eJournals Kolloquium Parkbauten 10/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0208
2022
101 Technische Akademie Esslingen

Instandsetzung einer Großgarage im olympischen Dorf München von 1972 - Wie eine Betoninstandsetzung zur Generalinstandsetzung wurde

0208
2022
Robert Plückthun
Bisher war es in der Praxis Gang und Gäbe, dass bei Betoninstandsetzungen die anderen Gewerke wie z.B. Brandschutz, Elektro, Entwässerung und Lüftung nicht beachtet wurden, da ein Planungsbüro allein gewöhnlich nicht alle Bereiche abdeckt oder der Bauherr „nur“ den Beton instand setzen lassen wollte. Garageninstandsetzungen haben sich in Bayern durch die Klarstellung in den ergänzenden Hinweisen des bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr nun stark verändert. Je nach Sachbearbeiter der Stadt oder der Gemeinde schwanken die Anforderungen an die einzureichenden Unterlagen. Die Baueingabe für die Instandsetzung der Zentrumsgarage, Helene-Mayer-Ring 4-19, des Olympiadorfes in München deckte durch die Überprüfung des Brandschutzes u.a. einen Sanierungsstau auf, der die Sanierung aller Installationen der Garage hervorrief und die Kosten einer reinen Betoninstandsetzung im Vergleich zu einer Generalinstandsetzung verdoppelte.
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10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 155 Instandsetzung einer Großgarage im olympischen Dorf München von 1972 - Wie eine Betoninstandsetzung zur Generalinstandsetzung wurde Dipl.-Ing. (FH) Robert Plückthun bti Betontechnologische Ing.-Gesellschaft mbH, München Zusammenfassung Bisher war es in der Praxis Gang und Gäbe, dass bei Betoninstandsetzungen die anderen Gewerke wie z.B. Brandschutz, Elektro, Entwässerung und Lüftung nicht beachtet wurden, da ein Planungsbüro allein gewöhnlich nicht alle Bereiche abdeckt oder der Bauherr „nur“ den Beton instand setzen lassen wollte. Garageninstandsetzungen haben sich in Bayern durch die Klarstellung in den ergänzenden Hinweisen des bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr nun stark verändert. Je nach Sachbearbeiter der Stadt oder der Gemeinde schwanken die Anforderungen an die einzureichenden Unterlagen. Die Baueingabe für die Instandsetzung der Zentrumsgarage, Helene-Mayer-Ring 4-19, des Olympiadorfes in München deckte durch die Überprüfung des Brandschutzes u.a. einen Sanierungsstau auf, der die Sanierung aller Installationen der Garage hervorrief und die Kosten einer reinen Betoninstandsetzung im Vergleich zu einer Generalinstandsetzung verdoppelte. 1. Die Garage Zu den Olympischen Sommerspielen 1972 wurde auf dem Gelände des früheren Flugplatzes „Oberwiesenfeld“ das olympische Dorf errichtet. In überwiegend Stahlbeton-Fertigteil-Bauweise wurden verschiedenste Gebäude errichtet, die oberirdisch mit Fuß- und Radwegen verbunden wurden. Autos sollten in diesem „Dorf“ unsichtbar bleiben, weshalb die Fahrstraßen und Parkgaragen unter den Fuß- und Radwegen erbaut wurden. Nach den olympischen Spielen wurde das olympische Dorf in einzelne Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) untergliedert. Das Gelände des Olympiaparks steht seit 1998 unter Denkmalschutz und ist derzeit im Aufnahmeprozess zum UNESCO Weltkulturerbe. Die Zentrumsgarage des Helene-Mayer-Rings ist mit ihren gemäß den Plänen 1.013 Stellplätzen auf 4 verschiedene WEGs mit jeweils unterschiedlicher Hausverwaltung aufgeteilt. Sie besteht aus 4 versetzt übereinander liegenden Ebenen mit insgesamt ca. 30.000 m² Grundfläche. 