eJournals Kolloquium Parkbauten 11/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
21
2024
111 Technische Akademie Esslingen

Digitale Tiefgarageninspektionen nach DBV-Merkblatt

21
2024
Daniel Menges
Sabine Reim
Andrei Walther
Birga Ziegler
Parkplätze sind Teil der Infrastruktur in Deutschland und allgegenwärtig. Schätzungen gehen von mehreren Millionen Parkplätzen in Deutschland aus. Viele dieser Parkbauten existieren bereits seit den 1950er Jahren und erfordern ein umso sorgfältigeres Instandhaltungsmanagement, zur Gewährleistung der Sicherheit und Langlebigkeit der Bauwerke. Die regelmäßige Inspektion, Wartung und Instandhaltung haben dabei positive Auswirkungen sowohl auf die CO2-Bilanzierung als auch auf die Verlängerung der Nutzungsdauer. Die Verwendung digitaler Technologien bei Inspektionen und Bauwerksuntersuchungen birgt ein enormes Potenzial für ein effizientes und einheitliches Instandhaltungsmanagement ohne aufwändige Nachdigitalisierung von vor Ort auf Papier erstellten Inspektionsprotokollen. Die Grundlage für eine standardisierte Vorgehensweise für Tiefgaragenbegehungen unterstützt durch ein digitales Tool, bilden die Empfehlungen des DBV-Merkblatts „Parkhäuser und Tiefgaragen-Januar 2022“ des deutschen Beton- und Bautechnik Verein, kurz DBV. Darüber hinaus wurde die gewählte Softwarelösung auch für Bauwerksuntersuchungen angepasst, so dass Untersuchungsstellen erfasst und Laborergebnisse automatisch integriert werden können. Zukünftig wird das Instandhaltungsmanagement der Software durch digitale Zwillinge und KI zur Schadensklassifizierung.
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11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 277 Digitale Tiefgarageninspektionen nach DBV-Merkblatt Daniel Menges, B. Eng KIWA GmbH, Gersthofen Dipl.-Ing. Sabine Reim m2ing GmbH, München Prof. Dr.-Ing. Andrei Walther KIWA GmbH, Gersthofen Dipl.-Ing. (FH) Birga Ziegler M. Sc. m2ing GmbH, München Zusammenfassung Parkplätze sind Teil der Infrastruktur in Deutschland und allgegenwärtig. Schätzungen gehen von mehreren Millionen Parkplätzen in Deutschland aus. Viele dieser Parkbauten existieren bereits seit den 1950er Jahren und erfordern ein umso sorgfältigeres Instandhaltungsmanagement, zur Gewährleistung der Sicherheit und Langlebigkeit der Bauwerke. Die regelmäßige Inspektion, Wartung und Instandhaltung haben dabei positive Auswirkungen sowohl auf die CO2-Bilanzierung als auch auf die Verlängerung der Nutzungsdauer. Die Verwendung digitaler Technologien bei Inspektionen und Bauwerksuntersuchungen birgt ein enormes Potenzial für ein effizientes und einheitliches Instandhaltungsmanagement ohne aufwändige Nachdigitalisierung von vor Ort auf Papier erstellten Inspektionsprotokollen. Die Grundlage für eine standardisierte Vorgehensweise für Tiefgaragenbegehungen unterstützt durch ein digitales Tool, bilden die Empfehlungen des DBV-Merkblatts „Parkhäuser und Tiefgaragen-Januar 2022“ des deutschen Beton- und Bautechnik Verein, kurz DBV. Darüber hinaus wurde die gewählte Softwarelösung auch für Bauwerksuntersuchungen angepasst, so dass Untersuchungsstellen erfasst und Laborergebnisse automatisch integriert werden können. Zukünftig wird das Instandhaltungsmanagement der Software durch digitale Zwillinge und KI zur Schadensklassifizierung ergänzt. 