eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 2/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2021
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Modellstadt Herrenberg - NOx-Reduktion im Stadtgebiet

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2021
Torsten Heine-Nims
Die täglichen Verkehrsbelastungen und Störungen im Verkehrsablauf in der Stadt Herrenberg führen zu problematischen Stickoxid-Grenzwert-Überschreitungen. Herrenberg ist daher von der Bundesregierung als Modellkommune für saubere Luft ausgewählt worden. Hauptziel ist es, die Stickoxid-Emissionen dauerhaft zu reduzieren. Hierzu wurde ein umfangreiches Maßnahmenbündel und ein GreenCityPlan erarbeitet. Hinsichtlich der Wirksamkeit einer dauerhaften NOx-Reduktion erfolgt zunächst eine verkehrstechnische Untersuchung und aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen die verkehrstechnische Gesamtkonzeption. Schwerpunkt ist ein integrierter Steuerungsansatz mit intelligenter, geschwindigkeitsabhängiger Lichtsignalsteuerung. Zudem ist angedacht Umweltdaten in Form prognostizierter Luftschadstoffbelastungen in die zentralseitigen Strategien zur Verkehrssteuerung einzubeziehen und lokal in den Lichtsignalsteuerungen umzusetzen. Stickoxid-Grenzwert-Überschreitungen sollen somit zukünftig vermieden werden.
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312 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Consequences of connected and automated driving to physical and digital high-level road infrastructure driving. Presentation made at I Aurora Summit, Olos 16-17 January 2018. [8] Kulmala, R., Jääskeläinen, J., Pakarinen, S. (2019): The Impact of Automated Transport on the Role, Operations and Costs of Road Operators and Authorities in Finland. EU-EIP Activity 4.2 Facilitating automated driving. Traficom Report 6/ 2019. [9] Malone, K., Schreuder, M., Berkers, F., Helfert, K., Radics, L., Boehm, M. (2019): Digitalisation and Automation. Implications for use cases, Identification of Stakeholders and Data Needs and Requirements. DIRIZON Deliverable Nr 3.1. Draft 0.7, October 2019. [10] RWS (2018): Traffic Management Roadmap 2022. Improving the nextwork services. Renewal based on Smart Mobility. Rijkswaterstaat, Ministry of Infrastructure and Water Management, October 2018. [11] SOCRATES 2.0 (2018): Proposed cooperation framework & bottlenecks. Activity 2 deliverable. [12] Sweatman, P. (2019): Presentation at Special Interest Session 01 Highly connected and automated multimodal urban system, 26th ITS World Congress in Singapore, 21-25 October 2019. [13] TM2.0 (Ed.) (2018): Platform web site. http: / / tm20. org/ [14] van der Tuin, M., Farah, H., Correia, G., Wadud, Z., Carsten, O., Ulrich, S., Aigner, W. (2020): Impacts of automation functions on NRA policy targets. MANTRA: Making full use of Automation for National Transport and Road Authorities - NRA Core Business, Deliverable D3.2 [15] Ulrich, S., Kulmala, R., Appel, K., Aigner, W., Penttinen, M., Laitinen, J. (2020): Consequences of automation functions to infrastructure. MANTRA: Making full use of Automation for National Transport and Road Authorities - NRA Core Business, Deliverable 4.2. [16] U.S. DOT (2018): Preparing for the Future of Transportation. Automated Vehicles 3.0. [17] Vreeswijk, J. (2019): Workshop report: Constructs of the Operational Design Domain (ODD) of Automated Vehicles. ITS World Congress Singapore, 22.10.2019. [18] Zencic (2019): UK Connected and Automated Mobility Roadmap to 2030. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 313 Modellstadt Herrenberg - NOx-Reduktion im Stadtgebiet Dr.