Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Geotextilien im Pflasterstraßenbau unter den Gesichtspunkten der Oberbaumechanik
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Alexander Eichler
Im Vortrag wird auf die praktische Umsetzung und Grundfunktionen von Geokunststoffen im Pflasterstraßenbau eingegangen. Geokunststoffe werden in der Pflasterbauweise in unterschiedlichsten Funktionen mit der Hauptaufgabe – trennen und filtern - eingesetzt. Als neue Produktgruppe werden Aquatextilen vorgestellt. Die Aquatextilien erfüllen die
Grundeigenschaften von Geotextilien - trennen, filtern, sichern - und bauen zusätzlich vom Straßenverkehr über das Niederschlagswasser eingetragene Kohlenwasserstoffe ab. Sorgen also zusätzlich für eine Reinigungsfunktion. Die Inhalte des Vortrages basieren auf anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen und aktuellen Begutachtungen langjährig verbauter Flächenbefestigungen mit Pflasterdecken.
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Randeinfassungen aus Bordsteinen 234 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 29.10.2020 14 • Bewegungsfugen ( Raumfugen ) bei Randeinfassungen und Entwässerungsrinnen • Herstellung durch Fugenfüllstreifen, Dehnscheiben aus recyceltem Gummigranulat, Neukautschuk • Frage nach der Stauchfähigkeit ? • Wie sind die Fugen zu schliessen und abzudichten? Regelungsbedarf ? 07/ 24/ 2020 53 Dipl.-Ing. (FH) Franz Knobling, Auditor • Aktueller Stand: • Die Breite der Bewegungsfuge sollte mind. 8 bis 15 mm betragen. Bewegungsfugen sind vollständig mit einem beständigen, frostsicherem stauch- und vollständig rückstellfähigem Unterfüllmaterial abzustellen. Das Material der Fugenfüllung sollte eine Verformung von min. 5 mm bzw. mind. 50 % der Fugenbreite ohne schädliche Spannung im Bauteil ermöglichen. Regelungsbedarf 07/ 24/ 2020 54 Dipl.-Ing. (FH) Franz Knobling, Auditor • …Im Hinblick auf die Tatsache, dass die Werte sehr deutlich den geforderten Druckfestigkeitswerten von 15 N/ mm2 unterschreiten ( 4,8 - 8,6 N/ mm2 ), fordern wir Sie auf, die Bordsteinanlage auszubauen und durch eine ordnungsgemäß hergestellte Bordsteinanlage entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen und den DIN-Normen zu ersetzen….>> und nun ? ? ? ? ? Bittere Konsequenzen 07/ 24/ 2020 55 Dipl.-Ing. (FH) Franz Knobling, Auditor Randeinfassungen 07/ 24/ 2020 56 Dipl.-Ing. (FH) Franz Knobling, Auditor 29.10.2020 15 •Qualität ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Qualität 07/ 24/ 2020 57 Dipl.-Ing. (FH) Franz Knobling, Auditor Bauausführung 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 235 Geotextilien im Pflasterstraßenbau unter den Gesichtspunkten der Oberbaumechanik Alexander Eichler Lithonplus GmbH & Co. KG, Elchingen, Deutschland Zusammenfassung Im Vortrag wird auf die praktische Umsetzung und Grundfunktionen von Geokunststoffen im Pflasterstraßenbau eingegangen. Geokunststoffe werden in der Pflasterbauweise in unterschiedlichsten Funktionen mit der Hauptaufgabe - trennen und filtern eingesetzt. Als neue Produktgruppe werden Aquatextilen vorgestellt. Die Aquatextilien erfüllen die Grundeigenschaften von Geotextilien trennen, filtern, sichern - und bauen zusätzlich vom Straßenverkehr über das Niederschlagswasser eingetragene Kohlenwasserstoffe ab. Sorgen also zusätzlich für eine Reinigungsfunktion. Die Inhalte des Vortrages basieren auf anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen und aktuellen Begutachtungen langjährig verbauter Flächenbefestigungen mit Pflasterdecken. 