1. Einführung Parkplätze sind in Deutschland allgegenwärtig. Ob in der Innenstadt oder am Stadtrand, ob beim Einkaufen oder bei der Arbeit - ohne ausreichende Parkmöglichkeiten würde der Alltag vieler Menschen deutlich erschwert. Doch wie viele Parkplätze gibt es eigentlich in Deutschland und wer betreibt sie? Eine genaue Zahl lässt sich nicht nennen, da es keine zentrale Erfassung gibt. Schätzungen gehen jedoch von mehreren Millionen Stellplätzen aus. Allein im Bundesverband Parken sind die Betreiber von über 2.500 Garagen und Parkhäusern organisiert, die zusammen mehr als eine Million Stellplätze bereitstellen. [1] Der Bau von Parkhäusern und Garagen hat in Deutschland vor allem in den Jahrzehnten des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen. Kommunen und mittelständische Unternehmen haben in dieser Zeit zahlreiche Parkbauten errichtet, die den steigenden Bedarf an Parkplätzen decken sollten. [1] Die Mindestnutzungsdauer von Parkbauten beträgt etwa 50 Jahre, wenn sie entsprechend instandgehalten werden. Das bedeutet, dass viele der Parkhäuser und Garagen, die heute noch in Betrieb sind, bereits seit den 1950er Jahren existieren. Eine sorgfältige Instandhaltung von Parkbauten ist daher von großer Bedeutung, zur Gewährleistung der Sicherheit, Dauerhaftigkeit und Tragfähigkeit und damit auch der Nachhaltigkeit im Sinne einer langen Nutzung. [1] Das DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ bietet hierbei eine wertvolle Orientierungshilfe für Maßnahmen zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von Parkbauten und empfiehlt beispielsweise eine jährliche bzw. zwei jährliche Inspektion der Baukonstruktion.[2] Doch wie können diese Inspektionen effizienter und einheitlicher gestaltet werden? Und wie sieht ein reibungsloser Prozess aus mit dem auch weitergehende Bauwerksuntersuchungen und Laborauswertungen in die Ergebnisse eingebunden werden können? Die Verwendung digitaler Technologien und Building Information Modeling (BIM) bieten hier ein enormes Potenzial für die effiziente und einheitliche Gestaltung von Tiefgaragenbegehungen und dem gesamten Instandhaltungsmanagement. In Zusammenarbeit mit den Experten der KIWA GmbH wurden Tiefgaragenbegehungen und weiterführende Bauwerksuntersuchungen vollständig in eine Software integriert. Das ermöglicht es den Inspektoren, ihre Arbeit effizienter zu gestalten und sich vollständig auf ihre Expertise zu konzentrieren. Die aufwändige Nachdigitalisierung von in Papier erstellten Inspektionsprotokollen und in Papierplänen dokumentierten Schäden entfällt somit komplett. Stattdessen können festgestellte Mängel, Untersuchungsstellen oder geplante Maßnahmen direkt vor Ort in einer App auf dem Tablet oder Smartphone erfasst werden. Die erfassten Daten werden im Webservice der Software zu umfassenden Be- 278 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Digitale Tiefgarageninspektionen nach DBV-Merkblatt richten zusammengefügt, bei Bedarf automatisiert mit Laborauswertungen ergänzt und können dann mit nur einem Klick als Word-Dokument exportiert werden. Dies spart nicht nur Zeit, sondern sorgt auch für eine einheitliche Dokumentation der Inspektionsergebnisse. Ebenso werden Übertragungsfehler von Papier auf digital vermieden. Darüber hinaus bietet die gewählte Software eine Zustandsübersicht, die jederzeit über den Webservice einsehbar ist. Diese ermöglicht es den Verantwortlichen, den Zustand der Tiefgarage über die Zeit hinweg nachzuverfolgen und eventuelle Trends oder schnell wachsende Schadenspotentiale der Struktur frühzeitig zu erkennen. Ebenso können die Ergebnisse für das Wartungs- und Budgetmanagement der Betreiber wertvolle Informationen liefern. Die zukünftige Integration digitaler Technologien wie maschinellem Lernen und BIM ermöglichen eine noch effiziente und einheitliche Gestaltung von Tiefgaragenbegehungen und dem gesamten Instandhaltungsmanagement. Dies führt zu einer höheren Qualität der Ergebnisse und einer deutlichen Zeitersparnis für alle Beteiligten.