-Ing. Torsten Heine-Nims BERNARD Gruppe ZT GmbH Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Die täglichen Verkehrsbelastungen und Störungen im Verkehrsablauf in der Stadt Herrenberg führen zu problematischen Stickoxid-Grenzwert-Überschreitungen. Herrenberg ist daher von der Bundesregierung als Modellkommune für saubere Luft ausgewählt worden. Hauptziel ist es, die Stickoxid-Emissionen dauerhaft zu reduzieren. Hierzu wurde ein umfangreiches Maßnahmenbündel und ein GreenCityPlan erarbeitet. Hinsichtlich der Wirksamkeit einer dauerhaften NOx-Reduktion erfolgt zunächst eine verkehrstechnische Untersuchung und aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen die verkehrstechnische Gesamtkonzeption. Schwerpunkt ist ein integrierter Steuerungsansatz mit intelligenter, geschwindigkeitsabhängiger Lichtsignalsteuerung. Zudem ist angedacht Umweltdaten in Form prognostizierter Luftschadstoffbelastungen in die zentralseitigen Strategien zur Verkehrssteuerung einzubeziehen und lokal in den Lichtsignalsteuerungen umzusetzen. Stickoxid-Grenzwert-Überschreitungen sollen somit zukünftig vermieden werden. 1. Aufgabenstellung und Zielsetzung In Herrenberg resultieren aus dem vergleichsweisen hohen täglichen Verkehrsaufkommen regelmäßige Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte, welche an der Messstelle im Zuge der Hindenburgstraße erfasst werden. Diese Problematik verstärkt sich bei auftretenden Störungen im Verkehrsablauf. Bild 1: Vorzugsstraßennetz und den darin gelegenen signalisierten Knotenpunkten Vor diesem Hintergrund ist die Stadt Herrenberg von der Bundesregierung als Modellkommune für saubere Luft ausgewählt worden. Zur Verbesserung der Luftqualität wurde ein umfangreiches Maßnahmenbündel (Modellstadt-Projektskizzen) ausgearbeitet, welches speziell auf das Vorzugsstraßennetz und die darin gelegenen signalisierten Knotenpunkten (siehe Bild 1) fokussiert. Durch intelligente Verkehrssteuerung, d.h. Kombination eines innovativen geschwindigkeitsabhängigen Steuerungsansatzes mit herkömmlichen Steuerungselementen, wie Verkehrsabhängigkeit, Koordinierung oder auch Dosierung/ Pförtnerung sollen Stickoxid-Grenzwert-Überschreitungen dauerhaft vermieden werden. 2. Methodisches Vorgehen und Grundlagen In einem ersten Bearbeitungsschritt erfolgt im Rahmen einer verkehrstechnischen Untersuchung für das Vorzugsstraßennetz die Erstellung geschwindigkeitsabhängiger Lichtsignalsteuerungen mit Tempobeschränkungen zwischen 20 und 40 km/ h. Aufgrund des gesamthaften, zukunftsorientierten und integrierten Lösungsansatzes wurden parallel entwickelte, detaillierte Planungen für den Radverkehr mitberücksichtigt. Die vorgesehenen Planungen zu den Tempobeschränkungen, der Radverkehrsführung sowie der Lichtsignalsteuerungen werden hinsichtlich ihrer steuerungstechnischen und verkehrlichen Wirksamkeit sowie im Zusammenhang mit der Reduzierung der Stickoxid-Emissionen untersucht und vergleichend bewertet. Der Vorteil der dynamischen Geschwindigkeitsregelung besteht darin, dass in Abhängigkeit des abzuwickelnden Verkehrsaufkommens die optimale Fahrgeschwindigkeit angezeigt werden kann, bei der der Streckenabschnitt mit der geringsten Anzahl von Halten und einher gehend da- 314 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Modellstadt Herrenberg - NOx-Reduktion im Stadtgebiet mit mit einem entsprechend verringerter Stickoxid-Ausstoß durchfahren wird. Um die gegebenen Wechselwirkungen zwischen den Verkehrsteilnehmern und den Verkehrsanlagen sowie insbesondere die Reduzierung der Stickoxid-Emissionen geeignet abbilden und bewerten zu können, erfolgt die Verkehrsuntersuchung anhand einer mikroskopischen Verkehrsflusssimulation. Hierbei werden die vorgesehenen geometrischen Anpassungen im Zusammenhang mit der Radverkehrsführung an den Knotenpunkten sowie die einzelnen Verkehrsarten detailliert im Modell abgebildet und können differenziert und vergleichend (Bestandssituation und Maßnahmenbündel) bewertet werden. Die Bewertung der Verkehrsabläufe erfolgt auf der Grundlage der mittels des Simulationsmodells gemessenen verkehrstechnischen Kenngrößen, wie