eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 2/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Ganzjährige Nutzung von Radwegen - Anforderungen an Unterhalt und Winterdienst auf Radwegen

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Christian Holldorb
Nicht erst im Rahmen einer Mobilitätswende gewinnt der Radverkehr zunehmend an Bedeutung. Hierfür ist es erforderlich, dass Radverkehrsanlagen ganzjährig sicher und möglichst komfortabel befahren werden können, so dass neben Planung und Ausführung auch Unterhaltung und Betriebsdienst zunehmend in den Fokus der Straßenbaulastträger rücken. In diesem Beitrag wird auf Grundlage aktueller Forschungsvorhaben und der Arbeit der FGSV ein Überblick gegeben, welche Standards für den ganzjährigen Unterhalt von Radverkehrsanlagen zu definieren sind. Neben rechtlichen und technischen Anforderungen sind auch organisatorische Fragestellungen zu berücksichtigen, da nur eine durchgängige Betreuung von Radwegeverbindungen, deren Teilstücke häufig von unterschiedlichen Baulastträgern unterhalten werden, zu einer ganzjährig hohen Nutzung führt. Neben der operativen Durchführung ist aber auch die aktuelle Information über Radwegeverbindungen und ihren Zustand entscheidend für das Nutzungsverhalten.
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2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 163 Ganzjährige Nutzung von Radwegen - Anforderungen an Unterhalt und Winterdienst auf Radwegen Prof. Dr.-Ing. Christian Holldorb Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft, Karlsruhe Zusammenfassung Nicht erst im Rahmen einer Mobilitätswende gewinnt der Radverkehr zunehmend an Bedeutung. Hierfür ist es erforderlich, dass Radverkehrsanlagen ganzjährig sicher und möglichst komfortabel befahren werden können, so dass neben Planung und Ausführung auch Unterhaltung und Betriebsdienst zunehmend in den Fokus der Straßenbaulastträger rücken. In diesem Beitrag wird auf Grundlage aktueller Forschungsvorhaben und der Arbeit der FGSV ein Überblick gegeben, welche Standards für den ganzjährigen Unterhalt von Radverkehrsanlagen zu definieren sind. Neben rechtlichen und technischen Anforderungen sind auch organisatorische Fragestellungen zu berücksichtigen, da nur eine durchgängige Betreuung von Radwegeverbindungen, deren Teilstücke häufig von unterschiedlichen Baulastträgern unterhalten werden, zu einer ganzjährig hohen Nutzung führt. Neben der operativen Durchführung ist aber auch die aktuelle Information über Radwegeverbindungen und ihren Zustand entscheidend für das Nutzungsverhalten. 1. Einleitung Die Bereitstellung von durchgehenden sowie sicher und komfortabel befahrbaren Radverkehrsanlagen ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine breite Akzeptanz des Fahrrades als alltägliches Verkehrsmittel. Zahlreiche Kommunen haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine dahingehende Transformation des Verkehrsnetzes begonnen und konnten innerhalb überschaubarer Zeiträume beachtliche Veränderungen des Modal Split erreichen. So konnte z. B. der Radverkehrsanteil in Karlsruhe von 16 % im Jahr 2002 über zunächst 25 % im Jahr 2012 auf (vorläufigen Ergebnissen der letzten Erhebung von 2018/ 2019 zufolge) aktuell über 30 % erhöht werden. Aber nicht nur im kommunalen Bereich nimmt die Bedeutung des Radverkehrs zu. U.a. durch die starke Verbreitung von E-Bikes und Pedelecs wird er auch auf längeren Distanzen von 10 km und mehr für immer mehr Menschen eine Alternative zum Kfz bzw. zum ÖPNV auf dem Weg zur Arbeit, zur Ausbildung oder zum Einkaufen. Somit wächst die Bedeutung von Radwegeverbindungen auch im Außerortsbereich, die darüber hinaus für Freizeit und Tourismus genutzt werden und somit in vielen Regionen