2. Betoninstandsetzung Das Ingenieurbüro BTI wurde Ende 2016 beauftragt Betonuntersuchungen durchzuführen, die die Grundlage für ein Instandsetzungskonzept liefern sollten. Nach der Erstellung des Konzeptes inklusive Kostenschätzung und Kostenvarianten wurden die Ergebnisse auf allen vier Eigentümerversammlungen präsentiert und besprochen. Die verschiedenen Eigentümerversammlungen machten es notwendig einen „gleichlautenden“ WEG-Beschluss zu fassen, damit die Instandsetzung überhaupt beginnen konnte. Die WEGs beauftragten BTI schließlich 2018 mit der Ausschreibung der Betoninstandsetzung. Die Kosten der beauftragten Variante der Betoninstandsetzung wurden auf ca. 10,3 Mio. € brutto geschätzt. Der preisgünstigste Anbieter lag nach der Vergabeverhandlung bei 9,4 Mio. € brutto und wurde im Laufe des Jahres 2019 mit der Betoninstandsetzung in 3 Bauabschnitten beauftragt. Die Garageninstandsetzung wurde in 3 Bauabschnitte (2020 - 2022) übereinander aufgeteilt, damit die statisch notwendigen Abstützungen über alle Geschosse durchgestützt werden können. Dies hatte weiterhin den Vorteil, dass die mehr als 1.000 Stellplätze nicht auf einmal gesperrt werden mussten, die finanzielle Belastung der Eigentümer auf mehrere Jahre verteilt wird und im Winter die Parkplätze wieder genutzt werden können. 3. Baueingabe gem. BayBO / Prüfung Brandschutz Mit Schreiben vom 24.07.2017 hat das bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr unter Punkt 6 Ergänzende Hinweise erstmals das Thema Verfahrens- 156 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung einer Großgarage im olympischen Dorf München von 1972 - Wie eine Betoninstandsetzung zur Generalinstandsetzung wurde freiheit der Instandhaltungsarbeiten (Punkt 6.1) angesprochen: „Wir weisen darauf hin, dass Instandhaltungsarbeiten nur dann verfahrensfrei i.S.d. Art. 57 Abs. 6 BayBO sind, wenn keine Maßnahmen durchgeführt wer-den, mit denen vorübergehend oder dauerhaft erheblich in tragende und aussteifende Bauteile eingegriffen wird.“ (Zitat) Damit der 1. Bauabschnitt im März 2020 beginnen konnte, wurde die mittlerweile notwendige Baueingabe eingereicht. Hierbei wurden folgende Unterlagen an die Behörden verschickt: • Machbarkeitsstudie Brandschutz • Baueingabepläne • statische Berechnung Lastabtragung • Amtlicher Lageplan • Nachbarschaftsinformation (durch das Bauamt) Bei der Überprüfung des Brandschutzes wurden eklatante Mängel festgestellt, wie z.B.: • Brandmeldeanlage nicht vorhanden • CO 2 Anlage ist defekt • diverse Nutzungsänderungen, z.B. Nutzung als Werkstatt, Nutzung als Lagerraum • Beleuchtung teilweise nicht vorhanden oder defekt • Sicherheitsbeleuchtung defekt und teilweise gar nicht mehr vorhanden • Flucht- und Rettungswegkennzeichnung ist defekt • Brandschutztüren und -tore defekt Der im Volksmund weit verbreitete „Bestandsschutz“ kommt nur zum Tragen, wenn ein „materieller Bestandsschutz“ vorgelegen hätte. Prinzipiell besteht ein materieller Bestandsschutz, wenn: • bauliche Genehmigung unabhängig von den geltenden brandschutztechnischen Anforderungen nachweislich und vollständig vorliegt • zum Zeitpunkt der Erstellung die bei Errichtung geltenden brandschutztechnischen Anforderungen und die brandschutztechnischen Auflagen der Baugenehmigung vollumfänglich erfüllt waren • die Nutzung der baulichen Anlage seit der