Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Modellbasiertes Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung
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Andreas Velten
Die papierlose Straßenbaustelle soll kommen. Alle relevanten Daten, Informationen sowie Unterlagen werden nur noch digital und damit viel schneller ausgetauscht werden. Die Grundlage bildet ein einheitliches und von allen Beteiligten benutzten 3D-Modell. Dieser Arbeitsansatz kann auch auf die Ausführungsphase übertragen werden. Dadurch vereinfacht und beschleunigt sich die Baufortschrittskontrolle, die Zwischen- sowie Endabrechnung und die Datenbereitstellung für
den digitalen Zwilling. Grundsätzlich ist dies auch mit konventioneller Vermessungstechnik, Laserscannern und/oder Vermessungsdrohnen möglich. Hier wird die modellbasierte Arbeitsweise für Aufmaß, Abrechnung und Dokumentation auf Basis von vernetzter Maschinensteuerung betrachtet. Mit diesem technologischen Ansatz ist eine Echtzeitdatenübertragung unmittelbar nach Arbeitsfortschritt möglich. Damit ist immer eine zeitnahe Eigenüberwachung durch das Bauunternehmen als auch die abrechnungsrelevante Überwachung und Freigabe durch den Auftraggeber möglich. Gleichzeitig reduziert sich der Aufwand für Vermessungsarbeiten auf der Baustelle und damit die Kosten erheblich. Bedeutend ist hierbei für Bauunternehmen, dass sie diese Vermessungsarbeiten in der Regel nicht als eigene Leistungsposition vergütet bekommen.
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2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 123 Modellbasiertes Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung Andreas Velten, M.B.A. MOBA Mobile Automation, Limburg an der Lahn, Deutschland Zusammenfassung Die papierlose Straßenbaustelle soll kommen. Alle relevanten Daten, Informationen sowie Unterlagen werden nur noch digital und damit viel schneller ausgetauscht werden. Die Grundlage bildet ein einheitliches und von allen Beteiligten benutzten 3D-Modell. Dieser Arbeitsansatz kann auch auf die Ausführungsphase übertragen werden. Dadurch vereinfacht und beschleunigt sich die Baufortschrittskontrolle, die Zwischensowie Endabrechnung und die Datenbereitstellung für den digitalen Zwilling. Grundsätzlich ist dies auch mit konventioneller Vermessungstechnik, Laserscannern und/ oder Vermessungsdrohnen möglich. Hier wird die modellbasierte Arbeitsweise für Aufmaß, Abrechnung und Dokumentation auf Basis von vernetzter Maschinensteuerung betrachtet. Mit diesem technologischen Ansatz ist eine Echtzeitdatenübertragung unmittelbar nach Arbeitsfortschritt möglich. Damit ist immer eine zeitnahe Eigenüberwachung durch das Bauunternehmen als auch die abrechnungsrelevante Überwachung und Freigabe durch den Auftraggeber möglich. Gleichzeitig reduziert sich der Aufwand für Vermessungsarbeiten auf der Baustelle und damit die Kosten erheblich. Bedeutend ist hierbei für Bauunternehmen, dass sie diese Vermessungsarbeiten in der Regel nicht als eigene Leistungsposition vergütet bekommen. 1. Digitalisierung im Straßenbau Sowohl in der gesamten Bauindustrie als auch im Straßenbau im Speziellen besteht bei der Digitalisierung im Vergleich zu anderen Branchen wie dem Einzelhandel oder der Automobilindustrie noch erheblicher Nachholbedarf (vgl. u.a. Top500 Digitaler Index Deutschland, Accenture 2016). Markant verdeutlicht dieses der Arbeitsproduktivitätsindex des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe. Danach stagnierte die Arbeitsproduktivität binnen rund 30 Jahren im Baugewerbe, während diese im produzierenden Gewerbe um über 70 % anstieg. Abb. 1: Arbeitsproduktivität Deutsches Baugewerbe Ein Grund könnte sein, dass wir in der Baubranche als konservativer gelten als andere Industrien. Sehr viel wahrscheinlicher liegt das jedoch in der ortsgebundenen Baustellenfertigung im Sinne einer wandernden Fabrik [10] begründet. In stationären Fabriken und Gewerben waren die Voraussetzungen für eine digitale Arbeitsweise deutlich früher gegeben. Hohe Bandbreiten zur Datenübertragung waren zunächst nur stationär verfügbar. 