eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 2/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2021
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Zielführende Straßenerhaltung - Bewertung der strukturellen Substanz

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2021
Jörg Patzak
Alexander Zeißler
Seit der Einführung der RDO Asphalt im Jahre 2009 [1] besteht die Möglichkeit, Straßenbefestigungen in Asphaltbauweise im Rahmen von Neubaumaßnahmen rechnerisch zu dimensionieren. Für Bestandsstrecken in Asphaltbauweise kann die strukturelle Substanz nach den RSO Asphalt, Entwurf 2016 [2] bewertet und deren Restnutzungsdauer rechnerisch prognostiziert werden. Für eine nachhaltige und wirtschaftliche Erhaltungsplanung stellt die Restnutzungsdauer der Befestigung die entscheidende Grundlage dar. Als wirtschaftlich einzustufen ist eine Maßnahmenplanung dann, wenn die Nutzungsdauer neu einzubauender Schichten an die Restnutzungsdauer in der Konstruktion verbleibender Schichten angepasst wird. Grundlage für die Anwendung des Verfahrens nach den RSO Asphalt, Entwurf 2016 [2] sind u. a. die Kenntnis der sogenannten Performance-Kennwerte der in situ vorhandenen Asphalte sowie die möglichst genauen Belastungen aus Klima und Verkehr. Am Beispiel wird gezeigt, wie beginnend von der strukturell homogenen Abschnittsbildung bis zum Ergebnis, der Restnutzungsdauer der bestehenden Befestigung, voranzugehen ist. Vergleichend wird auf die deterministische und die probabilistische Verfahrensweise eingegangen, Unterschiede erläutert und die Ergebnisse diskutiert. Für die zeitgemäße ingenieurtechnische und insbesondere praxisgerechte Anwendung wird unter Verwendung der Software ADtoPave [12] gezeigt, wie schnell und effektiv die strukturelle Substanz von Straßenbefestigungen im Vorfeld von Erhaltungsmaßnahmen bewertet werden kann.
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2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 329 Zielführende Straßenerhaltung - Bewertung der strukturellen Substanz Prof. Dr.-Ing. Jörg Patzak Ingenieurgesellschaft für Dimensionierung und Analyse von Verkehrsflächen (IDAV GmbH), Dresden Dr.-Ing. Alexander Zeißler Ingenieurgesellschaft für Dimensionierung und Analyse von Verkehrsflächen (IDAV GmbH), Dresden Zusammenfassung Seit der Einführung der RDO Asphalt im Jahre 2009 [1] besteht die Möglichkeit, Straßenbefestigungen in Asphaltbauweise im Rahmen von Neubaumaßnahmen rechnerisch zu dimensionieren. Für Bestandsstrecken in Asphaltbauweise kann die strukturelle Substanz nach den RSO Asphalt, Entwurf 2016 [2] bewertet und deren Restnutzungsdauer rechnerisch prognostiziert werden. Für eine nachhaltige und wirtschaftliche Erhaltungsplanung stellt die Restnutzungsdauer der Befestigung die entscheidende Grundlage dar. Als wirtschaftlich einzustufen ist eine Maßnahmenplanung dann, wenn die Nutzungsdauer neu einzubauender Schichten an die Restnutzungsdauer in der Konstruktion verbleibender Schichten angepasst wird. Grundlage für die Anwendung des Verfahrens nach den RSO Asphalt, Entwurf 2016 [2] sind u. a. die Kenntnis der sogenannten Performance-Kennwerte der in situ vorhandenen Asphalte sowie die möglichst genauen Belastungen aus Klima und Verkehr. Am Beispiel wird gezeigt, wie beginnend von der strukturell homogenen Abschnittsbildung bis zum Ergebnis, der Restnutzungsdauer der bestehenden Befestigung, voranzugehen ist. Vergleichend wird auf die deterministische und die probabilistische Verfahrensweise eingegangen, Unterschiede erläutert und die Ergebnisse diskutiert. Für die zeitgemäße ingenieurtechnische und insbesondere praxisgerechte Anwendung wird unter Verwendung der