letzten gültigen Baugenehmigung nicht geändert oder angepasst wurde. • die Anlage baulich nicht verändert wurde Der Bestand war jedoch verändert, da diverse Änderungen an sicherheitstechnische Anlagen und baulichen Vorgaben stattgefunden haben. Eine Wiederherstellung war ebenfalls nicht möglich, da Teile nicht in Ihren Urzustand zurück „gebaut“ werden können. Es befanden sich z.B. Lüftungsrohre auf dem Nachbargrundstück, die entfernt werden mussten (keine Grunddienstbarkeiten vorhanden). Daher lag in diesem Fall kein Bestandsschutz vor! Aus diesem Grund musste das Brandschutzkonzept für die Garage neu entwickelt werden. 4. zusätzliche Gewerke (“Generalinstandsetzung”) Im Zuge der Neuplanung kann auch die vorhandene Lüftungsanlage nicht weiterverwendet werden. Für eine Heißentrauchung im Brandfall ist diese nicht geeignet. Fünf zusätzliche Entrauchungsbauwerke wurden nur für die Entlüftung erstellt. Komplett neue Lüftungsrohre sind geplant mit Brandschutzklappen zwischen den Brandabschnitten, die eine Ausbreitung des Rauches innerhalb der gesamten Tiefgarage im Brandfall verhindern. Im Bereich der Entwässerung werden die gesamten Leitungen der Garage ausgetauscht und neue brandschutzgeschottete Abläufe mit Begleitheizung eingesetzt. Die neue Entwässerung wurde nach Schmutz- und Regenwasser getrennt. Die Grundleitungen wurden mit Hilfe von Inlinern saniert und Revisionsschächte eingebaut. In den vorhandenen Sickerschächten wurden die Kiespackungen ausgetauscht und mit neuen druckwasserdichten Deckeln versehen. Die meisten vorhandenen Gullideckel konnten wegen Korrosion des Deckels nicht mehr geöffnet werden. Die Schachtdeckel der Schmutzwasserleitungen müssen ebenfalls ausgetauscht werden. Die bestehende Ölabscheideranlage wurde ausgebaut. Die Beleuchtung und Sicherheitsbeleuchtung werden komplett neu verlegt. Der vorhandene Trafo wurde ausgetauscht. Eine neue Niederspannungshauptverteilung (NSHV) wurde geplant und wird noch eingebaut. Die vorhandene zentrale Müllabsauganlage des olympischen Dorfes ist verstopft und kann nicht mehr in Betrieb genommen werden. Daher mussten Müllrohrleitungen, die die angrenzenden Häuser entsorgt haben, ausgebaut werden. Die Hauptleitung im Boden der Garage bleibt vorhanden. Dessen Demontage wird vom zentralen Dienstleister des Olympiadorfes gemeinschaftlich betreut und für ein späteres Bauvorhaben geplant. Im Bereich des Brandschutzes werden die Brandschutztüren und -toren ausgetauscht. Eine Brandmeldeanlage wird installiert und mit einem Fehlermelderegister versehen. Die Fluchtwege wurden komplett neu geplant. Aufgrund der baulichen Gegebenheiten konnte der Stand der Technik nicht überall eingehalten werden. Abweichungen vom Stand der Technik waren notwendig. • Die Überprüfung der statischen Berechnung verneinte eine zusätzliche Belastung durch einen Gefälleestrich bzw. Asphaltbelag mit Gefälle. Somit wird das vorhandene Gefälle unverändert bleiben! (teilweise 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 157 Instandsetzung einer Großgarage im olympischen Dorf München von 1972 - Wie eine Betoninstandsetzung zur Generalinstandsetzung wurde 0%! ). Das anfallende Wasser wird nach der Instandsetzung in Pfützen stehen bleiben. • Auf Wunsch der WEGs wurde abweichend von der Instandsetzungsrichtline des DAfStB auf den Zwischendecken eine vollflächige vliesarmierte PMMA- Abdichtung anstatt einer OS11-Beschichtung aufgebracht, da