eJournals Kolloquium Parkbauten 10/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0208
2022
101 Technische Akademie Esslingen

BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton

0208
2022
Hendrik Morgenstern
Michael Raupach
Im Zuge der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton kommt der Erfassung des Ist-Zustandes sowie der Dokumentation der geplanten und durchgeführten Arbeiten eine zentrale Bedeutung zu. Dieser Beitrag soll beispielhaft zeigen, wie Rohdaten aus Bauwerksdiagnose und -monitoring für eine Nutzung in BIM aufbereitet und weiterverarbeitet werden können. Dabei werden sowohl die nötigen Datenschnittstellen aufgezeigt als auch Möglichkeiten der halbautomatischen, visuellen Implementierung von Untersuchungsergebnissen im BIM-Modell und deren Vorteil bei der Instandhaltungsplanung vorgestellt. Das Potenzial von mit Diagnosedaten angereicherten BIM-Modellen als Entscheidungshilfe für den Sachkundigen Planer wird anwendungsnah demonstriert. Die bisherigen Erkenntnisse der Forschungsarbeiten zeigen, dass Building Information Modeling in der Bauwerkserhaltung ein großes Potenzial für effektive Bauwerksdiagnosen und ein effizientes Lebensdauermanagement birgt.
kpb1010251
Digitalisierung im Bauwesen 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 251 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Hendrik Morgenstern, M. Sc. Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University, D-52062 Aachen, Deutschland Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University, D-52062 Aachen, Deutschland Zusammenfassung Im Zuge der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton kommt der Erfassung des Ist-Zustandes sowie der Dokumentation der geplanten und durchgeführten Arbeiten eine zentrale Bedeutung zu. Dieser Beitrag soll beispielhaft zeigen, wie Rohdaten aus Bauwerksdiagnose und -monitoring für eine Nutzung in BIM aufbereitet und weiterverarbeitet werden können. Dabei werden sowohl die nötigen Datenschnittstellen aufgezeigt als auch Möglichkeiten der halbautomatischen, visuellen Implementierung von Untersuchungsergebnissen im BIM-Modell und deren Vorteil bei der Instandhaltungsplanung vorgestellt. Das Potenzial von mit Diagnosedaten angereicherten BIM-Modellen als Entscheidungshilfe für den Sachkundigen Planer wird anwendungsnah demonstriert. Die bisherigen Erkenntnisse der Forschungsarbeiten zeigen, dass Building Information Modeling in der Bauwerkserhaltung ein großes Potenzial für effektive Bauwerksdiagnosen und ein effizientes Lebensdauermanagement birgt. 1. Allgemeines 1.1 Digitalisierung im Bauwesen Durch den Stufenplan Digitales Planen und Bauen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) wurde 2015 die Digitalisierung des Bauwesens offiziell ausgerufen [1]. Die Digitalisierung wird dabei nicht nur von technologischem Fortschritt, sondern auch von Begriffen wie Internet of Things (IoT), Industrie 4.0, Smart Buildings und BIM (Building Information Modeling) begleitet. Im ersten Fortschrittsbericht des Umsetzungsplans des BMVI liegt dabei der Fokus deutlich auf der Verwendung von BIM als Instrument für die Planung, Baufortschrittskontrolle und Informationsbereitstellung [2]. Die öffentliche Hand nimmt bei der Realisierung der Digitalisierung im Bauwesen eine Vorreiterrolle ein. So zeigen beispielsweise die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) deutliche Ambitionen und beschreiben ein großes Potenzial in der Digitalisierung, für deren effektive Umsetzung jedoch noch eine entsprechende Kollaborationsinfrastruktur geschaffen werden müsse [3, 4]. Aufgrund fehlender systemübergreifender Strukturen und vieler Insellösungen konnten sich die meisten Digitalisierungsmaßnahmen noch nicht zum Standard durchsetzen. Das Building Information Modeling jedoch wird zunehmend gefordert und angewandt, sodass dort eine weitverbreitete