1.1 Aktueller Stand Trotz einiger Pilotprojekte für digitale Arbeitsweisen nach der BIM-Methode ist heute die lageorientierte Trassenplanung mit Längs- und Querprofil im Sinne eines 2D-Planes als Status quo im Straßenbau zu sehen [23], [18]. Dabei entstehen die bekannten, oft ausgedruckten und z. T. sehr großen 2D-Pläne mit Höhenangaben, ergänzt um die erforderlichen Profile. Auf dieser noch üblichen Grundlage erfolgt Ausschreibung, Vergabe und Ausführung einer Infrastrukturmaßnahme. Die schon seit sehr langer Zeit angewandte statische Absteckung und damit manuelle Übertragung der Planvorgaben in die Örtlichkeit wird immer mehr von einer kinematischen Absteckung mittels Baumaschinensteuerung verdrängt [28], [26]. Dabei wird in der Baustellenpraxis die Baumaschinensteuerung noch nicht für alle Arbeiten der Erdbaumaschinen eingesetzt, so dass die statische 124 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Modellbasiertes Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung Absteckung noch auf den meisten Baustellen weiterhin zum Einsatz kommt. Beim Deckeneinbau ist der Einsatz von Baumaschinensteuerungen besonders auf dem Asphaltfertiger allenfalls für die Ebenheits- oder Höhensteuerung üblich. Die Lage wird überwiegend noch manuell markiert. Sowohl im Erdbau bzw. Unterbau als auch bei Deckeneinbau erfolgt das lagenweise Aufmaß für Abrechnungs- und Dokumentationszwecke mit konventioneller Vermessungstechnik. 1.2 Baumaschinensteuerungen im Erdbau Im Straßenbau sind Baumaschinensteuerungen heute besonders im Erdbau sowie Unterbau auf größeren Maßnahmen fester Bestandteil der Bauausführung [21]. Es gibt unterschiedliche Varianten für die verschiedenen Baumaschinenarten. Zum einen wird nach Führungssystemen, semi- und voll-automatischen Systemen unterschieden [29]. Bei Führungssystemen erhält der Bediener visuelle Informationen zum manuellen Betrieb des Werkzeuges (Baggerschaufel, Schild, Schar usw.). Bei semi-automatischen übernimmt das System bereits die Steuerung des Werkzeuges, die Bewegung der Maschine wird noch manuell vorgenommen. Voll-automatische Systeme sind noch die Ausnahme, hier wird die Steuerung von Werkzeug und Maschine vom System übernommen [29]. Zusätzlich wird nach Systemen für Positionsbestimmung nur von der Höhe (1D), von Höhe und Neigung (2D) sowie von Höhe, Neigung und Lage (3D) des Werkzeuges bzw. der Maschine unterschieden. Für die modellbasierte Arbeitsweise kommen nur 3D- Systeme, d. h. die auch die exakte Lage der Maschine bzw. des Werkzeuges bestimmen, in Frage. Verbreitet sind dabei semi-automatische Raupenbzw. Gradersteuerungen und Führungssysteme für Bagger. Die Verbreitung von semi-automatischen Baggersystemen steckt noch in den Anfängen. Für den Einsatz von 3D-Baumaschinensteuerungen wird die Bauausführungsplanung in Form von drei-dimensionalen Planungsdaten benötigt [24]. Damit übernimmt das System die kinematische Absteckung und Fertigung in einem Schritt [26]. Die drei-dimensionale Planung wird dafür in Punkten, sprich Koordinaten, beschrieben, die als digitale Geländemodelle (DGM) mit geradlinigen Verbindungen vermascht werden. Mit den dabei entstehenden Dreiecksnetzen wird die Geländeoberfläche beschrieben [15], [17]. Bei dieser Erstellung der Bauausführungsplanung als DGM ist darauf zu achten, dass Bruch- und Böschungskanten, Zwangslinien oder Ähnliches festgehalten werden [15]. 