eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 2/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Sonderbauweise: Versickerungsfähige Pflasterflächen als Chance zur Beeinflussung des Mikroklimas in den Städten

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Siegfried Bolz
Der Klimawandel ist da. Die Sommer werden heißer und die Winter werden milder. Die Niederschläge verlagern sich. Die Städte heizen sich im Sommer immer mehr auf. Um dem zunehmenden Erhitzen in Innenstädten entgegen zu wirken werden immer neue Konzepte aufgestellt. Dies fängt an bei der Ausrichtung der Straßen. Beinhaltet die Begrünung der Städte und geht weiter über die Ableitung des Oberflächenwassers. Welche Rolle kann bei diesen Punkten nun das Versickerungsfähige Pflaster oder Versickerungsfähige Pflastersysteme übernehmen? Fakt ist, dass in Städten die meisten Flächen als Verkehrsflächen genutzt werden. Diese gilt es so umzugestalten, dass sie dem Verkehrsaufkommen noch Stand halten können. Das heißt, diese müssen genauestens auf ihre Verkehrslast untersucht werden und dann in die Städtebauliche Planung aufgenommen werden. Die Herausforderung ist, diese Flächen Verkehrsgerecht zu gestalten.
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Geotextilien im Pflasterstraßenbau unter den Gesichtspunkten der Oberbaumechanik 238 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Modell wird ein Sekundärfilter ausbildet. Modelle mit Sekundärfilter, welches eher mit Geotextilien bis zu GRK 3 zu erwarten ist, sind nach Einschätzungen der Ruhr Universität Bochum nicht für den Einbau bei Wechselbeanspruchungen geeignet. Die wechselnden Belastungen können ein Zusammenbrechen der Sekundärfilterstruktur bewirken, sodass es zu instabilen Filterverhältnissen kommt. Das dreidimensionale Modell, welches eher für dickere Geotextilien der GRK 4 und GRK 5 zutrifft, lässt die Durchwaschung oder Anlagerung feiner Gesteinskörnungen in den Filterporen zu. Das Wasser kann, durch die mehrschichtige Struktur des Geotextils um die „verstopften“ Poren herum fließen, so lange noch ausreichend offene Poren zum Wasserabfluss zur Verfügung stehen. Praktische Erfahrungen hingegen zeigen, dass auch dünnere Geotextilien zuverlässig eingesetzt werden können. Im Innenstadtgebiet von Ulm wurden vom Verfasser Flächenbefestigungen begutachtet. Die mit großformatigen Steinen gepflasterten Verkehrsflächen können aufgrund von Belastungsspitzen der Belastungsklasse Bk 1,0 zugerechnet werden. Verlegt wurden die Pflastersteine in Bettungsmaterial der Korngruppe 0/ 5 auf einer Drainbetontragschicht. Als Schichttrennung wurden Vliese, der Geotextilrobustheitsklasse GRK 3, aus Polypropylen mit 2,5 mm Dicke und einem Flächengewicht von > 175 g/ m² eingesetzt. An zahlreichen Stellen wurden Steine entnommen und die verbauten Geotextilen augenscheinlich auf Beschädigungen überprüft und die Wasserdurchlässigkeit qualitativ nachgewiesen. Beschädigungen des Geotextils waren an keiner Stelle sichtbar und die Wasserdurchlässigkeit war immer nachweisbar. Das eingebrachte Wasser versickerte in Sekundenschnelle. Eine Ausnahme war ein temporär hoch belasteter Kreuzungsbereich. Dort konnten augenscheinlich sichtbare Kolmationseffekte beobachtet werden. Eine Infiltration war vorhanden, jedoch auffällig langsamer als in den weiteren untersuchten Bereichen. Diese augenscheinlichen Effekte würden die Theorie einer mangelnden Ausprägung eines Sekundärfilters unter starker Belastung unterstützen. Nach Sicht des Verfassers können bei abgestimmten Bettungsmaterialien Geokunststoffe GRK 3 verwendet werden. Quellennachweis auf Anfrage 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 239 Sonderbauweise: Versickerungsfähige Pflasterflächen als Chance zur Beeinflussung des Mikroklimas in den Städten Siegfried Bolz Sachverständiger Bolz, Meßkirch, Deutschland Zusammenfassung Der Klimawandel ist da. Die Sommer werden heißer und die Winter werden milder. Die Niederschläge verlagern sich. Die Städte heizen sich im Sommer immer mehr auf. Um dem zunehmenden Erhitzen in Innenstädten entgegen zu wirken werden immer neue Konzepte aufgestellt. Dies fängt an bei der Ausrichtung der Straßen. Beinhaltet die Begrünung der Städte und geht weiter über die Ableitung des Oberflächenwassers. Welche Rolle kann bei diesen Punkten nun das Versickerungsfähige Pflaster oder Versickerungsfähige Pflastersysteme übernehmen? Fakt ist, dass in Städten die meisten Flächen als Verkehrsflächen genutzt werden. Diese gilt es so umzugestalten, dass sie dem Verkehrsaufkommen noch Stand halten können. Das heißt, diese müssen genauestens auf ihre Verkehrslast untersucht werden und dann in die Städtebauliche Planung aufgenommen werden. Die Herausforderung ist, diese Flächen Verkehrsgerecht zu gestalten. 