eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 2/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2021
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BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM K-VTB)

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Rainer Schrode
„Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“ Georg Christoph Lichtenberg Ob und wie modellbasiertes Bauen (BIM) unter realen Einsatzbedingungen im Tiefbau funktionieren kann, war die Ausgangsfrage, die die MTS Schrode AG dazu veranlasste, Deutschlands erste Modellbaustelle für „BIM im kommunalen Verkehrswege und Tiefbau (K-VTB)“ im Schwäbischen Erbstetten zu installieren. Zentraler Leitgedanke dabei war es, Bauunternehmer, Auftraggeber und Planer, aber auch die Gremien und Institutionen an einen Tisch zu bringen, um bereits umsetzbare Möglichkeiten auszuloten und nötige Vorgaben für die Zukunft modellbasierten Bauens gemeinsam zu definieren. Um die gewonnenen Erkenntnisse einem breiten Fachpublikum vorzustellen, installierte MTS im Folgejahr einen aufwändig gestalteten BIM-Parcours auf dem firmeneigenen Demonstrationsgelände. Rund 300 geladene Führungs- und Fachkräfte sowie Planer und Auftraggebervertreter rotierten in moderierten Kleingruppen entlang der insgesamt 13 Parcours-Stationen, die das ‚Big Picture‘ der BIM-Idee auf seine wichtigsten Puzzlesteine runterbrachen. Die im Rahmen dieser beiden Projekte erworbenen Erkenntnisse und Erfahrung sind zentraler Inhalt dieses Fachbeitrags.
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2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 105 BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM K-VTB) Rainer Schrode MTS Schrode AG, 72534 Hayingen, Deutschland Zusammenfassung „Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“Georg Christoph Lichtenberg Ob und wie modellbasiertes Bauen (BIM) unter realen Einsatzbedingungen im Tiefbau funktionieren kann, war die Ausgangsfrage, die die MTS Schrode AG dazu veranlasste, Deutschlands erste Modellbaustelle für „BIM im kommunalen Verkehrswege und Tiefbau (K-VTB)“ im Schwäbischen Erbstetten zu installieren. Zentraler Leitgedanke dabei war es, Bauunternehmer, Auftraggeber und Planer, aber auch die Gremien und Institutionen an einen Tisch zu bringen, um bereits umsetzbare Möglichkeiten auszuloten und nötige Vorgaben für die Zukunft modellbasierten Bauens gemeinsam zu definieren. Um die gewonnenen Erkenntnisse einem breiten Fachpublikum vorzustellen, installierte MTS im Folgejahr einen aufwändig gestalteten BIM-Parcours auf dem firmeneigenen Demonstrationsgelände. Rund 300 geladene Führungs- und Fachkräfte sowie Planer und Auftraggebervertreter rotierten in moderierten Kleingruppen entlang der insgesamt 13 Parcours-Stationen, die das ‚Big Picture‘ der BIM-Idee auf seine wichtigsten Puzzlesteine runterbrachen. Die im Rahmen dieser beiden Projekte erworbenen Erkenntnisse und Erfahrung sind zentraler Inhalt dieses Fachbeitrags. 1. Einführung 1.1 Wofür steht BIM? BIM ist aller Munde, doch nach wie vor wissen viele nicht, welche Leitidee mit den drei Buchstaben verbunden sind. Ausgeschrieben steht das Kürzel BIM für ‚Building Information Modeling‘, was sich am einfachsten mit ‚modellbasiertem Bauen‘ übersetzen lässt. In der Umsetzung bedeutet das: Das zu erstellende Bauwerk wird erst digital in 3D (dreidimensional, sprich in Lage und Höhe) geplant und virtuell im Maßstab 1: 1 errichtet und erst dann real. Der Vorteil: Gebaut wird nicht nach einer vage definierten Vorstellung des Bauherren, sondern nach einem gemeinsam entwickelten