1. Oberbaumechanik - Scherfuge durch Geokunststoffe? Die häufigste Anwendung von Geokunststoffen dürfte in der Überdeckung offenporiger Strukturen von Dränbeton bzw. Drainasphalttragschichten liegen. In dieser Lage könnte aufgrund einwirkender Horizontalspannungen eine Scherfuge entstehen. Überlegungen zur Oberbaumechanik untermauern die Annahme einer Scherfuge durch eine mögliche Reduktion der Reibung zwischen den Schichten. Diese Modellrechnungen basieren auf klassischen und validen Ansätzen aus dem Erd- und Grundbau, sowie der Halbraumtheorie. Als Zwischenschicht (Geokunststoff - zwischen Bettung und Tragschicht) bestünde so die theoretische Gefahr, dass sich eine Scherfuge ausbilden könnte. Allerdings wurde nach den Untersuchungen der Ruhr Universität Bochum festgestellt, dass bei allen Versuchsaufbauten mit Geotextilien keine zusätzliche kritische Scherfuge entstand. In der Materialprüfungs- und Versuchsanstalt, MPVA Neuwied, wurden 2019 Untersuchungen zum Verschiebewiderstand durchgeführt. Neben unterschiedlichen Fugen- und Bettungsmaterialien, wurden Steindicken und Verbände variiert sowie Geokunststoffe in diversen Schichten - unter Pflaster bzw. unter der Bettung angeordnet. Geokunststoffe hatten immer einen sichtund/ oder messbaren Einfluss auf die Aufnahme von Horizontalkräften, wobei die Reibungsbeiwerte der untersuchten Aufbauten mit Geokunststoffen in jeder Konstellation auch als Schichttrennung zwischen Stein und Bettung in der versuchsüblichen Schwankungsbreite von Pflasterdecken ohne Geokunststoffe lagen. Insofern bestätigen auch diese Untersuchungen die Ergebnisse der Ruhr Universität Bochum. Die Annahme einer zusätzlichen Scherfuge ist auch nach praktischen Beobachtungen zu vernachlässigen. 2. Geokunststoffe 2.1 Geotextilien Geotextilen sind wasserdurchlässige, textile Baustoffe mit flächenhafter Ausprägung, deren normative Zuordnung mit einer Anwendung gekoppelt ist. Die DIN EN 13249 „Geotextilien und geotextilverwandte Produkte - Geforderte Eigenschaften für die Anwendung beim Bau von Straßen und sonstigen Verkehrsflächen (mit Ausnahme von Eisenbahnbau und Asphaltoberbau)“ behandelt den Einsatzbereich „filtern, trennen und bewehren“. Die Anforderungen dieser Norm beziehen sich jedoch meist auf die Funktion „bewehren“. In Pflasterdecken sind die maßgeblichen Parameter „filtern und trennen“. Aufgrund einer allgemeinen und diffusen Normenlage für den Einsatzbereich in Pflasterkonstruktionen, ist es empfehlenswert, die technischen Anforderungen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungswerte festzulegen. 2.2 Aquatextilen Aquatextilen sind eine eigene Produktgattung, die als technische Modifikation und Weiterentwicklung von Geotextilien betrachtet werden kann. Diese, den Verbundstoffen zuzurechnenden Textilien, reinigen in ihrer Geotextilien im Pflasterstraßenbau unter den Gesichtspunkten der Oberbaumechanik 236 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 primeren Funktion das Niederschlagswasser und werden so zum gezielten Abbau von Kohlenwasserstoffen eingesetzt. Die Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) werden über den Straßenverkehr eingebracht und das belastete Niederschlagswasser wird in den Oberbau infiltriert. Die MKW´s werden von den in den Oberbauschichten vorhandenen Bakterien abgebaut. Diese Reinigungsfunktion wird über zwei polymere Schichten gesteuert. Eine Lage hat oleophile Eigenschaften sowie ein hohes Retentions- und Speichervermögen für in den Oberbau eingedrungene Öle. Eine hydrophile Schicht bietet aufgrund der offenen Struktur des Filaments den Bakterien dauerhaften Lebensraum. In dieser Schicht werden Nährstoffe und Feuchtigkeit gespeichert. 