eJournals Kolloquium Parkbauten 11/1

Kolloquium Parkbauten
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2510-7763
expert verlag Tübingen
21
2024
111 Technische Akademie Esslingen

Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung

21
2024
Matthias Wölfel
Der Verbundbau eröffnet uns neue Möglichkeiten für zukünftige Anforderungen. Wir erleben in der heutigen Zeit eine Fokussierung auf die Themen der Nachhaltigkeit und der Sicherheit. Dabei sind zwei Schlagwörter häufig wiederzufinden, einmal das CO2-Äquivalent und einmal der Brandschutz. Betrachtet man beide Themen etwas intensiver so stellt man fest, dass sich die Maßnahmen, die zum Erreichen der Ziele notwendig sind, durchaus gegenseitig ausschließen können. So ist es heute anerkannt, dass man zum nachhaltigen Bauen möglichst auf Baustoffe verzichten sollte, die in ihrer Herstellung und Verarbeitung große Mengen an Energie benötigen. Dazu gehören beispielweise Beton und Stahl. Nachwachsende Materialien wie das Holz sollen bevorzugt eingesetzt werden. Betrachtet man im Gegenzug das Brandverhalten der Materialien, so stellt man fest, dass gerade Beton und Stahl als „nichtbrennbar“ eingestuft werden, Holz hingegen bauaufsichtlich kritisch gesehen wird. Es wird also Kompromisse geben müssen, um beide Anforderungen erreichen zu können. Dabei kann der Verbundbau entscheidende Vorteile bieten!
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11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 117 Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung Dipl.-Ing. (FH) Matthias Wölfel Peikko Deutschland GmbH, Waldeck Zusammenfassung Der Verbundbau eröffnet uns neue Möglichkeiten für zukünftige Anforderungen. Wir erleben in der heutigen Zeit eine Fokussierung auf die Themen der Nachhaltigkeit und der Sicherheit. Dabei sind zwei Schlagwörter häufig wiederzufinden, einmal das CO 2 -Äquivalent und einmal der Brandschutz. Betrachtet man beide Themen etwas intensiver so stellt man fest, dass sich die Maßnahmen, die zum Erreichen der Ziele notwendig sind, durchaus gegenseitig ausschließen können. So ist es heute anerkannt, dass man zum nachhaltigen Bauen möglichst auf Baustoffe verzichten sollte, die in ihrer Herstellung und Verarbeitung große Mengen an Energie benötigen. Dazu gehören beispielweise Beton und Stahl. Nachwachsende Materialien wie das Holz sollen bevorzugt eingesetzt werden. Betrachtet man im Gegenzug das Brandverhalten der Materialien, so stellt man fest, dass gerade Beton und Stahl als „nichtbrennbar“ eingestuft werden, Holz hingegen bauaufsichtlich kritisch gesehen wird. Es wird also Kompromisse geben müssen, um beide Anforderungen erreichen zu können. Dabei kann der Verbundbau entscheidende Vorteile bieten! 1. Motivation 1.1 Umweltauswirkungen Wir sind in einer Zeit angekommen, die uns zum Nachdenken bewegen muss. Die Berichte über Naturkatastrophen, Überschwemmungen, extreme Hitzeperioden, Trockenheit und Dürre reißen nicht ab und werden es auch in absehbarer Zeit nicht tun. Die Auswirkungen auf unsere Böden und deren Wassergehalt sind dramatisch [vgl. Abb. 1]. Abb. 1: Dürre (Quelle: Helmholtz Zentrum für Umweltforschung UFZ) Die Folgen des Klimawandels sind aber nicht nur auf Trockenperioden und deren Effekte beschränkt. Auch Starkregen mit enormen Wassermengen werden uns zukünftig noch stärker beeinflussen als heute [vgl. Abb. 2]. 