eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 2/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2021
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Nachhaltiger Asphaltstraßenbau und die Auswirkungen auf das Erhaltungsmanagement - Praxisbeispiel Münster

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2021
Alexander Buttgereit
Stefan Gomolluch
Daniel Gogolin
Das Thema Umweltschutz und Recycling ist in Deutschland im Asphaltstraßenbau nicht neu. Bereits seit vielen Jahrzehnten wird Ausbauasphalt beim Bau neuer bzw. der Erhaltung vorhandener Straßen erfolgreich eingesetzt. Warum dann jetzt etwas Neues? Vor dem Hintergrund stetig schwindender natürlicher Ressourcen wird die Frage der Wiederverwendung auch im Asphaltstraßenbau immer dringender. Gleichzeitig werden immer mehr bereits mit Ausbauasphalt hergestellte Asphalte recycelt, also re-recycelt. Außerdem zeichnen sich mögliche Konsequenzen des Klimawandels immer deutlicher ab, so dass auch eine Anpassung des Erhaltungsmanagements wahrscheinlicher wird. In diesem Beitrag sollen in einem ersten Teil die Bautechnik und die Ergebnisse der Versuchsstrecken dargestellt werden. Im zweiten Teil werden die hieraus resultierenden Folgen für das Erhaltungsmanagement am Beispiel Münster verdeutlicht.
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298 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 BIM in der Straßenerhaltung 4.2 Nicht modellierbare Leistungspositionen Nicht alle Positionen Standard-LV lassen sich positionsgetreu modellieren. Dazu gehören Pauschalen, Verkehrssicherung, etc. Diese OZ machen eine nicht unerhebliche Anzahl am Gesamtprojekt aus. Um eine gesamte Abrechnung als Modellübergabe zu ermöglichen wurde mittels Dummy-Körpern, denen abrechnungsrelevante Dokumente und Informationen angeheftet wurden entwickelt und in Pilotprojekten mit Erfolg getestet. 5. AS-Built-Modell Für die Weiterverwendung des tatsächlich übergebenen Bauprojekt sind allerdings nur noch die neuen Schichten sowie Qualitäts-, und Herkunftsangaben dazu relevant. Diese werden in einem As-Built-Modell, das aus einem reduzierten Abrechnungsmodell sowie weiteren angehefteten Informationen besteht, gebündelt. Bei Bedarf stehen diese jetzt Interessierten (z.B. Straßenmeistereien) zur Verfügung. Bild 8: As-Built-Modell in der Visualisierung 6. Fazit BIM kann auch in der Strassenerhaltung für einen planbaren Rahmenvertragsumfang hilfreich sein, um begrenzte Budgets sowohl qualitativ als auch relativ sicher in der Bauzeit kurzfristig durchzuführen. Abbildungsverzeichnis Bild 1: Strabag GmbH Bild 2: Strabag GmbH Bild 3: Strabag GmbH Bild 4: Strabag GmbH Bild 5: Strabag GmbH Bild 6: Strabag GmbH Bild 7: Strabag GmbH Bild 8: Strabag GmbH 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 299 Nachhaltiger Asphaltstraßenbau und die Auswirkungen auf das Erhaltungsmanagement - Praxisbeispiel Münster Dr.-Ing. Alexander Buttgereit Stadt Münster Amt für Mobilität und Tiefbau Dipl.-Betriebswirt Stefan Gomolluch Stadt Münster Amt für Mobilität und Tiefbau Dr.-Ing. Daniel Gogolin Ingenieurgesellschaft PTM Dortmund mbH Zusammenfassung Das Thema Umweltschutz und Recycling ist in Deutschland im Asphaltstraßenbau nicht neu. Bereits seit vielen Jahrzehnten wird Ausbauasphalt beim Bau neuer bzw. der Erhaltung vorhandener Straßen erfolgreich eingesetzt. Warum dann jetzt etwas Neues? Vor dem Hintergrund stetig schwindender natürlicher Ressourcen wird die Frage der Wiederverwendung auch im Asphaltstraßenbau immer dringender. Gleichzeitig werden immer mehr bereits mit Ausbauasphalt hergestellte Asphalte recycelt, also re-recycelt. Außerdem zeichnen sich mögliche Konsequenzen des Klimawandels immer deutlicher ab, so dass auch eine Anpassung des Erhaltungsmanagements wahrscheinlicher wird. In diesem Beitrag sollen in einem ersten Teil die Bautechnik und die Ergebnisse der Versuchsstrecken dargestellt werden. Im zweiten Teil werden die hieraus resultierenden Folgen für das Erhaltungsmanagement am Beispiel Münster verdeutlicht. 