Implementierung in naher Zukunft absehbar ist. 1.2 Building Information Modeling (BIM) Building Information Modeling ist eine computergestützte Methode zur Ausführung, Planung und zum Betrieb von Gebäuden. In entsprechenden BIM-Softwares können sämtliche Bauteile grafisch dargestellt und mit spezifischen Informationen versehen werden. Durch einen Klick auf das jeweilige Element werden somit Informationen über den Baustoff, die Geometrie und die Ausführung abrufbar. Bei der Nutzung dieses Bauwerksmodells wird zwischen Closed-BIM- und Open-BIM-Prozessen unterschieden. Bei Closed-BIM muss für die Zusammenarbeit eine bestimmte Software genutzt werden, die für den jeweiligen Zweck optimiert wurde und in der Regel lizenzpflichtig ist. Bei Open-BIM wird ein offenes Dateiformat gewählt, das die Arbeit mit verschiedenen Programmen erlaubt, sodass alle am Bauprozess Beteiligten Zugriff auf das Modell haben können. In der Regel wird bei Open-BIM-Prozessen das IFC-Format (Industry Foundation Classes) genutzt. Dieses ist der offene Standard im Bauwesen und wird durch das Kompetenznetzwerk buildingSMART e.V. definiert. Das IFC-Format ist auf Vereinheitlichung und Normierung ausgelegt, was jedoch zulasten der Komplexität geht. 252 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Jedes BIM-Element trägt gewisse Informationen, sogenannte Merkmale, welche das Bauteil definieren oder die Spezifikationen beschreiben. Beim Übertrag in das offene IFC-Format kann es jedoch zu Informationsverlust kommen, wenn die Merkmale nicht in das IFC-Muster passen. Daher wird für eine einheitliche Datenkommunikation durch das buildingSMART Data Dictionary (bsDD) eine Art Wörterbuch für die gemeinsame Sprache in der BIM-gestützten Zusammenarbeit gegeben. Da auch das bsDD jedoch nicht alle nötigen Fälle abdeckt, wird die Verwendung eines (nationalen) Merkmalservers für die einheitliche Informationsübergabe vorgeschlagen [5]. Neben diesen derzeit noch bestehenden strukturellen Herausforderungen sollte beachtet werden, dass zwischen Modellierung und Realisierung stets eine gewisse Diskrepanz herrschen wird. So versteht die BAW trotz aller Möglichkeiten BIM in erster Linie als ein Werkzeug zur Optimierung des Planungsergebnisses [6]. Als ein solches findet es bis dato primär Anwendung in Neubau und Planung. 1.3 BIM-basierte Bauwerkserhaltung Bei gründlicher Planung beschreiben BIM-Modelle den Soll-Zustand teils äußerst präzise. Der Ist-Zustand nach der Ausführung findet seinen Weg bislang jedoch nicht in das entsprechende Modell zurück. Entsprechend eignet sich das Modell primär für die Planung des Neubaus, weniger jedoch für die Planung einer später gegebenenfalls nötigen Instandsetzungsmaßnahme. Um dies zu ändern und somit den technischen Wertverlust des BIM-Modells nach der Bauphase zu vermeiden, forscht das Institut für Baustoffforschung (ibac) der RWTH Aachen University an Maßnahmen zur BIM-basierten Bauwerkserhaltung. Diese soll nach der Realisierungsphase u.a. folgende Bereiche umfassen: • Zustandserfassung • Instandsetzungsplanung • Instandsetzungsausführung • sensorbasiertes Monitoring • Dauerhaftigkeitsprognosen • Handlungsempfehlungen In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten ZIM-Projekt DigiPark werden die ersten Schritte hin zu einer BIM-basierten Bauwerkserhaltung erforscht. Ausgehend von diesem Projekt wurde das ebenfalls BMWi-geförderte Innovationsnetzwerk (www.bim-xd.de) gegründet, das die Vision einer vollständigen Digitalisierung von Bestandsgebäuden und deren Instandhaltung verfolgt. Das Netzwerk vereint Kompetenzen der Bauwerksdiagnose, Instandsetzungsplanung und Bauausführung sowie aus den Bereichen der Soft- und Hardwareentwicklung, sodass alle erforderlichen Entwicklungen innerhalb des Netzwerkes erarbeitet werden können. In der Bauwerkserhaltung stellen die Komplexität und Individualität von Instandsetzungen im Vergleich zum Neubau eine besondere Herausforderung dar. Es gibt ebenso wenig die Standardlösung wie es den Standardschaden gibt. Entsprechend müssen die digitalisierten Methoden besonders anpassungsfähig und auf die verschiedensten Untersuchungsgegenstände anwendbar sein. Eine wesentliche Notwendigkeit zum BIM-basierten Erhalten ist das Vorhandensein eines BIM-Modells. Da dies bei instandsetzungsbedürften Parkbauten i. d. R. nicht vorliegt, muss es nachträglich erstellt werden. Dazu werden Punktwolken verwendet. 