eJournals Kolloquium Parkbauten 11/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
21
2024
111 Technische Akademie Esslingen

Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen für Parkhäuser und Tiefgaragen: Planung und nachträgliche Abdichtung in der Praxis

21
2024
Georg Schäfer
Die Planung von WU-Betonkonstruktion für Parkhäuser und Tiefgaragen hält einige Besonderheiten bereit, die sich aus der späteren Nutzung ergeben. Im DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [1] sind hierzu unterschiedliche Planungsvarianten für mögliche Kombinationen aus Entwurfsgrundsatz (EGS) und Beschichtungssystem beschrieben. Die Tiefgarage ist dabei eine der letzten, wenigen Nutzungsarten, in der noch die Nutzungsklasse B und auch der EGS b Anwendung finden. Also mattfeuchte Stellen und unzuverlässige Selbstheilung als Untergrundkonzept für die zum Schutz vor Chloriden erforderlichen Bodenbeschichtungssysteme? Für die erfolgreiche Ausführung einer Beschichtung ist in der Praxis die Dichtigkeit der WU-Sohle entscheidend. Diese kann grundsätzlich mit allen Entwurfsgrundsätzen erreicht werden und umgekehrt können auch bei allen Entwurfsgrundsätzen unplanmäßig genau die Undichtigkeiten auftreten, die eigentlich vermieden werden sollten. Vom WU-Planer sind also immer unabhängig vom EGS für alle WU-Bauteile auch Abdichtungsmaßnahmen für alle unplanmäßig auftretenden Undichtigkeiten zu planen: Wie werden Risse < 0,3 mm nachträglich abgedichtet? Wie flächige Durchfeuchtungen? Aber noch wichtiger: Wie finde ich diese Fehlstellen, wenn zur Bauausführung kein Druckwasser ansteht oder alles vorsorglich mit einem FBV-System eingepackt wurde?
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11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 81 81 Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen für Parkhäuser und Tiefgaragen: Planung und nachträgliche Abdichtung in der Praxis Nutzungsklassen und Entwurfsgrundsätze bei WU-Betonkonstruktionen für Tiefgaragen und deren Folgen für die praktische Umsetzung Dipl.-Ing. Georg Schäfer BAWAX GmbH, Celle Zusammenfassung Die Planung von WU-Betonkonstruktion für Parkhäuser und Tiefgaragen hält einige Besonderheiten bereit, die sich aus der späteren Nutzung ergeben. Im DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [1] sind hierzu unterschiedliche Planungsvarianten für mögliche Kombinationen aus Entwurfsgrundsatz (EGS) und Beschichtungssystem beschrieben. Die Tiefgarage ist dabei eine der letzten, wenigen Nutzungsarten, in der noch die Nutzungsklasse B und auch der EGS b Anwendung finden. Also mattfeuchte Stellen und unzuverlässige Selbstheilung als Untergrundkonzept für die zum Schutz vor Chloriden erforderlichen Bodenbeschichtungssysteme? Für die erfolgreiche Ausführung einer Beschichtung ist in der Praxis die Dichtigkeit der WU-Sohle entscheidend. Diese kann grundsätzlich mit allen Entwurfsgrundsätzen erreicht werden und umgekehrt können auch bei allen Entwurfsgrundsätzen unplanmäßig genau die Undichtigkeiten auftreten, die eigentlich vermieden werden sollten. Vom WU-Planer sind also immer unabhängig vom EGS für alle WU-Bauteile auch Abdichtungsmaßnahmen für alle unplanmäßig auftretenden Undichtigkeiten zu planen: Wie werden Risse < 0,3 mm nachträglich abgedichtet? Wie flächige Durchfeuchtungen? Aber noch wichtiger: Wie finde ich diese Fehlstellen, wenn zur Bauausführung kein Druckwasser ansteht oder alles vorsorglich mit einem FBV-System eingepackt wurde? 