eine wichtige Säule für den Fremdenverkehr sind. Der wachsenden Bedeutung des Radverkehrs wird auf vielfältige Weise Rechnung getragen. Es gibt umfassende Förderprogramme, z.B. stellt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) knapp 1,5 Milliarden Euro für die Förderung und Finanzierung des Radverkehrs und der Radinfrastruktur in den Jahren 2020 bis 2023 zur Verfügung [1]. Weiterhin fördert es sieben Stiftungsprofessuren, u.a. an der Hochschule Karlsruhe, mit dem Ziel, den Radverkehr in Forschung und Lehre zu verankern [2]. In mehreren Bundesländern, so auch in Baden-Württemberg, werden in den Straßengesetzen Radschnellverbindungen den Straßen als Landes-, Kreis- oder Gemeindestraßen gleichgestellt [3]. Auch in der Organisation der Straßenbauverwaltungen spiegelt sich die wachsende Bedeutung des Radverkehrs zukünftig wider: Beispielsweise sollen ab 2021 bei Hessen Mobil 20 neue Stellen im Bereich Radverkehr geschaffen werden und der Radverkehr wird mit Schienenverkehr und ÖPNV in einer neuen Abteilung gebündelt neben den klassischen Abteilungen „Planung und Bau“ sowie „Betrieb und Verkehr“ [4]. Mit der Corona-Pandemie steht der Radverkehr seit dem Frühjahr 2020 nochmals stärker im Fokus, da er neben dem Fußverkehr die einzige Mobilitätsform ist, mit der Wege weitgehend klimaneutral und mit minimalem Infektionsrisiko wahrgenommen werden können. 2. Rechtliche Anforderungen Die Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 und § 836 BGB [5] ist Grundlage für die Verpflichtung der jeweiligen Baulastträger zu Unterhaltung und Betrieb der Radverkehrsanlagen, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Weitere Grundlage sind die Straßengesetze von Bund und Ländern, nach denen auch separat geführte Radwege als Fahrbahnen eingestuft sind [6]. Aus der Verkehrssicherungspflicht resultiert insbesondere die 164 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Ganzjährige Nutzung von Radwegen - Anforderungen an Unterhalt und Winterdienst auf Radwegen Verpflichtung, eine gefahrlose Nutzung zu ermöglichen bzw. Gefahren für den Nutzer soweit möglich zu minimieren. Wenn eine Gefahrenbeseitigung nicht möglich ist, ist vor der Gefahr zu warnen oder ggf. der Radweg für die Nutzung zu sperren. Die Pflicht zu Reinigung und Winterdienst im innerörtlichen Bereich resultiert darüber hinaus auch aus der polizeilichen Reinigungspflicht. Für Gehwege sowie kombinierte Rad- und Gehwege kann diese durch Ortssatzung auf die Anlieger übertragen werden. In Schleswig-Holstein ist dies auch für Radwege möglich [7]. Konkrete gesetzliche Vorgaben zu Umfang, Häufigkeit oder Reaktionszeiten bestehen nicht, diese sollen sich an der Leistungsfähigkeit der Baulastträger orientieren, ein Recht auf immer gefahrlose Nutzung der Radwege, so wie für die Verkehrsinfrastruktur insgesamt, besteht also nicht. Maßgebend hierfür sind jedoch entsprechend der Rechtsprechung das Gefährdungspotenzial und die Verkehrsbedeutung [8]. Für Radwege besteht eine Benutzungspflicht für Radfahrende und ein Benutzungsverbot für den Kfz-Verkehr, wenn sie durch Zeichen 237, 240 oder 241 als Radweg ausgewiesen sind, dies gilt auch für Radfahrstreifen, bei denen ein Teil der Fahrbahn durch eine durchgehende Markierung von der Fahrbahn getrennt ist. Für Fußwege (Zeichen 239) mit dem Zusatzzeichen „Radfahrende frei“ (Zeichen 1022-10) besteht hingegen keine Benutzungspflicht. Schutzstreifen am rechten Fahrbahnrand, die bei Bedarf vom Kfz-Verkehr befahren werden dürfen, sind Teil der Fahrbahn und somit rechtlich nicht als Radwege einzustufen. Bild 1: Verkehrszeichen der StVO zu benutzungspflichtigen Radwegen Die Benutzungspflicht gilt für Radfahrende jedoch nicht, wenn der Radweg nicht befahrbar ist, z. B. aufgrund von