eJournals Kolloquium Parkbauten 10/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0208
2022
101 Technische Akademie Esslingen

Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen, Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko?

0208
2022
Simon Bertsch
Die brandschutzfachlichen Belange von Parkbauten erleben aktuell auf zwei Themengebieten eine gestiegene Aufmerksamkeit. Zum einen wird in breiter Öffentlichkeit die Nutzbarkeit von Parkbauten für batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge diskutiert – und mitunter auch in Zweifel gezogen. Zum anderen wird, eher im Kreis der Fachwelt, die anstehende Änderung der Garagenverordnung diskutiert. Beiden Themengebieten gemein ist, dass sie zukünftig gewisse Auswirkungen auf die Planung und den Betrieb von Parkbauten haben werden. Aus diesem Grund wird nachfolgend der aktuelle Stand aus der Sicht des Brandschutzes erläutert und eingeordnet.
kpb1010217
10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 217 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? Dipl.-Ing. (FH) Simon Bertsch Prüfsachverständiger für Brandschutz, Nürnberg Zusammenfassung Die brandschutzfachlichen Belange von Parkbauten erleben aktuell auf zwei Themengebieten eine gestiegene Aufmerksamkeit. Zum einen wird in breiter Öffentlichkeit die Nutzbarkeit von Parkbauten für batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge diskutiert - und mitunter auch in Zweifel gezogen. Zum anderen wird, eher im Kreis der Fachwelt, die anstehende Änderung der Garagenverordnung diskutiert. Beiden Themengebieten gemein ist, dass sie zukünftig gewisse Auswirkungen auf die Planung und den Betrieb von Parkbauten haben werden. Aus diesem Grund wird nachfolgend der aktuelle Stand aus der Sicht des Brandschutzes erläutert und eingeordnet. 1. Die neue GaStVO Am 09.11.2020 veröffentlichte die Fachkommision Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (ArgeBau) ihre Anhörung zur Änderung der Muster-Garagen- und Stellplatzverordnung (M-GarStVO) [1]. Der Weg bis zur Einführung der Musterverordnung in den einzelnen Bundesländern wird noch ein weiter sein, dennoch sollten Planende sich bereits heute mit den sich ergebenden Änderungen befassen, denn diese sind - insbesondere was den Brandschutz betrifft - durchaus relevant. Vor Allem die geplante Änderung von Anforderungen an das Tragwerk und des Nachweises von Rettungswegen kann einen großen Einfluss auf den Entwurf von Parkbauten haben. Ohne Kenntnis dieser grundsätzlichen brandschutztechnischen Anforderungen ist es nicht möglich, ein Garagengebäude genehmigungsfähig zu planen. 1.1 Rechtliche Stellung Die von der Bauministerkonferenz veröffentlichte Musterverordnung hat für sich genommen keine rechtliche Außenwirkung. Sie dient den einzelnen Bauministerien der Länder als Grundlage zur Einführung einer eigenen Garagen- und Stellplatzverordnung. Viele Bundesländer führen nach einer bestimmten Übergangszeit die Musterverordnungen ohne Änderungen ein, einzelne Länder führen sie nach dem Einpflegen von Änderungen ein oder verzichten gänzlich auf die Einführung des Musters. Aktuell (Stand 11/ 2021) sind in allen Bundesländern Garagenverordnungen oder Garagen- und Stellplatzverordnungen eingeführt, die mehr oder weniger stark von der derzeit gültigen Musterfassung abweichen. In Abweichung von der aktuellen M-GaVO 2008 sind z. B. in Bayern für geschlossene Großgaragen in jedem Fall Brandmeldeanlagen gefordert [2], in Baden-Württemberg und vielen weiteren Bundesländern sind für unterirdische Geschosse von Großgaragen Löschwasseranlagen vorgeschrieben [3] und in Hessen sowie anderen Bundesländern werden Sicherheitsschleusen zwischen Garagen und Aufzugsvorräumen auch dann gefordert, wenn diese Aufzüge in feuerbeständigen Schächten liegen [4]. Es zeigt sich also: Sobald die neue M-GarStVO durch die ArgeBau veröffentlicht sein wird, gilt es die Umsetzung in den einzelnen Bundesländern genau zu beobachten. 