[3] 2. Grundlagen 2.1 Baukonstruktion von Parkbauten Parkbauten, im Gegensatz zu anderen Gebäuden, unterliegen spezifischen Beanspruchungen, die vergleichbar mit Einwirkungen auf Straßenbrücken sind. Diese Bauwerke sind regelmäßig Feuchtigkeit und chloridhaltigen Taumitteln ausgesetzt, ebenso wie mechanischem Abrieb und dynamischen Einwirkungen. Obwohl diese Einflüsse bei der Tragwerksplanung als vorwiegend ruhend betrachtet werden können, müssen sie dennoch berücksichtigt werden. Bei oberirdischen Parkbauten sind die oberen Parkdecks oft der freien Bewitterung ausgesetzt. In einigen Fällen gilt dies auch für die darunterliegenden Parkdecks, wenn auf eine Fassade verzichtet wird. Ein benutzerfreundliches Parkhaus zeichnet sich in der Regel durch stützenfreie Parkflächen aus, mit Spannweiten der Decken von 13 m bis 17 m. Parkbauten entsprechen im technischen Sinne Verkehrsbauwerken. Aufgrund der ähnlichen Beanspruchungen und Spannweiten teilen sie gewisse Gemeinsamkeiten mit Straßenbrücken. Es ist wichtig, diese Aspekte bei der Planung und Konstruktion von Parkbauten zu berücksichtigen. Insbesondere für die Gewährleistung der Sicherheit und Funktionalität dieser Gebäude aber auch bei der regelmäßigen Überprüfung der Baukonstruktion sind diese Aspekte zu beachten.[2] 2.2 Regelmäßige Inspektionen und Instandhaltung zur Verbesserung der CO2-Bilanz Abbildung 1 zeigt zwei vergleichende Kurven der Dauerhaftigkeit von Parkbauten. Einmal die Ausfallratewahrscheinlichkeit eines Bauwerks ohne regelmäßige Bauwerksinspektion sowie ohne Instandhaltung in Gelb dargestellt. In Blau ist die Ausfallratenwahrscheinlichkeit mit regelmäßiger Bauwerksprüfung und Instandhaltung abgebildet. Abbildung 1: Ausfallratewahrscheinlichkeit mit und ohne Bauwerksprüfung Die Kurvendarstellung in Technikerkreisen auch Badewannenkurve genannt beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vermögenswert im Laufe der Nutzungsdauer auf Grund der Einwirkungen ausfällt. Sie ermöglicht es, den Lebenszyklus einer Baukonstruktion in Phasen zu unterteilen. Durch das Verständnis dieser Phasen kann der Instandhaltungsplan entsprechend angepasst werden. Der Hauptvorteil besteht darin, dass die Nutzungsdauer und Zuverlässigkeit der Anlage besser einschätzbar wird und Instandhaltungsmaßnahmen genauer geplant werden können. Phase 1 bezieht sich auf das Auftreten von Ausfällen aufgrund von grundlegenden Problemen bei der Konstruktion oder mangelnder Qualitätskontrolle während dem Bau bzw. während der Gewährleistung. Phase 2 umfasst die Nutzungsdauer. Die beste Wartungsstrategie in dieser Phase ist die Wartung und Instandhaltung des Bauwerks. Letztere ermöglicht es uns, einen Knick in der Kurve vorherzusagen und vorbeugend zu reagieren. Das zeigt die blaue Kurve mit der Phase 3, die es uns ermöglicht, das Ende der Nutzungsdauer möglichst lange hinauszuzögern. Dieses entspricht den Gedanken der nachhaltigen und ressourcenschonenden Nutzung von Baumaterialien. [4] Nach