und getesteten Modell, auf das alle gleichermaßen Zugriff haben. So ergibt sich schon bei der Planung eine Kollisionsprüfung und Fehler können bereits vor dem Bau korrigiert werden. Darüber hinaus umfasst BIM den gesamten Lebens-zyklus eines Bauwerks. Sprich: Bauunternehmer und Planer liefern dem Bauherrn nicht mehr nur ein Bauwerk, sondern auch sämtliche Informationen, die für Bewirtschaftung und/ oder Rückbau desselben notwendig sind. Damit bringt BIM auf der einen Seite zwar einen zusätzlichen Aufwand für die Planung mit sich, im Rückkehrschluss aber auch eine enorme Prozess- und Kostensicherheit für die Bauherren. 1.2 Wie weit ist die Umsetzung gediehen? Die Realität der Bauwirtschaft ist von diesem Ziel noch weit entfernt, denn hier wird nach wie vor nicht leistungssondern nachtragsorientiert gearbeitet. Sprich: Der Bauunternehmer muss durch mangelnde Planung verursachte Verluste über ein Nachtrags-management ausgleichen und der Auftraggeber die „Zeche“ dafür zahlen (im Schnitt rund 60 Prozent Mehrkosten). Und bei kommunalen Projekten wie dem Berliner Flughafen zahlt dann letztlich der Steuerzahler das drauf, was im Zuge einer ordnungsgemäßen Planung hätte verhindert werden können. Kein Wunder also, dass sich viele Bauunternehmer und Auftraggeber vorm Umsatteln scheuen - auch aus Liebe zur Gewohnheit und aus Angst vor dem Aufwand, der mit jeder Veränderung verbunden ist. Währenddessen fragen die Planer zu Recht, wer ihnen den Mehraufwand für eine modellbasierte Planung entlohnt. Denn noch gibt es für diese Honorierung keine rechtsverbindliche Regelung, obwohl der Aufwand fürs digitale Planen im Zuge des modellbasierten Bauens nicht neu entsteht, sondern einfach von der Bauausführung in die Planung verlegt wird. Diese strukturelle Vorgabe ist einer der maßgeblichen Gründe, weshalb der Tiefbau dem Hochbau beim Thema BIM so sehr hinterher hinkt. Denn im Gegensatz zum Hochbau wird der Tiefbau von Auftraggeberseite voran- 106 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM K-VTB) getrieben, da die Bauherren hier meist privat sind und sich den finanziellen Vorteil modellbasierten Bauens so ins eigene Portemonnaie wirtschaften können. Expertenzirkel konnten diese Zusammenhänge bislang allenfalls thematisieren. Verändern lassen sie sich nur durch konkrete Pilot-Projekte wie die hier beschriebene Modellbaustelle: Denn nur diese zeigen auf, wie und unter welchen Voraussetzungen sich BIM schon heute konkret umsetzen lässt - nicht auf der grünen Wiese, sondern auf realen Modellbaustellen. 2. Das Projekt “Modellbaustelle” 2.1 Vorgeschichte und Profil Die Suche nach einer geeigneten Modellbaustelle verlief beschwerlich. MTS-Vorstandsvorsitzender Rainer Schrode fragte zunächst beim Bund an, erhielt hier jedoch nur Hinweise auf Brücken- und Tunnelprojekte, die mit den Belangen kommunalen Verkehrswege- und Tiefbaus nichts zu tun haben. So wandte er sich mit seinem Gesuch an Bürgermeister und Planer und stieß auf viele offene Ohren. Die Ausschreibung scheiterte trotz Kosten- und Terminvorteil jedoch immer wieder an dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung; man würde Bieter ausschließen, die nicht in der Lage waren, so eine Ausschreibung und Ausführung umzusetzen. Nach über dreijähriger Suche hatte Schrode Anfang schließlich alles beisammen, was er brauchte: Eine Baustelle mit genügend komplexen Anforderungen, um BIM auf Herz und Nieren zu prüfen (bei der Sanierung sollten alle Kanäle und Straßen im Bestand komplett erneuert werden). Im Rücken sein eigenes Tiefbauunternehmen, das alle technischen und fachlichen