1.3 Reduzierung von Nebenleistungen Die Bauausführung ist ohne Vermessungsarbeiten für die Absteckung des Bausolls, das Kontrollieren während der Herstellung und das Aufmaß für die Abrechnung bzw. Dokumentation nicht möglich. Diese Vermessungsarbeiten gelten gemäß VOB als Nebenleistungen. Das bedeutet, sie sind für die Leistungserstellung auf der Baustelle zu erbringen, stellen in der Regel jedoch keine eigene Leistungsposition dar. Der Auftragnehmer erhält für diese Arbeiten keine gesonderte Vergütung [2]. Es liegt auf der Hand, dass eine Reduzierung von Nebenleistungen bei der Bauausführung zu einem Kosten- und Zeitvorteil führt. Bereits im Einsatz von 3D-Baumaschinensteuerungen zur Reduzierung von statischen Absteckungen sowie Vermeidung von kontinuierlichen Höhenkontrollen während der Ausführung sieht Stempfhuber [28] eine Optimierung der Absteck- und Vermessungsarbeiten von rund 50 %. Dieses ist nicht nur für die Reduzierung von Nebenleistungen von Bedeutung, sondern in Zeiten des Fachkräftemangels eine wichtige Aufwandsreduzierung für die „knappen“ Geodäten. 1.4 BIM im Rahmen der Digitalisierung im Straßenbau „Erst digital, dann real bauen“ ist der Grundsatz bei der Einführung der Methodik Building Information Modeling (BIM) im Bundesverkehrswegebau [5]. Abgeleitet ist dieser von der in der Industrie schon länger üblichen Vorgehensweise, herzustellende Maschinen, Fahrzeuge oder Ähnliches zunächst digital zu konstruieren und zu simulieren, bevor der erste Prototyp entsteht. Als Definition wird hier in Anlehnung an Bormann [7] sowie Blankenbach und Lehmkühler [4] die Erschaffung und Verwaltung eines bauteilorientierten, digitalen Bauwerksmodells sowie dessen Nutzung über den gesamten Lebenszyklus in einer kollaborativen Arbeitsweise mittels Softwareeinsatz zu Grunde gelegt. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) formuliert dabei • die Erhöhung von Planungsgenauigkeit und Kostensicherheit • die Optimierung der Kosten im Lebenszyklus und • die Umsetzung der Kernempfehlungen der Reformkommission als die wesentlichen Themen bei der Einführung von BIM [5]. Ein endscheidender Fortschritt durch die Einführung von BIM ist der Wandel von den heute noch üblichen zweidimensionalen Methoden bei der Planung von Bundesverkehrswegen hin zur ausschließlichen Planung in bauteilorientierten 3D-Modellen. Diese enthalten dann alle geometrischen sowie semantischen Informationen eines Bauteils, einer Schicht bzw. eines Erdkörpers [27], [3]. Die herrschende Meinung sowohl in der Literatur als auch in der Praxis ist, dass die Digitalisierung der Bauausführung als auch die Einführung von BIM, zunächst für den Bundesverkehrswegebau, nur mit offenen Schnittstellen 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 125 Modellbasiertes Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung und herstellerunabhängigen, standardisierten Formaten gelingen kann. So wird ein verlustfreier Datenaustausch ohne Informationsbrüche sichergestellt und gleichzeitig die heute noch häufigen Neuerstellungen von Plänen, manuellen Neueingaben und besonders dabei mögliche Fehler vermieden [1]. Die internationale Organisation buildingSMART hat mit den Industry Foundation Classes (IFC) ein solches standardisiertes Datenmodell geschaffen. Im Hochbau wird der IFC-Standard bereits regelmäßig eingesetzt, in der Regel bei Projekten, bei denen die BIM-Methode gefordert ist. Im Straßenbau wird dieses Datenmodell mit dem IFC Release 5 eingeführt [1]. Bisher scheinen damit weiter erst einmal nur die erprobten zweidimensionalen Methoden auf Basis eines Lage- und Höhenplans für den Entwurf einer Straße zur Verfügung zu stehen. Auf deren Grundlage werden die dreidimensionalen digitalen Geländemodelle mit Dreiecksnetzen als eine Geländeoberfläche für die Baumaschinensteuerung erstellt. 