2. Digitale Bestandserfassung 2.1 Punktwolkenerstellung Mittels moderner Laserscanner ist die präzise Erstellung von Laserscans sowie das anschließende Zusammensetzen der einzelnen Scans zu einer Punktwolke sehr anwendungsfreundlich umsetzbar. Diese Punktwolken bestehen aus einigen Millionen Distanzmessungen und enthalten somit die relativen Raumkoordinaten der gescannten Flächen bzw. Objekte. Bei entsprechender Hardware werden den einzelnen Punkten zusätzlich zu ihrer Verortung Farbinformationen hinzugefügt, sodass ein recht präzises Abbild der Realität geschaffen werden kann. In der Punktwolke können Entfernungen zwischen den einzelnen Punkten gemessen werden, sodass Distanzen, Winkel, Flächen, Volumina und theoretisch auch Krümmungen anschließend am PC bestimmt werden können. Die Genauigkeit hängt dabei im Wesentlichen vom verwendeten Laserscanner ein. Bei den Messungen des ibac wurde der Leica RTC 360 verwendet, der nach Herstellerangaben eine Genauigkeit von 1,9 / 2,9 / 5,3 mm bei einer Entfernung von 10 / 20 / 40 m aufweist. Ein möglicher Nutzen der Bemaßung über die Punktwolke ist in Abbildung 1 dargestellt, die links die herkömmliche und rechts die punktwolkenbasierte Herangehensweise bei der Vermessung einer Schadstelle zeigt. In der Punktwolke können Breite (104 mm), Höhe (121 mm), Tiefe (12,5 mm) sowie Bewehrungsstabdurchmesser (5,8 mm) abgegriffen werden. Abbildung 1: Herkömmliche (links) und punktwolkenbasierte (rechts) Vermessung einer Schadstelle 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 253 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Um Schadstellen präzise in der Punktwolke vermessen zu können, muss diese eine gewisse Punktdichte bzw. Auflösung (x Messpunkte pro cm²) aufweisen. Ebenso ist es für die nachträgliche BIM-Modellierung von großer Bedeutung, dass die Punktwolke den Bestand möglichst vollständig abbildet. Insbesondere bei Parkbauten enthält die Baustruktur oft einige schattenwerfende Elemente, wie beispielsweise Stützen. Damit die Punktwolke für sowohl Schadstellenerfassung als auch die nachträgliche BIM-Modellierung effektiv genutzt werden kann, müssen vor der der Punktwolkenerstellung folgende Fragen beantwortet werden: • Welche Auflösung wird benötigt, um Schäden ausreichend präzise zu erfassen? • Welcher Verschattungsgrad ist akzeptabel für die BIM-Modellierung? • Welche Leistungsmerkmale muss der Laserscanner erfüllen bzw. Einstellung ist nötig? • Wie viele Scans sind durchzuführen? • Wo ist der Scanner jeweils zu positionieren? Die Antworten auf diese Fragen sind bauwerks-, projekt- und hardwarespezifisch, sodass sie nicht allgemeingültig beantwortet werden können. Eine individuelle Bewertung der Gebäudestruktur und Punktwolkenerstellung durch eine fachkundige Person würde zu zusätzlichen Kosten führen und die Hemmnisse bei der nachträglichen Digitalisierung weiter erhöhen. Dabei ist die Durchführung von Laserscans mittlerweile so benutzerfreundlich geworden, dass sie auch von ungeschultem Personal und sogar autonom agierenden Robotern umgesetzt werden kann, sofern eine entsprechende Planung vorliegt. Daher wurde am ibac ein Verfahren entwickelt, das die Planung einer Punktwolkenerstellung automatisiert. 