1. „Sonderbauweise: Versickerungsfähige Pflasterflächen als Chance zur Beeinflussung des Mikroklimas in den Städten“ In Deutschland werden stetig neue Flächen für Arbeiten, Wohnen und Mobilität belegt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche von 1992 bis 2018 von 40.305 auf 49.819 Quadratkilometer (km²) ausgedehnt. Damit ist die Siedlungs- und Verkehrsfläche in den letzten 26 Jahren um 9.514 km² bzw. 23,6 % angestiegen (siehe Abb. „Siedlungs- und Verkehrsfläche nach Art der tatsächlichen Nutzung“). Rechnerisch entspricht dies einem Zuwachs von durchschnittlich 104 ha oder etwas mehr als 1 km² pro Tag. Mit Blick auf die Teilflächen dehnte sich die Siedlungsfläche um 33,1 % und die Verkehrsfläche um 9,8 % aus. [3] Sonderbauweise: Versickerungsfähige Pflasterflächen als Chance zur Beeinflussung des Mikroklimas in den Städten 240 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Tabelle 1 Die Sommer werden heißer und die Winter werden milder. Die Niederschläge verlagern sich, die Niederschlagsmenge im Winter erhöht sich, im Sommer wird es immer weniger. Die Städte heizen sich im Sommer immer mehr auf. Um dem zunehmendem Erhitzen in Innenstädten entgegen zu wirken werden immer neue Konzepte aufgestellt. Dies fängt bei der Ausrichtung der Straßen an. Beinhaltet die Begrünung der Städte und geht weiter über die Ableitung des Oberflächenwassers. [1] Aber die Städte sind nun mal schon da, sind über Jahrhunderte entstanden und haben sich nach und nach mit immer mehr Menschen und Gebäuden gefüllt. Welche Rolle kann bei diesen Punkten nun das Versickerungsfähige Pflaster oder Versickerungsfähige Pflastersysteme übernehmen? 1.1 Einfluss der Farbe Wie wohl bekannt ist nehmen dunkle Farben mehr Wärmestrahlung auf als helle. Die Farbe der Pflastersteine spielt aus diesem Grund eine sehr wichtige Rolle bei der Auswahl der Flächengestaltung. Zum Beispiel wurden die Gleise in Würzburg mit weißer Farbe gestrichen. Das hat einen Temperaturunterschied von bis zu acht Grad Celsius zu den normalen Gleisen ausgemacht. [4] Gerade in windgeschützten Bereichen ist es wichtig sich besonders intensiv damit zu beschäftigen. Hier kommt es zu geringem Wärmeaustausch, somit staut sich die Wärme erhitzter Pflastersteine besonders lange. Bei dunklen Steinen wird bis zu 20 % mehr Wärme absorbiert als bei hellen Steinen. Im Umkehrschluss heißt das, wenn wir helle Pflastersteine benutzen, erhitzt sich die Fläche nicht so stark. Dies wiederum verringert die Temperatur oberhalb der Pflasterfläche. Einen kleinen Einfluss kann also schon die Farbwahl des Pflastersteins haben, um das Mikroklima zu beeinflussen. 1.2 Einfluss des Wassers und der Bepflanzung Der zweite Einfluss ist sehr viel weitreichender. Versickerungsfähiges Pflaster und Pflastersysteme sind in erster Linie dazu da, Oberflächenwasser in den Untergrund abzuleiten, um die Kanalisation zu entlasten. Es dürfen aber nur Flächenbeläge mit der Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt), die in der Lage sind, in sehr hohem Maße Stoffe zurückzuhalten, verwendet werden, sobald das Verkehrsaufkommen zu hoch wird.