Software ADtoPave [12] gezeigt, wie schnell und effektiv die strukturelle Substanz von Straßenbefestigungen im Vorfeld von Erhaltungsmaßnahmen bewertet werden kann. 1. Einleitung Mit den deutschen Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt [2], eingeführt mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau (ARS) vom 26.08.2009, ist im Vergleich zur konventionellen Dimensionierungsmethodik nach den RStO [4] ein wesentlicher Schritt hin zu einer ökonomischen und nachhaltigen Dimensionierung von Verkehrsflächenbefestigungen in Asphaltbauweise erfolgt. Mit dem Bundesverkehrswegeplan 2030 unter dem Titel „Erhalt geht vor Neubau“ hat die Bundesregierung die Priorität auf den Erhalt der Verkehrswege mit 69 % der zur Verfügung gestellten Mittel gesetzt [3]. Der verbindliche Haushaltsgrundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet die Träger der Straßenbaulast, die für Bundesstraßen zur Verfügung gestellten Mittel möglichst effizient zur Instandsetzung der Verkehrswege ein zusetzen (Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, § 6 HGrG, § 7 BHO). Natürlich gilt dieser Grundsatz gleichermaßen für das nachgeordnete Netz. Umso mehr ist eine Bewertung der strukturellen Substanz vorhandener Straßenbefestigungen die Grundlage für ein zielführendes und abgestimmtes Konzept der Erhaltungsplanung. Die Grundlage hierfür wurde mit den Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen in Asphaltbauweise (RSO Asphalt, Entwurf 2016) [2] geschaffen. Im Ergebnis dieser Bewertung kann eine Maßnahmenplanung erst dann als wirtschaftlich eingestuft werden, wenn die Nutzungsdauer neu einzubauender Schichten an die Restnutzungsdauer von in der Konstruktion verbleibender Schichten angepasst wird. Bereits mit der Einführung der aktuell geltenden Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO) [4] wurde den genannten Grundsätzen Rechnung getragen und unter Pkt. 4 „Erneuerung von Fahrbahnen“ explizit darauf verwiesen, dass Art und Zustand der vorhandenen Befestigung (Pkt. 4.1.4) für die Belastungsklassen Bk10 bis Bk100 rechnerisch überprüft und bewertet werden sollten. Kon- 330 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Zielführende Straßenerhaltung - Bewertung der strukturellen Substanz kret sind in diesem Fall Materialuntersuchungen (Performanceprüfungen) an Probekörpern hergestellt aus vor Ort entnommenen Bohrkernen durchzuführen. Für Asphalte gelten hierfür die TP Asphalt-StB Teil 24 [5] und TP Asphalt Teil 26 [6] sowie für Beton die TP B-StB [7]. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang auf Tabelle 5 der RStO 12 [4] verwiesen (Abbildung 1), in welcher für Erneuerungen in Asphaltbauweise auf vorhandener Befestigung ab Bk 10 keine standardisierten Befestigungsvarianten vorgegeben sind. Abbildung 1: Erneuerung in Asphaltbauweise auf vorhandener Befestigung [4] Deshalb ist im Einzelfall zu überprüfen und rechnerisch zu bewerten, ob und welche Erneuerungsbauweise als wirtschaftlich sinnvoll einzustufen ist. Nur auf einer derartigen, belastbaren Basis können Fehlentscheidungen vermieden werden. 2. Bewertung der Strukturellen Substanz von Befestigungen in Asphaltbauweise 2.1 Grundlagen zur Verfahrensweise Die Anwendung des Verfahrens nach den RSO Asphalt, Entwurf 2016 [2] stützt sich im Wesentlichen auf 4 nachfolgend dargestellte und einzeln erläuterte Bearbeitungsschwerpunkte. 