,0 M.-%/ z untersucht. Dabei zeigte sich eine ausgeprägte Hysterese zwischen Adsorption und Desorption, vgl. Bild 3. Bild 3: Beispielhafte Darstellung der Sorptionsisotherme von Probekörpern ( CEM I, w/ z = 0,50) für unterschiedliche Chloridgehalte Für Chloridgehalte bis 2 M.-%/ z konnte über die Austrocknung keine relevante Beeinflussung der Ausgleichsfeuchte ermittelt werden. Erst bei sehr hohen Chloridgehalten von 4,0 M.-%/ z zeigte sich eine deutliche Verschiebung des Deliqueszenzpunkts in den Bereich niedriger Luftfeuchte. Insofern ist damit zu rechnen, dass die Austrocknung moderat chloridbelasteter Betone über die Zeit ähnlich ablaufen wie die Austrocknung chloridfreier Betone gleicher Betonzusammensetzung. Zeitliche Entwicklung des Elektrolytwiderstandes der Betone unter der Beschichtung: Nach dreimonatiger Konditionierung bei 98 % r. F. und anschließendem Aufbringen der Beschichtung erfolgte eine rund zwölfmonatige Auslagerung von seitlich abgedichteten Probekörpern bei einem definierten Laborklima von durchschnittlich 55 % r. F. und (21 ± 1)°C. Parallel wurden unbeschichtete Referenzprüfkörper über den gesamten Zeitraum bei 55 % r. F. und 98 % r. F. gelagert. Die Messung der Elektrolytwiderstände erfolgte in regelmäßigen Abständen an eingebauten Elektrodenleitern (in Anlehnung an [SCH99]) mittels einer Impedanzmessung bei 1.000 Hz. Nachfolgend werden die spezifischen Elektrolytwiderstände, ermittelt an Elektrodenpaaren mit einer mittleren Tiefenlage von rd. 10 mm, vorgestellt. Bild 4: Entwicklung der spezifischen Elektrolytwiderstände über den Untersuchungszeitraum exemplarisch für CEM I, w/ z = 0,50, 2 M.-% Cl - / z in Abhängigkeit von der applizierten Beschichtung und den Klimata 118 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? Die Ergebnisse in Bild 4 zeigen für die Prüfkörper ohne Beschichtung bei Lagerung in feuchtem Klima (98 % r. F.) erwartungsgemäß über die Zeit annähernd konstante Elektrolytwiderstände. Dagegen nehmen die Elektrolytwiderstände der Probekörper ohne Beschichtung bei Trockenlagerung in den ersten zehn Monaten kontinuierlich um den Faktor von rd. 40 gegenüber dem Ausgangswiderstand auf zuletzt rd. 1.500 Ωm zu. Die Elektrolytwiderstände der beschichteten Probekörper bei Trockenlagerung liegen bei zunehmender Auslagerungsdauer zwischen denen der unbeschichteten Probekörper in Trockenlagerung auf der einen Seite und denen der unbeschichteten Probekörper in Feuchtlagerung auf der anderen Seite. Dabei zeigen die Probekörper mit einer diffusionsoffenen OS 4 Beschichtung Elektrolytwiderstände, die sich zum Ende des Untersuchungszeitraums denen der unbeschichteten Probekörper bei Trockenlagerung annähern. Dagegen verharren die Elektrolytwiderstände der Probekörper mit OS 8 Beschichtung und der PU-Dichtungsschicht über den gesamten Untersuchungszeitraum auf einem niedrigen Niveau. Eine signifikante Austrocknung kann bei solchen diffusionssperrenden Beschichtungen erwartungsgemäß nicht festgestellt werden. Zeitliche Entwicklung der Korrosionsströme: Um die zeitliche Entwicklung der Korrosionsaktivität von beschichteten Prüfkörpern erfassen zu können, wurden Bewehrungsstahl-Anoden in chloridhaltige Betone eingebaut. Die Elementströme wurden gegen temporär