Görtz/ Pham [5] wurde im Jahr 2023 an Stahlbetonbrückenbauwerken gezeigt, dass eine Verlängerung der Nutzungsdauer erhebliche Vorteile in Bezug auf die CO 2 - Bilanzierung hat. Insbesondere bei Stahlbetonbauwerken hat die Nutzungszeit einen entscheidenden Einfluss auf die CO 2 -Bilanzierung. Durch die Vermeidung von Abriss und Neubau können erhebliche Mengen an CO 2 -Emissionen eingespart werden. Es wurde festgestellt, dass fast 90 % der CO 2 -Emissionen in der Herstellungs- und Bauphase eines Bauwerks entstehen. Dies ist ein wichtiger Aspekt, der bei der Bewertung der Umweltauswirkungen von Bauprojekten berücksichtigt werden muss.[5] 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 279 Digitale Tiefgarageninspektionen nach DBV-Merkblatt Abbildung 2: CO 2 -Bilanzierung Stahlbetonbauwerke frei nach [5] In Deutschland haben viele Parkbauten nur eine Lebensdauer von 50 bis 60 Jahren. Wird jedoch die Lebensdauer solcher Bauwerke durch kontinuierliche Instandhaltung auf 100 bis 150 Jahre erhöht, kann dieses zu einer drastischen Reduzierung der CO2-Emissionen führen. Insbesondere weil sich die CO2-Emissionen während der Nutzungsphase eines Bauwerks durch regelmäßige Instandsetzung / Wartung auf weniger als 15 % der Gesamtemissionen belaufen. Die Entsorgungsphase und das Recyclingpotential sind hingegen fast ausgeglichen. [1][5] Durch eine verstärkte Fokussierung auf die Erhaltung und Instandhaltung von Bauwerken und eine dadurch längere Nutzungsphase und Lebensdauer können erhebliche Umweltvorteile erzielt werden. Dieses erfordert jedoch ein Umdenken und eine kontinuierliche Investition in die Wartung und Sanierung von Bauwerken. 2.3 DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ Das Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ bietet zum einen Planungsgrundlagen, Lösungen für Detailpunkte, tragwerksplanerische Aspekte, und Ausführungshinweise aber auch Maßnahmen zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von Parkbauten. Es ist erstmals 2005 veröffentlicht worden, wurde mehrfach überarbeitet und aktualisiert, zuletzt erschien ein aktualisierter Nachdruck im Jahr 2022. Das Merkblatt enthält in der Praxis anerkannte Ausführungsvarianten für befahrbare Parkflächen aus Stahlbeton und Spannbeton. Ein wesentlicher Abschnitt behandelt ebenso die „Instandhaltung“. Die Instandhaltung umfasst prinzipiell alle Maßnahmen der Inspektion, Wartung und Instandsetzung. Kernelemente dieser Instandhaltung sind regelmäßige Inspektionen, Wartungs- und ggf. Instandsetzungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des Sollzustandes und geht damit konform der DIN 31051. Als Inspektionsintervall wird maximal einmal jährlich in den ersten fünf Jahren empfohlen. Nach diesem Zeitraum sind als Inspektionsintervalle für Betonbauteile nach den Ausführungsvarianten A2 und B maximal einmal jährlich und für die Ausführungsvarianten A1 und C maximal alle zwei Jahre vorzusehen. Ziel ist die systematische Durchführung von regelmäßigen Inspektionen und ggf. Wartungen zur Vermeidung von aufwendigen Instandsetzungsmaßnahmen infolge großer Bauwerksschäden. Im Zuge der Inspektion werden alle zum Zeitpunkt der Untersuchung zugänglichen Bereiche berücksichtigt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Dokumentation visuell erkennbarer Schäden an der Bausubstanz, welche die Dauerhaftigkeit einschränkt. Dabei handelt es sich vor allem um Risse und Fehlstellen in den