118 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung Abb. 2: Klimawandel (Quelle: Umweltbundesamt, Adelphi, PRC, Furac) 1.2 Die Folgen für unsere Umwelt Es ist schwierig zu übersehen, dass Baumbestände, die über 100 Jahre hinweg das Erscheinungsbild unserer Wälder geprägt haben, plötzlich unter dem Einfluss der Trockenheit absterben oder stark geschädigt sind. Riesige karge Flächen haben sich durch das Absterben ganzer Waldgebiete ergeben [vgl. Abb. 3]. Abb. 3: Totholz durch Dürre (Quelle: dpa) Abb. 4: ausgetrocknete Flussbetten (Quelle: dpa) Neben den Auswirkungen extremer Trockenheit und Dürre [vgl. Abb. 4] werden wir auf der anderen Seite immer häufiger von Starkregen und ausgeprägten Gewittern betroffen. Sich daraus ergebende Überschwemmungen [vgl. Abb. 5] sind nicht nur eine unmittelbare Gefährdung für Leib und Leben, sondern zerstören ganze Existenzen. Die Schadensregulierung nimmt vorher nicht gekannte Summen ein und belastet damit den Geldbeutel jedes Einzelnen. Abb. 5: Überschwemmungen (Quelle: dpa) 1.3 CO 2 -Äquivalent Das CO 2 -Äquivalent beschreibt die Auswirkungen unterschiedlicher Treibhausgase auf die globale Erderwärmung [vgl. Abb. 6]. Neben dem wichtigsten vom Menschen verursachten Treibhausgas Kohlendioxid (CO 2 ) gibt es weitere Treibhausgase wie Methan und diverse Kältemittel. 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 119 Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung Abb. 6: Treibhauspotenziale (Quelle: Zukunft Umweltwärme) Neben dem Treibhauspotenzial (CO 2 -Äquivalent) ist es allerdings sehr wichtig, die verwendeten Anteile der Materialien in die richtige Relation zu setzen. Nimmt man beispielsweise den Beton, der medial als Klimakiller beschrieben wird, so stellt man bei neutraler Betrachtung fest, dass er nur zu ca. 10 % seines Gesamtvolumens aus Zement, der gebrannt werden muss und dabei große Energiemengen benötigt, besteht. Ein Vergleich an einem ähnlichen Bauteil wird Aufschluss darüber geben, wie wichtig die Betrachtung der richtigen Anteile ist. In der folgenden Tabelle [vgl. Abb. 7] wurde eine Stütze mit gleicher Belastung und Knicklänge, gefertigt aus verschiedenen Baumaterialien, untersucht. Abb. 7: Energieverbrauch und CO 2 -Äqv. bei der Materialherstellung (Quelle: Zentrum Ressourceneffizienz) Es ist zu erkennen, dass die Stahlbetonstütze ein etwa 3-4-fach niedrigeres CO 2 -Äqv. als die reine Stahlstütze aufweist. Allerdings bedingt es die Seriosität des Vergleiches zu erwähnen, dass die Stahlstütze nur etwa die halben Querschnittsabmessungen des Stahlbetonquerschnittes benötigt. 1.4 Gebäudezertifizierungen Gebäude werden in zunehmender Anzahl zertifiziert. Dabei spielt die Nachhaltigkeit der verwendeten Materialien eine entscheidende Rolle. Die wichtigsten Label dabei sind: - Deutsches DGNB für private Bauherren - BNB für öffentliche Bundesbauten - LEED und BREEAM für internationale Zertifizierungen Um die notwendigen Eingangswerte für die Berechnungen bereitzustellen, gibt es diverse Plattformen, die eine Datenbasis für übliche Materialien zur Verfügung stellen. Hier zu nennen ist die Internetseite www.oekobaudat.de vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Weitergehende Informationen zu herstellerspezifischen Produkten werden über sogenannte „EPDs - Environmental Product Declaration’s“ bereitgestellt [vgl. Abb. 8]. Die EPDs werden durch die Hersteller in Auftrag gegeben und durch entsprechend zertifizierte Institutionen erarbeitet [1]. Die Rechenwerte für diverse Umweltauswirkungen gleichen dem Schema der „Ökobaudat“. Abb. 8: EPD Peikko DELTABEAM ® Green (Quelle: Peikko) Als eines der wichtigsten Bewertungskriterien sei hier das CO 2 -Äquivalent genannt. 1.5 Brandschutzanforderungen Seit dem vermehrten Verkehr von Elektrofahrzeugen rückt verstärkt durch sensationelle Pressemitteilungen die vermeintliche Brandgefahr durch diese Fahrzeuge immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit [vgl. Abb- 9]. 