Voraussetzungen für die 3D-Bauausführung erfüllt. Dazu ein Planungsbüro, das motiviert und in der Lage war, im Vorfeld eine akribische 3D-Planung umzusetzen. Und eine Stadt, die den Vorteil der Prozess- und Kostensicherheit für sich erkannte. Das Modellprojekt: Die Sanierung einer Ortsdurchfahrt im Schwäbischen Erbstetten mit einer Bausumme von ca. 2 Millionen Euro. Ein komplexes Bauvorhaben, bei dem es galt, mitten im Bestand sämtliche Kanäle und Straßen zu erneuern. Denn nur unter solchen Realbedingungen lässt sich ernsthaft prüfen, ob und wie sich ‚BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (K-VTB) in der Praxis wirklich umsetzen lässt und welche Hürden einem auf dem Weg dorthin begegnen. Und genau diesen Fragen müssen wir uns stellen, wenn wir das Thema BIM von der Möglichkeit zur gelebten Praxis führen wollen. In dem von MTS-Vorstandsvorsitzenden Rainer Schrode gewählten Setting konnte sich das klassischerweise auf Konfrontation ausgerichtete Zusammenspiel der am Bauprozess beteiligten Parteien zu einer sehr partnerschaftlichen Zusammenarbeit wandeln, die trotz aller Beschwerlichkeiten in der Startphase bis zum Ende der Maßnahme für eine große Zufriedenheit auf allen Seiten sorgte. 2.2 Die Idee Im Prinzip ging es MTS darum, auf dieser Modellbaustelle etwas an einem konkreten Beispiel umzusetzen, worüber andernorts in Expertenkreisen sehr abgehoben von der Praxis debattiert wird. Um die gemachten Erfahrungen in die Öffentlichkeit zu tragen und zur Diskussion zu stellen, lud MTS Vertreter aller am Bau-prozess Beteiligten zu einer Exkursion, deren Stationen im Folgenden beschrieben werden. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 107 BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM K-VTB) 2.3 Die Stationen Zum Auftakt der Exkursion hatte MTS im Rahmen einer Live-Demonstration innovativer Tiefbautechnologie gemeinsam mit dem KI-Experten Robin Popelka den thematischen Bogen von der Kanalerstellung nach 3D bis hin zu den Perspektiven einer Flächendeckenden Verdichtungskontrolle (FDVK) geschlagen. Weiter ging es mit dem CAD-Experten Andreas Ragg und Bereichsleiterin Ulrike Nohlen zu einer multimedial begleiteten Einführung ins Thema 3D-Planung und Datenaufbereitung nach BIM-Vorgaben. An der nächsten Station demonstrierten Baggerfahrer Mustafa Durgan und Stefan Vezonik sowie Anwendungsingenieur Kevin Rau den Teilnehmern auf der Live-Baustelle das Arbeiten nach Digitalem Geländemodell (DGM) am Beispiel der Herstellung eines Erdplanums. Wie sich gemäß BIM dokumentieren und ein Aufmaß erstellen lässt, erklärten Polier Manfred Vöhringer und Bauleiter Michael Reichenecker anhand des BIM-Abwicklungsplans (BAP) den Exkursionsgästen an der nächsten Station im Baucontainer. Sie diskutierten mit den Teilnehmern auch, welche Veränderungen sich im Zuge von BIM für die Mengenermittlung und Abrechnung ergeben. Der BIM-gemäßen Absteckung von Randeinfassungen und dem Aufnehmen von Leitungen und Schächten (As- Built) widmeten sich anschließend Bauleiter Gerd Reimold und Polier Josia Wald. Bestückt mit Rover und ToughPad-Display erhielten die Exkursionsgäste parallel dazu die praktische Einweisung in die konkrete Umsetzung. 108 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM K-VTB) Über die Perspektiven für Gerätemanagement informierten schließlich Produktmanager Dr. Gerhard Lörcher und Diplom-Geografin Ruth Bantle anhand anschaulicher Praxisbeispiele rund um die smarte Erfassung von Geräten und Kosten Den Schlusspunkt der Exkursion setzten Josef Missel und Andreas Falch über das Thema gemeinsame Datenablage anhand NextCloud mit einer Präsentation von technischen Voraussetzungen und Möglichkeiten. 