1. Vorgaben der aktuellen Regelwerke Planung und Ausführung von wasserundurchlässigen Bauwerken aus Beton sind in der WU-Richtlinie [2] beschrieben und geregelt. Ein wesentlicher Bestandteil der WU-Planung ist die Festlegung, auf welche Weise ein Wasserdurchtritt durch Trennrisse verhindert wird. Hieraus lassen sich drei Entwurfsgrundsätze ableiten: EGS a: Trennrissvermeidung EGS b: Begrenzung der Trennrissbreite mit nachträglicher Abdichtung durch Selbstheilung EGS c: Zulassen von Trennrissen mit planmäßiger Abdichtung Ist eine Nutzung solcher Bauwerke als Tiefgarage vorgesehen, gibt das DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [1] weitergehende Hinweise. Es unterscheidet drei Planungsvarianten für direkt befahrene Tiefgaragen: - Variante A ohne flächige Beschichtung oder ohne Abdichtung (mit zusätzl. Maßnahmen) - Variante B mit Oberflächenschutzsystem (OS) als flächige Beschichtung - Variante C mit flächiger, rissüberbrückender Abdichtung + Schutzschicht (z. B. Gussasphalt) Nach dem DBV-Merkblatt sind diesen Planungsvarianten unterschiedliche Bauweisen/ Verfahren zum Schutz vor Chloriden zugeordnet, die wiederum nur in Kombination mit bestimmten Entwurfsgrundsätzen der WU-Richtlinie sinnvoll auszuführen sind: A1: Rissvermeidung A2: lokaler Schutz der Risse (Bandage) B1: vollflächig starr beschichtet mit begleitender Rissbehandlung B2: vollflächig rissüberbrückend beschichtet (bei OS10 mit Nutzschicht) C1: OS 10 oder unterlaufsichere Bahnenabdichtung jeweils + Schutzschicht aus Gussasphalt C2: unterlaufsichere, zweilagige Bahnen-abdichtung mit Schutzschicht Sie verteilen sich wie folgt auf die Entwurfsgrundsätze: EGS a: Varianten A1, C1 oder C2 EGS b: Varianten B2, C1 oder C2 EGS c: Varianten A2 oder B1 In Tabelle 1 aus dem DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [1] sind die Zuordnungen mit weiteren Hinweisen und Anforderungen übersichtlich dargestellt. 82 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen für Parkhäuser und Tiefgaragen: Planung und nachträgliche Abdichtung in der Praxis Tabelle 1: Planungsvarianten für direkt befahrene Tiefgaragen aus [1] Die Einteilung in Varianten und deren Zuordnung zu bestimmten Entwurfsgrundsätzen legt die Vermutung nahe, dass die Schutzsysteme in Abhängigkeit vom EGS unterschiedliche Voraussetzungen der WU-Konstruktion in Bezug auf deren Dichtigkeit kompensieren müssen. In der Praxis können an WU-Bauteilen jedoch alle Arten von Undichtigkeiten auftreten, insbesondere auch für den jeweiligen EGS untypische. 2. Undichtigkeiten an WU-Konstruktionen Die WU-Richtlinie [2] unterscheidet zwei Arten von Undichtigkeiten: „Feuchtstellen“ und „flüssigen Wasserdurchtritt“. In Bezug auf die Nutzungsklassen werden Undichtigkeiten noch differenzierter betrachtet: Während bei der Nutzungsklasse A keine Art von Undichtigkeit zulässig ist, wird bei Nutzungsklasse B flüssiger Wasserdurchtritt akzeptiert, solange dieser nicht ablaufend oder pfützenbildend ist. Dies ist insbesondere bei den Ausführungsvarianten B2, C1 und C2 zu berücksichtigen, da der EGS b gemäß WU-Richtlinie [2] nur Nutzungsklasse B erreicht. Hier sind ggf. zusätzliche Maßnahmen zu planen wie z. B. die Verwendung eines Abdichtungsmittels (siehe Kapitel 3.4) im Beton, um für den Einbau eines Oberflächenschutzsystems eine ausreichend trockene Oberfläche zu erhalten. Undichtigkeiten an WU-Bauteilen entstehen am häufigsten durch Trennrisse. Natürlich können auch Entmischungen, Kiesnester, undichte Einbauteile und Gefügedefekte zu Undichtigkeiten führen, im Gegensatz zu Rissen entstehen solche Einbaufehler jedoch unplanmäßig. Bei einem WU-Betonbauwerk muss dagegen immer damit gerechnet werden, dass Trennrisse entstehen, und zwar sowohl geplante als