120 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung Abb. 9: Freewater Horizon (Quelle: Tagesschau) Parkverbote für E-Autos in Tiefgaragen, wie beispielsweise von der Stadt Kulmbach teilweise verhängt, tragen ihr Übriges dazu bei, die Diskussion anzuheizen. Es muss jedoch festgestellt werden, dass diese sehr unsachlich und in keiner Weise gerechtfertigt ist. Es sind grundsätzlich zwei Aspekte zu unterscheiden. Generell muss festgestellt werden, dass die Brandlast eines Fahrzeuges sehr hoch ist. Hierbei ist es unerheblich, ob es ein Kraftstoffgetriebenes oder ein elektrisches Fahrzeug handelt, vielmehr rückt hier das Baujahr der Fahrzeuge in den Vordergrund. Der andere Punkt ist die Häufigkeit. Hier konnte bisher keine Untersuchung und keine Statistik belegen, dass Elektrofahrzeuge häufiger in Brand geraten als andere Typen. Eine Studie des amerikanischen Versicherers AutoinsuranceEZ ergab sogar, dass kraftstoffbetriebene Fahrzeuge häufiger in Brand geraten. Die spektakuläre Presse ist darauf zurückzuführen, dass die Löschmittel und Methoden sich unterscheiden, und hier in den vergangenen Jahren viel Unsicherheit herrschte. Mit Fassung vom 14. Juli 2022 wurde die „Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Garagen und Stellplätzen (M-GarVO)“ veröffentlicht [2]. Darin werden die Brandschutzanforderungen für offene oberirdische Parkdecks definiert. Die Erleichterungen im bisherigen Absatz 2 sind teilweise entfallen. Die bauaufsichtliche Anforderung „feuerhemmend“ ist zusätzlich zu der aktuellen Anforderung „nichtbrennbar“ aus der Muster-Garagenverordnung (M-GarVO) ab einer Länge von 70-m aufgenommen worden, und die Stellplätze sind direkt an den Außenwänden angeordnet. Hier wurde der gestiegenen Brandlast der modernen Fahrzeuge Rechnung getragen. Ausgedrückt in einer Feuerwiderstandsklasse bedeutet dies eine Anforderung von 30 Minuten Feuerwiderstandsdauer entsprechend R30 nach DIN EN 13501-2. Diese Änderung macht es schwieriger reine Stahlkonstruktionen wirtschaftlich und klimafreundlich umzusetzen. 2. Verbundbau 2.1 Begriffserklärung Beim Verbundbau werden verschiedene Bauteile aus wechselnden Materialien mittels Verbundmitteln kraftschlüssig miteinander verbunden. Neben dem bereits etablierten Stahl-Beton-Verbundbau trifft man heute auch immer mehr auf den Holz-Beton-Verbundbau. Eine neuere Sonderform bezeichnet den Hybridbau, bei dem der Stahl-Beton-Verbundbau mit dem Holz-Beton-Verbundbau kombiniert wird [3] [vgl. Abb. 10]. Abb. 10: Holz-Beton-Verbund in Kombination mit Stahl-Beton-Verbund (Quelle: Peikko) 2.2 Parkdecks heute Aufgrund der aktuellen Muster-Garagenverordnung (M-GarVO) ist es möglich oberirdische und offene Parkdecks aus nichtbrennbaren Materialien zu erstellen. In der Praxis kommen hier in der Regel offene Stahlprofile für Stahl- und Stahl-Verbund-Träger sowie Stützen zum Einsatz [vgl. Abb. 11]. Die Querschnitte liegen dabei außerhalb von vor Brandeinwirkungen schützenden Betonquerschnitten, da es keine weiterführenden Brandschutzanforderungen gibt. Erst ab einer Höhe der Einstellplätze von mehr als 22-m sind die Konstruktionen feuerbeständig auszuführen, was einer Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten bzw. der Feuerwiderstandsklasse R90 entspricht. Abb. 11: konventionelle Systembauweise (Quelle: Bittermann GmbH - Parkdeck Ebene 1 -ARCHI VIVA Architekten) Für die überwiegende Bauweise mit offenen Stahlprofilen liefert die Konstruktion keinen ausreichenden Schutz vor der Brandeinwirkung. Hier müssen zugelassene Brandschutzbeschichtungen oder entsprechende Verkleidungen gemäß DIN 4102-4: 2016-05 eingesetzt werden. Der Tragwiderstand wird bei klassischen Verbundträgern durch das Stahlprofil und dem oben aufgebauten Betonspiegel hergestellt. Durch die Verbindungsmittel, in der Regel Kopf bolzendübel, kann die benötigte Menge an Stahl, infolge der Verbundtragwirkung, deutlich reduziert werden. 