2.4 Teilnehmer-Statements Dipl.-Ing. Dirk Münzner Geschäftsführender Gesellschafter, BIM-Cluster BW „Wir beobachten bereits heute einen starken Anstieg der Nachfrage nach Planungsleistungen mit BIM. Innerhalb der Baubranche bauen viele Firmen Kapazitäten und Knowhow auf, um diese Planungen dann auch umsetzen zu können.“ Hartmut Gündra Clustermanager, GeoNet.MRN e.V. Heidelberg „Die Baubranche scheint mir in vielen Fällen deutlich besser vorbereitet zu sein, als die Verwaltung und die Planer. Wenn es darum geht, Prozessketten zu digitalisieren, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Hier liegt noch ein langer Digitalisierungsweg vor uns.“ Andreas ErwerleStadtbaumeister, Stadt Ehingen „Noch arbeiten die meisten Planungsbüros konventionell. Verständlich. Denn der im Zuge von BIM in die Planung vorverlegte Aufwand ist über die HOAI bislang nicht abgebildet. Sprich: Öffentliche Auftraggeber fordern eine hochwertige Planung, deren Honorierung vergaberechtlich noch nicht geregelt ist.“ Jürgen Weber Sachgebietsleitung Tiefbau, Stadt Münsingen „Wann soll ich meinen Zaun flicken, wenn ich die ganze Zeit meine Hühner einfangen muss? Der Fachkräftemangel in der Baubranche zwingt uns zum effizienten Einsatz moderner Technologien, auch wenn uns scheinbar die Zeit hierfür fehlt.“ Dr. Stefan Engelhard Bereichsleiter Innovation/ Umwelt, IHK Reutlingen „Gespräche mit der öffentlichen Auftraggeberseite, auf der Modellbaustelle und auch davor, zeigen mir, dass die Potenziale zunehmend erkannt werden, die BIM mit sich bringt. Bis BIM allerdings auch von der letzten Kommune tatsächlich in einer zielführenden Form umgesetzt werden wird, ist sicher noch ein langer Weg zu gehen.“ 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 109 BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM K-VTB) 2.5 Zwischenresümee Es ist höchste Zeit, virtuelle BIM-Denkgebäude auf ihre Umsetzbarkeit im Bestand zu prüfen und auch der Politik gegenüber aufzuzeigen, wo es noch klemmt. So stellte sich beispielsweise heraus, dass die HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) an BIM angepasst werden sollte, da hier aktuell noch keinerlei Honorierung des deutlich erhöhten Planungsaufwands von modellbasierten Bauen vorgesehen ist. Dabei entsteht der Aufwand nicht neu, sondern wird einfach in die Planung vorverlegt. Auch müssen die zuständige Rechnungsprüfungstellen mit ins Boot genommen werden. Digital in 3D prüfen ist viel einfacher, jedoch fehlt es oftmals an den notwendigen technischen Voraussetzungen und das Personal ist nicht ausreichend geschult. Die Forderung derzeit lautet daher: Digital in 3D zu planen, zu bauen und abzurechnen und keinesfalls für die Abrechnung analog in nicht georeferenzierten Papierplänen und Aufmaßzetteln zu arbeiten. Denn das würden dem BIM-Grundgedanken widersprechen und einen völlig unnötigen Aufwand mit sich bringen. Im Prinzip geht es also eigentlich vor allem darum, alle am Bauprozess Beteiligten an einen gemeinsamen Tisch zu bekommen. Denn Zukunft lässt sich - auch im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau - nur gemeinsam gestalten. 3. Das Projekt “BIM-Parcours” Um die auf der Modellbaustelle gewonnenen Erfahrungen umzusetzen und einem breiten Fachpublikum zugänglich zu machen, entschied MTS sich zur Installation einer Leistungsschau mit BIM-Parcours auf dem Demonstrationsgelände des Hauptstandorts im Schwäbischen Hayingen. 