Bauteiloberflächen bzw. im Oberflächenschutzsystem, sowie Funktionseinschränkungen oder Undichtigkeiten von Fugen. Berücksichtigt werden hierbei Auffälligkeiten an folgenden zum Teil tragsicherheitsrelevanten Bauteilen der Tiefgarage: • Bodenbereiche / ggf. Deckenbereiche • Rampenbereiche • Sockelbereiche der Stahlbetonbauteile • Wartungsfugen • Verdunstungsrinnen Ziel der Inspektion ist es, den Ist-Zustand der Bauwerksbereiche hinsichtlich Schäden und Abweichungen vom Soll-Zustand zu erfassen. Durch die regelmäßige Inspektion können potenzielle Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden. Dieses trägt maßgeblich zur Sicherheit und Langlebigkeit des Bauwerks bei. Es ist wichtig zu betonen, dass bei dieser Inspektion keine Prüfung der Vollständigkeit und Funktionsfähigkeit technischer Anlagen wie Belüftungsvorrichtungen, Brandmelde- und Löschanlagen oder installierter Personenaufzüge erfolgt. Hierbei handelt es sich um separate Wartungsmaßnahmen, die von entsprechenden Fachleuten nach einschlägigen Regelwerken durchgeführt werden müssen. Zur Erhaltung der Dauerhaftigkeit der Betonbauteile sind nach bauwerksspezifischen Inspektionen und festgestellten Mängeln entsprechende Wartungsarbeiten durch den sachkundigen Planer festzulegen und durch den Betreiber zu beauftragen. [2] 2.4 Bauwerksuntersuchungen In der Praxis werden die Inspektionen nach DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgarage“ leider oft nicht oder zu spät ausgeführt. Oft werden bei Tiefgarageninspektionen Schäden an der Betonoberfläche bzw. an dem Oberflächenschutzsystem festgestellt, welche über einen längeren Zeitraum eine Chloridbeaufschlagung in das Bauteil ermöglichen. Aufgrund der festgestellten Schäden können dann häufig nur gezielte Instandsetzungsmaßnahmen helfen die Dauerhaftigkeit wieder herzustellen. Bei einer Bauwerksuntersuchung wird möglichst auf zerstörungsfreie und zerstörungsarme Prüfverfahren zurückgegriffen. Das bedeutet, dass das Bauwerk während der Untersuchung nicht maßgeblich beschädigt wird. Das ist besonders zur Vermeidung von zusätzlichen Schäden und der Erhaltung der Integrität des Bauwerks wichtig. [8] Zu den gängigen Prüfverfahren bei einer Bauwerksuntersuchung zählen neben der visuellen Inspektion der Baukonstruktion auch die Durchführung von zerstörungs- 280 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 Digitale Tiefgarageninspektionen nach DBV-Merkblatt freien Messungen und die Entnahme sowie die Analyse von Materialproben wie beispielsweise die Bestimmung der Carbonatisierungstiefe, Bestimmung des Gesamtchloridgehaltes und das Anlegen von Sondieröffnungen zur Beurteilung des Korrosionsgrades der Bewehrung. Durch diese Verfahren können Schädigungsgrade von Bauteilen festgestellt und hinsichtlich Verkehrssicherheit, Dauerhaftigkeit und Standsicherheitseinschränkungen beurteilt werden. [6] [7] Anhand der Untersuchungen kann zum einen der Instandsetzungsbedarf im Zuge von stichpunktartigen Bauwerksuntersuchungen und der Instandsetzungsumfang anhand flächiger Untersuchungen abgegrenzt werden. Diese Informationen sind für die Planung von Instandsetzungsmaßnahmen essenziell und gewährleisten eine langfristige Nutzung des Bauwerks. [8] 3. Digitale Inspektionen und Begehungen von Tiefgaragen auf Basis des DBV-Merkblatts 3.1 Bauwerke digital prüfen und verwalten Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren auch in der Bauindustrie Einzug