1. Festlegung strukturell homogener Streckenabschnitte 2. Probennahme (Bohrkernentnahme) als Querschnitts-/ oder Abschnittsbeprobung innerhalb der strukturell homogenen Abschnitte 3. Ermittlung der dimensionierungsrelevanten Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen aller Asphaltschichten 4. Bewertung der strukturellen Substanz gem. den RSO Asphalt, Entwurf 2016 nach der deterministischen oder der probabilistischen Verfahrensweise 2.2 Strukturell homogene Streckenabschnitte Die zu untersuchende Strecke ist im Hinblick auf eine erforderliche Unterteilung in Unterabschnitte zu untersuchen. Strecken oder Streckenabschnitte, welche nach bautechnischen Gesichtspunkten, hinsichtlich ihrer Belastungen aus Klima und Verkehr sowie sonstiger Randbedingungen als homogen eingestuft werden können, werden als strukturell homogene Abschnitte bezeichnet. Beispielsweise sind Netzknotenabschnitte im Hinblick auf die Belastung aus Verkehr meist als homogen einzustufen. Als strukturell homogen gelten diese aber nur dann, wenn alle weiteren relevanten Kriterien wie beispielsweise der Befestigungsaufbau, das Alter der Befestigungsschichten oder die Tragfähigkeit als homogen einzustufen sind. 2.3 Bohrkernentnahme Nach der Festlegung der strukturell homogenen Streckenabschnitte werden die Bohrkernentnahmestellen festgelegt. Mit der Art der Bohrkernentnahme (Anzahl und Entnahmepunkte) wird das Ziel verfolgt, eine repräsentative Stichprobe zu erreichen. Zu bevorzugen ist das Prinzip der Abschnittsbeprobung, bei welchem die Bohrkerne innerhalb des strukturell homogenen Abschnitts zufallsverteilt entnommen werden. Hierdurch werden die Streuungen der Materialparameter und ggf. auch der Aufbaudaten erfasst und bei der Berechnung der strukturellen Substanz explizit berücksichtigt. Die Entnahme der Proben ist vorzugsweise in der in Fahrtrichtung rechten Rollspur vorzusehen und erfolgt gemäß der TP Asphalt-StB, Teil 27 [8]. 2.4 Ermittlung der dimensionierungsrelevanten Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen Die Ermittlung der dimensionierungsrelevanten Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen erfolgt an Probekörpern, hergestellt aus in der Strecke entnommenen Bohrkernen. Für alle in der Konstruktion existenten Asphaltschichten ist die • Bestimmung der Steifigkeit (TP Asphalt-StB, Teil 26) [6] labortechnisch durchzuführen. Zusätzlich ist für die Asphalttragschicht (ggf. die Asphalttragschichten) die • Beständigkeit gegen Ermüdung (TP Asphalt-StB, Teil 24) [5] labortechnisch zu untersuchen. Die Weiteren ist die • Prüfung des Schichtenverbundes mittels Abscherversuch (TP Asphalt-StB, Teil 80) [9] entsprechend der vorhandenen Anzahl gebundener Befestigungsschichten durchzuführen. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 331 Zielführende Straßenerhaltung - Bewertung der strukturellen Substanz 2.5 Bewertung der strukturellen Substanz Die Bewertung der strukturellen Substanz gem. den RSO Asphalt, Entwurf 2016 [2] kann auf Grundlage zweier Verfahren erfolgen. Bei Anwendung der deterministischen Verfahrensweise wird die Restsubstanz bzw. Restnutzungsdauer auf Grundlage von Mittelwerten relevanter Eingangsparameter rechnerisch abgeschätzt. Bei Anwendung der probabilistischen Verfahrensweise wird die Variabilität der relevanten Eingangsparameter berücksichtigt. Damit ist es wahlweise möglich, die Ausfallwahrscheinlichkeit jedes strukturell homogenen Abschnitts für eine zuvor festgelegte Restsubstanz bzw. die Restsubstanz bei definierte Ausfallwahrscheinlichkeit zu berechnen. Nachfolgend werden beide Verfahrensweisen anhand eines Beispiels aufgezeigt. 