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 121 Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung Bei den Stahlstützen hingegen wird die gesamte Tragfähigkeit über den Stahlquerschnitt bereitgestellt, es beteiligen sich keine weiteren Komponenten. 2.3 Vorteile des Verbundbaus Da der Stahl einen großen Anteil zum CO 2 -Äquivalent beiträgt [vgl. Abb. 7], wäre ein teilweiser Austausch gegen ein deutlich weniger klimaschädliches Material, wie den Beton, durch viele Vorteile geprägt. Im Einzelnen sind dabei zu nennen: - Reduktion des CO 2 -Äquivalents • Beton ist ein weniger klimaschädliches Material als Stahl. - Ressourcenschonung • Der vorzugsweise Einsatz nur eines Baustoffes führt zwangsläufig zu einer Materialverknappung. Das kann durch den Austausch eines großen Anteils deutlich verzögert werden. - Wirtschaftlichkeit • Beton erzielt bei entsprechend verfügbaren Querschnitten größere Tragfähigkeiten im Verhältnis zu seinen Kosten. Es sind aber nicht nur die Vorteile im Hinblick auf die Umweltauswirkungen zu nennen. Ebenfalls von großer Bedeutung sind die Vorteile im Hinblick auf die Tragfähigkeiten. Betrachtet man beispielsweise eine Stahlrohrstütze aus S235 mit einem Durchmesser von 323,9 mm und einer Wandungsstärke von 8 mm, bei einer Knicklänge von 3,0 m, so kann die Tragfähigkeit durch das Verfüllen mit Beton C50/ 60 um mehr als das 3-fache gesteigert werden. Der Preis der Stütze steigt jedoch nur um etwa 10 % bis 15 % infolge des einzubauenden Betons. Zusätzlich wird das CO 2 -Äquivalent nur moderat gesteigert, da der Beton wesentlich geringere Äquivalente als ein Stahlquerschnitt aufweist, der ebenfalls eine 3-fache Tragfähigkeit zu Verfügung stellen könnte. Abb. 12: Querschnittsvergleich (Quelle: Peikko) Bei den [in Abbildung 12] dargestellten Querschnitten handelt es sich um statisch notwendige Profile für einen klassischen Parkdeckträger, der eine Spannweite von 16,5 m aufweist und im Abstand von 5,0 m angeordnet wird. Als Decke wurde mit einer Stahlbetonvariante einer Bauhöhe h = 18 cm gearbeitet. Die Nutzlast beträgt 3,5 kN/ m². Alle Flächenlasten wurden mit entsprechenden Durchlauffaktoren erhöht. Es wurde eine Überhöhung von etwa 4-5 cm gewählt. Die Abdichtung soll mit einem Oberflächenschutzsystem erfolgen. Der spezielle trapezförmige Verbundträger „DELTA- BEAM ® D50-400“ der Firma Peikko weist bei gleichen statischen Anforderungen ein um 43 % kleineres Eigengewicht als der ohne Verbund angesetzte Stahlträger HEM500 aus S355 auf. 2.4 Funktionsweise und Anwendung Häufig stoßen gute Ideen in der Praxis auf berechtigte Widerstände, da sie in der Realität nicht oder nur schwierig und mit negativen Auswirkungen auf andere Bereiche umsetzbar sind. Nicht so beim Verbundbau. Die Kombination von Stahl und Beton kennen wir seit Jahrzehnten. Wir wenden sie schadensfrei im Stahlbetonbau an. Dabei mussten wir lernen, auf verschiedene Besonderheiten, wie z. B. eine ausreichende Betonüberdeckung für die Dauerhaftigkeit, zu achten. Die Kombination aus Stahl und Beton ist bereits in den Regelwerken erfasst. Hier sei die DIN EN 1994-1-1 und DIN EN 1994-1-2 sowie Bauartgenehmigungen wie die Z-26.2-49 der Firma Peikko genannt [4, 5, 6]. Der klassische