1.2 Änderungen gegenüber der aktuellen Musterverordnung Trotz - oder gerade wegen - der zu erwartenden Anpassungen der Musterverordnung mit Einführung in den einzelnen Ländern lohnt sich bereits jetzt ein Blick auf die Änderungen gegenüber der bisherigen Muster-Garagenverordnung. Nachfolgend werden die für den Brandschutz relevanten Änderungen und deren Hintergründe näher erläutert: Titel Bereits der Titel der Verordnung soll eine Änderung erfahren: Statt einer Muster-Garagenverordnung wird die Verordnung nach dem Willen der Regelsetzer zukünftig als Muster-Garagen- und Stellplatzverordnung tituliert, 218 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? um klarzustellen, dass der Anwendungsbereich auch Kraftfahrzeugabstellflächen außerhalb von Garagen umfasst. § 1 Anwendungsbereich Neu aufgenommen wird ein eigener Paragraph, der den Anwendungsbereich der M-GarStVO absteckt. Dies folgt der generellen Gliederung von Verordnungen. Um in der Vergangenheit aufgetretene Fragestellungen zur bauordnungsrechtlichen Einstufung von Feuerwehrgerätehäusern und ähnlichen Gebäuden klarzustellen, wird die Angabe mit aufgenommen, dass Gebäude und Gebäudeteile die dem Brand- und Katastrophenschutz dienen, nicht in den Anwendungsbereich der M-GarSt- VO fallen. Die nachfolgenden Paragraphen werden durch das Einfügen des neuen § 1 neu nummeriert. § 2 Begriffe und allgemeine Anforderungen Nach dem vorliegenden Entwurf der M-GarStVO wird klargestellt, dass die Regelungen des Absatzes 1 zu offenen Garagen zukünftig ausschließlich für Mittel- und Großgaragen gelten. Die Definition offener Kleingargagen ist weiterhin abschließend in Absatz 2 geregelt. Damit wird nochmals klargestellt, dass Kleingaragen lediglich insgesamt ins Freie führende Öffnungen von einem Drittel der Gesamtfläche der Umfassungswände aufweisen müssen - diese jedoch nicht sich gegenüberliegend angeordnet sein müssen. In Absatz 7 wird neu geregelt, dass die Nutzfläche einer Garage auch Abstellplätze für Fahrräder, Fahrradanhänger und elektrisch betriebene Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind, umfasst. Damit wird zum ersten Mal deutlich gemacht, dass Fahrradabstellflächen funktionell einer Garagen zugehörig sein können. § 3 Zu- und Abfahrten Die Regelungen bzgl. Zu- und Abfahrten erfahren lediglich einzelne redaktionelle Änderungen. Außerdem wird konkretisiert, dass die zunächst erforderliche Länge einer Zu- oder Abfahrt von 3 m zwischen einer Garage und der öffentlichen Verkehrsfläche kürzer gehalten werden darf, wenn wegen der Sicht auf die öffentliche Verkehrsfläche aus Gründen der Verkehrssicherheit keine Bedenken bestehen. § 4 Rampen Die bisherigen Regelungen zu Rampen werden prinzipiell übernommen. Lediglich in Absatz 2 soll zukünftig eine exakte Angabe der maximal zulässigen Neigung von Rampenstücken, die zwischen der öffentlichen Verkehrsfläche und Rampenstücken mit mehr als 10 % Neigung aufgenommen werden. Diese zulässige Neigung wird 5 % betragen. § 5 Einstellplätze und Fahrgassen Der zukünftige § 5 regelt, dass Einstellplätze auf kraftbetriebenen, geneigten Hebebühnen in allgemein zugänglichen Garagen nicht zulässig sind. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass solche Anlagen nur einem festen Benutzerkreis nach umfangreicher Einweisung vorbehalten sein sollen. § 7 Wände, Decken, Dächer Zunächst wird im Entwurf der M-GarStVO der Hinweis mit aufgenommen, dass Öffnungen in Decken für Rampen zulässig sind, soweit sich aus Gründen der Brandabschnittsbildung keine weiterführenden Anforderungen ergeben. Für die Planung zukünftiger Bauvorhaben von großer Relevanz dürfte der vorgesehene Entfall der Erleichterung für oberirdische offene Garagen sein: Nach der bisherigen M-GaVO dürfen solche Garagen mit einem Tragwerk ohne klassifizierten Feuerwiderstand gebaut werden. Hintergrund dieser Regelung war bisher die Annahme, dass die freigesetzte Wärmeenergie eines Brandes aufgrund der großfächigen Öffnungen rasch ins Freie abgeleitet wird und daher das Tragwerk nicht so stark beeinträchtigt wird, dass es im Brandfall seine Tragfähigkeit verliert. Heutige Fahrzeuggenerationen weisen jedoch eine ca. um das 3-fache erhöhte Brandlast auf. Daher soll zukünftig auch für oberirdische Geschosse offener Garagen die Mindestanforderung „feuerhemmend und nichtbrennbar“ gelten, also ein klassifizierter Feuerwiderstand von 30 Minuten. Weitere Änderungen betreffen die Anforderungen an Bekleidungen und Dämmschichten an Wänden und unter Decken und Dächern. Wurden Wandbekleidungen und -dämmungen bisher nicht reglementiert, sollen hierfür fortan die gleichen Baustoffanforderungen wir an Bekleidungen und Dämmschichten unter Decken und Dächern gelten: Für diese Bauteile sind nichtbrennbare Baustoffe erforderlich. § 8 Außenwände Zukünftig werden nicht mehr die eigentlichen Außenwände, sondern insbesondere deren Oberflächen und Bekleidungen reglementiert werden. Für diese Bauteile sind an Mitte- und Großgaragen zukünftig nichtbrennbare Baustoffe vorgesehen. Dies ermöglicht prinzipiell auch Außenwände aus brennbaren Baustoffen, die allseitig nichtbrennbar verwahrt werden. § 9 Trennwände, sonstige Innenwände, Tore und Einbauten Der Regelungsbereich des § 9 wird um Einbauten erweitert und vor allem um die Anforderung ergänzt, dass Einbauten wie mechanische Parksysteme die Löscharbeiten, die Lüftung und die Rauch- und Wärmeableitung nicht behindern dürfen. Als weitere klarstellende Regelung wird neu aufgenommen, dass auch „fremde“ Leitungsanlagen durch Garagen führen dürfen. Ausgenommen hiervon sind 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 219 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? Hoch- und Mittelspannungsleistungen sowie Gasversorgungsleitungen. § 10 Gebäudeabschlusswände Im § 10 wird die bisherige Anforderung „feuerbeständig“ wird in „hochfeuerhemmend mit zusätzlicher mechanischer Beanspruchung“ abgemindert. Dies entspricht den Anforderungen an die Gebäudeklasse 4 nach Musterbauordnung. § 11 Wände und Decken von Kleingaragen Hier werden neben einigen redaktionellen Änderungen auch neue Festlegungen zur Verbindung von Kleingaragen zu anderen Kleingaragen und nicht zur Kleingarage gehörenden Räumen aufgenommen. Öffnungen in solchen Trennwänden müssen feuerhemmend, dicht- und selbstschließend ausgebildet werden. § 12 Brandabschnitte Das bisherige System der Unterteilung von Garagen in Rauchabschnitte soll zugunsten von Brandabschnitten aufgegeben werden. Die Größe der bisherigen Rauchabschnitte wird für Brandabschnitte übernommen, die zukünftig durch Brandwände zu unterteilen