2.3 Ausführungsarten der Geokunststoffe Vliesstoff Vliesstoffe sind einschichtige Textile und entstehen durch die Verfestigung von Matten aus regellos angeordneten Filamenten (endlose Fasern). Die Verfestigung kann mechanisch (Vernadelung), adhäsiv (Verkleben) oder kohäsiv (Verschmelzen) erfolgen. Vliesstoffe werden meist als Trennschicht und Filter eingesetzt. Gewebe Ein Gewebe besteht aus sich rechtwinklig kreuzenden Fadensystemen und unterscheidet sich durch die Art der Garne und deren Verwebung. Gewebe werden meist in Bereichen eingesetzt, in denen eine bewehrende Wirkung gefordert wird. Verbundstoffe Verbundstoffe sind mehrschichtige Textile und bestehen aus miteinander flächenhaft zusammengesetzten Vliesstoffen, Geweben oder anderen Flächengebilden. Die Verbundstoffe unterscheiden sich in ihrer Struktur und ihrer technischen Nutzung. Verbundstoffe werden überwiegend bei sich überlagernden Anforderungen, wie Filtern von Bettungsmaterial und Ableitung von Wasser in der Ebene, eingesetzt. 3. Grundfunktionen Geotextilien im Pflasterstraßenbau sind klassischen Aufgabenbereichen zuzuordnen. Die Funktionen trennen, sichern und filtern sind strenggenommen sehr eng verwandt und bedingen einander. • Trennen • Filtern • Reinigen 3.1 Trennfunktion Geokunststoffe werden im Pflasterstraßen- und Wegebau vorrangig zur Trennung von Schichten mit ausgeprägten Hohlraumgehalten (z.B. offenporige Tragschichten) eingesetzt, um das Eindringen von Feinkornanteilen in hohlraumreichere Strukturen signifikant zu verringern. Dabei sollten Geo- und Aquatextilien mit einer Überlappung von etwa 50 cm verlegt werden. Ein Vernähen oder Verschweißen ist im Pflasterstraßenbau unüblich. 3.2 Filterfunktion Geokunststoffe halten als Filter abhängig von ihrer Lage Bettungs- oder Fugenmaterialien zurück. In der Pflasterdecke wirkenden dynamischen Kräfte und eindringendes Wasser bewirken Umlagerungen von Kornfraktionen und den Transport von Feinteilen. Fließt Wasser aus einer Schicht in eine andere mit höherer Durchlässigkeit, kann der Strömungsdruck des fließenden Wassers Feinanteile oder Stützkorn aus dem einen Baustoffgemisch in die Porenräume des wasserdurchlässigeren Baustoffs transportieren. In Pflasterkonstruktionen ist jedoch von geringen hydraulischen Kräften auszugehen. Als Filter reduzieren Geokunststoffe die Erosion. Kolmationsneigungen werden nach Begutachtungen langjährig verbauter Pflasterflächen, insbesondere wenn sich ein Sekundärfilter aufbaut, auf ein unschädliches Maß begrenzt. Kornumlagerungseffekte können wie folgt umschrieben werden. Suffosion Hierunter sind die Umlagerung und der Transport feiner Fraktionen eines Mineralstoffes durch den vorhandenen Porenraum auch unter Einfluss von Wasser zu verstehen. Erosion Erosionsvorgänge sind durch die Umlagerung und den Transport nahezu aller Fraktionen an der freien Oberfläche oder im Inneren des Baustoffgemisches infolge frei fließenden Wassers oder durch Sickerwasser gekennzeichnet. Kolmation Kolmation beschreibt die Ablagerung von feinen Partikeln aus dem Sickerwasser an der Oberfläche eines porösen Mediums oder in den Poren bzw. Hohlräumen desselben. Voraussetzung für das Auftreten einer Kolmation in der Pflasterdecke ist immer die Suffosion bzw. die Erosion des Bettungs- oder Fugenstoffs. Geotextilien im Pflasterstraßenbau unter den Gesichtspunkten der Oberbaumechanik 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 237 3.3 Reinigende Funktion Aquatextilien verbinden die Grundeigenschaften von Geotextilien mit einer Reinigungsfunktion. Kohlenwasserstoffe des in den Oberbau infiltrierten Niederschlagwassers werden zurückgehalten und abgebaut. Die zweilagigen Textileinlagen sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Basisfunktionen den mechanisch verfestigten Verbundstoffen zuzurechnen. Eine oleophile Schicht nimmt die Kohlenwasserstoffe auf, während eine weitere Schicht Feuchtigkeit speichert. In diesem auch mit Nährstoffen angereicherten Lebensraum werden im Erdreich vorhandene anaerobe Bakterien zum Abbau der Kohlenwasserstoffe aktiviert. Als Abfallprodukte entstehen mit H2O und CO2 ungiftige Produkte. Die Abbauraten und das Rückhaltevermögen, sind