3.1 Die Idee Wie jede Veränderung erfordert auch die Digitalisierung ein Umdenken, das auf Ängste, Vorbehalte und Widerstände stößt, die man nur auflösen kann, indem man jeden Einzelnen genau hier abholt. Digitalisierung fängt immer im Kopf an und der wichtigste Schlüssel für ihre erfolgreiche Umsetzung ist die persönliche Begeisterung aller am Bauprozess Beteiligten. Darum ist es so entscheidend, dass jeder aus dem Big Picture ein eigenes Bild macht. Zentraler Leitgedanke der Idee zum BIM-Parcours war es darum, das auf der Modellbaustelle bereits erprobte ‚Big Picture‘ der BIM-Idee auf seine wichtigsten Puzzlesteine runterzubrechen, verständlich und praxisnah mit Leben zu füllen und für jeden Teilnehmer greifbar zu machen. Die in moderierte Kleingruppen unterteilten Fach- und Führungskräfte rotierten dafür im 20-Minuten-Takt über den BIM-Parcours und erhielten an den insgesamt 110 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM K-VTB) 13 Stationen ausführlich Gelegenheit, sich ihr eigenes Bild zu machen. 3.2 Der Parcours im Überblick Angefangen wurde bei der Planung und den Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA), im Rahmen derer Auftraggeber, Bauunternehmer und Planer gemeinsam definieren, was sie für die Planung, den Bau und die Unterhaltung des Bauwerks konkret benötigen und in welcher Tiefe die Informationen für die jeweiligen Anwendungsfälle abzubilden sind. Eine Art gemeinsam erstelltes Lastenheft also. Der Parcours führte weiter vorbei am gemeinsamen Projektraum und dem Bauabwicklungsplan (BAP). Dieser legt fest, wie genau was genau wann genau auf welcher Grundlage umzusetzen und zu dokumentieren ist. Denn beim modelbasierten Bauen gelte es, eine im Laufe des Projektgeschehens immer größer werde Menge an Informationen zu sammeln, zu verwalten und allen Prozessbeteiligten in zielführender Weise zugänglich zu machen. Bei der Umsetzung und der Unterhaltung wird dabei zwischen dem BIM-Autor und dem BIM-User unterschieden. So beispielsweise beim Geräteführer, der beim Aufnehmen von Homogenbereichen oder Infrastrukturleitungen mit seinem Löffel zum BIM-Autor wird. Beim profilgerechten Einbau entlang der Oberflächenkonturen des virtuellen Bauwerkmodells wird er dann jedoch wieder zum BIM-Nutzer. Ebenso wie der Auftragnehmer, der am Ende der Prozesskette das fertige Bauwerk nicht mehr komplett neu aufmessen muss, sondern das Ausführungsmodell als Grundlage für seine Abrechnung nutzen kann und wenn dann nur noch einzelne Lagen und Höhen prüfen muss (As-Built). Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen: So kann der Geräteführer auch bei der Qualitätssicherung zum BIM- Autor werden, wenn er über das sauber aufeinander abgestimmte Zusammenspiel aus 3D-Baggersteuerung und Anbauverdichter während des Verdichtungsprozesses automatisch Verdichtungsgrad und Tragfähigkeit misst und dokumentiert. Der letzte BIM-Nutzer in diesem Zirkel ist der Auftraggeber, der im Ergebnis nicht mehr nur wie bisher ein Stück Straße oder Infrastruktur erhält, sondern auch ein Bauwerksmodell mit sämtlichen Informationen, also echtes „Datengold“ für den folgenden Zirkel der Bewirtschaftung und Unterhaltung (Asset-Phase) des Bauwerks. Um allen Prozessbeteiligten den mit dem Leistungsschau-Parcours veranschaulichten Weg zu ebnen, entwickelte MTS eine bislang einmalige und in ihrem Grundmodul ‚BIM Basic‘ durch buildingSMART/ VDI zertifizierte Weiterbildung zum ‚BIM-Baustellen-Manager für kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau‘, die an der letzten Station vorgestellt wurde. Die darauf aufbauende nebenberufliche Qualifizierungsmaßnahme ‚BIM Professional‘ vermittelt ihren Teilnehmern im Rahmen von 10 Monaten das nötige Expertenwissen, um BIM-Prozesse zu verstehen und im eigenen Unternehmen erfolgreich anleiten und umsetzen zu können. 