Verschmutzung oder Schnee im Winter. Dann ist es zulässig, auf die Fahrbahn auszuweichen. Dieser Umstand entbindet den Baulastträger jedoch nicht von seiner rechtlichen Verpflichtung zum Unterhalt der Radwege, da benutzungspflichtige Radwege in der Regel dort angeordnet werden, wo die Nutzung der Fahrbahn zu einer besonderen Gefährdung der Radfahrenden führen würde. Somit sind benutzungspflichtige Radwege in der Regel als gefährlich im Sinne der Verkehrssicherungspflicht einzustufen [6]. Aus der nichtamtlichen Beschilderung von Radrouten (s. Bild 2) resultiert weder eine Verpflichtung zum Unterhalt des Verkehrswegs als Radweg gemäß Verkehrssicherungspflicht noch eine rechtliche Benutzungspflicht für Radfahrende. Diese Radrouten werden vielfach auch über das nachgeordnete Wegenetz (land- und forstwirtschaftliche Wege) geführt. Die rechtlichen Anforderungen an den Umfang von Unterhalt und Betrieb orientieren sich an der Nutzung durch Land- und Forstwirtschaft, z. B. besteht somit keine Verpflichtung zum Winterdienst. Bild 2: Tabellenwegweiser für die nichtamtliche Wegweisung von Radrouten [9] 3. Anforderungen aus Sicht der Radfahrenden Die rechtlichen Anforderungen an Unterhalt und Betrieb der Radwege sind für die Radfahrenden ähnlich wie an Fahrbahnen für den Kfz-Verkehr nur von sekundärer Bedeutung. Für die Radfahrenden steht die sichere und komfortable Nutzung der Radwegeverbindungen im Vordergrund. Somit sind die rechtlichen Anforderungen vielfach eher als Mindeststandard zu sehen, Unterhaltung und Betrieb sollten sich vielmehr am vorhandenen Verkehrsbedürfnis des Radverkehrs und darüber hinaus auch an der potenziellen Verkehrsnachfrage orientieren. Es ist zu berücksichtigen, dass zur Förderung des Radverkehrs verlässliche Angebote zu schaffen sind, die dann durch den Radverkehr wahrgenommen werden. Aber auch für die Radfahrenden ist es in der Regel nachvollziehbar, dass nicht alle Radwegeverbindungen immer einem optimalen Zustand entsprechen und dass je nach Art der Wegeverbindung und auch saisonal Einschränkungen in Kauf zu nehmen sind. Die Anforderungen an Radwegeverbindungen variieren somit: Bei Radwegeverbindungen, die überwiegend im Sommer touristisch genutzt werden, ist eine eingeschränkte Nutzbarkeit im Winter eher akzeptabel als bei Radwegeverbindungen, die ganzjährig im Alltagsradverkehr genutzt werden. Für Radwege, die z. B. ausschließlich zur Erschließung eines örtlichen Freibades dienen, ist die winterliche Nutzung sicherlich untergeordnet, die Verkehrsnachfrage wird durch einen optimalen Winterdienst nicht signifikant gesteigert werden können. Werden aber z. B. Schulen oder Sportanlagen erschlossen, kann durch die ganzjährige und zuverlässige Aufrechterhaltung der sicheren und komfortablen Befahrbarkeit der Radwegeverbindung ein erhebliches Nutzungspotenzial aktiviert werden. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 165 Ganzjährige Nutzung von Radwegen - Anforderungen an Unterhalt und Winterdienst auf Radwegen Bild 3: Radverkehrsführung auf ausgewählten Routen zwischen Karlsruhe und Weingarten [10] Für die Radfahrenden steht die durchgehende Nutzung von Radwegeverbindungen im Vordergrund, unabhängig von der Art der Führung. Radwegeverbindungen führen vielfach über unterschiedliche Arten von Radwegen, Straßen sowie nachgeordnete Wege (s. Bild 3). Anforderungen an Unterhaltung und Betrieb sollten sich daher aus Sicht der Radfahrenden an der Radwegeverbindung und nicht an der Art der Verkehrsführung orientieren. Beispielweise sollten auch Nebenstraßen, auf denen eine bedeutsame Radroute geführt wird, im Winterdienst betreut werden, obwohl sie für den Kfz-Verkehr nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Aufgrund der in der Regel einspurigen