diese eine höhere Rissüberbrückung, höhere Dauerhaftigkeit und geringere Wartungsintervalle aufweist. • Die Bodenplatte sollte gemäß den Richtlinien beschichtet werden. Da diese kein WU-Bauteil (statisch nicht tragend) ist, wurde einvernehmlich festgelegt nur die Sockelbereiche der statisch tragenden Bauteile zu beschichten. • Vereinzelt wurden Fluchtweglängen (> 30 m) überschritten, da die Fluchtwege im Bestand vereinzelt durch Stellplätze versperrt werden. Ein Entfall (=Enteignung) des Stellplatzes ist nicht möglich. • Die Soll-Fluchtwegbreiten werden teilweise im Bestand unterschritten (nur 80 cm), weil die Fluchtwege von angrenzenden Bauteilen oder Stellplätzen eingeschränkt werden • Die Abtrennungen zwischen Rauch- und Brandabschnitten werden in Absprache mit dem PrüfSV Brandschutz vereinfacht unter Berücksichtigung der Einhaltung der Schutzziele durch F30-Türen ausgebildet. Im Normalfall werden F90-Türen gefordert. • Es wurde eine Freigabe der Münchner Stadtentwässerung für geringe „Überschwemmungsgefahr“ in der Tiefgaragenebene erwirkt. Hierbei wird eine Überschwemmung von einigen cm toleriert. Daher mussten keine zusätzlichen Sickerschächte in der Tiefgaragenebene installiert werden. Brandschutztechnische Abweichungen sind von Objekt zu Objekt anders und können nur im Rahmen der Grundlagenermittlung sowie der Prüfung des Bestandes und in Anpassung möglicher wirtschaftlicher Kompensationen festgelegt werden, d.h. brandschutztechnische Abweichungen sind objektabhängig und können nicht verallgemeinert werden. 5. Kosten und Fertigstellung Die Zahlen sind teilweise geschätzt und/ oder gerundet. In den oben genannten Zahlen sind Ingenieurhonorare enthalten. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zum derzeitigen Stand liegen folgende Kosten vor: Betoninstandsetzung 8.986.732 € Brandschutz 799.900 € Elektro 1.163.909 € Entwässerung 2.636.700 € Lüftung 2.235.000 € Spindeltreppen & Überdachungen 142.000 € Müllrohre 61.000 € Projektkoordination 270.000 € Baueingabe, Statik, PrüfSV Statik, PüfSV Brandschutz, SiGeKo 200.000 € Gesamt, netto 16.495.241 € MwSt., 19% 3.134.096 € Gesamt, Brutto 19.629.337 € Wie man erkennen kann hat sich die Instandsetzungssumme gegenüber der reinen Betoninstandsetzung verdoppelt. Aktueller Stand (Okt. 2021): Die Betoninstandsetzung BA I und II ist fertiggestellt. Der Beginn der Betoninstandsetzung des BA III ist für Februar 2022 geplant. Die ursprünglichen Kosten für die Betoninstandsetzung werden trotz Verschiebungen und notwendiger Hilfe der anderen Gewerke eingehalten. Die Tiefgaragenebene (BA I und BA II) ist derzeit (noch) gesperrt aufgrund fehlender Sicherheitseinrichtungen. Diese können erst nach Auftragserteilung von allen 4 WEGs ausgeführt werden. Ausführung der Nebengewerke für alle Ebenen ist zusammen mit der Betoninstandsetzung in 2022 geplant. Die Gesamtfertigstellung und damit -freigabe ist für Ende 2022 geplant. 6. Fazit: Diese Instandsetzung zeigt einmal mehr klar und deutlich, dass in der Praxis mit “kleineren” Sanierungen zu lange gewartet wird bis die Schäden immer größer werden. Teilweise müssen Wartungen durchgeführt werden (siehe Elektroinstallationen, Kontrolle Brandschutztüren und -tore etc.), werden aber trotzdem nicht veranlasst. Zukünftig regelmäßige Wartungen der Handwerksfirmen und Kontrollgänge durch Fachplaner sind zu empfehlen, damit große Instandsetzungen gar nicht erst entstehen.