2. Modellbasiertes Arbeiten Der naheliegenden Frage, ob eine mit Plandaten ausgestattete 3D-Baumaschinensteuerung nicht auch die Ist- Geometrien für die Baufortschrittskontrolle, die Abrechnung und die Dokumentation liefern kann, wurde bereits nachgegangen. 2.1 Methodische Ansätze zur Ermittlung der Ist-Geometrie mittels Baumaschinensteuerung Kivimäki und Heikkilä stellen eine Methode zur Echtzeit-Qualitäts- und Baufortschrittsüberwachung vor. Basis ist die Aufnahme der Ist-Geometrie durch vernetzte Baumaschinensteuerungen. Damit eine automatische Zuordnung der mit dem Arbeitswerkzeug erfassten Messpunkte möglich ist, werden die einzelnen Oberflächen bereits im Planmodell mit einem Code klassifiziert. Die Baumaschinensteuerung liefert die Messpunkte mit dem gleichen Klassifizierungscode und ermöglicht dann in einer Cloud-Plattform eine automatisierte Echtzeitüberwachung [20]. Dieser Ansatz der Messpunktzuordnung entspricht dem erprobten Prinzip des codierten Aufmaßes. Geodäten klassifizieren die mittels herkömmlicher Vermessungstechnik aufgenommenen Messpunkte ebenfalls mit Codes [6], [14], [31]. Abb. 2: Klassifizierte Schichten, Erdkörper und Bauteile (Quelle: buildingSMART Finland) 126 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Modellbasiertes Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung Ferger entwickelt in seiner Dissertation ein Verfahren zur Mengenermittlung im Erdbau unter Einsatz von Baumaschinensteuerungen. Dabei werden die von den Baumaschinensteuerungen gelieferten Ist-Geometrien für Prozess- und Abrechnungsmengenermittlungen herangezogen [16]. Vergleichbar zu Kivimäki und Heikkilä stellt auch Ferger die Notwendigkeit einer Zuordnung der Ist-Geometrien von der Baumaschinensteuerung zu den Geometriedaten aus der Planung und den Leistungsverzeichnispositionen dar. Diese Verknüpfung geschieht in der sogenannten 5D-Software in der Regel per „Drag & Drop“. Der Vorteil einer automatisierten Zuordnung anhand von codierten 3D-Modellen liegt auf der Hand. Dabei können eigene unternehmensbzw. baustellenspezifische Codierungssysteme verwendet oder später nach IFC Release 5 entsprechend erstellt werden. Solange letzteres noch nicht bereitsteht, bietet sich auch das finnische Infra- BIM Classificationsystem YIV 2019 an, das mit über 600 Codes und Bezeichnungen als umfassend angesehen werden kann. Abb. 3: Auszug InfraBIM Classificationsystem Der Auszug aus dem sogenannten finnischen InfraBIM- Modell (Abb. 3) gibt einen Einblick und entspricht zwei der im Abschnitt 3.1 dargestellten Schichten eines in Deutschland durchgeführten Piloten. Unabhängig vom Einsatz der BIM-Methodik für eine Infrastrukturmaßnahme kann der hier beschriebene Arbeitsansatz auf der Baustelle angewendet werden. Dafür werden alle Elemente wie der Schichtenaufbau, die Erdkörper und weitere Bauteile von der Planung über die Ausführungsdaten für die Baumaschinensteuerung bis hin zur hergestellten Ist-Geometrie codiert und Messpunkte entsprechend automatisch zugeordnet. Ferger belegt im Rahmen einer Simulation der IT-gestützten Ermittlung von Abrechnungsmengen im Erdbau mittels Baumaschinensteuerungen eine Gesamtkostenersparnis bei einer Baumaßnahme von 17 %. Nach Abzug der eigentlichen Ausführungszeit, die in der konventionellen und der ITsowie baumaschinensteuerungsgestützten Methode gleich ist, beträgt die Zeitersparnis bei den übrigen Baustellenarbeiten sogar 46 % [16]. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 127 Modellbasiertes Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung Diese Kostenreduzierung deckt sich grundsätzlich mit Praxiserfahrungen auf Basis der Methode von Kivimäki- Heikkilä (vgl. Abschnitt 3.1). 