Verbundbau, mit dem auch heute die Mehrzahl der Parkdecks erstellt werden, bedient sich als Verbindungsmitteln oben aufgesetzter Kopf bolzen, die in einen Betonspiegel (Stahlbeton- oder Profilblechverbunddecke) eingreifen [vgl. Abb. 13]. Durch die schubfeste Verbindung zwischen dem Stahlprofil und dem Betonquerschnitt wird der Verbundquerschnitt hergestellt. Die Vorteile liegen im Wesentlichen im Bereich der größeren Tragfähigkeiten und Biegesteifigkeiten im Vergleich zum reinen Stahlprofil. Somit ist es möglich Spannweiten von 16,5 m (zwei Stellplätze a 5,0 m Tiefe und eine Fahrgasse von 6,5 m Breite) bei einer Konstruktionshöhe von etwa 70 cm herzustellen. Ein wesentlicher Nachteil ergibt sich jedoch durch die ungeschützte Lage des Stahlprofils im Hinblick auf eine mögliche Brandeinwirkung. Bei offenen Stahlprofilen als reine Stahlstützen verstärkt sich der Nachteil zusätzlich, da anstatt einer 3-seitigen Beflammung eine 4-seitige Brandeinwirkung möglich ist. Abb. 13: klassischer Verbundquerschnitt (Quelle: Wikipedia - Verbundbau) 122 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung Eine Weiterentwicklung des Verbundbaus, speziell für besonders hohe Biegeschlankheiten entwickelt, wird von der Firma Peikko angeboten [vgl. Abb. 14]. Abb. 14: trapezförmiger Verbundquerschnitt (Quelle: Peikko DELTABEAM ® ) Bei diesem System wird der Träger (DELTABEAM ® ) in die Höhenlage des Deckenquerschnitts verschoben. Je nach Spannweitenverhältnissen und Deckensystemen kann damit eine deckengleiche oder eine teilintegrierte Bauweise erreicht werden. In Ergänzung zu dem speziellen trapezförmigen Verbundträger bietet der Hersteller sogenannte Peikko Verbundstützen an. Diese Stützen bestehen aus einem Stahlmantel mit einem Stahlbetonkern. Aus dieser Weiterentwicklung des Verbundbaus ergeben sich folgende Vorteile: 1. Brandschutzanforderungen bis R120 können ohne weitere Maßnahmen, wie Beschichtungen oder Verkleidungen, wirtschaftlich erfüllt werden. 2. Konstruktionshöhen können bis zur Deckengleichheit reduziert werden. 3. Ebene Deckenuntersichten erlauben reduzierte Bauhöhen und großflächige Installations- und Belichtungsmöglichkeiten. Der Verbundträger verfügt über eine Allgemeine Bauartgenehmigung (Z-26.2-49) [vgl. Abb. 15]: Abb. 15: Deckblatt zu Z-26.2-49 (Quelle: Peikko) 2.5 Brandschutz Heutige Anforderungen an den Brandschutz sehen vor, dass Gebäude einen Feuerwiderstand über eine gewisse Branddauer einhalten. Die rechnerisch anzunehmende Branddauer richtet sich dabei nach der Gebäudenutzung sowie den Gebäudeklassen gemäß den jeweiligen Landesbauordnungen [7]. Die Grundlage für die Bemessungsansätze bildet die sogenannte Einheitstemperaturzeitkurve ETK (Normbrandbeanspruchung) [8]. Die Brandbemessung des trapezförmigen Verbundträgers kann keiner aktuell verfügbaren Norm entnommen werden. Hierzu wurden im Rahmen einer Bauartgenehmigung komplexe Finite-Elemente-Berechnungen herangezogen, die die Bemessung im Brandfall analog der Allgemeinen Bauartgenehmigung Z-26.2-49 ermöglichen. Dabei werden werkseitig in den Verbundquerschnitt eingelegte Sekundärbewehrungen für die Nachweise im Brandfall herangezogen. Diese Bewehrung weist aufgrund der Einbindung in den umgebenden Beton deutlich geringere Temperaturen als der direkt beflammte Untergurt auf [vgl. Abb. 16]. 