Ausführung haben Fahrräder bei plötzlichen Änderungen der Fahrbahnbeschaffenheit eine deutlich geringere Stabilität als zweispurige Kfz. Weiterhin fehlt den Radfahrenden eine fahrzeugseitige Schutzhülle, so dass die Sturzgefahr bei schlechtem Wegezustand und die damit verbundene Verletzungsgefahr für Radfahrende deutlich höher als für Kfz-Insassen ist. Bei winterlicher Witterung ist das Unfallrisiko für Radfahrende deutlich höher: In einer Untersuchung der TU Dresden auf Grundlage von Befragungen, erhobenen Unfalldaten und entsprechenden Hochrechnungen wurde ein ca. 20-fach höheres Risiko bei winterlicher Fahrbahn ermittelt [6]. Aber nicht nur winterliche Glätte, sondern auch Glätte durch nasses Laub (s. Bild 4) oder durch die Verschmutzung landwirtschaftlicher Fahrzeuge können zu erheblichen Unfallrisiken führen, insbesondere dann, wenn sie in Kurven plötzlich auftreten. Bild 4: Laub auf Radweg, das bei Nässe ein erhebliches Gefährdungspotenzial für Radfahrende haben kann (Foto: Holldorb) Weitere Mängel, die für Radfahrende zu einer erhöhten Gefährdung bzw. deutlichen Reduktion des Fahrkomforts führen, sind 166 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Ganzjährige Nutzung von Radwegen - Anforderungen an Unterhalt und Winterdienst auf Radwegen • Splitt- und Sand auf dem Radweg, insbesondere bei Zufahrten nicht befestigter Wege • Scherben und andere spitze Gegenstände, die zu Reifenschäden führen • starke Unebenheiten, Schlaglöcher, Kanten, Hebungen durch Wurzeln • dauerhafte Wasseransammlungen infolge unzureichender Entwässerung • seitlicher Bewuchs mit Einschränkung der befahrbaren Breite oder der Sichtverhältnisse, insbesondere auch in Querungsbereichen • einzelne, in das Lichtraumprofil ragende Äste • zeitweise auf dem Radweg stehende Gegenstände, wie Werbetafeln, Mülltonnen etc. Für die Nutzer der Radwege ist es von großer Bedeutung, dass diese Mängel möglichst rasch behoben werden. Ansonsten besteht vor allem im Alltagsradverkehr die Gefahr, dass durch die Radfahrenden über die Fahrbahn ausgewichen wird, was zu einer zusätzlichen Gefährdung führt. Zu einer schnellen Mängelbeseitigung kann die einfache Meldung an die zuständigen Stellen beitragen. Hierzu gibt es in zahlreichen Kommunen DV-Anwendungen, die auch eine einfache Erfassung vor Ort mit dem Smartphone ermöglichen, bei der die Position automatisch erfasst wird und z.B. auch ein Foto unmittelbar zugeordnet werden kann (s. Bild 5). Allerdings ist aus Nutzersicht eine Baulastträger-übergreifende Meldung von großem Interesse, insbesondere bei Radwegeverbindungen, die durch verschiedene Gemeinden oder außerorts verlaufen. Die Bereitschaft zur Mängelmeldung ist bei Radfahrenden oftmals größer als bei Nutzern von Kfz, da sie am Schadensort oft leichter anhalten können und die Beeinträchtigung bzw. Gefährdung größer ist als im Kfz-Verkehr. Entscheidend für eine dauerhaft umfassende Nutzung solcher Anwendungen ist aber vor allem die kurzfristige Reaktion, d.h. die Mängelbeseitigung, durch den zuständigen Straßenbaulastträger und die entsprechende Information darüber. Bild 5: App „KA-Feedback“ für die Meldung von Mängeln auf Radwegen [11] Die vorgenannten Anforderungen gelten natürlich auch für den Winterdienst. Wie für den Kfz-Verkehr sollte auch auf Radwegeverbindungen Glätte nach Möglichkeit durch präventive Streueinsätze vermieden werden, da sie zu einer erheblichen Gefährdung beiträgt. Schneebedeckte Radwege sollten möglichst schnell geräumt werden, da ansonsten bei Nicht-Befahrbarkeit die Radfahrenden auf die Fahrbahn ausweichen. Wichtig ist auch die zuverlässige und rechtzeitige Durchführung im Winterdienst, d.h. nicht erst nachrangig nach den Fahrbahnen für den Kfz-Verkehr, sondern gleichrangig. Aus Sicht der