2.2 Qualität der Messpunkte von Baumaschinensteuerungen Die meisten eingesetzten Baumaschinensteuerungen arbeiten mit einer GNSS-Positionsbestimmung. Auf Motorgradern ist die Verwendung von zielverfolgenden Tachymetern üblich, wobei auch hier immer mehr GNSS-Empfänger zum Einsatz kommen. Zielverfolgende Tachymeter weisen grundsätzlich eine höhere Genauigkeit von unter 1 cm auf, sind dafür aber komplexer und zeitaufwendiger in der Anwendung für Baumaschinensteuerungen. Eine Positionsbestimmung mittels GNSS ist hier deutlich einfacher in der Handhabung, erreicht aber nicht die gleiche Genauigkeit. Moderne GNSS- Empfänger, besonderes bei der Verwendung von allen vier verfügbaren Satellitensystemen (GPS, G lonass , Beidou, Galileo), erreichen nach der herrschenden Meinung eine Genauigkeit im unteren Zentimeterbereich. Wiesner et al., Morte et al. und Ferger gehen sogar von einer möglichen Genauigkeit von besser als 1 cm aus [32], [22], [16]. Unstrittig reichen die Genauigkeiten von GNSS-Positionierungssystemen wie Vermessungsrover oder Baumaschinensteuerungen für die Genauigkeitsanforderungen im Erdsowie Unterbau aus. Der Einsatz von erforderlichen Korrekturdaten zur Erzielung der geforderten Genauigkeit via Korrekturdatendienst oder Basisstation ist in der Baustellenpraxis Standard, wobei in der Regel eine akkurat eingemessene Basisstation die besseren Ergebnisse liefern wird. Neben der eingesetzten Technik hat deren Anwendung Einfluss auf die Qualität der Messpunkte. Um hier Abweichungen oder Messungen außerhalb der gegebenen Toleranzen zu vermeiden, ist eine Schulung der Fahrer sowie die regelmäßige Genauigkeitskontrolle der Baumaschinensteuerung erforderlich. Die Praxis hat gezeigt, dass letzteres wenigstens täglich durch den Fahrer erfolgen sollte und zusätzlich in größeren zeitlichen Abständen, z. B. wöchentlich, durch den Vermesser [30]. 2.3 Gemeinsame Feststellung Bei dem in Deutschland üblichen Regelwerk VOB/ B für Bauleistungen im Straßenbau wird im § 14 die gemeinsame Feststellung der erbrachten Bauleistung vorgegeben. In Österreich und der Schweiz sind die Normen zwar andere, doch das Prinzip grundsätzlich gleich. Die VOB/ B und die regelmäßige Rechtsprechung schreiben das gemeinsame Aufmaß jedoch nicht zwingend vor. Auch das einseitige Aufmaß durch den Auftragnehmer ist üblich und oft unumgänglich, wenn z. B. vor Überbauung eine Leistung festgestellt werden muss und die Zeit für eine gemeinsame Feststellung mit dem Auftraggeber fehlt. Durch eine gemeinsame Feststellung werden spätere Unstimmigkeiten vermieden. Ein gemeinsames Aufmaß ist bei Einigkeit für Auftraggeber und -nehmer bindend. Gleichzeitig tritt eine Beweislastumkehr ein, so dass der Aufraggeber bei einem späteren Einwand beweisen muss, dass die Abrechnungsmengen nicht berechtigt sind [16]. Im Allgemeinen gehen wir davon aus, dass diese gemeinsame Feststellung persönlich vor Ort stattfinden soll. Die DEGES, als einer der größten Auftraggeber von Bundesverkehrswegeprojekten und zukünftiger Bestandteil der Autobahn GmbH, sowie die Deutsche Bahn haben in ihren BIM-Regelwerken bereits die Leistungserfassung mit vernetzter Baumaschinensteuerung auf der Baustelle mit einer direkten Übernahme in die 3D-Modelle zugelassen. Dabei soll diese Form der Leistungserfassung als Grundlage der Abrechnung dienen [12], [13]. Die DE- GES hält dazu ergänzend fest, dass der „Auftraggeber die erfassten Daten, Protokolle und Prüfberichte über eine gemeinsame Projektplattform mit dem Auftragnehmer“ einsehen können muss. In diesem Sinne definieren Borrmann et al. im Auftrag des BMVI die „Plausibilisierung der in Rechnung gestellten Bauleistung anhand des“ im 3D-Modell „hinterlegten Baufortschritts“ [8]. Selbst wenn noch keine rechtliche Regelung für eine digitale gemeinsame Feststellung existiert, wird hiermit der grundsätzliche Rahmen dafür geschaffen. Darüber hinaus herrscht Vertragsfreiheit, das bedeutet die Vertragspartner können sich auf eine solche digitale gemeinsame Feststellung verständigen. In einer Übergangsphase, oder wenn gewünscht, können die im Abschnitt 3.2 beschriebenen Qualitätsmessungen gemeinsam von Auftraggeber und Auftragnehmer durchgeführt werden. 