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 123 Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung Abb. 16: Isothermen bei Brandbeanspruchung (Quelle: Peikko) Über den Ansatz der reduzierten Werkstoffkennwerte nach EN 1994-1-2 kann das innere Kräftegleichgewicht hergestellt und die notwendigen Spannungssowie Verformungsnachweise geführt werden [ vgl. Abb. 17, 18]. Abb. 17: Reduktionsfaktoren für Baustahl im Brandfall (Quelle: EN 1994-1-2, Beuth) Abb. 18: Brandreduzierter Querschnitt zur Ermittlung der positiven Momententragfähigkeit - beispielhaft (Quelle: Z-26.2-49, Peikko) Die Bemessung der zugehörigen Stützen erfolgt nach der gleichen Systematik, entweder anhand der aktuell gültigen Normung durch den Eurocode beziehungsweise bei höher belasteten Stützen mit Stahlkern anhand der gültigen bauaufsichtlichen Zulassung. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass reaktive Brandschutzbeschichtungen auf Stahlbauteilen teilweise keinen dauerhaften Brandschutz darstellen. Hier ist im Einzelfall zu entscheiden, welche Anforderungen erfüllt werden. Auf jeden Fall ist, gerade bei Parkdecks auch immer die mechanische Beanspruchung und der immer mehr zunehmende Vandalismus zu berücksichtigen. Aus diesem Grund sind regelmäßige Kontrollen unverzichtbar, um den erforderlichen Brandschutz zu jeder Zeit zu garantieren. 2.6 „Grüner“ Stahl - DELTABEAM ® Green Neueste Entwicklungen machen es möglich, dass der Verbundträger aus über 97 % recyceltem Stahl hergestellt werden kann. Dadurch werden die Klimaauswirkungen und das globale Erwärmungspotential weiter und signifikant reduziert. Im Vergleich zu einem aus normalem Baustahl hergestellten trapezförmigen Verbundträger fallen nur etwa 50 % der CO 2 -Emissionen an. 3. Varianten und Möglichkeiten 3.1 Peikko Parking Entscheidungen zu treffen und dafür die richtigen Einflussfaktoren zu kennen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Wichtig ist es dabei, die Vor- und Nachteile eines Systems gegeneinander abzuwägen. Dabei ist es denkbar, dass je nach Standort und Nutzung verschiedene Eigenschaften verschiedene Gewichtungen erhalten müssen, um den Erfolg des Vorhabens zu sichern. Die Firma Peikko hat mit der Broschüre „Peikko Parking“ eine Hilfe für die Entscheidungsfindung herausgebracht [9]. Dabei wird konsequent auf den Einsatz von Verbundbauteilen gesetzt, um heutige und zukünftige Anforderungen an den Brandschutz sicher zu erfüllen. Durch den Austausch von Stahlanteilen gegen Beton kann die CO 2 - Bilanz deutlich verbessert werden. Der aus heutiger Sicht sehr seltene 124 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung Einsatz von Holz für die Tragkonstruktion eines Parkdecks wird ebenfalls beleuchtet. Aufgrund der Brandschutzanforderung „nichtbrennbar“ erscheint es zunächst einmal schwierig dieses Material zu verwenden. Auf der anderen Seite wird der Einsatz von Holz immer mehr gefordert, was zu einer Veränderung der Bauordnungen führen wird. Technische Bemessungsansätze (z. B. über die Abbrandrate) liegen bereits vor und können angewendet werden. Die ersten Parkdecks aus Holz wurden bereits realisiert [10] [vgl. Abb. 19]. Abb. 19: Deckenkonstruktion Parkdeck aus Holz (Quelle: Parken aktuell, Jahrgang 32, März 2021, Ausgabe 120) In der Broschüre „Peikko Parking“ werden insgesamt fünf Varianten an einem ausgewählten Referenzparkdeck verglichen [vgl. Abb. 20]. - DELTABEAM ® + Holz-Beton-Verbunddecke - DELTABEAM ® + Elementplattendecke, vorgespannt - DELTABEAM ® + Elementplattendecke - DELTABEAM ® + Spannbetonhohlplattendecke - DELTABEAM ® + TT-Plattendecke Abb. 20: Darstellung der Deckenvarianten (Quelle: Peikko Parking) Die Kombination der einzelnen Deckensysteme in Verbindung mit den Haupttraggliedern des Verbundbaus werden bewertet und Auswirkungen im Hinblick auf die folgenden Kriterien aufgezeigt: [vgl. Abb. 21] Abb. 21: Bewertungskriterien (Quelle: Peikko Parking) Das gewählte Referenzparkdeck für die Ermittlung der Massen hat bei der Variante mit einer Holz-Beton-Verbunddecke folgendes Erscheinungsbild [vgl. Abb. 22]. Abb. 22: Referenzparkdeck (Quelle: Peikko Parking) Die Bewertung erfolgt mit einem Ampelsystem [vgl. Abb.