Nutzer sollten auch die Nebenstraßen im Zuge von Radrouten im Winterdienst betreut werden, ebenso nachgeordnete landwirtschaftliche Wege, wenn sie eine Bedeutung für den ganzjährigen Radverkehr haben. Auf jeden Fall sollte das Zuschieben von Radwegen und Querungen bei der Räumung der Fahrbahn vermieden werden bzw. gewährleistet sein, dass diese Abschnitte durch nachfolgende Fahrzeuge auf dem Radweg unmittelbar wieder freigeräumt werden. Radrouten auf Abschnitten unterschiedlicher Baulastträger sollten möglichst durchgehend im Winterdienst betreut werden. Wesentlich für die Nutzung des Fahrrades auch bei winterlicher Witterung ist die Information der Radfahrenden über das betreute Radwegenetz im Winter, das oftmals nicht alle ausgeschilderten Radrouten beinhaltet. Beispielsweise wird in Karlsruhe nur ein Teil des Radnetzes im Winter betreut (s. Bild 6). Hierbei handelt es sich um die Verbindungen mit hoher Nutzung bzw. besonderen Gefahren, die in Abstimmung zwischen Radwegeplanung (Stadtplanungsamt), Winterdienstbetreiber (Amt für Abfallwirtschaft) und Nutzern (ADFC) festgelegt werden. Bild 6: Karte zum Winterradnetz der Stadt Karlsruhe im Internet [12] 4. Anforderungen aus Sicht des Betriebsdienstes Der Aufgabenumfang für Unterhaltung und Betrieb der Radwege nimmt aufgrund des Ausbaus des Radverkehrsnetzte und der stärkeren Nutzung stark zu. Oftmals stehen aber nicht im gleichen Maße zusätzliche Ressourcen zur Verfügung, so dass neben eigenen Mitarbeitern, Fahrzeugen und Geräten der Straßenmeistereien und kommu- 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 167 Ganzjährige Nutzung von Radwegen - Anforderungen an Unterhalt und Winterdienst auf Radwegen nalen Bauhöfe auch Fremdunternehmer, vor allem im Winterdienst, zum Einsatz kommen. Die erforderlichen Haushaltsmittel, egal ob für eigene Ressourcen oder die Fremdvergabe, stehen nicht immer in dem Maße zur Verfügung, wie sie erforderlich wären. Daher sind schon bei der Planung von Radwegerouten neben den Mitteln für den Bau auch die Mittel für Unterhaltung und Betriebsdienst zu berücksichtigen. Ähnlich wie beim Straßennetz ist es zweckmäßig, die Radwegeverbindungen hinsichtlich eines einzuhaltenden Level of Service zu klassifizieren, der auf Verkehrsbedeutung, Verkehrspotenzial und ggf. besonderen Gefahrenstellen basiert. Je nach Level of Service können dann nachvollziehbare und umsetzbare Standards definiert werden, aus denen sich der erforderliche Finanz- und Ressourcenbedarf ableiten lässt. Unterhaltung und Betrieb der Radwegeverbindungen stellen aber auch besondere organisatorische Anforderungen an die zuständigen Baulastträger, um eine effiziente Aufgabenerfüllung zu ermöglichen. Es kann zweckmäßig sein, die Aufgaben an Dritte, z. B. von der Straßenmeisterei an die Gemeinde oder von einer Gemeinde an einen Dritten zu übertragen, wenn die zu betreuenden Strecken nur kurz sind, schlecht erreichbar sind oder Fahrzeuge und Geräte nicht zur Verfügung stehen. Auch die durchgehende Betreuung der Radwegerouten an den Gemeindegrenzen erfordert eine zusätzliche Koordination. Für Radrouten, die auch über nachgeordnete Forst- und Waldwege, über Wege der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung oder über private Wege führen, sind zwar die Wegebesitzer verkehrssicherungspflichtig, dies umfasst aber nicht Unterhaltung und Betrieb als Radroute. Im Interesse der Nutzer ist aber eine einheitliche Qualität für die gesamte Radroute anzustreben. Bereits bei Ausweisung der Radroute sollte daher definiert werden, durch wen Unterhaltung und Betrieb erfolgen. Bei der Planung von Radwegeverbindungen ist ebenfalls darauf zu achten, dass Unterhaltung und Betrieb möglichst einfach und durchgehend möglich sind. Im Wesentlichen