Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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BIM im Verkehrswegebau - Projektplanung der Bauausführung unter Anwendung eines Datenmodells: BIM-unterstütztes Datenmanagement im Straßenbau - Planung und Ausführung anhand von Praxisbeispielen
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Christoph Kellner
Die Bedeutung von Building Information Modeling (BIM) gewinnt auch für den Infrastrukturbau zunehmend an Bedeutung. Die Ansätze, Methoden und Werkzeuge aus dem Hoch- sowie Ingenieurbau kommen dabei aber nur bedingt zum Einsatz, da insbesondere geometrische Gegebenheiten, Achskrümmung in Lage und Höhe, und eine andersartige Form der Komplexität andere technische Voraussetzungen bedingen. Losgelöst vom Gewerk wird aber immer das gleiche Ziel verfolgt; die Schaffung von Mehrwerten auf Basis der Etablierung modellbasierter Prozesse über den gesamten
Lebenszyklus des Bauwerks. Im folgenden Beitrag werden die Möglichkeiten der BIM- Anwendung aus Sicht einer bauausführenden Unternehmung exemplarisch an zwei Verkehrswegebauprojekten dargestellt. Es wird aufgezeigt, wie die STRABAG die modellbasierte Bearbeitung für die Betriebsphase im Rahmen eines PPP-Projektes für sich nutzbar macht und die Grundlagen für die Übergabe an die Betreibersysteme der Baulastträger schafft. Darüber hinaus wird der
baupraktische Nutzen von BIM im Zuge der Oberbausanierung eines Autobahnabschnitts dargestellt.
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40 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Fachgruppe „BIM-Verkehrswege“ des buildingSMART Deutschland e.V. - Vorstandardisierung u. Veröffentlichung „BIM-Klassen der Verkehrswege“ Zeitraum und Umfang der Bearbeitung hängen insbesondere von den zur Verfügung stehenden Ressourcen auf Seiten der Beteiligten ab. Weiterhin sind die Ziele der Fachgruppe mit den aktuellen Entwicklungen in der BIM-Standardisierung auf internationaler und nationaler Ebene, z. B. BIM Deutschland abzugleichen und ggf. neu zu justieren. Inhalt der beiden weiteren Hauptziele wird insbesondere sein: - Festlegung erforderlicher Merkmale für die Klassen: Mit diesen Merkmalen/ Merkmalssätzen ist der BIM- Anwender in der Lage, die maßgeblichen Eigenschaften der Klassen in allen Lebenszyklusphasen eindeutig zu beschreiben. Dabei werden nicht alle Merkmalssätze in jeder Lebenszyklusphase benötigt und gepflegt. - Zuordnung der Merkmale zur LOIN-Ausprägung: Mit einem LOIN-Standard-Datensatz lassen sich BIM-Modelle als Ergebnismodell plattformübergreifend austauschen und verwenden. Der Standard-Datensatz kann Grundlage bzw. wesentliche Unterstützung bei einer Schnittstellendefinition auf nationaler bzw. internationaler Ebene sein. Die Fachgruppe wird sich neben der Definition von Standards auch in die (Weiter-) Entwicklung von Datenaustauschformaten einbringen. Mit dem aktuell laufenden Deployment bzw. der Fertigstellung der Version IFC 4.3 ist ein weiterer Schritt zur Standardisierung international getan. Darin enthalten sind wesentliche Elemente zum Datenaustausch in der Infrastruktur. Mit der Arbeit der Fachgruppe wird die Standardisierung der IFC-Schnittstellen unterstützt und vor allem die Belange der deutschen Fachschaft vertreten. Auf Grundlage der in der Fachgruppe umfassend vorhandenen Expertise und einheitlicher Klassendefinitionen entsprechend des vorstehenden Kataloges „BIM-Klassen der Verkehrswege“ bringt diese Arbeit den Normierungsprozess zielgerichtet voran. Wichtig und ein wesentliches Ziel der Fachgruppe ist dabei der Austausch und die Zusammenarbeit mit vorgenannten bundesweiten Gremien, Pilotprojekten und Forschungsprojekten. Parallelentwicklungen müssen nach Ansicht der Fachgruppe vermieden werden. Nationales Ziel ist