1. Wiederverwendung von Asphalt (-granulat) Die Ressourcenrelevanz der Bauwirtschaft in Deutschland ist erheblich. Es werden ca. 540 Mio. Mg/ a mineralische Naturstoffe abgebaut, dies entspricht einem Landverbrauch von etwa 4 ha/ d. Zudem ist die Bauwirtschaft für 37% der CO2- und SO2-, 18% der NOx-Emissionen, 30% des Energieverbrauchs der westlichen Bundesländer verantwortlich. [1] Bisher wurde vornehmlich der Hochbau im Bereich des ressourceneffizienten Bauens betrachtet. Aber auch der Tiefbau, der zentrale Teile der Infrastruktur darstellt, hat neben einer großen ökonomischen Bedeutung (Umsatz des Baugewerbes 2018 in Deutschland ca. 86 Mrd. €, davon im Tiefbau 32 Mrd. € [2]) eine erhebliche Ressourcenrelevanz. Hier übernehmen Kommunen eine wichtige Funktion, da etwa 75% des Straßen- und Wegenetzes in Deutschland Gemeindestraßen und Wirtschaftswege sind. Eine grundlegende Erneuerung der Straßenkörper ist nach bisherigen Erfahrungen, je nach Straßenkategorie, ca. alle 30 bis 60 Jahre notwendig. Asphaltdeckschichten weisen hierbei die geringste Lebensdauer von bis zu 20 Jahren auf. Allerdings ist davon auszugehen, dass aufgrund steigender Belastung des Straßenoberbaus (z. B. vermehrtes Schwerverkehrsaufkommen, Klimaveränderung), die Erneuerungszyklen und Lebensdauern in Zukunft kürzer werden [3]. Der Baustoff Asphalt eignet sich aufgrund seiner thermoplastischen Eigenschaften ausgezeichnet für die Wiederverwendung bzw. das Recycling. Das hierfür erforderliche Technische Regelwerk liegt im Grundsatz mit entsprechenden Grenzen für die Zugabe von Asphaltgranulat (AG) vor. Mit diesen Begrenzungen geben sich die Autoren jedoch nicht zufrieden und wollen daher u.a. der Frage nachgehen: Wie viel mehr Asphaltrecycling ist in der Praxis heute und in der Zukunft möglich? Da bereits seit vielen Jahren die Wiederverwendung von Asphalt (-granulat) fester Bestandteil des Asphaltkreislaufs ist (vgl. Abbildung 1), ist es absehbar, dass Rejuvenatoren zukünftig einen wichtigen Baustein bei der Wiederverwendung von Asphalt darstellen werden, der auch langfristig möglichst hohe Wiederverwendungsraten bei gleichbleibend hoher Qualität ermöglicht [4]. 300 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Nachhaltiger Asphaltstraßenbau und die Auswirkungen auf das Erhaltungsmanagement - Praxisbeispiel Münster Abbildung 1: Kreislauf im Asphaltstraßenbau Im Rahmen der vorangegangenen Projekte und Beiträge zum Thema Rejuvenatoren [5] [6] konnten bereits eine Vielzahl an positiven Aspekten herausgearbeitet werden. Aus den bisherigen Ergebnissen der Projekte haben sich in der Folge weitere Fragestellungen ergeben: • Lässt sich die Zugabemenge von AG erhöhen ohne die Qualität negativ zu beeinflussen? • Ist es generell sinnvoll - auch schon bei geringen Anteilen AG - Rejuvenatoren zu verwenden? • Kann durch den Einsatz von Rejuvenatoren allgemein die Qualität verbessert bzw. die Nutzungsdauer verlängert werden? Diese Fragestellungen sollten in mehreren Bauprojekten praktisch beantwortet werden. 