kurzgeschlossene Titanmischoxid-Bänder als Kathode mittels ZRA-Messung (Zero Resistance Amperemeter) mit einem Potentiostaten (Gamry Reference 600) erfasst. Der Eigenkorrosionsanteil (siehe Bild 1) kann zwar mit dieser Messanordnung nicht ermittelt werden, dennoch wird der ermittelte Elementstrom nachfolgend vereinfachend als Korrosionsstrom bezeichnet. Zur Umrechnung der Korrosionsstromdichten aus den Korrosionsströmen (Elementströmen) wurden die Anoden nach Beendigung der Versuchsreihe ausgebaut und die Korrosionsnarben unter einem Auflichtmikroskop vermessen. Die Korrosionsstromdichten wurden daraufhin auf die gemessenen Anodenflächen bezogen. Bild 5 zeigt die zeitliche Entwicklung der Korrosionsstromdichten exemplarisch für die Probekörperreihe CEM I, w/ z = 0,5 und 2 M.-% Cl- / z, wobei analog zu Tabelle 1 die Korrosionsstromdichte von 0,1 µA/ cm² als vernachlässigbar hinsichtlich der Lebensdauer der Bewehrung strichliniert dargestellt ist. Analog zu den gleichbleibenden Elektrolytwiderständen (Bild 4) zeigen die Ergebnisse in Bild 5 für die Prüfkörper ohne Beschichtung bei Lagerung in feuchtem Klima (98 % r. F.) über die Zeit annähernd konstante Korrosionsstromdichten. Dagegen nehmen die Korrosionsstromdichten der Probekörper ohne Beschichtung bei Trockenlagerung in den ersten neun Monaten kontinuierlich um den Faktor 200 gegenüber den Korrosionsstromdichten bei Feuchtelagerung auf zuletzt unter 0,1 µA/ cm² (Passivstromdichte) ab. Ebenfalls analog zu den Elektrolytwiderständen liegen die Korrosionsstromdichten der beschichteten Probekörper zwischen denen der feucht bzw. trocken gelagerten Referenzprüfkörper. Die Korrosionsstromdichten der Probekörper mit einer eher diffusionsoffenen OS 4 Beschichtung nähern sich zum Ende des Untersuchungszeitraums denen der unbeschichteten Probekörper bei Trockenlagerung an. Dagegen verharren die Korrosionsströme der Probekörper mit einer OS 8 Beschichtung bzw. PU-Dichtungsschicht zuletzt bei rd. 10 µA/ cm² bis 20 µA/ cm² und liegen damit um den Faktor 100 bis 200 über den Passivstromdichten. Bild 5: Entwicklung der Korrosionsstromdichten über den Untersuchungszeitraum exemplarisch für CEM I, w/ z = 0,50, 2 M.-% Cl - / z in Abhängigkeit von der applizierten Beschichtung/ Klimata Bild 6: Korrosionsstromdichten zu Beginn der Auslagerung im Laborklima (90 d) und zu Ende des Untersuchungszeitraums in Abhängigkeit von der applizierten Beschichtung und den Klimata Bild 6 zeigt die Messergebnisse der Korrosionsstromdichten jeweils zu Beginn der Auslagerung im Laborklima (90 d) und zu Ende des Untersuchungszeitraums für sämtliche untersuchten Parameter (Betonzusammensetzungen, Chloridgehalte). Bei den Korrosionsströmen der beschichteten Probekörper nach rd. zwölfmonatiger Trockenlagerung sticht die Bedeutung des Chloridge- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 119 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? halts der Betone ins Auge: Bei Chloridgehalten von 1 M.-%/ z sind unabhängig von der Beschichtungsart Korrosionsstromdichten von max. 0,5 µA/ cm² festzustellen (nach [AND04], vgl. Tabelle 1, von geringer Bedeutung für die Lebensdauer der Bewehrung). Überwiegend liegen die Korrosionsstromdichten im Bereich der Passivstromdichte. Dagegen verweilen bei Chloridgehalten von 2 M.