2.2 Automatisierte Scanplanung Im Zuge der Arbeiten des oben genannten DigiPark-Projektes wurde ein Python-Skript geschrieben und im Rahmen einer Masterarbeit und einer Kooperation mit Leica Geosystems ausgebaut, das die automatisierte Scanplanung anhand von in Bitmaps transferierten 2D-Grundrissen, siehe Abbildung 2, und der Vorgabe diverser Randbedingungen bzw. Anforderungen (Hardwarespezifikationen des verwendeten Laserscanners, gewünschte Punktdichte, …) ermöglicht. Abbildung 2: 2D-Grundriss eines Parkbaus als Bitmap dargestellt (Rohbau schwarz, Luft weiß) Ein Eingangsparameter des Skriptes ist beispielsweise die Mindestüberlappung, sodass jeder Scanpunkt mindestens eine bestimmte Anzahl an bereits erfasster Punkte sieht. Auf diese Weise können die Scanner so positioniert werden, dass die Registrierung (quasi Zusammenfügung) der einzelnen Scans zu einer Punktwolke ohne manuelle Arbeitsschritte automatisch funktioniert. Dieses Vorgehen ist insbesondere relevant für die Punktwolkenerstellung mit autonomen Robotern, die ohne besondere Ausrichtung / Nivellierung des Scanners oder Korrekturen durch Bedienung eines Menschen agieren sollen. In Abbildung 3 ist ein Ergebnis einer automatisierten Scanplanung in der Software Cyclone REGISTER 360 (Leica Geosystems) dargestellt. Routenplanung und Registrierung erfolgten ohne weiteres Zutun eines Menschen. Das Ergebnis ist eine stabile, verschattungsarme Punktwolke mit quantifizierter Auflösung. Das ibac-Skript prüft entsprechend der Eingabeparameter unter Anderem, ob die geforderte Auflösung erfüllt wurde und gibt Quantilwerte für die Mindestauflösung an (beispielsweise „Mindestens 90 % der gescannten Fläche haben eine Auflösung von 10 Punkten pro cm².“). 254 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Abbildung 3: Draufsicht einer Punktwolke mit Markierung von Scanpositionen und Route Derzeit werden am ibac dutzende, automatisch geplante Punktwolken von zwei Parkbauten ausgewertet, um den Einfluss verschiedener Parameterkombinationen auf die Verwertbarkeit von Punktwolken für die Bauwerkserhaltung zu untersuchen. Das Ziel dieser Forschung ist es, die für verschiedene Anforderungen nötigen Parametereinstellungen zu ermitteln und anschließend bedarfsgerechte Punktwolken über automatisierte Planungen (und autonome Roboter) erstellen zu können. Über die quantifizierende Analyse der Scanplanung wäre es auch denkbar, Qualitätsniveaus für Punktwolken zu definieren und für gewisse Nutzungen zu vereinheitlichen. Liegen qualitativ hochwertige Punktwolken vor, eröffnen diese neue Möglichkeiten der Bestandsbewertung. 2.3 Funktionalisierte Punktwolken In Abbildung 1 wurde mit der Schadstellenvermessung bereits eine Funktion von Punktwolken demonstriert, allerdings mussten die Maße in diesem Beispiel noch händisch aus der Punktwolke abgegriffen werden. Präzision und Qualitätskontrolle mögen zwar dadurch gegenüber der herkömmlichen Herangehensweise erhöht sein, jedoch ist der Aufwand möglicherweise zu hoch für die flächendeckende Anwendung. Da Bauwerke in der Regel sehr viele Elemente mit unterschiedlichen Geometrien aufweisen, ist die automatische Identifizierung von Schadstellen nicht trivial. Allerdings können Änderungen in Punktwolken relativ einfach objektiv erfasst werden. In einem untersuchten Parkbau wurde eine Schadstelle in einer Bodenplatte gefunden, die aufgrund von Bewehrungskorrosion starke Betonabplatzungen aufwies, aufgrund ihrer Orientierung lag die abgeplatzte Betondeckung jedoch noch in der Schadstellenmulde, siehe Abbildung 4. Abbildung 4: Schadstelle in einer Bodenplatte mit (links) und ohne (rechts) abgeplatztem Beton In diesem Fall wurde die Schadstelle mit einem Laserscanner zuerst vermessen, wie sie vorgefunden wurde, und anschließend noch einmal, nachdem die Betonbruchstücke entfernt wurden. Dadurch lagen nun eine Vorher- Punktwolke („Neubau“) und eine Nachher-Punktwolke („instandsetzugsbedürftiger Bestand“) vor. Die beiden Punktwolken sind abgesehen von der Schadstelle nahezu identisch, sodass