gehalten und revolutioniert die Art und Weise der Prüfung und Verwaltung von Bauwerken. Mithilfe von innovativen Technologien wie der gewählten Software können Betreiber, Kommunen und Ingenieure Bauwerke digital, zeitsparend und normkonform prüfen sowie Bauwerke über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg nachhaltig und effizient verwalten. Die hier gewählte Softwarelösung beinhaltet einen Webservice, welcher als zentrales Werkzeug für das Bauwerks-, Dokumenten- und Aufgabenmanagement dient. Er ermöglicht eine effiziente Vor- und Nachbereitung der Prüfungen. Ergänzend dazu bietet die App vor Ort eine Schadensdokumentation am Plan (Mehrfachverortung von Schäden sowie und Handzeichnungen im Plan möglich) und eine vollständige Beschreibung gemäß Richtlinien. Die App ist selbsterklärend gestaltet und offline auch mit mehreren Prüfern funktionsfähig, daher auch in Tiefgaragen ohne Handyempfang uneingeschränkt nutzbar. Die Vorteile einer solch digital unterstützten Inspektion liegen auf der Hand: Durch die digitale Prüfung von Bauwerken können Fehlerquellen schneller und effizienter identifiziert werden, Prüfungen sind einheitlich und nachvollziehbar und bauen aufeinander auf. Bestehende Prüfunterlagen bilden immer die Basis für eine neue Prüfung und erleichtern somit auch die Darstellung der zeitlichen Entwicklung von Schäden, Mängeln und dem Gesamtzustand des Bauwerks. Die vollständige Integration gültiger Richtlinien für den Ingenieurbau (DIN 1076 und RI-EBW-Prüf) und den Hochbau (VDI 6200) unterstützen den Prüfer fachlich bei der Bewertung von Schäden. Doch nicht nur die Prüfung, sondern auch die Verwaltung von Bauwerken wird deutlich vereinfacht. Solch eine Plattform ermöglicht eine zentrale Verwaltung aller relevanten Daten und Dokumente, was zu einer höheren Transparenz und einer einfacheren Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren führt. Auch die Planung von Instandhaltungsmaßnahmen können dadurch erleichtert werden, da auf Basis der gesammelten Daten und Informationen gezielte Maßnahmen ergriffen werden können. [9] 3.2 Tiefgaragenbegehungen gemäß DBV-Merkblatt m Es wurden einige Anpassungen am Webservice und an der App der gewählten Software für die Integration der Inspektion von Tiefgaragen gemäß DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ durchgeführt. Hierbei wurden Experten der KIWA GmbH zur Gewährleistung der optimalen Umsetzung hinzugezogen. Im Webservice wurden spezifische Stammdaten für die Bauwerksart „Parkbauten/ -Tiefgarage“ ergänzt und die Erfassungsart inklusive Prüfzyklus hinzugefügt. Bei der Erfassung von Schäden steht ein Schadensbeispielkatalog aus dem Hochbau zur Verfügung. Dieser unterstützt den Prüfer bei der Beschreibung sowie Kategorisierung von Schäden. In der App wurden Formularfelder für die optimierte Schadensaufnahme ergänzt. Es besteht nun auch die Möglichkeit, Handlungsempfehlungen zeitlich eingeordnet und verbal konkretisiert zu geben. Der automatisierte Bericht wurde an die Empfehlungen des DBV-Merkblatts und der Experten angepasst und enthält nun eine tabellarische Übersicht aller Schäden inklusive zeitlicher Entwicklung sowie detaillierte Darstellungen aller aufgenommenen Schäden inklusive jeweils zwei Bilder (Übersichts- und Detailansicht) sowie Textbausteine für Handlungsempfehlungen und Zusammenfassungen der Ergebnisse. [9] 3.3 Bauwerksuntersuchungen Für die bestmögliche digitale Unterstützung der