sind. Türen und Tore in diesen Brandwänden müssen dann mit feuerbeständigen bzw. bei Vorhandensein einer selbsttätigen Feuerlöschanlage feuerhemmenden Abschlüssen versehen werden. Die Neuregelung folgt der Erkenntnis einer deutlich gestiegenen Brandlast heutiger Fahrzeuggenerationen und soll der Brandausbreitung vorbeugen sowie wirksame Löscharbeiten ermöglichen. § 13 Verbindungen zu Garagen und zwischen Garagengeschossen Im Entwurf zur M-GarStVO werden in § 13 die Anforderungen an Türen von Sicherheitsschleusen präzisiert. Insbesondere wird klargestellt, dass der Abstand der Türen innerhalb einer Sicherheitsschleuse mindestens 3 m betragen muss, damit die Personenrettung mit einer Trage durch die Sicherheitsschleuse möglich ist, ohne dass beide Türen gleichzeitig geöffnet sein müssen. § 14 Rettungswege Weitreichende Änderungen erfährt der § 14, in dem die Rettungswege von Garagen geregelt werden. Jedes Geschoss muss in jedem Brandabschnitt zwei voneinander unabhängige Rettungswege aufweisen, von denen jedoch einer durch einen benachbarten Brandabschnitt geführt werden darf. Die bisherige Bemessung der Rettungsweglänge sah einen Zirkelschlag von 30 m bis zum Treppenraum vor. Diese in Luftlinie gemessene Entfernung zum Treppenraum führte über Stellplätze und Fahrgassen hinweg, jedoch nicht durch Bauteile hindurch. Zukünftig soll die zulässige Entfernung des nächst gelegenen Treppenraums nicht mehr in Luftlinie sondern in Lauflinie bemessen werden. Eine Führung des Rettungsweges über Einstellplätze hinweg wird im vorliegenden Entwurf ausgeschlossen. Diese Regelungen führen dazu, dass der Nachweis von Rettungswegen sich grundsätzlich verändern wird. Nach Auswertung verschiedener früherer Planungen des Verfassers werden sich für weitgehend symmetrische Parkbauten keine wesentlichen Änderungen ergeben. Für Parkbauten mit komplexen Geometrien wie Tiefgaragen unter Wohnanlagen oder Verkaufsstätten jedoch wird unter den avisierten Neuregelungen die Nachweisführung des Rettungsweges deutlich verschärft. § 15 Beleuchtung, Sicherheitsbeleuchtung, Gebäudefunkanlagen Neben Neuregelungen zur Allgemeinbeleuchtung ohne brandschutztechnischen Auswirkungen sollen nach dem Entwurfsstand auch geänderte Regeln für die Ausstattung von Rettungswegen mit beleuchteten Kennzeichen aufgenommen werden. Bisherige Regelungen, die lediglich eine Beleuchtung vorsahen, werden damit ergänzt. Ebenfalls wird die erforderliche Betriebsdauer der Sicherheitsbeleuchtung präzisiert, die mit 30 Minuten angegeben wird. Neu aufgenommen wird darüber hinaus eine Festlegung zum Erfordernis einer Gebäudefunkanlage. Diese wird in Großgaragen erforderlich, die entweder mehr als 4 m unter oder mehr als 22 m über der Geländeoberfläche liegen, wenn die Funkkommunikation der Feuerwehr durch bauliche Anlagen gestört wird. § 17 Feuerlöschanlagen, Rauch- und Wärmeabzug Zur Unterstützung der Feuerwehr aus einsatztaktischen Gründen sollen Mittel- und Großgaragen, die entweder mehr als 4 m unter oder mehr als 22 m über der Geländeoberfläche liegen, zukünftig in unmittelbarer Nähe für jeden notwendigen Treppenraum mit trockenen Löschwasserleitungen ausgestattet werden. Darüber hinaus werden Anforderungen für die Rauchableitung aus geschlossenen Großgaragen formuliert: Demnach sind ins Freie führende Öffnungen mit 0,1 m² je Einstellplatz vorzusehen, die im Decken- oder oberen Wanddrittel liegen sollen. Alternativ sind mechanische Rauch- und Wärmeabzugsanlagen vorzusehen. Die vorstehenden Regelungen sind bereits