auch ungeplante Risse. Deren nachträgliche Abdichtung ist also ein zu planender Teil der Ausführung. Der Planer hat daher ein Konzept zur nachträglichen Abdichtung von Trennrissen auch bei den 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 83 Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen für Parkhäuser und Tiefgaragen: Planung und nachträgliche Abdichtung in der Praxis Entwurfsgrundsätzen vorzulegen, bei denen diese eigentlich gar nicht entstehen (EGS a) oder sich selbst heilen sollten (ESG b) [2, 3, 4]. Noch wichtiger als die Frage, um welche Art von Undichtigkeit es sich handelt und ob diese für den jeweiligen EGS typisch oder unplanmäßig auftritt, ist die Frage nach der Wasserbeaufschlagung des WU-Bauwerks bei seiner Herstellung. Bei anstehendem drückendem Wasser an den WU-Bauteilen während der Bauausführung ist die Überprüfung der Konstruktion auf wasserführende Fehlstellen sehr leicht möglich. Ist dies nicht der Fall, z. B. weil der Bemessungswasserstand nur nach Starkregen oder bei einem Jahrhunderthochwasser erreicht wird, erschwert dies die Suche nach abzudichtenden Rissen erheblich und macht eine Überprüfung der WU-Konstruktion auf Dichtigkeit unmöglich. Dies gilt insbesondere auch bei Verwendung eines Frischbetonverbundfoliensystems. Auch wenn die Risse zum Zeitpunkt der Ausführung trocken sind, besteht insbesondere bei EGS c die Pflicht zur nachträglichen, planmäßigen Rissabdichtung und zum Verschließen/ Abdichten von allen außerplanmäßig größeren Rissen. Nur so kann eine Dichtigkeit des WU-Betonquerschnitts sichergestellt werden, wenn zu einem späteren Zeitpunkt ein Wasserdruck ansteht oder ein FBV-System aufgrund von Alterung versagt. 3. Nachträgliche Abdichtung von WU-Konstruktionen Wenn an WU-Bauteilen Wasser austritt, ist dies in der Regel für den Einbau jedes Oberflächenschutzsystems ein Problem. Die Fehlstellen müssen zunächst abgedichtet werden, erst dann ist ein weiteres Bearbeiten der Flächen möglich. Für die Abdichtung ist dabei die austretende Wassermenge zwar auch relevant, für den Erfolg oder Misserfolg einer nachträglichen Abdichtung im Injektionsverfahren hat aber die Art der Fehlstelle und deren Beschaffenheit eine deutlich größere Bedeutung. Hier gibt es diffusen Wasseraustritt in der Fläche, Undichtigkeiten an Fugen, Einbauteilen und Schalungsankerlöchern und natürlich den wasserführenden Trennriss. Es liegt auf der Hand, dass es nicht nur eine Abdichtungslösung für alle diese Undichtigkeiten geben kann. 3.1 Abdichtung von Trennrissen durch Selbstheilung Bestenfalls löst sich das Problem eines wasserführenden Trennrisses von selbst: Durch Selbstheilung. Diese setzt zuerst an den engsten Stellen ein, die zufällig über den Rissquerschnitt verteilt sind. Durch Karbonatisierung an der Raumluft und Verdunsten von Wasser können auf der Innenseite des Betonbauteils zusätzliche Feststoffablagerungen entstehen. Diese Prozesse sind jedoch an Bedingungen geknüpft und daher in der Praxis relativ unzuverlässig. Oft reduziert sich nur der Durchfluss, eine vollständige Abdichtung bleibt aus. Abb.1: Wasserführende Risse in WU-Decke Mit der Überarbeitung der WU-Richtlinie [2] haben auch deren Autoren diesem Umstand Rechnung getragen und den EGS b, also das Herz der WU-Planung mit Begrenzung der Trennrissbreite bei Rissabdichtung durch Selbstheilung, für die Nutzungsklasse A ausgeschlossen. 