3. Erläuterung der Vorgehensweise am Beispiel Im konkreten Beispiel handelt es sich um einen strukturell homogenen Abschnitt einer Bundesstraße mit einer Länge von rd. 1200 m. Für die Berechnung der Restnutzungsdauer der Befestigung sowohl auf Grundlage der deterministischen als auch der probabilistischen Verfahrensweise wurde die Softwarelösung ADtoPave [12] verwendet (Abbildung 2), mit welcher unterschiedlichste Aufgaben rund um die rechnerische Dimensionierung von Asphaltbefestigungen bearbeitet werden können. Abbildung 2: Analysing and Design Tool for Pavements (ADtoPave) [12] Die modulare Struktur der Software (Abbildung 3) gewährleistet dabei größtmögliche Flexibilität für jeden Anwendungsfall. Abbildung 3: ADtoPave-Modulübersicht [12] Im relevanten Streckenabschnitt lag folgender Befestigungsaufbau vor: • i. M. 4 cm Asphaltdeckschicht • i. M. 5 cm Asphaltbinderschicht • i. M. 13 cm Asphalttragschicht • i. M. 15 cm Verfestigung auf anstehendem frostsicheren Untergrund Die Daten zum Befestigungsaufbau wurden bereits im Vorfeld der Substanzbewertung auf Grundlage von Georadarmessungen und Bohrkernentnahmen überprüft. Durch die Untersuchungen im Labor konnte der Asphaltdeckschicht die Mischgutart SMA (obere Siebgröße 11 mm), der Asphaltbinderschicht die Mischgutart AC (obere Siebgröße 16 mm) und der Asphaltbinderschicht die Mischgutart AC (obere Siebgröße 32 mm) zugeordnet werden. 3.1 Verkehrsbelastung Auf Basis der vorliegenden Verkehrszählung (Jahr 2015) wurde eine durchschnittliche Anzahl täglicher Achsübergänge des Schwerverkehrs (DTA (SV) ) von 4856 332 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Zielführende Straßenerhaltung - Bewertung der strukturellen Substanz AÜ zu Grunde gelegt. Zum Vergleich und im Hinblick auf die Einordung der Untersuchungsstrecke gem. den RStO [4] berechnet sich hiernach die dimensionierungsrelevante Beanspruchung B mit rd. 9,5 Mio. AÜ. Damit erfolgt eine Zuordnung in die Belastungsklasse 10. Unschwer zu erkennen ist, dass die Summe der Schichtdicken aller Asphaltschichten dem Aufbau gem. RStO 12 (Tafel 1, Zeile 2.2) entsprechen (1 cm Mehrdicke) und die Schichtdicken von Asphaltdeck- und -binderschicht vom Regelwerk abweichen. 3.2 Bohrkernentnahme Die Bohrkernentnahme erfolgte nach TP Asphalt- StB, Teil 27 [8] im strukturell homogenen Abschnitt als Abschnittsbeprobung (vgl. Pkt. 2.3). Der relevante Abschnitt wurden entsprechend der Anzahl der zu entnehmenden Bohrkerne (im konkreten Beispiel 21 Bk bei rd. 1200 m Abschnittslänge) in Bereiche unterteilt, in welchen die Bohrkerne zufallsverteilt gem. den TP BF-StB E 1 [9] entnommen wurden. Die Bohrkerne sind wie folgt für die durchzuführenden Materialprüfungen zu verwenden (vgl. Pkt. 2.4): • 13 Bohrkerne für die Prüfung der Beständigkeit gegen Ermüdung (Bestimmung der Ermüdungsfunktion) • 5 Bohrkerne für die Prüfung der Steifigkeit (Bestimmung der Hauptkurven) • 3 Bohrkerne für die Prüfung des Schichtenverbundes 3.3 Ermittlung der dimensionierungsrelevanten Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen Hauptkurve und Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion Entsprechend den TP Asphalt-StB, Teil 26 [6] dient als funktionaler Ansatz der Hauptkurve (Masterfunktion) nachfolgende Gleichung. (1) mit |E*| absoluter Wert des komplexen E-Moduls (Steifigkeitsmodul) [MPa] |E*|+∞ Grenzwert des Steifigkeitsmoduls bei sehr niedrigen Temperaturen und/ oder hohen Frequenzen [MPa] |E*|-∞ Grenzwert des Steifigkeitsmoduls bei sehr hohen Temperaturen und/ oder niedrigen Frequenzen [MPa] x* beliebiger Wert auf der Abszissenachse der Hauptkurve, bestimmt mit Hilfe der Temperatur-Frequenz-Äquivalenz [Hz] , Materialparameter der Hauptkurve [-] In der Tabelle 1 sind exemplarisch die Materialparameter der Hauptkurve des absoluten E-Moduls für die geprüfte Asphaltdeckschicht mit den zusätzlich benötigten Parametern, T0 Referenztemperatur [°C] Φ materialspezifischer Parameter [-] aufgeführt, welche zur eindeutigen Beschreibung der Hauptkurve erforderlich sind. Tabelle 