ein Differenzabgleich möglich ist. In der Open-Source-Software CloudCompare wurden die beiden Punktwolken mit dem M3C2-Plugin gegenübergestellt und ausgewertet. Das Ergebnis der Differenzanalyse ist in Abbildung 5 dargestellt. In der Legende rechts in der Abbildung sind die Abweichungen in m gegeben, sodass der Tiefpunkt der Schadstelle ~2,5 cm beträgt. Abbildung 5: Ergebnis einer Differenzanalyse zweier Punktwolken (Vorher-Nachher-Vergleich) Sowohl die Koordinaten der Punktwolken als auch die die Distanzen der Differenzanalyse können als Datensatz exportiert und somit weiterverarbeitet werden. Über ein am ibac entwickeltes Python-Skript können die Differenzen geplottet und darüber hinaus auch Fläche und Volumen der Schadstelle berechnet werden, siehe Abbildung 6. In 12,14 s Rechenzeit wurden die Punkte grafisch dargestellt sowie eine Schadstellenfläche von 0,17 m² und 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 255 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton ein Fehlvolumen von 2,9 Liter berechnet. Diese Werte konnten durch manuelles Vermessen (im Rahmen der händischen Genauigkeit) validiert werden. Abbildung 6: Auswertung der Schadstellenkoordinaten in Python Nun ist insbesondere bei der erstmaligen digitalen Bestandserfassung nicht davon auszugehen, dass eine Vorher-Punktwolke zum Differenzabgleich vorliegt. In solchen Fällen kann aus der Nachher-Punktwolke jedoch ein sogenanntes Mesh (Masche/ Netz) abgeleitet und ggf. geglättet werden. In diesem Fall wurde die Punktwolke mit der Software Pointfuse in ein grobes Mesh transformiert, sodass die Schadstelle aufgrund der groß eingestellten Maschenweite geglättet wurde. Aus dem Mesh lässt sich wieder eine Punktwolke ableiten, indem die Maschenweite mit generischen Punkten aufgefüllt wird. Auf diese Weise kann quasi aus der Nachher- Punktwolke eine idealisierte, geglättete Vorher-Punktwolke erstellt werden. Mit diesen beiden Punktwolken kann wiederum eine Differenzanalyse durchgeführt werden, deren Ergebnis in Abbildung 7 dargestellt ist. Diese Methode birgt eine gewisse Unschärfe, ist verglichen mit den herkömmlichen Methoden jedoch immer noch sehr präzise. Abbildung 7: Ergebnis einer Differenzanalyse aus einer Punktwolke (Mesh-Nachher-Vergleich) Der gesamte Workflow (Import, Meshing / Glätten, Differenzanalyse, Export, Vermessung) zur Lokalisierung und Vermessung von Schadstellen kann und soll langfristig automatisiert werden. In den ersten Schritten ist dies am ibac bereits geschehen, an den übrigen wird noch weiter geforscht. Es ist ebenso geplant, die Schadstellen nicht nur zu identifizieren, sondern die aus der Punktwolke gewonnen Informationen in das BIM-Modell zu übertragen, sodass ein Modell entsteht, das keine idealisierten Bauteiloberflächen / -strukturen zeigt, sondern auch die Schadstellen beinhält. 3. Angereicherte BIM-Modelle 3.1 „BIM as built“ Ein As-built-Modell bezeichnet ein (BIM-)Modell, das dem tatsächlich ausgeführten Zustand entspricht. Bei bislang nicht digitalisierten Bestandsbauten entspricht jedes nachträgliche BIM-Modell einem As-built-Modell, siehe beispielsweise Abbildung 8. „As built“ beschränkt sich in der Regel jedoch auf geometrische Attribute und nicht auf Bauteileigenschaften. Das erstellte Modell mag größtenteils so aussehen wie in Realität (in der Regel werden Flächen idealisiert), enthält jedoch noch keine bauwerkserhaltungsrelevanten Informationen, es dient lediglich als 3D-Planunterlage für die folgenden Schritte. Das Hinzufügen von Informationen ist in den BIM-Modellen nur in einem gewissen Rahmen vorgesehen, der für die Bauwerkserhaltung derzeit nicht geeignet ist [7]. Entsprechend müssen alle Ergebnisse der Bauwerksuntersuchung jedem Element (Bauteil) einzeln hinzugefügt werden. Bei der Kartierung von dutzenden Prüfstellen, hunderten Rissen oder tausenden Werten eines Flächenscan-Rasters wäre