-%/ z die Korrosionsstromdichten der Probekörper mit diffusionssperrender Beschichtung/ Dichtungsschicht nach zwölfmonatiger Trockenlagerung teils deutlich über 1 µA/ cm² (nach [AND04] von großer Bedeutung für die Lebensdauer). Interessanterweise verbleiben bei CEM III-Betonen mit hohen Chloridgehalten (2 M.-%/ z) die Korrosionsstromdichten der Probekörper mit der diffusionsoffenen OS 4 Beschichtung im Untersuchungszeitraum mit rd. 1 µA/ cm² weit oberhalb der Passivstromdichte. Bild 7: Doppellogarithmische Darstellung der zum Ende der Auslagerung gemessenen spezifischen Elektrolytwiderstände und der Korrosionsstromdichten mit Vergleichswerten und Auswertung aus [RAU09], [BRE04] und [HOR17] Korreliert man nun die gemessenen Elektrolytwiderstände mit den Korrosionsstromdichten (alle Prüfkörper mit 2 M.-% Cl - / z) jeweils zum Ende des Untersuchungszeitraums, ergibt sich die in Bild 7 gezeigte Abhängigkeit. Die eigenen Ergebnisse wurden um die Ergebnisse aus [RAU09], [BRE04] und [HOR17]ergänzt. Oberhalb der von [BRE04] festgestellten Korrosionsstrom-Widerstands-Relation ist von einer Steuerung der Korrosionskinetik durch den Elektrolyten auszugehen, während bei Wertepaaren unterhalb der Beziehung eine anodische Steuerung vorliegt. Die Ergebnisse bei hohen Wassergehalten zeigen, dass die Streuungen zwar erheblich sind, aber die Werte um die von [BRE04] angegebene Korrelation streuen. Bei hohen Widerständen über 1.000 Ωm (verbunden mit geringen Wassergehalten) wird bei den meisten untersuchten Prüfkörpern eine anodische Steuerung dominant: Die Wertepaare liegen deutlich unterhalb der Brem‘schen Korrelation. Am Beispiel der Prüfkörper CEM III, w/ z = 0,6 zeigt sich aber auch, dass eine Bewertung der Korrosionskinetik über die Bestimmung des Elektrolytwiderstands nicht zielführend ist. So zeigten Prüfkörper mit einer OS 4 Beschichtung bei einem Elektrolytwiderstand von 2,1 kΩm eine Stromdichte von 5,1 µA/ cm² und damit ein aktives Verhalten, während Prüfkörper ohne Beschichtung bei einem Elektrolytwiderstand von 2,3 kΩm eine Stromdichte von 0,07 µA/ cm² unterhalb der Passivstromdichte aufwiesen. Somit sollte beachtet werden, dass der Nachweis eines Erfolgs des Instandsetzungsverfahrens 8.3 nicht maßgeblich über die Bestimmung des spezifischen Elektrolytwiderstandes erfolgt, sondern über die Messung der Korrosionsstromdichte. 7. Bewertung der Anwendungsgrenzen Erforderliche Umgebungsbedingungen am Bauteil: Das Instandsetzungsverfahren W-Cl setzt voraus, dass der Beton des Bauteils über die Zeit austrocknen kann. Deshalb muss sichergestellt werden, dass Wasser weder durch die beschichteten Oberflächen noch auf einem anderen Weg in das Bauteil eindringen kann. Insofern entfallen üblicherweise Bauteile, die in Kontakt mit Grundwasser oder feuchtem Baugrund stehen, wie WU-Bodenplatten oder WU-Tiefgaragen-Außenwände. Inwieweit auch der Anfall von Kondenswasser im Bauteilinneren durch z. B. Abkühlung des Bauteils im Winter ein Austrocknen auf unschädliche Wassergehalte verhindert, ist derzeit noch nicht geklärt. Bauteile, die den Anforderungen an die technische Austrockenbarkeit entsprechen können, sind z. B. beschichtete Zwischendecken oder aufgehende Innenbauteile. Für ein Austrocknen von feuchtem, chloridhaltigem Beton (Chloridgehalte - 1 M.