2. Planungsschritte Im Januar 2020 ist erstmals zwischen der bauausführenden Firma und der Stadt Münster die Idee besprochen worden, im Rahmen des laufenden Bauvertrags der Straßenerhaltung Teststrecken mit einer erhöhten Zugabe an Asphaltgranulat in der Asphalttragschicht und der Asphaltdeckschicht zu bauen. Schnell ist dabei Einvernehmen erzielt worden, ein solches Projekt gemeinsam umzusetzen. Hierzu ist allerdings eine enge Abstimmung aller am Projekt beteiligten Parteien (Baufirma, Asphaltmischwerk, Prüflabor, Auftraggeber) notwendig. Im Startgespräch zwischen dem Asphaltmischwerk, dem Prüflabor und dem Auftraggeber im März 2020 sind die Projektziele und die -umsetzung erörtert und fixiert worden. Hinsichtlich der Frage- und Zielstellungen wurde das Konzept entwickelt, Vergleichsuntersuchungen an einer Asphalttragschicht AC 22 TN und an einer Asphaltdeckschicht AC 11 DN mit variierenden Anteilen an Asphaltgranulat und jeweils mit und ohne Rejuvenator durchzuführen. 3. Untersuchungsmethodik und Untersuchungsprogramm Anfang April 2020 standen seitens des Asphaltmischwerks geeignete Asphaltgranulate in ausreichender Menge für das Projekt zur Verfügung. Analog zu der Erstellung der vorläufigen Erstprüfungen durch das Asphaltmischwerk wurde das Basisbitumen und das Asphaltgranulat im Labor der Ingenieurgesellschaft PTM Dortmund mbH untersucht. Im Rahmen dieser Untersuchungen sollte die Zugabemenge des Rejuvenators mit Hilfe physikalischer und rheologischer Bindemitteluntersuchungen für die unterschiedlichen Varianten der Asphaltdeckschicht AC 8 D N und der Asphalttragschicht AC 22 T N labortechnisch bestimmt und festgelegt werden: • Asphalttragschicht AC 22 T N mit 50 % Asphaltgranulat • Asphalttragschicht AC 22 T N mit 80 % Asphaltgranulat • Asphaltdeckschicht AC 11 D N mit 20 % Asphaltgranulat • Asphaltdeckschicht AC 11 D N mit 50 % Asphaltgranulat. Als Zugabebindemittel wurde für alle Varianten ein Straßenbaubitumen 70/ 100 und als Zielbindemittel ein Straßenbaubitumen 50/ 70 festgelegt. Als Rejuvenator kam das Produkt VIATOP® plus RC zum Einsatz. Für die Festlegung der einzelnen Bindemittelanteile, d.h. Zugabebindemittel 70/ 100, rückgewonnenes Bindemittel aus Asphaltgranulat und Rejuvenator, wurde auf die vorläufigen Erstprüfungen und auf die bisherigen Erkenntnisse der Wirkungsweise des Rejuvenators zurückgegriffen (Additiv 2.0 aus [7]). Für das Projekt kamen für die zwei Asphaltdeckschicht AC 8 D N und die Asphalttragschicht AC 22 T N jeweils unterschiedliche Asphaltgranulate zum Einsatz. Die Festlegung der Zugabemenge erfolgte klassisch über Erweichungspunkt Ring und Kugel und rheologisch über das BTSV-Verfahren. Auf Grundlage der durchgeführten Bitumenanalysen wurden die Zugabemengen des Rejuvenators für die einzelnen Asphaltmischgutvarianten festgelegt und in die entsprechenden Erstprüfungen eingearbeitet. Auf Grundlage der Erprobungsstrecken und der entsprechend durchgeführten labortechnischen Untersuchungen konnten entscheidende Erkenntnisse zur Beantwortung der zuvor aufgeworfenen Fragestellungen gewonnen werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse können darüber hinaus gezielte Aussagen zur Qualität dieser Bauweise 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 301 Nachhaltiger Asphaltstraßenbau und die Auswirkungen auf das Erhaltungsmanagement - Praxisbeispiel Münster getroffen und anhand von durchgeführten Alterungs- und Belastungssimulationen weitreichende Prognose zur Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit erstellt werden. Diese Erkenntnisse haben beispielsweise einen unmittelbaren Einfluss auf Erhaltungszyklen einer Straße und können wiederrum effektiv für das Erhaltungsmanagement genutzt werden. 