3.2 Abdichtung von Trennrissen durch Injektion Wenn die Selbstheilung sich als unzuverlässiger Partner bei der nachträglichen Abdichtung erweist, bleibt gemäß Regelwerk nur die Injektion. Während die Planung und Ausführung von wasserundurchlässigen Bauwerken aus Beton in der WU-Richtlinie [2] ausführlich beschrieben und geregelt sind, fällt das für die Praxis entscheidende letzte Kapitel 12 „Dichten von Rissen und Instandsetzung von Fehlstellen“ jedoch überraschend knapp und unkonkret aus. Es sind nur drei Sätze, die unter Punkt 12.3 die nachträgliche Abdichtung regeln. Diese enthalten einen Verweis auf die Regelungen zur Abdichtung von Rissen in der DAfStb Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ (RiLi-SIB) [6] sowie den Hinweis, dass mehrmaliges Nachverpressen erforderlich sein kann. 3.3 Anwendungsgrenzen bei der Abdichtung von Trennrissen durch Injektion Dass auch mehrmaliges Nachverpressen keine Garantie für eine vollständige und dauerhafte Rissabdichtung bietet, ist in der Praxis allgemein bekannt. Dass diese Erkenntnis nicht im Widerspruch zum Regelwerk steht, fällt aber erst bei genauer Betrachtung auf: Der Anwendungsbereich der zu injizierenden Rissfüllstoffe war bisher im Teil 2 der RiLi-SIB in den Tabellen 6.3 und 6.4 geregelt, die nun durch die Tabellen 13 und 14 im Teil 1 der Technischen Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ [7] des DIBt ersetzt wurden. Danach ist zum Abdichten von Rissen im Beton bei Einwirkung von fließendem Wasser nur ein „dehnbares Füllen“ mit einem reaktiven Polymerbindemittel wie Polyurethan als Rissfüllstoff zulässig. Als „Verwendungsbedingungen“ für „dehnbares Füllen“ werden in Tabelle 14 eine Mindestrissweite von 0,3 mm und eine maximale Rissweitenänderung (Δw) von 10 % genannt. Das Regelwerk bildet also die technischen Anwendungsgrenzen der Rissinjektion sehr gut ab. Es bleibt nur ein Problem: Die wenigsten Undichtigkeiten erfüllen diese Voraussetzungen! Nicht geregelt ist die Abdichtung demnach für: 84 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen für Parkhäuser und Tiefgaragen: Planung und nachträgliche Abdichtung in der Praxis • wasserführende Trennrisse < 0,3 mm, • diffusen Wasseraustritt in der Fläche, • Undichtigkeiten an Fugen, • Undichtigkeiten an Einbauteilen, • undichte Schalungsankerlöcher. Auch bei Rissen mit Rissweiten > 0,3 mm kann es in der Praxis zu Problemen bei einer Injektionsabdichtung kommen. Ursächlich hierfür ist oft ein uneinheitlicher Rissverlauf. Die meisten Risse laufen an ihren Enden auf null aus und haben damit Rissbreiten, die deutlich unter 0,3 mm liegen und sich nicht mehr mit Injektionsmaterial füllen lassen. Häufig bleibt hier der Weg für das Wasser offen. Der Durchfluss wird reduziert, aber nicht gestoppt. Auch nach mehrfachem Nachverpressen können größere Undichtigkeiten bestehen bleiben, wenn die Bereiche des Wassereintritts nicht mit dem Injektionsmaterial erreicht werden. Abb.2 zeigt zum Beispiel einen wasserführenden Riss in einer Betonwand, durch den trotz mehrfachem Verpressen immer Wasser strömt. Auch hier ist eine regelwerksgerechte Abdichtung durch Injektion nicht möglich. Abb.2: Nach mehrmaligem Verpressen stark wasserführender Riss in einer Betonwand Abb.3: Rissabdichtung mit einer XYPEX Trockenpackung und Setzen eines Entlastungsschlauchs Abb.4: Vollständig und dauerhaft abgedichteter Riss ohne Wasseraustritt 3.4 Abdichtung mit mikrokristallbildenden Mörteln Eine Alternative für die Abdichtung wasserführender Risse und anderer Fehlstellen beliebiger Größe ist der Einbau einer sogenannten Trockenpackung auf Basis mikrokristallbildender Mörtel. Bereits 1969 wurde diese mittlerweile weltweit in über 90 Ländern verbreitete Technologie zur nachträglichen Betonabdichtung in Kanada entwickelt. Seit Mitte der 1980er-Jahre werden mikrokristallbildende Katalysatoren in Deutschland in verschiedenen Bereichen eingesetzt, zum Beispiel zur Abdichtung von Kellern, Tiefgaragen, Behältern, Schwimmbädern, aber auch von Infrastrukturbauwerken wie Brücken der Deutschen Bahn, Schleusen des Bundesamts für Wasserbau, Trinkwasserbehältern von Gelsenwasser und Versorgungstunneln von Vattenfall. 