Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
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Technische Akademie EsslingenPolyurea, ein Werkstoff der Zukunft?
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Marcus Kopp
Wir kennen die gängigen Oberflächenschutzsysteme gemäß der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzen von Betonbauteilen“ [1]. Die Oberflächenschutzsysteme sind für verschiedene Anwendungsbereiche ausgelegt. Dafür wurden in der besagten Richtlinie Anforderungen und Eigenschaften der Systeme definiert. Leider gibt es keine reglementierte Unterscheidung der Nutzungseigenschaften bzw. Frequentierung von Parkbauten, sondern lediglich Empfehlungen bzw. Ableitungen von Fachleuten aus den letzten Jahrzehnten. Öffentliche Bauten in Innenstädten sind weit höher befahren als das in einer Eigentümerwohnanlage am Stadtrand der Fall ist. Ableitend aus sehr guten Erfahrungen im Bereich Gewässerschutz erprobten wir in Objektversuchen den Einsatz einer direkt befahrenen Abdichtungsmembran, die im Heißspritzverfahren appliziert wird: Polyurea.
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10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 235 Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? Polyurea am Beispiel Parkhausinstandsetzung Marcus Kopp Leiter Technik Construction Systems D/ A/ CH Master Builders Solutions, Oldenburg Wir kennen die gängigen Oberflächenschutzsysteme gemäß der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzen von Betonbauteilen“ [1]. Die Oberflächenschutzsysteme sind für verschiedene Anwendungsbereiche ausgelegt. Dafür wurden in der besagten Richtlinie Anforderungen und Eigenschaften der Systeme definiert. Leider gibt es keine reglementierte Unterscheidung der Nutzungseigenschaften bzw. Frequentierung von Parkbauten, sondern lediglich Empfehlungen bzw. Ableitungen von Fachleuten aus den letzten Jahrzehnten. Öffentliche Bauten in Innenstädten sind weit höher befahren als das in einer Eigentümerwohnanlage am Stadtrand der Fall ist. Ableitend aus sehr guten Erfahrungen im Bereich Gewässerschutz erprobten wir in Objektversuchen den Einsatz einer direkt befahrenen Abdichtungsmembran, die im Heißspritzverfahren appliziert wird: Polyurea. Es werden seit vielen Jahren OS 11 a/ b, OS 10 sowie OS 8 Systeme auf Basis Polyurethan, PMMA, Epoxidharz usw. mit dem Ziel verbaut, die Dauerhaftigkeit von befahrenen Parkdecks sicherzustellen. Das wichtigste Ziel: Fernhalten von Chloriden von der Bewehrung. Auch die Belastungen der Bauwerke sind unterschiedlich, eine Tiefgarage mit relativ konstanten Temperaturen gegenüber einem Freideck, komplett der Witterung ausgesetzt. Chlorideintrag durch Tausalze im Winter sind immer ein Thema. Parkbauten sind stark beanspruchte Bauwerke, die gewartet werden müssen, um dem Substanzerhalt und der Dauerhaftigkeit sowie der Standsicherheit über den gesamten Nutzungszeitraum zu dienen. Eine wesentliche Ursache für Stahlkorrosion in Parkbauten ist das Eindringen von Chloriden in den Beton. In Parkbauten wird kein Salz gestreut, es gelangt allerdings über die Schleppnässe durch Fahrzeuge in die Bauten hinein. Durch Risse bahnt sich das Salz einen Weg zum Stahl und schwächt diesen. Die Bewehrungskorrosion setzt ein. Risse entstehen durch verschiedene Ursachen. Mechanische Belastungen durch die Befahrung gehören hier genauso wie Einwirkungen durch Temperaturwechsel genannt. Um einen Widerstand gegen den Einfluss von Frost-Taumittel-Einwirkungen zu erzielen, sind Maßnahmen erforderlich. Oberflächenschutz-systeme sind dafür ein weit verbreiteter Lösungs-ansatz. Auch ist seit einigen Jahren zu beobachten wie immer größere Fahrzeuge, SUVs sind hier gemeint, am Gesamtverkehrs-aufkommen immer mehr Anteile gewinnen. Diese haben mehr Gewicht, größere Reifen und damit mehr Kontaktfläche auf die Böden und durch die Servolenkungen erzeugen sie punktuelle Bewegungen bei Rangierereien, was die Beläge häufig mit Abnutzung honorieren. Abb. 1: Anforderungen Verschleiß Alle die genannten Systeme erfüllen die Prüfanforderungen hinsichtlich Rissüberbrückung und Verschleißfestigkeit, leider nicht zusammen, sondern jedes System hat seine besonderen Eigenschaften: OS 8 z. B. speziell die Verschleißfestigkeit für Rampen und