-23]. 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 125 Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung Abb. 23: Bewertung mittels Ampelsystem (Quelle: Peikko Parking) Zusätzlich werden Balkendiagramme für den Vergleich der einzelnen Varianten genutzt [vgl. Abb. 24, 25]. Abb. 24: Bewertung mittels Balkendiagrammen - Kosten, Bauzeit und Höhenentwicklung (Quelle: Peikko Parking) Abb. 25: Bewertung mittels Balkendiagrammen - Stützenraster, CO 2 -Emissionen/ Nachhaltigkeit (Quelle: Peikko Parking) 4. Zusammenfassung Die Bauindustrie hat einen deutlichen Einfluss auf den Klimawandel. Deshalb ist es an der Zeit über alternative Bauverfahren und Konstruktionen nachzudenken. Der Verbundbau kann dazu einen Beitrag leisten, da bezogen auf die Tragfähigkeit die CO 2 Äquivalente von Beton deutlich günstiger sind als die von Stahl. Dabei hat der Verbundbau im Hinblick auf den Brandschutz entscheidende Vorteile gegenüber dem reinen Stahlbau. Eine Beschichtung oder Verkleidung ist aus heutiger Sicht zum Erreichen dieser Anforderung nicht zielführend. Um es Investoren, Planern und Entwicklern sowie Bauherren leichter zu machen, verschiedene Kombinationen von Deckentragwerken in Verbindung mit einer innovativen Verbundkonstruktion miteinander zu vergleichen, hat die Firma Peikko eine Broschüre herausgebracht, die verschiedene Entscheidungskriterien auswertet. 5. Ausblick Brandschutz ist eines der höchsten Schutzziele im Bauwesen. Dabei können keine Kompromisse gemacht werden. Die aktuelle Anpassung der „Muster-Garagen- und Stellplatzverordnung M-GarVO“ vom 14. Juli 2022 trägt der Wichtigkeit des Brandschutzes für Parkdecks entsprechend Rechnung. Neue Bauweisen, die zu einer besseren CO 2 -Bilanz beitragen, wie der Holz-Beton-Verbundbau, müssen in den entsprechenden Bauordnungen gleichgestellt werden. Hierzu gibt es bereits entsprechende Fortschritte. 126 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Brandschutz: Herausforderungen und Lösungen für Parkbauten gemäß neuer Mustergaragenverordnung Die zum Bauen unerlässlichen Materialien wie Stahl und Beton müssen in ihren Herstellungsprozessen angepasst werden. Dazu zählt im Wesentlichen die energieintensiven Prozesse durch den Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien (Sonne, Wind, Wasserkraft, etc.) weiter zu ermöglichen und alte Prozesse zu optimieren, um weniger Energie einsetzen zu müssen. Beim Einsatz von Stahl und Beton müssen recycelte Materialien Verwendung finden. Beton kann zu einem großen Teil wiederverwertet werden (Ersatz für Gesteinskörnungen und Zementstein). Der Baustahl kann zu einem hohen, fast 100 %-igen Anteil aus Stahlschrott hergestellt werden. Hierzu sei der mögliche Einsatz des schon heute marktreifen Peikko DELTABEAM ® Green genannt. Literaturangaben [1] EPD DELTABEAM ® Green 29.04.2020, Building Information Foundation, Helsinki. [2] M-GarStVO. [3] Von Monobaustoffen zu symbiotischen Materialkombinationen KI - Konstruktiver Ingenieurbau, Heft 05/ 2020. Sascha Schaaf Dipl.-Ing. (FH). [4] DIN EN 1994-1-1 2010-12, Beuth. [5] DIN EN 1994-1-2 2010-12, Beuth. [6] Allgemeine Bauartgenehmigung Z-26.2-49 DEL- TABEAM ® Verbundträger, 2020-10 Peikko Group Oy, DIBt. [7] DIN EN 1995-1-1 2010-12, Beuth. [8] DIN EN 1995-1-2 2010-12, Beuth. [9] Peikko Parking. [10] Parken aktuell Jahrgang 32, März 2021, Ausgabe 120.