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 85 Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen für Parkhäuser und Tiefgaragen: Planung und nachträgliche Abdichtung in der Praxis Abb.5: Systemskizze zur nachträglichen Abdichtung von Boden-Wand-Anschlussfugen mit einer Trockenpackung Mit den Jahren hat sich der Anwendungsbereich auf eine Verwendung als Betonzusatzmittel erweitert. In Deutschland erteilte das DIBt bereits im Juli 2005 die erste allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für den Einsatz mikrokristallbildender Katalysatoren als Zusatzmittel für alle Betone nach DIN EN 206-1 mit DIN 1045-2. Es schuf dabei die neue Zusatzmittelgruppe „Abdichtungsmittel“, die mittlerweile in eine ETA übertragen wurde [8, 9, 10]. Trotzdem sind Produkte mit mikrokristallbildenden Katalysatoren in den deutschen Anwendungsregeln noch immer nicht systematisch erfasst, weder für den Bereich Betonzusatzmittel noch für die nachträgliche Abdichtung von Beton. Wesentlicher Unterschied der Technologie mikrokristallbildendender Katalysatoren zu allen anderen Abdichtungsmethoden ist die katalytisch gestartete Kristallbildung durch aktive Anlagerung von im Wasser gelösten Feststoffanteilen, zum Beispiel Kalzium. Dadurch werden unabhängig von der Zementhydratation zusätzliche, nadelförmige Kristalle im Betongefüge gebildet (Abb.6- 8), die Hohlräume verschließen und so die Dichtigkeit des Betons auch gegen Druckwasser erhöhen. Die Katalysatoren sind zunächst wasserlöslich und können sich so im feuchten Beton verteilen und sogar nachträglich tief in Risse und Poren eines bestehenden Betonquerschnitts einziehen. Mit dem Kristallbildungskatalysator wird nur der Startschuss für die Abdichtung gegeben. Das „Material“, mit dem abgedichtet wird, ist im feuchten Beton unbegrenzt vorhanden. Die gebildeten Kristalle sind unauflöslich und stellen eine dauerhafte Abdichtung sicher, da sie integrierter Bestandteil des Betons werden. Einzigartig ist ihre Eigenschaft, im Kontakt mit Wasser immer weiter gelöste Bestandteile an das Kristallgefüge anzulagern und somit zu wachsen, auch in carbonatisierten Randzonen und noch viele Jahrzehnte nach ihrem Einbau. Solange Feuchtigkeit vorhanden ist und die Temperaturen über 5 °C liegen, wächst die Abdichtung weiter. Diese dauerhafte Selbstabdichtung und die großen Eindringtiefen in Bestandsbetone sind die wesentlichen Gründe für die hohe Wirksamkeit dieser nachträglichen Abdichtungsart. Abb.6 zeigt die Schnittfläche einer unbehandelten Kontrollprobe unter einem Rasterelektronenmikroskop. Abb.7 zeigt die Schnittfläche 7 Tage nach der Beschichtung. Die beginnende Bildung der nadelförmigen Kristalle ist bereits erkennbar. Abb.8 entstand nach 26 Tagen. Das intensive Wachstum der XYPEX- Kristalle ist deutlich sichtbar. Abb. 6-8: Verlauf der XYPEX-Kristallbildung: Die REM-Aufnahmen entstanden im zentralen Forschungslabor von Nikki Shoji in Japan. Die Prüfkörper wurden auf einer Seite mit XYPEX CONCENTRATE behandelt, 10 Tage im Wassernebel feucht gehalten, anschließend mit den unbeschichteten Seiten 14 Tage lang in Wasser gelegt und danach 50 mm unter der Beschichtung aufgespalten, um das Vordringen und Wachsen der Kristalle nachzuweisen. 