3.3 Die Stationen im Detail 3.3.1 Digitale Planung & Datenaufbereitung Herzstück der ersten Station war eine von Buchautor Markus Becker lebendig moderierte Podiumsdiskussion, an der Vertreter aller Prozessbeteiligten teilnahmen. Sein Leitgedanke war das Miteinander im Bau: „Ein Team ist keine Gruppe, die zusammenarbeitet, sondern eine Gruppe, die einander vertraut. Wenn wir über bestehende Vorurteile nicht hinwegkommen, brauchen wir über BIM nicht zu reden macht dann keinen Sinn.“ Zu Gast waren der Hayinger Bürgermeister Kevin Dorner, der MTS-Software-Entwickler Dr. Alexander Beetz, Marco Herberger vom Ingenieurbüro Eisele sowie CAD-Spezialist Andreas Ragg, die gemeinsam die zweite Modellbaustelle für kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau ins Leben gerufen hatten und über Ihre Erfahrungen in der neuen Form von Zusammenarbeit berichteten. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 111 BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM K-VTB) 3.3.2 Projektraum und BAP Der Projektraum entspricht dem klassischen Besprechungsraum auf der Baustelle und dient als Schnittstelle für den Austausch aller am Bauprozess Beteiligten. Ein gemeinsam erarbeiteter BIM-Abwicklungs-Plan (BAP) dient als strukturierende Vorlage für alle das Bauvorhaben betreffenden Kommunikationsprozesse. Ein Beispiel dafür ist die gemeinsame Festlegung des Datenworkflows: Dabei wird die konventionelle Datenablage in eigenen lokalen Ordnersystemen durch eine gemeinsame Ablagestruktur in einer Cloud-Lösung abgelöst. Hier können dann beispielsweise Planer ihre Digitalen Geländemodelle ablegen, Geräteführer die Daten für ihre Maschinensteuerung abholen, Poliere ihre Aufmaße hochladen. Sämtliche Daten stehen jederzeit aktuell und mit allen relevanten Informationen zur Einsicht wie zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung. Die meisten Teilnehmer waren überrascht, wie flüssig der so definierte Datenworkflow schon heute funktionieren kann und welche Möglichkeiten er beinhaltet: Beispielsweise beim Verschneiden von DGMs oder bei der Weiterverarbeitung von Aufmaßen. 3.3.3 Modellbasierter Grabenaushub, Homogenbereiche, Dokumentation Diese Station erklärte die digitale Bauausführung am Beispiel des Themas Rohrverlegung und Homogenbereiche im BIM-Kontext. Gestartet wurde mit einem modellbasiertem Grabenaushub, bei dem das Modell vom Graben im Bagger-Display als 3D-Linie für den Kanal hinterlegt ist. Die Besonderheit von BIM im Tiefbau ist, dass man dabei nicht einfach planabgeleitet, sondern aktiv mit dem Modell arbeitet. Der Geräteführer ist also nicht mehr nur ‚BIM-User‘, sondern auch ‚BIM-AUTOR‘, wenn er beispielsweise unvorhergesehene Dinge wie eine querende Leitung mit seiner Löffelspitze einmisst und aufnimmt. Sprich: Er nutzt nicht nur Daten, sondern erzeugt selber welche und ergänzt sie im Modell. Sehr anschaulich wird das beispielsweise bei der Aufnahme von Homogenbereichen: Homogenbereiche können im ersten Schritt immer nur eine Annahme darstellen, denn der Baugrundachter hat nur einzelne Bohrpunkte oder Schurfgruben und muss daraus seine Annahmen interpolieren. Die vollstände Baugrund-modellierung lässt sich also erst dann fertigstellen, wenn die Baumaßnahme abgeschlossen ist und der Baggerfahrer die tatsächlichen Homogenbereiche baubegleitend aufgenommen und dokumentiert hat. Seine Dokumentation wird dann die Grundlage für die Abrechnung, die der Bauunternehmer stellen möchte, aber vor