Wartezeiten und den daraus abgeleiteten Qualitätsstufen nach HBS 2015 [1] sowie maximale Rückstaulängen und mittlere Anzahl der Halte. Darüber hinaus werden die NOx-Emissionen mittels der Verkehrsflusssimulation gemessen und kann vergleichend zur Bestandssituation bewertet werden. Grundlage der mikroskopischen Verkehrsflusssimulation bildet eine realitätsnahe Abbildung der zukünftigen Gegebenheiten vor Ort, einschließlich der Radverkehrsführungen und Tempobeschränkungen. Das berücksichtigte Verkehrsaufkommen basiert auf aktuellen Verkehrsmengen aus dem Verkehrsmodell der Stadt Herrenberg mit dem Prognosehorizont 2030, so dass die vorgesehenen stadtspezifischen Entwicklungen berücksichtigt sind. Die Abbildung und Bewertung der Verkehrsabläufe sowie der Emission an Stickoxiden erfolgt für die maßgebende Spitzenstunde des Kfz-Verkehrs am Abend - 16: 30 - 17: 30 Uhr (siehe Bild 2). Bild 2: Dimensionierungsverkehrsmengen Kfz-Verkehr - abends (Beispiel Hindenburgstraße - Reinhold-Schick-Platz) Für den Streckenabschnitt Hindenburgstraße ergeben sich die in den Bildern 3 und 4 dargestellten Koordinierungen für die Tempobeschränkung 40 km/ h und 20 km/ h. Anhand der Grafiken ist erkennbar, dass bei eine Koordinierungsgeschwindigkeit von 40 km/ h eine vergleichsweise gute Koordinierung in beiden Fahrtrichtungen erreicht werden kann. Bei einer Koordinierungsgeschwindigkeit von 20 km/ h ist diese nicht mehr gegeben, da der erforderliche Abfluss aufgrund der abzuwickelnden Verkehrsmenge nicht mehr gegeben ist. Bild 3: Koordinierung (Weg-Zeit-Diagramm) [2] - Tempobeschränkung 40 km/ h (Beispiel Hindenburgstraße) Bild 4: Koordinierung (Weg-Zeit-Diagramm) [2] - Tempobeschränkung 20 km/ h (Beispiel Hindenburgstraße) Ausgehend von den Untersuchungsergebnissen erfolgt die verkehrstechnische Gesamtkonzeption zur NOx-Reduktion für das Stadtgebiet von Herrenberg. Aufgrund ihrer Verkehrsbelastung von bis zu 22.000 Kfz/ Tag soll eine erste Referenzstrecke die Hindenburgstraße sein, da hier die zu erwartenden Wirkungen und Verbesserungen als signifikant eingeschätzt und aufgrund der vorhandenen Messstelle in der Praxis nachgewiesen werden kann. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 315 Modellstadt Herrenberg - NOx-Reduktion im Stadtgebiet 3. Ergebnisse der verkehrstechnischen Untersuchung Die mittels der mikroskopischen Verkehrsflusssimulation erzielten Ergebnisse zu den mittleren Wartezeiten und Qualitätsstufen sowie maximalen Rückstaulängen verdeutlichen, dass eine gute Verkehrsabwicklung im Bestand (50 km/ h) und bei Tempobeschränkungen von 40 km/ h und 30 km/ h mit mindestens der Qualitätsstufe D auf allen Streckenabschnitten erreicht werden kann. Die maximalen Rückstaulängen treten zeitlich lediglich temporär auf, werden nach kurzer Zeit wieder abgebaut und führen zu keinen signifikanten Beeinträchtigungen, insbesondere benachbarter Knotenpunkte. Ein Vergleich der Kenngröße der mittleren Anzahl der Halte (siehe Bild 5) bestätigt die leistungsfähige Verkehrsabwicklung im Bestand und bei einer Tempobeschränkung von 40 km/ h bzw. 30 km/ h. Bild 5: Mittlere Anzahl der Halte Bild 6: NOx-Emissionen [3] Bei einer Tempobeschränkung von 20 km/ h ergibt sich keine leistungsfähige Verkehrsabwicklung auf den meisten Streckenabschnitten. Wesentlicher Grund ist, dass bei dieser Geschwindigkeit der für das abzuwickelnde Verkehrsaufkommen erforderlich Abfluss nicht mehr gegeben ist. Hinsichtlich der NOx-Emissionen zeigen die ermittelten Werte (siehe Bild 6), dass gegenüber dem Bestand mit der Tempobeschränkung von 40 km/ h bzw. 30 km/ h die stärkste Reduktion erreicht werden kann. Insbesondere durch die Koordinierungswirkung bei 40 km/ h ist tendenziell eine bis zu 10%ige Verringerung der Stickstoffdioxidemissionen der Kfz erreichbar. Bei einer Tempobeschränkung auf 20 km/ h liegen die Werte über denen des Bestandes.