86 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen für Parkhäuser und Tiefgaragen: Planung und nachträgliche Abdichtung in der Praxis 4. Anwendungsbeispiel zur nachträglichen Abdichtung einer Tiefgaragensohle In einer Hoteltiefgarage traten kurz nach Fertigstellung im Jahr 2011 an zahlreichen Stellen Undichtigkeiten in der Bodenplatte auf. Neben wasserführenden Trennrissen und Undichtigkeiten an Einbauteilen waren vor allem die langen, linienförmigen Wasseraustritte aus Rissbildungen an Betonieranschlussfugen auffällig. Obwohl die Ursachen schnell geklärt waren, gestaltete sich die Abdichtung schwierig. Von 2011 bis 2019 wurde erfolglos versucht, die Undichtigkeiten durch Verpressen abzudichten. Es gab immer wieder Undichtigkeiten an bereits verpressten Rissen, an denen dann auch Injektionsmaterial austrat. Abb.9: Parkfläche mit deutlichen Feuchteschäden in einer Tiefgarage in Wolfsburg. Abb.10: Erneuter Wasseraustritt nach Injektion und neuer Beschichtung. Abb.11: Austritt von Wasser, Rost und nicht vollständig ausreagierten Injektionsstoffen Im Jahr 2019 wechselte man dann zur nachträglichen Rissabdichtung mit mikrokristallbildenden Mörteln. Auf mehreren hundert Metern Risslänge wurden alle noch bestehenden Undichtigkeiten mit einer Trockenpackung abgedichtet. Die Ausführung erfolgte abschnittsweise in Zeiten mit geringer Hotelauslastung und ist exemplarisch auf den Abbildungen 11 bis 19 dargestellt. Nach dem Freischleifen eines ca. 40cm breiten Streifens entlang des Rissverlaufs [Abb.12] und dem Reinigen des Untergrunds durch Hochdruckwasserstrahlen wurde der Riss auf einer Breite von mindestens drei Zentimetern und eine Tiefe von circa fünf Zentimetern U-förmig aufgestemmt [Abb.13]. Injektionspacker und Fremdkörper wurden entfernt und auch der mit Verpressmaterial belastete Beton gründlich ausgestemmt. [Abb.14] 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 87 Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen für Parkhäuser und Tiefgaragen: Planung und nachträgliche Abdichtung in der Praxis Abb.12 Freigelegter Riss mit Feuchtestellen/ Wasseraustritt. Abb.13 Geöffneter Riss Abb.14: Freigestemmter Verpresspacker Vor der Abdichtung mit der Trockenpackung war zunächst das fließende Wasser mit einem schnell abbindenden Mörtel zu stoppen [Abb.15,16]. Dieser Mörtel sollte ebenfalls mikrokristallbildende Katalysatoren enthalten, um ein vollständig wasserundurchlässiges Gefüge ausbilden zu können. Vertikale Risse werden von oben nach unten abgedichtet, damit das Wasser nicht über bereits abgedichtete Rissbereiche laufen kann. Bei starkem Wasserdruck erleichtert das Setzen von Entlastungsschläuchen das Stoppen des fließenden Wassers und den späteren Einbau der Trockenpackung. Nach dem Stoppen des fließenden Wassers wurde eine Schlämme mit einer hohen Konzentration an Kristallbildungskatalysatoren in dem aufgestemmten Riss und im Anschlussbereich circa 25 Zentimeter breit auf den Beton aufgetragen [Abb.17]. Aus dieser Trägerschicht ziehen mikrokristallbildende Katalysatoren in den Bestandsbeton ein und starten dort die abdichtende Kristallbildung. Somit entsteht eine durchgehende, übergangslose Abdichtung vom neu eingebrachten Abdichtungsmörtel im Riss bis tief in den Bestandsbeton hinein. Anschließend wurde der Riss mit einer aus dem gleichen Material, jedoch mit deutlich reduzierter Wassermenge hergestellten Mörtelmischung gefüllt [Abb.18]. Mit dieser als Trockenpackung bezeichneten Rissfüllung wird nicht nur die Dichtigkeit an dieser Stelle sichergestellt, sondern auch ein großes Reservoir an Katalysatoren als Sicherheit direkt im Rissverlauf platziert. Die verbleibende