[2] In der Vergangenheit wurde aber auch noch ein zweiter Aspekt bei diesen Systemen festgestellt. Die Verdunstung von Wasser über diesen Flächen ist höher als bei andern Verkehrsflächen. Dies führt auch zu einer niedrigeren Temperatur. Die Verdunstung ist Abhängig von der Beschaffenheit der Steine, der Speicherfähigkeit des Untergrundes, der Fugengröße und dem Fugenmaterial. Das bedeutet um das Mikroklima zu beeinflussen müssen wir uns diese Faktoren genau anschauen. Die Speicherfähigkeit des Untergrundes muss sich mit der Tragfähigkeit dessen gut vertragen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Verkehrsflächen nicht zu hoch belastet werden dürfen. Oder es müssen neue Wege beschritten werden. Die Tragfähigkeit und die Versickerungsrate müssen besser angepasst werden. Meine persönlichen Beobachtungen bei stark frequentierten Pflasterflächen mit Versickerungssystem sind dahin- Sonderbauweise: Versickerungsfähige Pflasterflächen als Chance zur Beeinflussung des Mikroklimas in den Städten 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 241 gehend meist negativ. (Parkflächen vor Einkaufzentren) Oft kann man hier beobachten, dass die Bettung und der Untergrund zu geschlämmt sind und kein Wasser mehr versickern kann. Verstärkt tritt diese Erscheinung auf, an Stellen, die mit geringem Gefälle ausgebildet worden sind. Oder an Flächen die auch bei Niederschlag stark beansprucht werden und die Versickerungsrate zu gering ist. Hier haben die Feinanteile Zeit sich abzusetzen und die bestehenden Hohlräume zuzusetzen. Bild 1 Bild 1 Somit ist das Versickerungsfähige System in sich gescheitert. Die Pflasterfläche löst sich auf. In den meisten Fällen lässt sich die Versickerungsrate, auf dem Untergrund, mit einfachen Mitteln nicht wieder herstellen. Daher gilt es erst einmal zu testen, in wie weit es Möglich ist den Untergrund tragfähig und gleichzeitig speicherfähig zu machen. Ich denke bis zur Bauklasse 3,2 haben wir schon Möglichkeiten Versickerungsfähige Pflasterflächen herzustellen, die den geringeren Belastungen Stand halten können. Bild 2 Bild 2 Die Ziele des Bundes sind jedoch ehrgeizig. Die Bundesregierung will den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 ha pro Tag und bis 2030 auf weniger als 30 ha pro Tag senken. Das integrierte Umweltprogramm des BMU formuliert für 2030 ein Ziel von 20 ha pro Tag. [3] Um dieses Ziel zu erreichen sind auch in der Pflasterbauweise neue Wege nicht verzichtbar. Es müssen tragfähige Systeme erforscht werden die auch über die BK 3,2 hinaus funktionieren und versickerungsfähig sind. Diese Systeme müssen jedoch auch noch reinigend sein um das Grundwasser nicht zu verunreinigen. Immer mehr Sachverständige sind inzwischen der Meinung, dass unter Pflasterflächen der Nullanteil an Feinteilen sehr gering oder sogar ausgeschlossen werden soll. Dies würde ein zu schlämmen der Hohlräume hinauszögern oder vielleicht sogar verhindern. Somit wäre die Wasserdurchlässigkeit vom Untergrund gesichert. Nun muss nur noch der Eintrag und das Absetzen von Feinanteilen verringert oder verhindert werden. Dies könnte mit Hilfe eines Filterflies geschehen. Diese können auch durch ihre reinigende Wirkung zum Schutz von Fremdstoffen in das Grundwasser beitragen. Dazu müssten Aquafliese verwendet werden. Im Straßenbau sprechen wir hier von Geotextilrobustheitsklasse GRK 3 oder höher. Diese Vliese werden zum Zeitpunkt in verschiedenen Bauprojekten beobachtet. (Bsp.: Ulm Münsterplatz) [5] Es existieren auch schon Pflastersysteme mit haufwerksporigem Kern, mit Zulassung des DIBt die versickerungsfähig und reinigend sind. Ich könnte mir aber auch vorstellen Pflasterflächen aus Naturstein auf Drainasphalt oder Drainbeton, mit einem versickerungsfähigen Fugenmaterial herzustellen. Mit Verwendung von Aquafließen könnte die notwendige Reinigung gewährleistet werden. Auch Ausweichflächen können dazu beitragen Wasser vor Ort versickern zu lassen. Wenn es aufgrund der Belastung nicht direkt auf der befahrenen Fläche möglich ist, das Wasser versickern zu lassen, muss dies in unmittelbarer Nähe geschehen. Dies kann auf angrenzenden Parkflächen geschehen. Diese sollten dann mit Rasenfugenpflaster angelegt werden. Sie haben eine erhöhte Versickerungsrate und können aufgrund der bewachsenen Substrate mehr Wasser speichern als ein Versickerungssystem ohne Begrünung. Die Reinigung durch das Substrat ist sehr gut. Auch sollte der Planer mehr Grün für die Stadtgestaltung mit einbeziehen. Hierbei sollte man beachten, dass Pflanzen verwendet werden die den Stress mit der Hitze und Trockenheit gut vertragen. Um sich den geänderten Niederschlägen anzupassen müssen aber auch andere Maßnahmen ergriffen werden. Hier sind Retentionsrinnen die das aufgefangene Wasser langsam in den Untergrund versickern lassen. eine weitere Möglichkeit.