Kurven-bereiche, OS 11 a die Rissüberbrückungs-fähigkeit auf freibewitterten Parkdecks. Die oftmals in der Sanierung benötigte knapp bemessene dynamische Rissüberbrückung brachte uns schon vor einiger Zeit zu der Überlegung, mit einem anderen Bindemittelsystem neue Wege zu gehen: Polyurea. Auch die Verschleißfestigkeit elastischer OS-Systeme hat Ihre Grenzen. Ableitend aus den sehr guten Erfahrungen im Bereich Gewässerschutz wagten wir 2013 die ersten Versuche in Parkbauten mit einer zweikompo-nentigen Abdichtungsmembran. Diese ist hochreaktiv und wird mit einer speziellen 2K-Heißspritzanlage im Mischungsverhältnis 1: 1 nach Volumen von Fachfirmen appliziert. 236 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? Abb. 2: Auftrag der Abdichtung Chemisch gesehen handelt es sich um ein Elastomer, welches durch Polyaddition von Aminen und Isocyanaten zu einem Polyurea wird. Mit einer angepassten Grundierung sind eine Vielzahl von Untergründen beschichtbar. Es entstehen keine Nähte oder Stöße, da es monolithisch und vollflächig haftend sowie auch in der Senkrechten (angrenzende Bauteile wie Stützen etc.) problemlos appliziert werden kann. Abb. 3: Stützen, Boden/ Wand durchgehend Es wird in Einem durchgespritzt. Das Produkt weist eine hohe Chemikalienbeständigkeit auf, was es zur idealen Abdichtung in Bereichen macht, in denen Rissüberbrückung, mechanische Robustheit und Widerstandsfähigkeit gegenüber diversen Chemikalien als gleichzeitige Anforderung bestehen (Zugelassen vom DIBt als Abdichtung für Beton in LAU-Anlagen für wassergefährdende Stoffe [2]). Ebenfalls kann das Material in Temperaturbereichen von -20 - 130° C trocken eingesetzt werden. Zudem ist es hydrolysestabil, da dieses Produkt nicht Estersondern 100% polyetherbasierend ist, das bedeutet: Verseifungsbeständigkeit. Bei Rissbewegungen, bei denen unweigerlich die EP- Grundierung reist, ist die Abdichtung hinsichtlich der im Beton aufsteigenden Feuchtigkeit und den darin gelösten Substanzen in der Lage, das chemisch auszuhalten, ohne zu versagen. Hinsichtlich der Thematik drückendes Wasser (Tiefparkdecks mit Druckwasserbeanspruchung) wurden an der Hochschule München, Fakultät Bauingenieurwesen, Prüfungen angestellt. Die Beschichtung wurde dafür über einen Zeitraum von 120 Tagen mit einem rückseitig anstehenden Wasserdruck von 100 kPa untersucht. In der Praxis entspricht dies etwa dem vollen Wasserdruck an der Oberseite einer dreigeschossigen Tiefgaragen-bodenplatte im Grundwasser stehend (voller Wasserdruck an der Beschichtung). Im Rahmen der Untersuchung konnte an dem System MasterSeal Traffic 2219 bis zu einem Prüfdruck von 150 kPa (15 m Wassersäule) und einer Rissbreiten bis 0,5 mm über den Untersuchungszeitraum von 200 Tagen keine Ablöseerscheinungen in Form von Blasenbildung oder Hohllagen festgestellt werden. Abb. 4: Druckwasserbalken Abb. 5: Druckwasserbalken Da diese Prüfungen und Versuche positiv verlaufen sind, entschieden wir uns für weitergehende Prüfungen. Angefangen mit einer OS 10 Prüfung, die in ihren Anforderungen eine höhere dynamische Rissüberbrückung gegenüber einer OS 11 a/ b fordert. Hierzu wurde 2 Systeme geprüft: MasterSeal Traffic 2219 und MasterSeal Traffic 2239. Bei letzterem System besteht die Besonderheit darin, dass die abschließende Schicht aus dem glei- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 237 Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? chen Material als sogenanntes Overspray appliziert wird. Es entsteht eine inerte Matrix der Abdichtung mit einer rutschhemmenden Schicht, die fest mit der Abdichtung verbunden ist. Neben der Anforderung der dynamischen Rissüberbrückung bei OS 10 mit 0,5 mm bei -20° wollten wir wissen, welche Reserven in dem Materialaufbau stecken. Dazu haben wir einmal statische sowie dynamische Rissüberbrückungs-prüfungen bei -20° bis zum möglichen Maximum initiiert. Das Ergebnis ließ uns Recht behalten in unserer Annahme ob der elastischen Eigenschaften: Es wurden statisch je nach System Werte zwischen 10 mm (2219) und 50 mm (2239) sowie dynamisch 2 mm (2219) und 3,5 mm (2239) erzielt. Daraus ergibt sich eine vielfach höhere Sicherheit bei Rissgefahr gegenüber den herkömmlichen OS 11 Systemen, um das Eindringen von chad-stoffangreifenden Flüssigkeiten