1: Parameter der Hauptkurve der Asphaltdeckschicht E-∞ E+∞ T0 Φ [N/ mm²] [N/ mm²] [-] [-] [°C] [-] 0 23277 -0,751602 1,998533 20 22377 Abbildung 4 zeigt die Hauptkurve der Asphaltdeckschicht einschließlich der Messwerte der Materialprüfung. Abbildung 4: Hauptkurve der Asphaltdeckschicht Zur besseren Verdeutlichung zeigt Abbildung 5 vergleichend die Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion aller geprüften Asphaltschichten der vorhandenen Befestigung. Erkennbare Unterschiede zeigen sich zwischen Asphaltdeck- und Asphalttragschicht, mit erwartbar tendenziell größeren absoluten E-Moduln der Asphalttragschicht. Auffallend im Beispiel sind die vgl. großen absoluten E-Modul der Asphaltbinderschicht im Bereich niedriger Temperaturen. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 333 Zielführende Straßenerhaltung - Bewertung der strukturellen Substanz Abbildung 5: Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion aller geprüften Asphalte Ermüdungsfunktion Die Ermüdungsfunktion der Asphalttragschicht ist essentielle Grundlage von Dimensionierungs- und Prognoseberechnungen. In Gleichung (2) ist der funktionale Zusammenhang aufgeführt. (2) dabei sind: ε el,Anf… elastische Anfangsdehnung [‰] N zul… max. ertragbare Lastwechselzahl k, n… Regressionsparameter [-] In der nachfolgenden Tabelle 2 sind die Materialparameter der Ermüdungsfunktion einschließlich Einzelwerte aus der Materialprüfung für die Asphalttragschicht aufgeführt. Tabelle 2: Parameter der Ermüdungsfunktion der Asphalttragschicht k [-] n [-] 8,888921 -2,676168 Abbildung 6 zeigt den entsprechenden funktionalen Zusammenhang. Abbildung 6: Ermüdungsfunktion der Asphalttragschicht Schichtenverbundzustand Die Prüfung des Schichtenverbundes mittels Abscherversuch (TP Asphalt-StB, Teil 80) [9] wurde für alle Schichtgrenzen zwischen Asphaltschichten an drei Bohrkernen (vgl. Pkt. 2.4 durchgeführt). Bei allen Prüfungen wurden die Grenzwerte der Scherkraft gem. ZTV Asphalt-StB [11] eingehalten, weshalb von vollständig wirksamem Verbund ausgegangen wurde. 3.4 Ermittlung der strukturellen Substanz nach der deterministischen Verfahrensweise 3.4.1 Befestigungsaufbau Die Schichtdicken des vorhandenen Befestigungsaufbaus entsprechen für alle Schichten den Mittelwerten der festgestellten Schichtdicken. Hierbei basieren die Mittelwerte für Asphaltdeck- und -binderschicht auf Georadarmessungen, die der Verfestigung auf Messungen am Bohrkern. Die Schichtdicke der Asphalttragschicht wird aus Sicherheitsgründen mit dem 10 %-Quantil (p = 0,1; α = 95 %) in Ansatz gebracht. Abbildung 7 zeigt den dafür anzusetzenden Befestigungsaufbau. 334 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Zielführende Straßenerhaltung - Bewertung der strukturellen Substanz Abbildung 7: im Berechnungsmodell angesetzter Befestigungsaufbau 3.4.2 Belastung aus Verkehr und Klima Da in den seltensten Fällen detaillierte Achslastdaten bekannt sind, können diese im Vorfeld einzelfallspezifisch ermittelt werden oder es wird auf bekannte Achslastkollektive gem. den RDO Asphalt [1] zurückgegriffen. Im konkreten Fall wurde das Achslastkollektiv BAB Fernverkehr (Abbildung 8) verwendet, da die Untersuchungsstrecke als Autobahnzubringer dient und vergleichsweise hoher Schwerverkehrsanteil vorliegt. Abbildung 8: Achslastkollektiv „BAB - Fernverkehr“ [1] Für die Berücksichtigung der relevanten Temperaturbedingungen in den Asphaltschichten der Befestigung sind gem. RSO Asphalt, Entwurf 16 [2] normierte, charakteristische Temperaturprofile zu verwenden. Die Auftretenshäufigkeit dieser charakteristischen Temperaturprofile ist abhängig von der jeweiligen klimainduzierten Straßentemperaturen-Zone (KiST-Zone). Eine KiST-Zone repräsentiert eine Region, in der bei gleichen Verkehrslasten klimabedingt ähnliche Beanspruchungen in der Asphaltbefestigung auftreten. Im vorliegenden Betrachtungsfall wurde Temperaturzone 1 verwendet. Die Auftretenswahrscheinlichkeit der normierten, charakteristischen Temperaturprofile innerhalb einer KiST-Zone sind nach den RSO Asphalt, Entwurf 2016 [2] festgelegt und können Tabellenwerten entnommen werden. Alternativ kann die Festlegung der KiST-Zone in ADtoPave direkt über die Eingabe von Gauß-Krüger-Koordinaten bestimmt werden. Die Häufigkeitsverteilung der Oberflächentemperaturen für die jeweiligen KiST- Zonen sind bereits im Programm hinterlegt. 3.4.3 Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen Die verwendeten dimensionierungsrelevanten Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen sind unter Pkt. 3.3 dargestellt und beschrieben. 3.4.4 Berechnungsergebnis Zur Berücksichtigung von Unsicherheiten sind gem. den RSO Asphalt, Entwurf 2016 [2] Anpassungsfaktoren bei der Dimensionierung zu berücksichtigen. Der An-passungsfaktor ist einer Kombination aus Belastungsklasse und möglichem Befestigungsaufbau zugeordnet. Im konkreten Beispiel ist ein Anpassungsfaktor AF von 2169 anzusetzen. In Abbildung 9 ist das Berechnungsergebnis grafisch dargestellt. Erkennbar ist, dass für den Status quo der Befestigung ein Ermüdungsstatus der Asphalttragschicht von 100 % nach rd. 14,5 erreicht sein wird. Folglich ist die ATS unter den zugrunde gelegten Prognosebedingungen nach Ablauf des prognostizierten Nutzungszeitraumes von rd. 14,5 Jahren (Restnutzungsdauer) nicht mehr in der Lage die Beanspruchungen aus Klima und Verkehr ertragen zu können. Abbildung 9: Nutzungsdauer der ATS in Jahren bis zum Erreichen eines Ermüdungsstatus von 100 % 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 335 Zielführende Straßenerhaltung - Bewertung der strukturellen Substanz 3.5 Ermittlung der strukturellen Substanz nach der probabilistischen Verfahrensweise 3.5.1 Befestigungsaufbau Wesentlicher Unterschied bei Anwendung der probabilistischen Verfahrensweise ist die Berücksichtigung der Variabilität relevanter Eingangsgrößen. Jeder Befestigungsaufbau unterliegt Schichtdickenschwankungen. Abbildung 10 zeigt beispielhaft einen Ausschnitt der gemessen Gesamtdicke des gebundenen Oberbaus (Georadarmessung). Abbildung 10: Georadarmessung der Schichtdicke des gebundenen Oberbaus (blau - Messdaten; rot - Mittelwert der Messdaten) Bei ausschließlicher Berücksichtigung von Mittelwerten (Abbildung 10, rote Line) würde die Konsequenz aus in situ vorhandenen größeren Schichtdicken genauso vernachlässigt wie deutlich dünnere Schichtdicken. Die Diskretisierung der Verteilung der gemessenen Schichtdicken, führt zur Schichtdickenklassenbildung mit zugeordneten Klassenwahrscheinlichkeiten. Im konkreten Beispiel wurden 5 Schichtdickenklassen wie in Abbildung 11 dargestellt verwendet. Klasse 3 entspricht hierbei dem Mittelwert der Gesamtschichtdicke des gebundenen Oberbaus von 225 mm (vgl. Abbildung 12, 39 mm (ADS) + 48 mm (ABS) + 138 mm (ATS)). Die Klassen 1 und 2 repräsentieren Klassen unterhalb der mittleren Schichtdicke, die Klassen 4 und 5 oberhalb der mittleren Schichtdicke. Abbildung 11: Schichtdickenklassen mit zugeordneter Klassenwahrscheinlichkeit Abbildung 12: im Berechnungsmodell angesetzter Befestigungsaufbau 3.5.2 Belastung aus Verkehr und Klima Für die Belastungen aus Klima und Verkehr gelten für das probabilistische Verfahren die gleichen Ausführungen wie für das deterministische Verfahren (vgl. Pkt. 3.4.2). 