Vertiefung wurde oberflächenbündig reprofiliert [Abb.19], bevor die zweite Trägerschicht auf die egalisierten Flächen aufgetragen und nachbehandelt wurde. Abb.15 Eindringendes Wasser im geöffneten Riss Abb.16 Stoppen des fließenden Wassers mit XYPEX PATCH `N PLUG Abb.17: Auftrag der ersten XYPEX CONCENTRATE Trägerschicht 88 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Wasserundurchlässige Betonkonstruktionen für Parkhäuser und Tiefgaragen: Planung und nachträgliche Abdichtung in der Praxis Abb.18 Einbau der XYPEX Trockenpackung Kanal Abb.19 Füllen/ Reprofilieren der abgedichteten Risse Abb.20: Fertig abgedichtete und verschlossene Risse 5. Fazit und Ausblick Neben geplanten Trennrissen können bei allen WU- Konstruktionen unabhängig vom Entwurfsgrundsatz auch unplanmäßige Undichtigkeiten auftreten, deren nachträgliche Abdichtung zu planen ist. Hierfür ist gemäß WU-Richtlinie zunächst die Zugänglichkeit zu den Bauteilen sicherzustellen, was bei Tiefgaragen in einem gewissen Widerspruch zu den erforderlichen Schutzsystemen steht. Aber auch für deren Einbau wird bereits ein trockener Betonuntergrund, also ein dichtes WU-Bauwerk, benötigt. Wenn es zu Undichtigkeiten an WU-Bauteilen kommt, besteht auch bei Tiefgaragensohlen das generelle Problem, dass eine Abdichtung durch Injektion nur für Trennrisse > 0,3 mm geregelt bzw. auch technisch umsetzbar ist und selbst dort ein Abdichtungserfolg oft nicht zielsicher erreicht werden kann. Für Risse < 0,3mm und alle anderen Undichtigkeiten, die nicht verpresst werden können, wie z. B. flächige Durchfeuchtungen oder undichte Anschlussfugen, sucht man im Regelwerk aktuell noch vergebens nach einer Abdichtungslösung. Dort ist die Anwendung von mikrokristallbildenden Katalysatoren immer noch nicht aufgenommen, obwohl die Bekanntheit dieser Systeme in den letzten Jahrzehnten in Deutschland stetig gewachsen ist. Aus technischer Sicht wird mit mikrokristallbildenden Katalysatoren bei unterschiedlichen Undichtigkeiten eine sehr zuverlässige Abdichtung erreicht. Systembedingt ist ein Nachverpressen nicht erforderlich. Nicht nur beim Oberflächenschutz, sondern auch bei den Abdichtungssystemen gibt es also in den Regelwerken noch etwas „Auf holbedarf“, um wieder zum Stand der Technik aufzuschließen. Literatur [1] DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ 3. überarbeitete Ausgabe, Berlin, 2018 [2] DAfStb-Richtlinie „Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton (WU-Richtlinie)“. Berlin, 2019 [3] Erläuterungen zur DAfStb-Richtlinie „Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton (WU-Richtlinie)“. DAfStb-Heft 555. Berlin, 2006 [4] Lohmeyer, G.; Ebeling, K.: Weiße Wannen - einfach und sicher - Konstruktion und Ausführung wasserundurchlässiger Bauwerke aus Beton. Verlag Bau und Technik: Düsseldorf, 2018 [5] DBV (Hrsg.): Tagungsband „Regionaltagungen Bauausführungen“. Hamburg, 2019 [6] DAfStb.-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ (RiLi-SIB), Berlin, Ausgabe 2014-09 [7] Technischen Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ (TR Instandhaltung). Berlin, 2020 [8] DIBt. (Hrsg.): Prüfvorschrift für die Prüfung von Abdichtungsmitteln. Berlin, 2005 [9] ETA-18/ 1129 „Abdichtungsmittel für Beton“. Berlin, 2020 [10] Z-3.212-1888 Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für Abdichtungsmittel. Produkt: „XYPEX ADMIX C-1000 NF“. Berlin, 2020 Bildnachweise: Tabelle 1: DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ 3. überarbeitete Ausgabe, Berlin, 2018 Abb.: 1 - 5, 9 -20 BAWAX GmbH, Georg Schäfer Abb.: 6 - 8 XYPEX Chemical Corporation, Kanada