eine einheitliche Definition / Schnittstelle für den BIM-Datenaustauch im Fachbereich der Verkehrswege. Neben den nationalen Aktivitäten ist ein weiteres Anliegen der Fachgruppe „BIM - Verkehrswege“ die fachliche Unterstützung des buildingSMART International. Der regelmäßige Austausch ist bereits gelebte Praxis. Wenn Sie mitarbeiten wollen: www.BIM-Verkehrswege.de Quellen: [1] Heft 1.01 der bSD Schriftenreihe: BIM-Klassen der Verkehrswege [2] Statusbericht Fachgruppe BIM-Verkehrswege [3] Veröffentlichungen des buildingSAMT Deutschland e.V. [4] Projekt IFC Road - Dokumentation 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 41 BIM im Verkehrswegebau - Projektplanung der Bauausführung unter Anwendung eines Datenmodells: BIM-unterstütztes Datenmanagement im Straßenbau - Planung und Ausführung anhand von Praxisbeispielen Christoph Kellner STRABAG AG, Zentrale Technik - VWB Zusammenfassung Die Bedeutung von Building Information Modeling (BIM) gewinnt auch für den Infrastrukturbau zunehmend an Bedeutung. Die Ansätze, Methoden und Werkzeuge aus dem Hochsowie Ingenieurbau kommen dabei aber nur bedingt zum Einsatz, da insbesondere geometrische Gegebenheiten, Achskrümmung in Lage und Höhe, und eine andersartige Form der Komplexität andere technische Voraussetzungen bedingen. Losgelöst vom Gewerk wird aber immer das gleiche Ziel verfolgt; die Schaffung von Mehrwerten auf Basis der Etablierung modellbasierter Prozesse über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks. Im folgenden Beitrag werden die Möglichkeiten der BIM- Anwendung aus Sicht einer bauausführenden Unternehmung exemplarisch an zwei Verkehrswegebauprojekten dargestellt. Es wird aufgezeigt, wie die STRABAG die modellbasierte Bearbeitung für die Betriebsphase im Rahmen eines PPP-Projektes für sich nutzbar macht und die Grundlagen für die Übergabe an die Betreibersysteme der Baulastträger schafft. Darüber hinaus wird der baupraktische Nutzen von BIM im Zuge der Oberbausanierung eines Autobahnabschnitts dargestellt. 1. Einleitung Digitalisierung verbindet Chance und Risiko gleichermaßen. Die Chance, durch die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse, eine Effizienzsteigerung hervorzurufen. Das Risiko, die Anwender und Nutzer mit einer hohen Anzahl an digitalen und teilweise disruptiven Lösungen zu überfordern. Eine Einbindung dieser Personengruppen in den Umgestaltungsprozess ist daher unabdingbar. Dieser Change Prozess betrifft zudem alle Stakeholder der Baubranche gleichermaßen und verlangt eine digitale Transformation von drei wesentlichen Komponenten in der Bauindustrie: Mensch, Verträge/ Normen und Technologie. Diese stehen in ihrem Wirkungskreis in Abhängigkeit zueinander und sind daher umfassend anzugehen. Die große Herausforderung und Rolle eines traditionellen Baukonzerns wie der STRABAG ist es daher, als positives Beispiel Standards und digitale Innovationen aktiv mitzugestalten. Ein grundlegender Beitrag ist dabei die Entwicklung und Implementierung von BIM in Ausführungsprojekten. Das erlangte Knowhow soll im Weiteren gemeinsam mit Planern und Bauherrn in einem vollumfassenden modellbasierten Kreislauf eingebettet werden. Für die BIM-basierte Bearbeitung ist es notwendig, bestehende Arbeitsprozesse nachhaltig zu verändern, um eine ressourcenschonendere und effizientere Umsetzung von Bauprojekten zu ermöglichen. Darin verankert ist insbesondere eine durchgängigere, digitale und vor allem medienbruchfreie Verwaltung von Daten und Informationen zu jedem Projekt. Dadurch entstehen nicht nur neue Anforderungen für die im Rahmen der Bauausführung tätigen Menschen. Letztendlich wird der gesamte Mehrwert erst greifbar, wenn sich diese Veränderungen über alle Projektphasen - Planung, Bauvergabe, Ausführung, Betrieb und Erhaltung - erstrecken. Wenn diese gegenwärtigen Herausforderungen gemeistert werden können, wirkt sich dies positiv auf die gesamten Lebenszykluskosten eines Bauwerks aus. Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine noch größere partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten erforderlich. Hierzu sind zielgerichtete Adaptionen der bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen in allen Projektphasen ebenso erforderlich, wie die Schaffung von entsprechend fortschrittlichen Vertragsmodellen. Modelle, wie Partneringbzw. Allianzmodelle, Early Contractor Involvements (ECI) werden zukünftig heutige Bauverträge ersetzen. 42 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 BIM im Verkehrswegebau - Projektplanung der Bauausführung unter Anwendung eines Datenmodells Abbildung 1: Projektkreislauf 2. BIM in der Ausführung Im Zuge der Bauausführung stellt der Transfer der innerhalb der Modelle festgehaltenen Informationen, wie bspw. Geometrie, Kubaturen, Lieferant, Lagerort, etc., aus der Planung auf die Baustelle eine weitere Herausforderung dar. Diese Daten werden nicht mehr in Form von Papierplänen zur Baustelle übermittelt, sondern es sollen die erstellten Modelle in allen Dimensionen genutzt werden. Hierfür ist nicht nur die entsprechende Ausstattung mit geeigneter Hard- und Software sicherzustellen, auch das Baustellenpersonal ist im Umgang mit neuen Technologien zu schulen. Ziel ist es, die Mitarbeiter auf der Baustelle in die Lage zu versetzen, Modelle mit Informationen über die Bauzustände anreichern zu können, sowie Daten für die Planung und das Monitoring des Bauablaufs zu liefern. Durch die Arbeitsweise mittels Modelldatenbanken können solche Änderungen transparent und effizient eingearbeitet, sowie interaktiv mit den involvierten Planungs- und Baubeteiligten verifiziert werden. Flächendeckende Informationen werden durch den Einsatz von Drohnenund/ oder Lasertechnologie (Mobile Mapping) berücksichtigbar. In weiterer Folge sind dadurch auch die Daten der Ausführung für die auf dem Baufeld agierenden Baugeräte verfügbar und werden über entsprechende Schnittstellen aus dem Modell auf die Baumaschine übertragen. Die Frage der Aktualität der auf den Baustellen vorhandenen Papierpläne gehört damit der Vergangenheit an. Weiterhin ist die Möglichkeit zur modellbasierten Terminplanung und Kostenverwaltung gegeben, die die Basis für eine genauere Leistungsverfolgung der Baustelle darstellt. Um jedoch auch eine effektivere Anwendung in der Bauabrechnung zu ermöglichen, ist eine Novellierung der bestehenden Abrechnungsregeln erforderlich. Abbildung 2: Maschinensteuerungsdaten Ausführung mit Punktwolke In der Betriebs- und Erhaltungsphase ist es möglich, Zustandserhebungen im Modell zu verwalten. Dieser Ansatz kann durch georeferenzierte Bildaufnahmen und Messungen, die mit dem Modell verknüpft sind, unterstützt werden. Dies ermöglicht eine modellgestützte Planung notwendiger Erhaltungsmaßnahmen. Ein solches Modell kann um die periodisch notwendigen Erhaltungsmaßnahmen fortgeschrieben und mit den hinterlegten Zustandswerten ein zustandsabhängiges, sowie dynamisches Erhaltungsmanagement betrieben werden. 3. Anwendung in der Praxis - Pilotprojekt Harsewinkel, DE Das Pilotprojekt „Harsewinkel“ wurde 2007 im Rahmen eines PPP-Modells beauftragt. Der Projektvertrag sieht nach der Baufertigstellung die Erhaltung und den Betrieb über 30 Jahre der Vertragsstrecke vor. Dieses Projekt dient zur Grundlagenermittlung für die weitere Entwicklung eines standardisierten modellbasierten Planungsverfahrens von PPP-Projekten, welche den Betrieb und die Erhaltung von Verkehrswegen und dessen Bestandteilen beinhaltet. Zentraler Kerninhalt des Pilot-Projektes war demgemäß die Schaffung eines Asset-Informationsmodells (AIM) Das Pilotprojekt fokussierte sich auf die modellbasierte Abbildung eines bestehenden, sich in Betrieb befindlichen, PPP-Projekts. Im Weiteren war es Ziel, eine Ausschreibung einer Erhaltungsmaßnahme modellgestützt durchzuführen. Durch die parallele Ausschreibung, die im konventionellen Sinn bearbeitet wird, entstand die Möglichkeit eines Vergleiches zwischen der herkömmlichen und der modellbasierten Ausschreibung. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 43 BIM im Verkehrswegebau - Projektplanung der Bauausführung unter Anwendung eines Datenmodells Abbildung 3: Streckenmodell PPP Harsewinkel In der Ausführungsphase erfolgte die Erfassung der Bestandsstruktur des Baufeldes anhand Laserscandaten (Mobile Mapping) mit anschließender Aufbereitung eines digitalen Geländemodells (Urgelände). Es wurde ein 5D-Modell in Hinblick auf die Bewertung von Kosten, Terminen und / oder der Qualität erstellt, anschließend die modellbasierten VA-Mengen aus dem 3D-Modell in iTWO in Hinblick auf Betrieb und Erhaltung verknüpft. Mit der Erstellung von zustandsabhängigen Terminplänen werden die Instandsetzungs- und Erneuerungsmaßnahmen (Betrachtungszeitraum von 30 Jahren) geplant. Die einzelnen Elemente der Fachmodelle verfügen über entsprechende Merkmale und Parameter (bspw. Material, erwartete Lebensdauer, etc.). Durch die Zusammenführung der Fachmodelle in ein Koordinationsmodell kann vorab eine Maßnahmenplanung für die Erhaltung durchgeführt werden. Unterstützt wird diese Maßnahmenplanung durch die Kombination georeferenzierter Bildaufnahmen, die im Zuge von Zustandskontrollen erstellt und direkt mit dem 3D-Objekt im Koordinationsmodell verknüpft werden. Somit ist bereits während der Kontrollen, durch eine direkte Verknüpfung der Bildaufnahme mit dem 3D-Modell durch mobile Applikationen, eine vorauslaufende Maßnahmenplanung möglich. Dies verspricht eine entsprechende Verkürzung der Bearbeitungsdauer, vor allem im Zuge der Reparatur von unerwartet auftretenden Beschädigungen durch Verkehrsunfälle. Somit kann das Asset-Management der Straßenausrüstung zukünftig auf Basis der Informationen aus dem 3D-Modell erfolgen, wobei eine gleichzeitige visuelle Darstellung der Einzel- Assets mittels des Modells als Unterstützung dient. 4. Anwendung in der Praxis - 3D-Fräsen - Pilotprojekt Knoten S33/ A1, AT Bei diesem Projekt wird in einem Zeitraum von rund 6 Monaten ein ca. 3km langer Autobahnabschnitt mit sieben Brückenobjekten saniert. Die Deckenfräsarbeiten, eine der Hauptleistungen bei diesem Projekt, werden auf einem Teilstück von ca. 500m unter Einsatz einer neuartigen 3D-Fräsmethode abgewickelt, um die Vorteile dieser Technologie unter Einsatz einer digitalen Arbeitsweise zu erproben. Die Verwendung digitaler Werkzeuge im Pilotprojekt lieferte den Anlass, neue Entwicklungsfelder im Asphaltstraßenbau anzuregen. Es wurde für das Teilstück eine Fräse mit entsprechender Sensorik und Hardware nachgerüstet, um das System der Laserscanaufnahme in der operativen Bauausführung auf Funktionalität und Praxistauglichkeit zu untersuchen. Das geplante Vorgehen wurde wie folgt festgelegt und abgewickelt: Initial wurde eine Bestandserfassung mittels Laserscan durchgeführt, um die zu bearbeitende Fräsfläche aufzunehmen. Anschließend wurde das Deckenbuch, auf Basis des Scans, gemäß Auftraggeber-Vorgaben generiert. Auf Basis der digitalen Grundlagen ist es möglich, dieses Deckenbuch so zu optimieren, dass ein ressourcenschonender und richtliniengetreuer Abtrag möglich wird. Im nächsten Schritt wird das Deckenbuch an die 3D-Fräse übertragen, die aufgrund von speziellen Sensoren und dem zugrundeliegenden Scan einen akkuraten Fräsvorgang verrichtet. Die Positionierung in der Lage ist dabei mittels GPS-Antennen sichergestellt.