4. Folgen für das Erhaltungsmanagement, Erhaltungszyklen Die wesentliche Aufgabe der öffentlichen Straßenbaulastträger ist die Bereitstellung von sicheren und leistungsfähigen Straßen zu einem angemessenen Preis. Hierbei sollen u.a. die Belange des Umweltschutzes und der Barrierefreiheit beachtet werden. Diese Anforderungen aus unterschiedlichen Bereichen können leicht zu Zielkonflikten führen, die seit vielen Jahren mit Hilfe eines Asset Managementsystems transparent gelöst werden können. Asset Management unterstützt die aufgaben- und ergebnisorientierte Steuerung der Straßenerhaltung unter mehr als rein Straßenbautechnischen Aspekten auf Basis von Zielen, Messgrößen und Kennzahlen über den Lebenszyklus aller Anlagen einer Organisation. Somit wird es möglich, z.B. Umwelt- oder Klimaziele in ein Erhaltungsmanagement messbar zu integrieren und vorhandene bautechnische Lösungen umzusetzen. Dabei stellt sich die Frage, ob die vorhandenen Lösungen ausreichen bzw. ob es ein noch nicht aktiviertes Potential gibt? 4.1 Wie kann so etwas konkret aussehen? Die Stadt Münster hat verschiedene Programme ins Leben gerufen, um die Stadt und die Stadtverwaltung nachhaltiger und ans Klima angepasster zu gestalten. Das Amt für Mobilität und Tiefbau kann und will aufgrund der Verantwortung für die Infrastrukturanlagen einen großen Beitrag dazu leisten. Deshalb werden seit vielen Jahren Umweltaspekte in Entscheidungsprozesse integriert und beispielsweise ein nachhaltiges Straßenerhaltungsmanagement sukzessive aufgebaut. Dieses soll die drei Säulen der Nachhaltigkeit, Ökologie, Ökonomie und sozio-kulturelle Belange, berücksichtigen. Diese Leitziele lassen sich in strategische Ziele spezifizieren und drücken gewählte Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur aus. Hinter dem Ziel Nachhaltigkeit verbergen sich operative Ziele wie z. B. den Lärm zu senken, ein Ressourcen schonenderer Umgang mit Material und Energie sowie alles, was einen Menschen umgibt, auf ihn einwirkt und seine Lebensbedingungen beeinflusst. Als Messgröße wird z. B. der Einsatz von recycelten Materialien herangezogen. Um all diese Ziele bestmöglich zu erreichen, ist es wichtig, bautechnische Lösungen zu finden, die eine maximale Umweltwirkung bei gleichzeitig maximaler bautechnischer Sicherheit mit vielleicht sogar längerer Nutzungsdauer gewährleisten. Diese Randbedingungen sollen mit Hilfe „passender“ Materialeigenschaften erfüllt werden. 4.2 Welche Auswirkungen hat das auf den kurz-, mittel- und langfristigen Finanzbedarf? Während bislang beschrieben worden ist, wie bautechnisch längere Nutzungsdauern erreicht werden können, soll im zweiten Teil dargestellt werden, wie bzw. worauf sich längere Nutzungsdauern auswirken. Fest steht, dass diese einen wesentlichen Einfluss auf den Finanzbereich (vgl. Abbildung 2) hat. Aus den RPE-Stra und den ABBV ist eine Erhaltungsstrategie für das Straßennetz Münster entwickelt worden. Anhand dieser Werte lassen sich die Zeiträume für Instandsetzungsmaßnahmen abschätzen. Außerdem erhält man unter Berücksichtigung der in den ZTV BEA aufgeführten Erhaltungsarbeiten die Kosten für die Straßenerhaltung über die Nutzungsdauer des Oberbaus. Berücksichtigt man zusätzlich die Abschreibungen aus den Kosten der Erstbzw. Ersatzinvestition, so ergibt sich der Aufwand für die Bereitstellung der Straße (vgl. [8, 9]). Es sind Vergleichsrechnungen mit unterschiedlichen Eingangsparametern durchgeführt worden. In der Abbildung 2 werden exemplarisch die Auswirkungen einerseits bei einer konstanten Gesamtnutzungsdauer von 40 Jahren und andererseits bei einer Verlängerung der Gesamtnutzungsdauer entsprechend der Verlängerungen der Schichten von bis zu 80 Jahren gegenübergestellt.