2.4 Abrechnung auf Grundlage von Ausführungsplänen Das Regelwerk der VOB ermöglicht auch eine Abrechnung auf Grundlage der Ausführungspläne, soweit auch wie geplant gebaut wurde [9]. Die im vorherigen Abschnitt beschriebene Vorgehensweise der Plausibilisierung des Baufortschritts und der tatsächlichen Leistungserbringung auf dem digitalen Weg erscheint bei dieser Abrechnungsvariante einfacher und schneller umsetzbar. Hierbei kann mit der Baumaschinensteuerung die plangemäße Leistungserfassung festgehalten werden. Alle anderen Leistungen, die vom Ausführungsplan abweichen, könnten vom Vorarbeiter oder Vermesser, ggf. gemeinsam mit dem Auftraggeber, aufgenommen werden. 128 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Modellbasiertes Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung Zentrale Erkenntnisse aus diesem Piloten waren, dass noch nicht alle verfügbaren Baumaschinensteuerungsanbieter diese Methode gleich gut bzw. gleich einfach unterstützen. Darüber hinaus wurde deutlich, dass genügend Augenmerk auf die Einweisung der Fahrer gelegt werden sollte. Je einfacher das System für den Maschinenführer anzuwenden ist, desto größer sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Umsetzung. Am besten erscheint eine Einweisung des Fahrers auf die Erstellung von Messpunkten zur regelmäßige Eigenkontrolle. Eine Einweisung auf das Aufnehmen von Messpunkten als Ersatz für den Vermesser kann zu kontraproduktiver Verunsicherung führen. In Finnland wurden die ersten Piloten mit dem Vorgehen im Jahr 2014 umgesetzt. Heute ist dort das modellbasierte Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Baumaschinensteuerung Standard auf allen größeren Infrastrukturmaßnahmen. So konnten bei einer rund 1,2 km langen Landstraße unter Einsatz dieser Methode rund 410 Stunden an Vermessungsaufwand und 7.600 km Fahrstrecke gegenüber der traditionellen Vorgehensweise eingespart werden. 3. Praxis Die hier beschriebene sukzessive, kontinuierliche Mengenermittlung während der Bauausführung wird bereits in der Praxis angewendet. In Skandinavien, insbesondere in Finnland, wird auch die gemeinsame Plausibilisierung im Sinne einer volumenorientierten Baufortschrittkontrolle und -freigabe mittels einer gemeinsamen Plattform erfolgreich praktiziert. Dafür werden Aufmaß-Daten aus vernetzter Baumaschinensteuerung mit sogenannten Qualitätsmessungen des Vermessers verbunden und in einer gemeinsamen Plattform modellorientiert bereitgestellt. Dort erfolgt zunächst ein automatisierter Soll- Ist-Vergleich, der bei Überschreitung der vereinbarten Toleranzen die Bauausführenden informiert. Fällt dieser Vergleich positiv aus, prüft der Auftraggeber den Baufortschritt und gibt diesen für die Abrechnung frei. 3.1 Beispiele für Pilot- und Praxisprojekte In Deutschland wurde dieses Jahr ein Pilotprojekt zur Erprobung dieser Arbeitsweise durchgeführt. Dabei wurde die in Abschnitt 2.1 beschriebene Codierung des Modells angewendet und die eingesetzten Baumaschinensteuerungen mit einer Cloud-Plattform vernetzt. Abb. 4 + 5: Modell einer kleinen Pilotbaustelle 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 129 Modellbasiertes Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung Abb. 6: Praxisbeispiel 1,2 km Landstraße Bei einem 4,5 km langen Teilabschnitt einer insgesamt 9 km langen Umgehungsstraße der finnischen Stadt Lahti konnte der Vermessungsaufwand mit Einsatz dieses modellbasierten Arbeitens rund halbiert werden. Bei dem 74 km langen Ausbau der Bahnstrecke Helsinki-Riihimäki wurden bisher 20 % der veranschlagten Baukosten eingespart. Abb. 7: BIM-Modell Ausbau Bahnstrecke Wie die Abbildung 7 verdeutlicht, wurde bei diesem Projekt eine vollständige Modellierung nach der BIM- Methode vorgenommen. Das während der Bauphase sukzessive entstehende digitale Wie-gebaut-Modell wird später in der Betriebs- und Wartungsphase des Bauwerks weiterverwendet werden. 