eine manuelle Implementierung weder wirtschaftlich noch praxistauglich. Abbildung 8: Punktwolke (oben) und abgeleitetes BIM- Modell (unten) eines Parkbaus 256 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Eine mögliche Lösung für die Datenimplementierung in BIM, die am ibac verfolgt wird, nutzt die Visuelle Programmierung. Mit der BIM-Software Revit (Autodesk) kann das Open-Source Plugin Dynamo genutzt werden, um Elemente im Modell zu erstellen oder mit zusätzlichen Informationen zu versehen. Auf diese Weise genügt es, die zu importierenden Informationen in einer Excel-Tabelle zur Verfügung zu stellen, und mit der Ausführung des Programmier-Skriptes werden die Daten (bspw. Untersuchungsergebnisse) dem jeweiligen Element im BIM-Modell hinzugefügt. Visuelle Programmierung ist zwar wesentlich intuitiver und einsteigerfreundlicher als die herkömmliche Arbeit mit Programmiersprachen, erfordert aber dennoch eine gewisse IT-Kompetenz. Für die praktische Anwendung genügt es allerdings, ein Skript ausführen zu können. Die Entwicklungsarbeit der jeweiligen Import-Skripte kann vollständig ausgelagert werden. Das Verorten bzw. Hinzufügen der jeweiligen Diagnoseergebnisse ist anschließend nicht schwieriger als die gewöhnliche Bedienung einer BIM-Software. Ziele der Bauwerksuntersuchung bzw. Zustandserfassung sind die Bewertung des Bauteiles und die Abschätzung der zu erwartenden Restnutzungsdauer bzw. der durchzuführenden Maßnahmen. In der statischen Bewertung von Bestandsbauwerken werden bereits zerstörungsfreie Prüfungen (zfP) und Diagnoseinformationen als Basis für vollprobabilistische Modelle genutzt [8]. Für ein strukturiertes und übersichtliches Informationsmanagement findet dort ebenfalls das Konzept des modellbasierten Prüfens unter Verwendung von BIM-Modellen Anwendung [9]. Aus den Bauwerksinformationen liegen womöglich Angaben über den verwendeten Beton oder sogar Prüfergebnisse an Referenzprüfkörpern vor. In vergleichenden Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, dass in situ die bestimmten Druckfestigkeiten durchschnittlich 20 % geringer und die ermittelten Carbonatisierungsbzw. Chloridmigrationskoeffizienten 40 bis 50 % höher als jene der separat hergestellten Vergleichsprobekörper sind [10]. Als Konsequenz daraus sollte also für eine zuverlässige Bewertung des Bauteilzustandes eine umfassende Diagnose durchgeführt werden. Neben invasiven Verfahren zur Bestimmung der Druckfestigkeit gibt es auch zerstörungsfreie Prüfungen, um bspw. Betondeckung oder Korrosionsaktivität zu prüfen. Im Idealfall liefert die Bauwerksdiagnose Angaben zu folgenden Bauteileigenschaften: • Betondeckung • Bewehrungslage • Carbonatisierungstiefe • Chloridgehalt (tiefengestaffelt) • Korrosionspotenzial (flächig) • Rissbild • Schadstellen Für eine effektive BIM-basierte Zustandserfassung und -bewertung müssen die verschiedenen Diagnoseergebnisse vollständig maschinenlesbar und ortsaufgelöst in das Modell übertragen werden. Dazu müssen die Daten aus dem jeweiligen Messgerät mit der ggf. proprietären Software in ein gängiges Format wie bspw. Excel-Tabellen exportiert werden. Auf diese Weise werden die Diagnosedaten für eine kollaborative Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt. Anschließend erfolgt der Import wie bereits erläutert z. B. über Visuelle Programmierung in das BIM-Modell. 