heute in vielen Garagenverordnungen in dieser oder ähnlicher Form enthalten. Sie dienen der Ermöglichung wirksamer Löscharbeiten durch eine ausreichende Löschwasserbereitstellung und Schaffung von auskömmlichen Sichtbedingungen im Brandraum. § 18 Brandmeldeanlagen Brandmeldeanlagen mit automatischen und nichtautomatischen Brandmeldern sollen zukünftig in geschlossenen Garagen mit einer Grundfläche von mehr als 2.500 m² verpflichtend vorgesehen werden. Da der Brand in einer geschlossenen Garage eine erhebliche Herausforderung 220 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? für die Einsatzkräfte der Feuerwehr darstellt, soll mit einer schnellen Branddetektion die Aufnahme der Löschmaßnahmen in einem frühen Brandstadium ermöglicht werden. Weiter wird in der Entwurfsfassung ausgeführt, dass bei Vorhandensein einer automatischen Feuerlöschanlage keine zusätzlichen automatischen Brandmelder erforderlich sind. Diese Festlegung geht bereits aus den normativen Vorgaben für Brandmeldeanlagen hervor und dient entsprechend vorwiegend zur Klarstellung. § 19 Betriebsvorschriften für Garagen Klarstellend wird in die Regelungen zu Betriebsvorschriften für Garagen aufgenommen, dass bestimmtes brennbares Fahrzeugzubehör in geringem Umfang außerhalb von Fahrzeugen aufbewahrt werden darf, wenn die Nutzbarkeit des Einstellplatzes nicht beeinträchtigt wird. Die Regelung zielt insbesondere auf einen Satz Reifen, Dachboxen, Kindersitze u.ä. ab. Ebenfalls neu aufgenommen wird die Regelungen, dass außer Kraftfahrzeugen auch Fahrräder, Fahrradanhänger und sonstige elektrisch betriebene Fahrzeuge abgestellt werden dürfen, wenn dies außerhalb der Rettungswege und Verkehrsflächen erfolgt. § 20 Bauvorlagen, Feuerwehrpläne Neu aufgenommen wird das Erfordernis, den Bedarf von Feuerwehrplänen für Mittel- und Großgaragen im Rahmen der Erstellung der Bauvorlagen mit der Brandschutzdienststelle abzustimmen und diese entsprechend der Vorgaben der Brandschutzdienststelle anzufertigen. 1.3 Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der vorliegende Entwurf zur M-GarStVO Neuregelungen insbesondere im Bereich der Brandschutzanforderungen an die Bauteile einer Garage und an ihre Rettungswege vorsieht. Die im Entwurf vorgesehenen Neuregelungen basieren hauptsächlich auf der Erkenntnis gestiegener Brandlasten moderner Fahrzeuggenerationen, die sich unabhängig von der Antriebsart vor Allem aufgrund des gestiegenen Anteils an Kunststoffen und der Fahrzeugelektronik ergibt. Für den Entwurf zukünftiger Bauvorhaben dürften insbesondere die gestiegenen Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden Bauteile offener oberirdischer Großgaragen, die Unterteilung in Brandabschnitte und der geänderte Nachweis der Rettungswege relevant werden. Keine gesonderte Behandlung finden die zukünftig wohl häufiger werdende Ausstattung von Garagen mit Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sowie die generelle Nutzung von Parkbauten mit solchen Fahrzeugen. Dies ist insofern konsequent, dass die bisherigen Fassungen der Garagenverordnung keinen Unterschied in der Antriebsart der die Parkbauten nutzenden Fahrzeuge machen und die Regelungen für Garagen auch bei einer Nutzung durch Elektro- und Hybridfahrzeuge ein ausreichendes Sicherheitsniveau schaffen. Es bleibt abzuwarten, welche der vorstehend beschriebenen Änderungen Eingang in die Endfassung der M- GarStVO finden werden und wie die einzelnen Bundesländer sich bzgl. deren Umsetzung positionieren. 2. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? Im Februar des Jahres 2021 ereignete sich in Kulmbach bemerkenswertes: Der Brand eines Fahrzeuges (wohlgemerkt eines solchen mit Verbrennungsmotor) in einer städtischen Tiefgarage hatte einige Monate zuvor einen erheblichen Schaden verursacht, der auch die tragende Stahlbetonstruktur des Gebäudes betraf. Die Sanierungskosten beliefen sich auf ca. 200.000 € und dauerten 5 Monate. Als Reaktion erfolgte in besagtem Februar die Sperrung einer Tiefgarage und eines Parkhauses für Elektro- und Hybridfahrzeuge durch die Stadtverantwortlichen. Begründet wurde dies vor Allem mit Bedenken wegen des Brandschutzes: Insbesondere wurde ins Feld geführt, dass brennende Akkus in Fahrzeugen nicht gelöscht werden könnten und ein entsprechender Fahrzeugbrand sich daher über mehrere Tage hinziehen könne. Auch sei die Deckenhöhe in Tiefgaragen zu niedrig, um brennende Fahrzeuge mit schwerem Gerät aus der Garage zu bergen. Bei einem folglich über mehrere Tage im Parkgebäude brennenden Fahrzeug sei mit enormen Schäden für die Statik des betroffenen Gebäudes zu rechnen. Bereits einige Wochen zuvor im Januar 2021 wurde ein Parkhaus in der Altstadt von Leonberg für Elektrofahrzeuge gesperrt. Auch hier wurden Bedenken wegen des Brandschutzes als Begründung genannt. Dies sind zwei Beispiele unter vielen, die verdeutlichen dass batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge von verschiedenen Stellen aus brandschutzfachlicher Sicht durchaus kritisch betrachtet werden. In der täglichen Arbeit als Brandschutzsachverständiger wird der Verfasser ebenfalls regelmäßig mit Bedenken der Genehmigungsbehörden konfrontiert, wenn es darum geht die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen im Rahmen von Brandschutzkonzepten für Tiefgaragen und sonstige Parkbauten nachzuweisen. Mit dem Verweis auf die Möglichkeit der Einfahrt oder des Ladens von Elektro- oder Hybridfahrzeugen in Garagen werden nicht selten höhere Anforderungen an den Brandschutz gestellt als es in den geltenden Regelungen eigentlich der vorgesehen ist - sei es die Herstellung von Hydrantenanlagen oder die Ausweisung von speziellen Parkflächen für solche Fahrzeuge in der Nähe der Zufahrtsrampen. Dies führt zu der grundsätzlichen Frage: Sind Elektro- und Hybridfahrzeuge als gefährlicher einzustufen als 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 221 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? konventionell betriebene Fahrzeuge? Worin liegen die Herausforderungen und wie ist mit diesen umzugehen? (Feuer)Gefährlichkeit von Elektrofahrzeugen Aktuelle Statistiken belegen, dass Elektrofahrzeuge nicht häufiger in Brand geraten als konventionell betriebene Fahrzeuge. Vielmehr ist aktuell die Zahl der Fahrzeugbrände pro zurückgelegtem Kilometer bei E-Autos deutlich geringer als bei Verbrennern. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die elektrisch betriebene Fahrzeugflotte im Durchschnitt wesentlich jünger ist als der Durchschnitt der konventionell betriebenen Fahrzeuge, allerdings zeigt sich ausdrücklich keine erhöhte Brandentstehungsgefahr. Bei der Beurteilung der Brandgefahren sollte jedoch der geplante Ausbau der Ladeinfrastruktur im Bereich von Stellplätzen innerhalb von Gebäuden im Blick behalten werden. Denn während des Ladevorgangs ist eine Batterie elektrochemisch in einem „aktiven“ Zustand und die Entstehung eines Brandes ist trotz der Überwachung und Steuerung durch sicherheitstechnische Komponenten der Ladestation prinzipiell