allem auch für die spätere Dokumentation, den weiteren Baufortschritt und spätere Bauvorhaben des Auftraggebers. Sprich: Alle am Bauprozess Beteiligten profitieren davon. Nachdem der Graben ausgehoben und die Homogen-bereiche dokumentiert wurden, kann der Geräteführer seine Rohre verlegen. Auf dem BIM-Parcours demonstriert MTS wie diese Arbeit teilautomatisiert erfolgen kann: Ein Rohrschiebeadapter schiebt die Rohre mit begrenzter und einstellbarer Kraft zusammen. Nachdem dem händischen Verdichten des Rohrzwickels erledigt der Geräteführer mittels Universalverdichter die abschließende Verdichtung der Leitungszone. Viele Teilnehmer interessierte, wie der Geräteführer damit zurechtkommt, plötzlich für so viele Dinge Verantwortung zu tragen. Dieser bewertete den Einsatz der neuen Technologien als deutliche Arbeitserleich-terung, da 112 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM K-VTB) er auf seinem Display immer sämtliche Informationen im Blick hat, nicht mehr auf einen Mann im Graben achten muss und auch flüssig durcharbeiten kann, weil er nicht mehr warten müsse, bis der Vermesser kommt. Letztlich unterliegt die jeweilige Antwort auf diese Frage aber sicher einem Generationsfrage: Wobei anzumerken ist, dass die Affinität zu digitalen Technologien immer höher wird und aus Sicht des Nachwuchses den Arbeitsplatz in der Regel maßgeblich aufwertet. 3.3.4 Profilgerechter Bodeneinbau und Bodenbehandlung Verschwendung beginnt dort, wo gutes Bodenmaterial abtransportiert und ersetzt, statt an Ort und Stelle aufbereitet wird - das gilt insbesondere für Kanal- und Rohrleitungsbaustellen. Entsprechend rentabel sind moderne Bodenaufbereitungsverfahren, die mit den geltenden Richtlinien für den Erd- und Straßenbau (ZTVE-StB) im Einklang stehen - zumal der Austausch von Böden ohnehin dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz widerspricht. Da der Wiedereinbau anstehender Böden in der Regel jedoch an mangelnder Verdichtbarkeit, nicht ausreichender Tragfähigkeit oder zu großen Steineinlagerungen scheitert, gilt es, diese Eigenschaften über bodenaufbereitende Maßnahmen zu optimieren. Im Vordergrund stehen dabei die Reduktion des Wassergehalts und die Strukturverbesserung des Bodens. Das zu diesem Zweck entwickelte effiziente wie kosten- und ressourcenschonende e.p.m- Verfahren wurde an dieser Station vorgestellt. Es arbeitet in erster Linie mit einem bodenspezifischen Bindemittel, das direkt auf der Baustelle in Großsilos oder Big Bags bevorratet, über einen Bindemittelstreuer dosiert auf den Aushub ausgebracht, mittels Boden- Recycler mit dem anstehenden Boden homogenisiert wird, dann zerkleinert oder ausgesiebt und im gleichen Arbeitsgang wieder in den Graben eingebaut wird. Den sekundenschnellen Wechsel der Anbaugeräte direkt vom Bagger aus erlaubt ein vollhydraulisches Schnellwechselsystem. Im Zusammenspiel mit der 3D-Baggersteuerung ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten, Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu steigern: Zum einen lässt sich der Einbau der korrekten Schüttlagen mittels Schüttlagenassistent über das Display kontrollieren und zum späteren Nachweis digital dokumentieren. Zum anderen erlaubt das Ausführungsmodell dem Geräteführer seinen Baggerlöffel via Satellit und Neigungssensoren entlang des digitalen Geländemodells zu navigieren und den Boden auf Anhieb profilgerecht einzubauen. Beim Abgleich der jeweils aktuellen Soll- und Ist-Position des Baggerlöffels liefert das Gerät präzise Führungsvorgaben und spart so baubegleitende Vermessungsarbeiten sowie zeit- und kosten intensive Nachprofilierungen. 