3.2 Praxisbeispiele für BIM-implementierte Diagnoseergebnisse Ein einfaches Beispiel für BIM-implementierte Diagnoseergebnisse ist in Abbildung 9 dargestellt. Dort wurde ein Bohrkern in einer Wand mit Informationen zu Durchmesser, Tiefe, Volumen, Carbonatisierungstiefe, Druck- und Haftzugfestigkeit hinterlegt. Abbildung 9: Implementierung eines Bohrkerns mit Diagnosedaten in einer Wand Neben der punktuellen Hinterlegung von einzelnen Messpunkten können auch aus diesen weitere Elemente abgeleitet werden. In Abbildung 10 wurden aus den einzelnen Messpunkten von Betondeckungsmessungen die Punkte der Bewehrungslage interpoliert und somit die tatsächliche Lage der Bewehrung approximiert. Abbildung 10: Interpolierte Ist-Bewehrungslage aus Betondeckungsmessungen 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 257 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton In Verbindung mit Chloridprofilen, die ebenfalls halbautomatisch implementiert werden können, lassen sich über das BIM-Modell Aussagen zum Chloridgehalt in Tiefe der Bewehrungslage treffen, siehe Abbildung 11. Abbildung 11: Interpolierte Bewehrungslage und tiefengestaffeltes Chloridprofil (M.% bezogen auf Betonmasse) in einer Bodenplatte Die Korrosionsaktivität kann als Ergebnis einer flächigen Potenzialfeldanalyse ebenso im BIM-Modell hinterlegt und visualisiert werden, siehe Abbildung 12. Bei der Implementierung wurde darauf geachtet, dass die Informationen beim Export ins IFC-Datenformat erhalten bleiben. Bei den gezeigten Beispielen wurde der kostenlose BIM-Viewer BIMvision (Datacomp) genutzt. Über das Plugin „Advanced Reports“ können die Bauteile entsprechend ihres Attributwertes eingefärbt werden. Aufbauend auf der Zustandserfassung können die Bauteile nun effizient hinsichtlich ihrer Instandsetzungsbedürftigkeit bewertet werden. Die Diagnoseergebnisse können variabel ein- und ausgeblendet werden. Es können einzelne Eigenschaften oder auch ihre Kombinationen betrachtet werden. Flächige Scans können in übereinander liegenden Lagen angezeigt werden. Die Implementierung der Diagnoseergebnisse hängt vom verwendeten Skript ab und die Möglichkeiten werden lediglich durch die jeweilige Programmiersprache bzw. das Datenformat beschränkt. Neben den unmittelbaren Messgrößen wie bspw. der Carbonatisierungstiefe können auch andere Informationen dargestellt werden wie bspw. die Restnutzungsdauer. Die Berechnung solcher sekundären Größen kann ebenfalls im Hintergrund der BIM-Umgebung durchgeführt werden. Für gängige Korrosionsmodelle wurden am ibac bereits BIM-kompatible Skripte geschrieben, die Prognosen und andere Berechnungen durchführen und somit bspw. die Versagenswahrscheinlichkeit eines Bauteiles im BIM-Modell darstellen können. Auf diese Weise können beispielsweise kritische Bereiche identifiziert werden, die anschließend mit Sensorik gezielt überwacht werden. Dadurch kann ein Korrosionsmonitoring effizient eingesetzt werden, um Zustandsdaten zu sammeln und Prognosen zu validieren. Neben der Einfärbung und gegenüberstellenden Visualisierung der Diagnoseergebnisse ist es auch möglich, Handlungsempfehlungen in Abhängigkeit der Zustände automatisiert zu generieren. Abbildung 12: Beispiel zur Visualisierung flächiger Diagnoseergebnisse (hier Potenzialfeld) in BIM 4. BIM-zentrierte Handlungsempfehlungen Wenn in einem BIM-Modell alle vorliegenden Informationen maschinenlesbar hinterlegt werden, kann dieses prinzipiell alle mathematischen Analysen und statistischen Auswertungen automatisiert durchführen. Dabei besteht die Möglichkeit, ortsspezifische Analysen durchzuführen und nur Teile der Informationen abzurufen, um bspw. nur die Chloridgehalte von Stützenfüßen zu untersuchen oder lediglich die Korrosionsaktivität in der Bodenplatte. In jedem Fall können Warnmeldungen gefährliche Über- oder Unterschreitungen ankündigen und geeignete Gegenmaßnahmen vorgeschlagen werden. Zu diesem Zweck werden in einer Masterarbeit am ibac die Randbedingungen der verschiedenen Instandsetzungsverfahren nach der Technischen Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR IH) [11] über ein Dynamo- Skript in der BIM-Umgebung rechenfähig hinterlegt. Über verschiedene Eingabemasken (vgl. Abbildung 13) werden ggf. Vorgaben definiert und verschieden Arten der Auswertung gewählt, um bspw. die maßgebende Carbonatisierungstiefe als größten Einzelwert, als Mittelwert oder als 90%-Quantil zu berechnen.