Bauwerksuntersuchungen wurden auch hierfür einige neue Features in die Software integriert, welche nachfolgend genauer erläutert werden: • Custom Pins zur Verortung von Untersuchungs-/ Messstellen • Individualisierbare Formulare • GPS-Daten zur Verortung am Plan • Barcodescanner zur automatisierten Verknüpfung von Laborergebnissen • Berichtseditor zur Erstellung von Vorlageberichten Zur Erleichterung der Verortung von Untersuchungs- und Messstellen, wurden neben den in der Software bereits vorhandenen PIN-Typen Schäden und Notizen zusätzlich Custom Pins integriert. Diese können individuell angepasst werden und helfen dabei, die notwendigen Daten je Prüfverfahren vor Ort möglichst einfach und vollständig zu erfassen. Um die Erfassung der notwendigen Daten je Prüfverfahren noch einfacher zu gestalten, können individualisierbare Formulare erstellt werden. Diese helfen dabei, die notwendigen Daten je Prüfverfahren vor Ort möglichst einfach und vollständig befüllen zu können. Die Verortung am Plan wird durch GPS-Daten ergänzt. So kann neben der grafischen Verortung am Plan jederzeit der genaue Standort einer Mess- oder Untersuchungsstelle eingesehen werden. 11. Kolloquium Parkbauten - Februar 2024 281 Digitale Tiefgarageninspektionen nach DBV-Merkblatt Die Integration einer Schnittstelle für Barcodescanner mit der App ermöglicht es Laborergebnisse nach Auswertung mit den jeweiligen Untersuchungsstellen automatisiert zu verknüpfen. Die Laborergebnisse werden über eine Schnittstelle zum Webservice eingelesen und über eine eindeutige ID der Untersuchungsstelle zugewiesen. Ein Berichtseditor erleichtert die Erstellung von Vorlageberichten, die den individuellen Bedürfnissen der Nutzer entsprechen und die für die jeweilige Erfassung sinnvollen Daten enthalten. Einmal erstellt, ist es möglich, Berichte basierend auf der Vorlage mit nur einem Klick zu exportieren. [9] 3.4 Verortung am 3D-Modell und automatisierte Schadenserkennung Die bisher vorgestellten Methoden der digitalen Inspektion von Parkbauten orientieren sich an den aktuell etablierten analogen Prozessen. Dadurch wird es für die Inspekteure und Nutzer möglichst einfach, den Umstieg in die digitale Arbeitsweise zu vollziehen. Natürlich ist die Verortung an 2D-Skizzen und Plänen sowie der Export von Wordberichten nicht das Ende der technologischen Entwicklung. In diesem Jahr plant das Softwareunternehmen, die Verortung von Schäden, Notizen und Untersuchungsstellen auf digitalen Zwillingen bzw. 3D-Modellen zu ergänzen. Dieses wird durch den Einsatz von As-built-Modellen sowie IFC-Modellen auf der Basis von Punktwolken ermöglicht, welche in die Software importiert werden können. Dadurch wird eine präzise und detaillierte Darstellung der Schäden und ihrer Positionierung ermöglicht. Zur Klassifizierung von Schäden anhand von Bildinformationen werden zukünftig neuronale Netze eingesetzt. Diese sind in der Lage, Schäden pixelgenau zu erkennen und zu klassifizieren. Dadurch wird eine automatisierte und effiziente Vorklassifizierung der Schäden ermöglicht, was wiederum Zeit und Ressourcen spart. Basis hierfür bietet das Forschungsprojekt MoBaP in Zusammenarbeit mit der Bundeswehruniversität München. [10] Die Verwendung von digitalen Zwillingen und 3D-Modellen bietet zahlreiche Vorteile. Zum einen ermöglicht es eine präzise Dokumentation und Verortung von Schäden, Notizen und Untersuchungsstellen. Gezieltere Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten werden dadurch ermöglicht. [9] 4. Ausblick Betreiber und Eigentümer werden sich mehr und mehr Ihrer Verkehrssicherungspflicht bewusst. Der Arbeitskräftemangel in der Branche wird immer deutlicher. Die junge Generation an Ingenieuren ist technikaffin. Viele Parkbauten erreichen nach und nach das Ende Ihrer Nutzungsdauer und müssen generalsaniert oder neu gebaut werden. Vorausschauende Instandhaltung hat eine positive Auswirkung auf die Nutzungsdauer eines Bauwerks, führt zu einer Kostenreduzierung und verbessert die ökologische Nachhaltigkeit signifikant. All diese Faktoren und das wachsende Bewusstsein darüber führen dazu, dass der Bedarf an digitalen Tools zur Unterstützung im systematischen Instandhaltungsmanagement und bei der regelmäßigen Begehung von Parkbauten wächst. Digitale Tools bieten Betreibern, Eigentümern und Inspekteuren vielversprechende Möglichkeiten für die zeitgemäße Durchführung von Tiefgarageninspektionen, Bauwerksuntersuchungen und das nachhaltige Instandhaltungsmanagement über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Durch die zukünftige zusätzliche Integration von Building Information Modeling (BIM) und den Einsatz fortschrittlicher Technologien wie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen können Inspektionen noch effizienter, präziser und kosteneffektiver gestaltet werden. Ziel ist hier die Ergebnisse von Bauwerksuntersuchungen und zerstörungsfreien Prüfungen direkt mit den digitalen Zwillingen zu verbinden. Es ist wichtig, diese digitalen Tools als Chance zu erkennen und sie aktiv in den Inspektions- und Instandhaltungsprozess zu integrieren zur Gewährleistung der Sicherheit, Nachhaltigkeit und Langlebigkeit von Parkbauten und Tiefgaragen in Deutschland. Literatur [1] Bundesverband Parken [Online]. Available: https: / / www.parken.de/ / (accessed: Nov. 30 2023) [2] Parkhäuser und Tiefgaragen Multi-storey and Underground Car Parks Fassung Januar 2018, aktualisierter Nachdruck September 2022, im März 2023 redaktionell korrigiert, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V. (Dbv), Berlin, März 2023 [3] m2ing - Digitale Bauwerksdaten, m2ing - Digitale Bauwerksdaten. [Online]. Available: https: / / m2ing. com/ (accessed: Nov. 30 2023). [4] Infraspeak, SA [Online]. Available: https: / / blog. infraspeak.com/ de/ badewannenkurve/ (accessed: Nov. 30 2023). [5] Görtz, S., Pham, T. K. D., Graage, F-L.: CO2-Bilanzierung und Optimierung von Hochbauwerken - Voruntersuchung. Kleinförderung durch die Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig- Holstein GmbH, November 2020 - Februar 2022 [6] DIN EN 14629: 2007-06 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Bestimmung des Chloridgehaltes in Festbeton; Deutsche Fassung EN 14629: 2007, Beuth Verlag GmbH, Juni 2007 [7] DIN EN 14630: 2007-01 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Bestimmung der Karbonatisierungstiefe im Festbeton mit der Phenolphthalein-Prüfung; Deutsche Fassung EN 14630: 2006, Beuth Verlag GmbH, Juni 2007 [8] VDI 6200 Standsicherheit von Bauwerken: Regelmäßige Überprüfung, VDI 6200, Verein Deutscher Ingenieure, Feb. 2010. [9] m2ing - Digitale Bauwerksdaten, m2ing - Digitale Bauwerksdaten. [Online]. Available: https: / / m2ing. com/ (accessed: Nov. 30 2023). [10] MoBaP [Online] Available: https: / / www.unibw.de/ forschung/ projekte/ mobap-modellbasierte-digitale-bauwerkspruefung (accessed: Nov. 30 2023)