3.3.5 Digitale Dokumentation und 3D-Aufmaß Wie schnell und unkompliziert sich ohne weitere Vorkenntnisse ein einfaches Digitales Geländemodell (DGM) erstellen lässt, wurde am Beispiel der Dokumentation eines Erdplanums unter Beweis gestellt. Dafür nahm der Polier Lage- und Höhe-Punkte mittels Rover auf und erstellte mittels Mausklick eigenhändig das DGM für das zu dokumentierende Bauwerk. Hierbei ist wichtig zu verstehen, dass nach Plan gebaut und gemäß dem BIM-Abwicklungsplan (BAP) die Qualität in 3D geprüft wird. Aufgemessen wird dann in 3D nur noch, was sich tatsächlich ändert oder was bei der Planung nicht feststellbar war. 3.3.6 Bodenverdichtung und Qualitätssicherung (Flächendeckende Verdichtungskontrolle, FDVK) Bei dieser Station wurden bestehende und künftige Möglichkeiten der Qualitätssicherung am Beispiel der Verdichtungstechnologie aufgezeigt, die sich im Zuge der Implementierung hochkomplexer Sensortechnologie und Künstlicher Intelligenz ergeben. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 113 BIM im kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau (BIM K-VTB) Bereits umgesetzt sind diverse Assistenzsysteme für den Geräteführer. Angefangen bei der Frequenzkontrolle, die dem Geräteführer die aktuelle Drehzahl anzeigt und ihn bei der Auswahl der richtigen Baggersteinstellungen unterstützt. Beim Andrücken des Anbauverdichters symbolisieren Pfeile im nächsten Schritt die Auflastempfehlung für den aktuellen Verdichtungsvorgang. Lässt sich der Boden schließlich nicht weiter verdichten, meldet die Verdichtungsendeanzeige das Ende der Verdichtbarkeit und hilft, Verdichtungsvorgänge nicht zu früh abzubrechen, aber auch nicht länger als notwendig auszudehnen. Entsprechend der gewählten Voreinstellung (Verdichtermodell und Plattenbreite) berechnet der Schüttlagenassistent schließlich eine Schüttlagenempfehlung und visualisiert die Führungsvorgaben durch Pfeile. Sobald dann die optimale Schüttlage erreicht ist, kann der Geräteführer die Protokollierung des weiteren Verdichtungsvorgangs auslösen: Mit einem Klick auf den „Protokoll-Button“ startet der Geräteführer die Protokollierung der für die flächendeckende Verdichtungskontrolle (FDVK) vorgeschriebenen Parameter. Die von ihm im Zuge der Protokollierung erzeugten Ergebnisse erscheinen in Echtzeit auf seinem Display und geben ihm Aufschluss über die Qualität seiner Arbeit. Ein weiterer Vorteil: Die von ihm erzeugten Protokolldaten können dem Auftraggeber später als BIM-gerechter Nachweis sorgfältigen Arbeitens vorgelegt werden Auch für die ferne Zukunft ist die innovative Verdichtungstechnologie bereits gerüstet: Denn schon heute angedacht, Methoden der Künstlichen Intelligenz zu implementieren, um mittels einer Raumfüllende Verdichtungskontrolle (RFVK) nicht mehr nur die Bodensteifigkeit, sondern auch den jeweiligen Verdichtungsgrad ermitteln zu können. 3.3.7 Gerätemanagement und -disposition Thema dieser Station war eine herstellerunabhängige Lösung für die Verwaltung von Geräte- und Maschinenparks. Intelligentes Gerätemanagement nutzt die Vorteile moderner Smartphone- und Servertechnik zur schnellen Datenübertragung und Aktualisierung aller beteiligten Systeme. Der Vorteil: Der Informationsfluss wird sinnvoll gelenkt, da alle Vorgänge zentral dokumentiert und von allen Beteiligten abgerufen werden können. Dokumente zu einzelnen Geräten (Benutzerhand-bücher) lassen sich bei Bedarf hinterlegen und vor Ort einsehen. Zudem erleichtert innovatives Gerätemanagement auch die Abrechnung von Baustellen sowie die Durchführung von Inventuren,