als sehr hoch einzuschätzen. So übertreffen Systeme mit Aquatextilien nach Untersuchungen der KIWA - eine europäische Institution für Prüfung, Inspektion und Zertifizierung die Anforderungen an Klasse 1 Abscheideranlagen für Leichtflüssigkeiten nach DIN EN 858-1 [9] mit einem zulässigen Restölgehalt im Wasser von < 5 mg/ l. In Versuchsständen mit Pflasteraufbauten konnten bei Verwendung von einem Aquatextil unter dem Pflaster ein Restölgehalt von < 2 mg/ l nachgewiesen werden. In einer weiteren Konstruktion wurden ein Aquatextil unter der Pflasterdecke und ein weiteres unter der Tragschicht zum Einsatz gebracht. In diesem leistungsfähigen Aufbau konnte nur noch ein Restölgehalt von < 1 mg/ l nachgewiesen werden. Bild 1: Prüfeinrichtung zur Messung der Ölbindekapazität (Quelle Kiwa) 4. Geotextilrobustheitsklasse Die wichtigsten Auswahlparameter im Pflasterstraßenbau sind die Filterbedingungen, die Wahl der Geotextilrobustheitsklasse (GRK) und die Wasserdurchlässigkeit. Die Bemessung der Vliese ist im Wesentlichen abhängig von der Korngrößenverteilung, der zu entwässernden Schicht sowie der hydraulischen und der mechanischen Belastung. Zur Sicherung der dauerhaften Durchlässigkeit sollte in Pflasterdecken auf eine Begrenzung der abschlämmbaren Bestandteile insbesondere in der Bettungsschicht geachtet werden, da davon auszugehen ist, dass sich unter mechanischer Beanspruchung Sekundärfilter nicht immer stabil und flächendeckend ausprägen können. Die Wahl der Geotextilrobustheitsklasse (1 = niedrigste; 5 = höchste GRK) hängt von unterschiedlichen Anwendungsfällen ab. Die Geotextilrobustheitsklassen werden anhand der Beanspruchung durch das Schüttmaterial (in diesem Falle Bettungsmaterial) unterschieden und abhängig vom Einfluss der Beanspruchung durch Einbau und Baubetrieb eingeteilt. Im Erdbau des Straßenbaus werden mindestens Geotextilien ab GRK 3 eingesetzt. Im Pflasterstraßenbau können Geotextilrobustheitsklassen nicht eindeutig zugeordnet werden, da es sich um einen Sonderfall handelt. Nach den Beanspruchungsklassen des M GeoK steht einer Einordnung der Geokunststoffe in Pflasterdecken mit GRK 3 nichts entgegen. Weder das Schüttmaterial noch die Einbaubedingungen stellen eine besondere Beanspruchung dar. In Untersuchungen der Ruhr Universität Bochum wurden Geotextilien der GRK 4 und GRK 5 ausgewählt, da neben einer mutmaßlich hohen Beanspruchung unter der Pflasterdecke, dickere Geokunststoffe aufgrund besserer Durchlässigkeitsbedingungen vorteilhaft sein könnten. Nach den Untersuchungen sollte auch die Durchlässigkeit des Filters über die gesamte Betriebsdauer größer sein als die Durchlässigkeit der zu entwässernden Tragschicht. Es dürfe zu keinem Zeitpunkt zu einem Wasserrückstau kommen, auch wenn die Filterwirksamkeit mit der Zeit durch Einlagerungen von Feinkorn im Filter oder Anlagerungen an der Oberfläche sinkt. Bei dieser Annahme bleibt jedoch das real in den Oberbau eingeleitete - Fugenwasser unberücksichtigt. Wenn man den „ungünstigen“ Einsatzbereich von versickerungsfähigen Verkehrsflächen mit bestimmungsgemäß zugeführten Niederschlagswasser betrachtet, liegen die Durchflussraten von Geokunststoffen bzw. der offenporigen Tragschichten deutlich höher als die bemessungsrelevante Durchlässigkeit mit > 5 x 10-5 m/ s. In der konventionellen Bauweise ist bei fachgerechter Ausführung und Unterhaltung mit deutlich geringeren Wassermengen zu rechnen. Daher können Durchlässigkeitsbeiwerte > 1 x 10-3 m/ s für fachgerecht eingesetzte Geo- und Aquatextilien unabhängig von der Tragschicht als ausreichend angenommen werden. Grundsätzlich gibt es zwei Filtermodelle: Das eindimensionale Modell, welches von einer Siebwirkung des Filters ausgeht, und das dreidimensionale, bei dem Tiefenfiltration vorausgesetzt wird. Im eindimensionalen