ist die durchgehende Befahrbarkeit mit Fahrzeugen des Unterhaltungs- und Betriebsdienstes zu nennen, die durch nicht ausreichende Breiten und Höhen (s. Bild 7) sowie unzureichende Traglasten von Brückenbauwerken unmöglich ist. Die Anordnung von Pfosten oder Absperrungen zur Vermeidung der Nutzung von Radwegen durch den Kfz-Verkehr oder zum Schutz der Radfahrenden an Querungsstellen steht dieser durchgehenden Befahrbarkeit oft entgegen. Pauschale Lösungen sind hierfür nicht möglich, so dass die planerischen, sicherheitsrelevanten und betrieblichen Aspekte im Einzelfall abzuwägen sind. Bild 7: Radweg mit geringer Durchfahrtshöhe im Zuge einer Bahnunterführung (Foto: Holldorb) Es ist in der Regel vor allem im Innerortsbereich notwendig, für Unterhaltung und Betrieb der Radwege Schmalspurfahrzeuge einzusetzen, für die das für Radwege vorgesehene Lichtraumprofil ausreichend ist. Hierbei sind nicht nur die gemäß technischem Regelwerk vorzusehenden Breiten maßgebend, sondern auch die im Bestandsnetz davon immer wieder abweichenden zu schmalen Radwege. Alternativ kann auch der Einsatz von E-Lastenrädern (s. Bild 8) oder E-Bikes für die Streckenkontrolle und punktuelle Einsätze sinnvoll sein; für Winterdienst oder großflächige Kehrarbeiten sind sie natürlich nicht einsetzbar. Bild 8: Einsatz eines E-Lastentrades im Rahmen des Projektes TRASHH durch die Stadtreinigung Hamburg [13] 168 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Ganzjährige Nutzung von Radwegen - Anforderungen an Unterhalt und Winterdienst auf Radwegen 5. Umsetzung im technischen Regelwerk Für die Planung und den Bau von Radverkehrsanlagen steht mit den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), Ausgabe 2010 ein technisches Regelwerk zur Verfügung [14]. Dieses soll in Kürze durch Hinweise zu Radschnellverbindungen und Radvorrangrouten ergänzt werden, für die aber bereits auch jetzt schon länderspezifische Standards bestehen, z.B. die Qualitätsstandards und die Musterlösungen für Radschnellverbindungen in Baden-Württemberg [15] [16]. Für Unterhaltung und Betrieb von Radverkehrsanlagen fehlen jedoch entsprechende Regelwerke. Zum Teil sind Radwege im technischen Regelwerk für den Straßenbetriebsdienst berücksichtigt, diese bestehenden Regelungen sind jedoch für Radwege oftmals nur pauschal und werden nicht immer den wachsenden Anforderungen an Radverkehrsanlagen gerecht. Durch den Arbeitsausschuss Winterdienst, der gemeinsamer Ausschuss der FGSV mit dem VKU (Verband kommunaler Unternehmen e. V.), Sparte Abfallwirtschaft und Stadtreinigung ist, wird in Kürze ein Papier zum Winterdienst auf Radwegen veröffentlicht. Im Sommer 2020 wurde durch die FGSV ein Arbeitskreis mit dem Ziel gegründet, bis 2021 ein Hinweispapier für den Betrieb von Radverkehrsanlagen zu erarbeiten. Darüber hinaus laufen derzeit mehrere Forschungsvorhaben zu Unterhaltung und Betrieb von Radverkehrsanlagen: • E-WIN - Effizienter Winterdienst auf Radverkehrsanlagen in deutschen Städten am Beispiel der Stadt Hamburg durch die Stadtreinigung Hamburg [17] • WinRad - Nachhaltige Förderung des Radverkehrs im Winter durch optimierten Winterdienst [18] • AllRad - Steigerung der Fahrradnutzung durch verbesserte Radwegeunterhaltung [19] Die Ergebnisse dieser vom BMVI geförderten Forschungsprojekte werden in zwei bis drei Jahren vorliegen und bei der Fortschreibung der technischen Regelwerke berücksichtigt werden können. Somit rücken Unterhaltung und Betrieb, insbesondere der Winterdienst, als wesentliche Phasen im Lebenszyklus der Radverkehrsanlagen jetzt immer stärker in den Fokus, da sie für die sichere Nutzung bei hoher Verkehrsqualität ganzjährig von entscheidender Bedeutung sind und somit wesentlich zur Förderung des Radverkehrs beitragen.