-%/ z an der Bewehrung) ist eine möglichst geringe relative Luftfeuchte der Umgebungsluft erforderlich. Aus [BRE04] und den eigenen Untersuchungen kann abgeleitet werden, dass bei mittleren rel. Luftfeuchten über 65 % der Anstieg des Elektrolytwiderstands nicht ausreicht, die Korrosionsgeschwindigkeit auf praktisch vernachlässigbare Werte zu senken. Chloridgehalt am Stahl: In [TRIH20] wird empfohlen, ab einem Chloridgehalt von 1,5 M.-%/ z an der Bewehrung das Verfahren 8.3 nicht mehr anzuwenden. Dieser Anhaltswert konnte insoweit bestätigt werden, dass bei Chloridgehalten von 1 M.-%/ z unabhängig von der Beschichtung Korrosionsstromdichten ermittelt wurden, die hinsichtlich der Lebensdauer von geringer Bedeutung sind. Dagegen lagen die Korrosionsstromdichten bei Chloridgehalten von 2 M.-%/ z in Bereichen, die für die Lebensdauer des Bauteils kritisch sind. Insofern ist ab einem Chloridgehalt von über 1 M.-%/ z auf Höhe der Bewehrung mit einem erhöhten Risiko zu rechnen, mit der Konsequenz, dass die Anwendung des Instandsetzungsverfahren 8.3 vermutlich nicht erfolgreich ist. Bei 2 M.-% Cl-/ z konnte im Labor ein Erfolg an den meisten Prüfkörpern nicht nachgewiesen werden. 120 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? Art der Beschichtung: Die Beschichtung verlangsamt das Austrocknen von ursprünglich feuchtem Beton über die beschichtete Oberfläche. Damit verlängert sich der Zeitraum, in dem aktive Korrosion weitgehend ungebremst weiter abläuft. Insofern sollte bei aktiver Korrosion der Bewehrung bei feuchtem Ausgangsbeton ein möglichst diffusionsoffenes Beschichtungssystem appliziert werden. Befahrbare und vor allem rissüberbrückende Beschichtungssysteme verhindern ein Austrocknen durch die Beschichtung in hohem Maße. Aus den dargestellten Erkenntnissen lässt sich folgender in Bild 8 dargestellter Entscheidungsbaum für die Anwendung des Instandsetzungsverfahrens 8.3 bei bereits depassivierter Bewehrung abbilden. Bild 8: Entscheidungsbaum für die Anwendung des Instandsetzungsverfahrens 8.3 Sowohl die DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [RLSIB01] wie auch die Technische Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) [TRIH20] schreiben vor, dass der Erfolg der Instandsetzungsmaßnahme auf den Korrosionsfortschritt durch Monitoring nachzuweisen ist. Die im Rahmen des Forschungsvorhabens durchgeführten Untersuchungen deuten darauf hin, dass dabei maßgeblich die Bestimmung der Korrosionsstromdichte zielführend ist. Nur damit kann gesichert eine anodische Steuerung der Korrosionsprozesse nachgewiesen werden. Hinweise zur Planung und Ausführung des Korrosionsmonitorings sind in [MAY19] oder [MAY18] zu finden. Durch die Bestimmung der spezifischen Elektrolytwiderstände kann die Austrocknung des Betons nachgewiesen werden. Allerdings bedarf es neben der Austrocknung des Betons zusätzlich einer anodischen Steuerung der Korrosionsprozesse („Einschlafen der Lochnarbe“), um die Korrosionsströme auf unkritische Größen reduzieren zu können. Die Messung der freien Korrosionspotentiale ist ungeeignet, um Rückschlüsse auf die Korrosionsströme ziehen zu können. Dank Die Autoren bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung des Forschungsvorhabens „Anwendungsgrenzen des Instandsetzungsprinzips W-Cl“, das in Zusammenarbeit der Technischen Universität Kaiserslautern, Fachgebiet Werkstoffe im Bauwesen und der Hochschule München, Institut für Material- und Bauforschung durchgeführt wurde. Literatur [TRIH20] DIBt. 2020. Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung) - Teil 1 und Teil 2, Berlin : Beuth. [RLSIB01]DAfStb. 2001. Richtlinie - Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen. Berlin : Beuth. [BEC20] Becker F, Dauberschmidt C. 2020. Investigation on the effectiveness of the repair method 8.3 ‚‘Corrosion protection by increasing the electrical resistivity‘‘ in chloride-containing concrete Part 3: The influence on corrosion of chloride-contaminated concretes under protective coatings. Materials and Corrosion. Volume 71, Issue 5, S. 716-725 [DAU21] Dauberschmidt, C.; Breit, W.; Becker, F.; Celebi, A. 2021. Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Untersuchungen zu den Anwendungsgrenzen der Verfahren 7.7 und 8.3. In: Beton- und Stahlbetonbau 116 (2021), Nr. 4, S. 248 - 261 [RAU92] Michael Raupach. 1992. Zur chloridinduzierten Makroelementkorrosion von Stahl in Beton. Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, Heft 433, Dissertation. Berlin. Beuth. [AND04] Carmen Andrade, Maria Cruz Alonso. 2004. Test methods for on-site corrosion rate measurement of steel reinforcement in concrete by means of the polarization resistance Method, Materials and structures. Volume 37, Issue 9, S. 623-643 [BRE04] Martin Brem. 2004. Numerische Modellierung der Korrosion in Stahlbetonbauten. Dissertation. Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. [HOR17] Karla Hornbostel et. al. 2017. Limitations of the use of concrete bulk resistivity as an indicator for the rate of chloride-induced macrocell corrosion. Cement & Concrete Composites, Volume 39, S. 60-72. [RAU09] Michael Raupach, Michael Bruns, Jörg Harnisch. 2009. Instandsetzungsprinzip W-Cl 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 121 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? nach RL-SIB für die An-wendung bei chloridcontaminierten Parkdecks: Untersuchungen zur Höhe des Chloridgehalts der im Beton verbleiben darf. Abschlussbericht F 889. RWTH Aachen. [RAU17] Michael Raupach. 2017. Prinzip W bei Chloridangriff. Beton, Volume 67, Issue 10, S. 380-383. [KOS17] Marc Kosalla, Michael Raupach. 2017. Korrosion der Bewehrung im Bereich von Trennrissen nach kurzzeitiger Chlorideinwirkung. 2. Jahrestagung und 55. Forschungskolloquium des DAfStb Düsseldorf, 26. November - 27.November. [SCH99] Peter Schießl, Michael Raupach. 1999. Zerstörungsfreie permanente Überwachung der Korrosionsgefahr für die Bewehrung von Stahlbetonbauwerken - Sensorsysteme für den direkten und nachträglichen Einbau. Bauwerksdiagnose - Praktische Anwendungen zerstörungsfreier Prüfungen, München, 21. Januar - 22. Januar. [MAY19] Till F. Mayer et. al. 2019. Das Instandsetzungsprinzip W-Cl. Bautechnik, Volume 97, Issue 1, S. 2-10. [MAY18] Till F. Mayer, et.al. 2018. Korrosionsmonitoring von Stahlbetonbauwerken. Beton- und Stahlbetonbau, Vo-lume 113, Issue 9, S. 632- 639.