336 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Zielführende Straßenerhaltung - Bewertung der strukturellen Substanz 3.5.3 Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen So wie die Schichtdicken Schwankungen unterliegen, unterliegen auch die Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen Schwankungen. In der Abbildung 4 (Pkt. 3.3) ist erkennbar, dass die Hauptkurve der Asphaltdeckschicht, als Regressionsfunktion (Mittelwertfunktion) durch die Werte der Stichprobe sowohl über als auch unterschritten wird. Zur stochastischen Erfassung der Materialstreuungen wird ebenfalls diskretisiert, um Klassen mit zugeordneten Klassenwahrscheinlichkeiten bilden zu können. Abbildung 13 zeigt die Klassenmittenfunktionen (bei 3 zugrunde gelegten Klassen) für die Hauptkurve der Asphaltdeckschicht (hier in linearisierter Form). Die rot markierte Funktion entspricht hierbei der Mittelwertfunktion. Abbildung 13: linearisierte Hauptkurve der Asphaltdeckschicht mit drei Klassenmittenfunktionen Zur besseren Nachvollziehbarkeit ist in Abbildung 14 die Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion der Asphaltdeckschicht dargestellt, basierend auf den drei Klassenmittenfunktionen, dargestellt. Rot markiert, wie bereits erläutert, die Mittelwertfunktion (vgl. Abbildung 4 als Hauptkurve) sowie die zwei weiteren gebildeten Klassenmittenfunktionen. In Analogie zur Berücksichtigung der Variabilität des Steifigkeitsmoduls ist die Variabilität der Ermüdung der Asphalttragschicht zu behandeln. Auf die separate Vorstellung wird an dieser Stelle verzichtet. Abbildung 14: Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion der Asphaltdeckschicht (Klassenmittelfunktionen) 3.5.4 Berechnungsergebnis Die Anzahl möglicher Kombinationen der Eingangs- und Vergleichskenngrößen (Anzahl der virtuellen Teilabschnitte), resultiert aus der Anzahl der gewählten Klassen im Rahmen der Diskretisierung. Im vorliegenden Beispiel wurde folgende Anzahl von Klassen gewählt: Hauptkurve: 3 Klassen (ADS, ABS, ATS) Ermüdungsfunktion: 7 Klassen (ATS) Schichtdicke: 5 Klassen (Asphaltschichten) Basierend auf dieser Annahme ergeben sich 3 x 3 x3 x 7 x 5 = 945 Kombinationen, welche ausschließlich aus den Variabilitäten des Befestigungsaufbaus bzw. des Materials resultieren (virtuelle Teilabschnitt). Für jeden diese Teilabschnitte sind die Teilschädigung infolge Belastung aus Klima und Verkehr und die Schadenssumme zu berechnen, was der deterministischen Verfahrensweise entspricht. Die Summe der Auftretenshäufigkeit aller Teilabschnitte mit einer Schadenssumme >1 entspricht der Ausfallwahrscheinlichkeit des untersuchten Streckenbereiches, sprich dem strukturell homogenen Abschnitt. Der Anpassungsfaktor AF ist im Beispiel bei Anwendung der probabilisten Verfahrensweise mit 2874 anzusetzen. Im Ergebnis wird eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 20 % nach 9 Jahren erreicht (Abbildung 15). D. h. 1/ 5 der vorhandenen Asphalttragschicht im untersuchten Streckenbereich sind nach 9 Jahren (ab dem Bewertungszeitpunkt) nicht mehr in der Lage die vorhandenen Beanspruchungen aus Klima und Verkehr zu ertragen. Abbildung 15: Nutzungsdauer der ATS in Jahren bis zum Erreichen einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 20% Wird für den relevanten Abschnitt eine geringere Ausfallwahrscheinlichkeit gefordert, verkürzt sich folglich die prognostizierbare Nutzungsdauer. Abbildung 16 zeigt diesen Sachverhalt bei zugrunde gelegten 10 % Ausfallwahrscheinlichkeit, mit einer dafür prognostizierbaren Nutzungsdauer von nur noch 5 Jahren. Die Festlegung der streckenbzw. abschnittsspezifisch definierten Ausfallwahrscheinlichkeit, kann der Baulastträger beispielweise im Hinblick auf Priorität der Strecke, örtliche