in den Beton zu verhindern. Abb. 6: Statische Rissüberbrückung Ebenfalls ist der Verschleiß der elastischen Beschichtungen ein großes Thema. Hier wurde mit dem Parking Abrasion Test geprüft. Die Versuchsanordnung basiert auf dem Forschungs-bericht der Uni Kaiserslautern [3]. Beim Parking Abrasion Test wird eine mechanisch-abrasive Beanspruchung mit einem sich um seine Vertikalachse drehenden PKW-Reifen simuliert. Das Prüfverfahren wurde in umfangreichen Ring-versuchen getestet und erlaubt eine Klassifizierung von Verschleißeigenschaften. Die Verschleißbe-anspruchung mit dem Parking Abrasion Test erfolgte bis 15.000 Prüfzyklen unter einer Achslast von 400 kg. Bis zum Ende der Prüfung mit 15.000 Prüfzyklen wurde die Deckversiegelung lediglich punktuell beschädigt bzw. einzelne Quarzsandkörner brachen kleinflächig zusammenhängend aus. Die Beschichtung ist somit gemäß PAT-Verfahren in die Verschleißklasse VK-2 mit einer geringen Abnutzung einzuordnen. Das Overspray-System (2239) wurde weiteren 15.000 Zyklen, also insgesamt 30.000 Zyklen, unterzogen, die auch keine weiteren Veränderungen brachten, auch dann ist die Klasse VK-2 erreicht. Dies hat zur Folge, dass wir von einem mechanisch widerstandsfähigen Oberflächenschutzsystem sprechen können, was sonst nur starren Belägen wie einer OS 8 zuzuordnen wäre. Abb. 7: Oberfläche Overspray nach 30000 Umdrehungen Abb. 8: Streugut im Winter Die hochreaktive Polyurea-Abdichtung ist nach nur 5-7 Sekunden fest, nach kürzester Zeit ausgehärtet, begeh- und überarbeitbar. Diese kurzen Zeitfenster machen Sanierungen auch unabhängiger von der Witterung. Stillstandszeiten in der Parkanlage können damit sehr kurzgehalten werden, so dass durch derartige Störungen im Betrieb verursachte Einnahmeausfälle gering gehalten werden können. 238 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? Abb. 9: Ablauf der Applikation Ein weiteres Polyurea-Produkt wurde speziell für den Einsatz im Bereich Bandagen geprüft: Eine händisch verarbeitbare Abdichtung - MasterSeal M 860. Es wurden am Beschichtungssystem Prüfungen hinsichtlich Fähigkeit zur Rissüberbrückung und Verschleißwiderstand durchgeführt. Hierbei wurden erhöhte Parameter hinsichtlich maximaler Rissbreite und dynamischer Rissbreitenänderung im Vergleich zur höchsten Klasse 4.2 gemäß DIN EN 1062-7 [4] gewählt. Während der kontinuierlichen Rissaufweitung bei -20 °C konnten bis zu einer Rissweite von 10,5 mm optisch keine Beschädigungen in Form von Rissen, Löchern oder Ähnlichem in der Abdichtungsschicht aus MasterSeal M 860 festgestellt werden. Fazit: Die als Abdichtung fungierende Schicht aus MasterSeal M 860 hat in der dynamischen Prüfung zur Fähigkeit der Rissüberbrückung ihre Funktion unter den gegebenen Prüfbedingungen mehr als erfüllt. Abb. 10: Rissüberbrückung der Bandage Zu der Frage in der Überschrift: „Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? “ Zieht man alle Prüfungen zusammen, erhält man eine hoch rissüberbrückende, chemikalienbeständige und verschleißfeste befahrbare Parkhausbeschichtung, die das Bauwerk auf lange Zeit schützt. Die Systemmerkmale übersteigen technisch die einer Standard Beschichtung nach OS 11 bei Weitem. Wir sind deshalb der Meinung: Polyurea ist in der Tat ein Werkstoff der Zukunft und kann einiges besser als seine Systembegleiter im Parkhaus und auch länger. Das heißt: langlebige Systeme zur Werterhaltung und Kostenminimierung in der Instandhaltung. Wir sind absolut davon überzeugt, dass Polyurea ein Werkstoff der Zukunft ist. Wir erhalten eine neue Generation von Beschichtungsstoffen, die lange erprobt sind und ihre Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis gestellt haben. Das spiegelt auch die Tatsache wieder der bisher über 150.000 m² ausgeführten Flächen in ganz Deutschland. Literatur [1] Richtlinie des DAfStb, Ausgabe Oktober 2001. [2] DIBt, Berlin Zulassung Nr.: Z -59.12-414 [3] Nachweis der Verschleißbeständigkeit von Parkhausbeschichtungssystemen unter realitäts-nahen Prüfbedingungen ISBN 978-3-8167-9469-1 Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit TU Kaiserslautern [4] DIN EN 1062-7 Beschichtungsstoffe und Beschichtungssysteme für mineralische Substrate und Beton im Außenbereich. Teil 7: Bestimmung der rissüberbrückenden Eigenschaften