130 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Modellbasiertes Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung 3.2 Konzept der Qualitätsmessungen Während der ersten Pilotprojekte im Jahre 2014 und in der folgenden regelmäßigen Anwendung der Arbeitsweise hat sich ein Konzept von Qualitätsmessungen bewährt. Der Baumaschinenfahrer liefert im Rahmen seiner Eigenkontrolle automatisch die erforderlichen Messpunkte als Ist-Geometrie. Dafür prüft er die Querprofile in der Regel in 20 m-Abschnitten, insbesondere die Bruchkanten. Zur Sicherstellung der erforderlichen Messgenauigkeit prüft der Fahrer diese einmal am Tag an dafür vom Vermesser bereitgestellten Kontrollpunkten. Die Messgenauigkeit seines Arbeitswerkzeuges wird mittels der Vernetzung mit der Cloud-Plattform für alle Beteiligten einsehbar dokumentiert. Ergänzend führt der Baustellenvermesser einmal pro Woche eine eigene Kontrolle der Genauigkeit der Maschinen sowie der Basisstationen durch. Damit bleibt die wichtige Sicherstellung der Genauigkeit in seiner Hand. Nach Herstellung der Planumshöhen und ihrer anschließenden Verdichtung führt der Vermesser ggf. auch gemeinsam mit dem Auftraggeber alle 100 m oder 200 m Qualitätsmessungen durch. Auch diese werden in der Cloud-Plattform abgelegt. Nur wenn die Ist-Geometrie mehr als die zulässige Toleranz von der Soll-Geometrie abweicht, werden Kontrollmessungen zur Ursachenfeststellung durchgeführt. Dieses Vorgehen ist mit dem Konzept der Bohrkerne beim Deckeneinbau vergleichbar. Die Freigabe der Messpunkte und Ist-Geometrie kann mehrstufig erfolgen. Nach einer Eigenplausibilisierung durch z. B. den Vermesser oder Bauabrechner kann die Leistungserfassung zur Freigabe an den Bauüberwacher weitergeleitet werden. 4. Fazit Bauen, erfassen, prüfen, abrechnen und dokumentieren ist ohne Papier schon jetzt rein digital möglich und wird in Skandinavien bereits erfolgreich eingesetzt. Die Vorteile für Auftragnehmer und -geber liegen auf der Hand. Eine schnelle Informationsverfügbarkeit in der Baufortschrittskontrolle wird ermöglicht - in Echtzeit. Dadurch lassen sich während der Bauausführung schneller Fehler erkennen und vermeiden. Nacharbeiten reduzieren sich. Durch die teilautomatisierte Leistungserfassung mittels Baumaschinensteuerung reduzieren sich Vermessungsaufwand und -kosten deutlich. Das Qualitätskonzept stellt sicher, dass der Vermesser weiter die Genauigkeit sicherstellt und überwacht, ohne dabei seine Zeit für einfache Routineaufgaben zu verbrauchen. Durch die Zeiteinsparung beim Vermesser als auch bei der Bauausführung durch weniger Nacharbeiten wird dem Fachkräftemangel begegnet. Im deutschsprachigen Raum steckt diese Arbeitsweise noch in den Anfängen. Eine weitere Erprobung und schrittweise Umsetzung stehen bevor, das Interesse besonders bei Bauunternehmen ist vorhanden. Parallel hat der Auftraggeber mit seinen BIM-Regelwerken die Voraussetzungen bis hin zur Plausibilisierung der Leistungserfassung und Prüfung der Abrechnungen geschaffen. Literaturangaben [1] Amann, J., Borrmann, A., 2015. Open BIM for Infrastructure - mit OKSTRA und IFC Alignment zur internationalen Standardisierung des Datenaustausches, Internetabruf von publications.cms.bgu.tum. de am 26.11.2020, TU München [2] Berner, F. et al., 2020. Grundlagen der Baubetriebslehre 1, 3. Auflage, Leitfaden des Baubetriebs und der Bauwirtschaft, Springer [3] Blankenbach, J., Becker, R., 2020. 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