möglich. Im Brandfall ist die Wärmefreisetzungsrate batterieelektrisch betriebener Fahrzeuge ebenfalls nicht wesentlich höher als bei konventionellem Antrieb und die Gesamtbrandlast beider Fahrzeugtypen ist miteinander vergleichbar [5]. Wichtiger scheint bei der Bewertung von batterieelektrischen Fahrzeugen die Fragestellung zu sein, wie im Schadensfall ein Brand konkret abläuft. Wesentlich für die brandschutzfachliche Bewertung von Brandszenarien für E-Autos sind insbesondere drei Faktoren: • Das Ablöschen einer in Brand geratenen Fahrzeugbatterie erfordert einen deutlich höheren Löschmitteleinsatz [6]. • Abgelöschte Batterien können sich infolge von strukturellen Schäden in den Batteriezellen jederzeit wieder entzünden • Bei dem Brand einer Antriebsbatterie werden im Vergleich zu konventionell betriebenen Fahrzeugen unter Umständen höhere Mengen an gefährlichen Stoffen, insbesondere Fluorwasserstoff, freigesetzt [5] Nimmt man diese zwischenzeitlich bekannten Rahmenbedingen etwas genauer unter die Lupe, ergibt sich folgendes Bild: Löschwasserbedarf Das Ablösche eines konventionell betriebenen Fahrzeugs benötigt in der Regel 500 - 1.000 Liter Löschwasser. Da ein brennendes Fahrzeug eine relativ keine Brandfläche darstellt und ein Ablöschen sehr zielgerichtet erfolgen kann, geht der Löschangriff also mit einer geringen Löschwassermenge einher, die meist mit dem auf dem Feuerwehrfahrzeug mitgeführten Löschwasser bewältigt werden kann. In Brand geratene Antriebsbatterien von Elektrofahrzeugen erfordern einen immens höheren Löschwassereinsatz, da dieses zum weitergehenden Kühlen des Akkus erforderlich wird. Da die Antriebsbatterie oft tief im Fahrzeuginneren eingebaut ist, lässt sich das Löschmittel nicht zielgerichtet einsetzen, was die Effizienz des eingesetzten Mittels weiter schmälert. Erfahrungen zeigen, dass häufig mindestens 10.000 Liter Löschwasser in einem solchen Einsatz erforderlich werden, also ein um das 10bis 20-fache vergrößerter Löschwassereinsatz erforderlich wird [7]. Ist dieser unbestritten deutlich höhere Löschwasserbedarf ein generelles Problem dar? Diese Frage kann in den meisten Fällen mit einem klaren „nein“ beantwortet werden. Das in erschlossenen Baugebieten mindestens vorhandene Löschwasserdargebot beträgt 48 m³/ h, meist sogar das 2- oder 4-fache dieser Menge [8]. Die in den Brandschutzbzw. Feuerwehrgesetzen der einzelnen Bundesländer festgeschriebene Löschwassermenge sorgt also dafür, dass Löschmittel auch für eine wirksame Brandbekämpfung von E-Fahrzeugbränden ausreichend vorhanden sind. Selbstverständlich stellt der gesteigerte Löschwasserbedarf eine gegenüber konventionellen Fahrzeugbränden erhöhte Arbeitsbelastung für die Einsatzkräfte dar. Diese ist aber noch deutlich geringer als z. B. bei einem Wohnungsbrand und liegt daher ebenfalls weit im zulässigen und zumutbaren Bereich. Wiederentzünden Ein Batteriebrand wird durch das Phänomen des sog. thermal runaway, des thermischen Durchgehens, geprägt. Dieser Mechanismus zeichnet sich durch eine Überhitzung der Batterie aufgrund von chemischen Reaktionen im Inneren einer Batteriezelle aus. Die entstehende Temperatur führt schnell zu einem Bersten der benachbarten Zellen, durch die immer weitere leicht entzündliche Gase freigesetzt werden was zu einem Fortschreiten des Batteriebrandes führt. Ohne eingreifende Maßnahmen von Außen ist dieser Prozess nicht zu stoppen und wird im Schadensfall jeweils das gesamte Batteriemodul erfassen. Eine Unterbrechung dieser Kettenreaktion ist nur durch eine Abführung der entstehenden Wärmeenergie möglich. Eine Kühlung der gesamten Batteriezelle z. B. durch (Lösch)Wasser ist hierbei der geeignete Weg. Da bereits lokale Temperaturen von 80 - 100°C zu dem oben beschriebenen thermal runaway führen könne, besteht auch nach Ablöschen des eigentlichen Brandes die Gefahr eines Wiederentzündens. Dieser Gefahr lässt sich nur durch eine permanente Kühlung der schadhaften Batterie bis zum vollständigen Abklingen der Reaktionen begegnen. Häufig werden daher entsprechende Fahrzeuge nach der erfolgten Brandbekämpfung aus der baulichen Anlage verbracht und in einem Wasserbecken verwahrt. 222 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? Schadstofffreisetzung Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Batteriebränden je nach Zellchemie und Rahmenbedingungen des Brandes erhöhte Konzentrationen von Schadstoffen freigesetzt werden können, die sich in ihrer Stoffzusammensetzung von jener bei Bränden konventioneller Fahrzeuge deutlich unterscheiden. Insbesondere eine erhöhte Freisetzung von Fluorwasserstoff ist hier zu nennen, da dieser gasförmige Giftstoff durch die Haut aufgenommen werden kann und damit ein erhöhtes Gefahrenpotential für die Einsatzkräfte mit sich bringt. Mit Einhaltung der z. B. in den Feuerwehrdienstvorschriften beschriebenen bereits geltenden Festlegungen zum Eigenschutz wird diesen Gefahren bereits heute in auskömmlichem Maße Rechnung getragen. Fazit Wie oben bereits beschrieben stellt die Nutzung von Parkbauten mit Elektrofahrzeugen keine Sondernutzung dar, sondern ist im Rahmen der allgemeinen Festlegungen zum Brandschutz für Parkbauten bereits berücksichtigt. Eine nennenswert erhöhte Beanspruchung der Tragstruktur von Parkbauten ist im Brandfall von Elektrofahrzeugen nicht zu erwarten. Auch der sich für solche Fahrzeuge erhöht darstellende Löschwasserbedarf liegt innerhalb eines Rahmens, der mit den bereits bestehenden Infrastruktur in auskömmlicher Weise bewältigt werden kann. Insofern stellen elektrisch betriebene Fahrzeuge aus Sicht des Verfassers aktuell keinen Anlass dar, die brandschutztechnischen Anforderungen für Garagen und sonstige Parkbauten signifikant zu verändern oder zu erhöhen. Eine regelkonforme Ausführung und zuverlässige Wartung der Ladeinfrastruktur innerhalb von Parkbauten ist hierbei jedoch unerlässlich und sollte ggf. durch wiederkehrende Prüfungen von Sachverständigen begleitet werden. Die Ausstattung von Garagen mit Schnellladesäulen, also einer Ladeleistung ab 22 kW ist aufgrund der damit einhergehenden Batteriebelastung als kritisch zu sehen. [1] Anhörung zur Änderung Muster-Garagen- und Stellplatzverordnung der Bauministerkonferenz vom 09.11.2020 [2] Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV) vom 30. November 1993 (GVBl. S. 910, BayRS 2132-1-4-B), letzte Änderung durch § 3 der Verordnung vom 7. August 2018 (GVBl. S. 694) [3] Verordnung des Wirtschaftsministeriums über Garagen und Stellplätze (Garagenverordnung - GaVO) Änderung 2020 (GBl. S. 1182, 1191) [4] Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen und Stellplätzen (Garagenverordnung - GaV) Änderung 2012 (GVBI. S. 622) [5] Toxic Gases from Fire in Electric Vehicles, RISE Report 2020: 90 [6] https: / / www.empa.ch/ de/ web/ s604/ brandversuchelektroauto [7] https: / / www.hna.de/ lokales/ kreis-kassel/ mehrloeschwasser-bei-akkubrand-90072270.html [8] DVGW-Arbeitsblatt W405, Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e. V. Technisch-wissenschaftlicher Verein