Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs zur realitätsnahen Straßenplanung
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Wolf Uhlig
Im nachgeordneten Netz zu Bundesautobahnen wird der Oberbau in aller Regel nach Methode 1 der RStO 12 dimensioniert. Grundlage der Eingangsgröße Verkehrsbelastung bildet dabei der DTV(SV)-Wert als quantitative Kenngröße, die als einzige einen unmittelbaren Bezug zum Planungsbereich herstellt. Alle weiteren Faktoren zur Beschreibung des qualitativen Niveaus der Verkehrsbelastung (fA, qBm) sind deutschlandweit gültige, straßenklassenspezifische Faktoren, deren Übereinstimmung mit den realen Bedingungen einer hohen statistischen Schwankung unterliegt. In dem Beitrag
wird ein neues Verfahren zur Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs für einen spezifischen Streckenabschnitt beschrieben. Grundlage bilden statistische Auswertungen von Achslastmessungen auf Bundesautobahnen sowie Silhouettenerfassungen in situ. Im Ergebnis eines statistischen Vergleichsverfahrens werden den lokal erfassten Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs standardisierte Achslastverteilungen zugeordnet, aus denen das dimensionierungsrelevante Achslastkollektiv für den spezifischen Streckenabschnitt ermittelt wird. Die Berechnung der B-Zahl kann somit nach Methode 2 der RStO 12 erfolgen, wodurch ein den tatsächlichen Verkehrsbelastungen signifikant besser angepasstes Ergebnis zu erwarten ist als nach Methode 1 der RStO 12.
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2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 339 Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs zur realitätsnahen Straßenplanung Dr.-Ing. Wolf Uhlig Uhlig & Wehling GmbH, Ingenieurgesellschaft, Mittweida, Bundesrepublik Deutschland Abstract Im nachgeordneten Netz zu Bundesautobahnen wird der Oberbau in aller Regel nach Methode 1 der RStO 12 dimensioniert. Grundlage der Eingangsgröße Verkehrsbelastung bildet dabei der DTV (SV) -Wert als quantitative Kenngröße, die als einzige einen unmittelbaren Bezug zum Planungsbereich herstellt. Alle weiteren Faktoren zur Beschreibung des qualitativen Niveaus der Verkehrsbelastung (f A , q Bm ) sind deutschlandweit gültige, straßenklassenspezifische Faktoren, deren Übereinstimmung mit den realen Bedingungen einer hohen statistischen Schwankung unterliegt. In dem Beitrag wird ein neues Verfahren zur Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs für einen spezifischen Streckenabschnitt beschrieben. Grundlage bilden statistische Auswertungen von Achslastmessungen auf Bundesautobahnen sowie Silhouettenerfassungen in situ. Im Ergebnis eines statistischen Vergleichsverfahrens werden den lokal erfassten Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs standardisierte Achslastverteilungen zugeordnet, aus denen das dimensionierungsrelevante Achslastkollektiv für den spezifischen Streckenabschnitt ermittelt wird. Die Berechnung der B-Zahl kann somit nach Methode 2 der RStO 12 erfolgen, wodurch ein den tatsächlichen Verkehrsbelastungen signifikant besser angepasstes Ergebnis zu erwarten ist als nach Methode 1 der RStO 12. 1. Einleitung In der planerischen Praxis wird der Oberbau von Straßenverkehrsflächen - vor allem im nachgeordneten Straßennetz zu Bundesautobahnen - vorwiegend nach den Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO) dimensioniert, die auf empirischer Grundlage entwickelt wurden. Die Eingangsgröße Verkehrsbelastung geht gemäß RStO in Form der dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B in die Ermittlung des Befestigungsaufbaus ein. Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen sind die Kriterien zur Ermittlung des Einflusses der Belastung durch Fahrzeuge des Schwerverkehrs auf die Beanspruchung in den Schichten des Befestigungsaufbaus. Die aktuellen RStO 12 einschließlich der Korrektur vom Juni 2020 [RStO 2012] unterscheiden das Verfahren zur Ermittlung der B-Zahl in grundsätzlich zwei Methoden. Methode 1 kommt zur Anwendung, wenn lediglich Daten zum DTV (SV) vorliegen. Methode 2 kann angewandt werden, wenn detaillierte Achslastdaten zum betreffenden Planungsabschnitt vorhanden sind. Im Laufe der mehr als 25-jährigen Berufspraxis des Verfassers konnte Methode 2 kein einziges Mal zur Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen außerhalb von Bundesautobahnen Anwendung finden. Entsprechende technische Voraussetzungen in Form von Achslastwaagen sind im nachgeordneten Netz nicht verfügbar und wohl auf absehbare Zeit auch nicht zu erwarten. Das heißt, dass lediglich die Anzahl der Fahrzeuge des Schwerverkehrs DTV (SV) als rein quantitative Eingangsgröße zur Ermittlung der Belastung aus Verkehr einen unmittelbaren, lokalen Bezug zum Planungsbereich aufweist. Alle weiteren Eingangsgrößen zur Bestimmung des qualitativen Niveaus der Beanspruchung aus Schwerverkehr (Achszahlfaktor f A , mittlerer Lastkollektivquotient q Bm ) werden im Rahmen der betreffenden Berechnungsmethodik (Methode 1) jeweils auf der Grundlage von lediglich drei straßenklassenspezifischen, deutschlandweit einheitlich geltenden Faktoren festgelegt. Dabei beruhen nur die Faktoren nach den RStO 12 für Bundesautobahnen auf gemessener Datenbasis, alle anderen Faktoren wurden im Zuge der Fortschreibung des Regelwerks zur RStO 12 moderat angepasst [Sieber 2013]. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die dimensionierungsrelevante Beanspruchung B nach den RStO 12 im Zuge der planerischen Dimensionierung mit entsprechenden Abweichungen zum tatsächlich auftretenden Belastungsniveau durch Schwerverkehrsfahrzeuge ermittelt wurde und weiterhin ermittelt wird. Dies äußert sich nach der Realisierung von Baumaßnahmen oftmals in unerwarteten Abweichungen zur geplanten Nutzungsdauer des betreffenden Straßenabschnittes, leider auch viel zu oft in einer deutlich kürzeren, tatsächlichen Nutzungsdauer. Der folgende Beitrag beschreibt ein Verfahren zur realitätsnäheren Beschreibung der Verkehrsbelastung, in dessen 340 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs zur realitätsnahen Straßenplanung Ergebnis dimensionierungsrelevante Achslastkollektive für den betreffenden Planungsfall auch ohne Achslastwägungen in situ definiert werden können. Die Ermittlung von B kann somit nach Methode 2 der RStO 12 erfolgen, wodurch ein den tatsächlichen Verkehrsbelastungen signifikant besser angepasstes Ergebnis zu erwarten ist. 2. Methodik Die Methodik des Verfahrens beruht auf der Nutzung vorhandener Kenntnisse der Achslast-verteilung gesamter Fahrzeugkollektive und einzelner Fahrzeugtypen auf dem Bundesautobahnnetz sowie aus den untersuchten Zusammenhängen zwischen Achslastniveau und Fahrzeugtypverteilung des Gesamtkollektivs. Daraus kann eine Korrelation von äußerem Erscheinungsbild der Fahrzeuge des Schwerverkehrs (Silhouetten) und dem zu erwartenden Achslastniveau hergestellt werden (Abbildung 1). Auf der Grundlage von Achslastwägungen an verschiedenen Messquerschnitten im Netz der Bundesautobahnen wurden vom Verfasser bereits dimensionierungsrelevante Achslastkollektive ermittelt, gegenübergestellt und anhand statistischer Kenngrößen klassifiziert. Die Ergebnisse dieses Verfahrens fanden in Form der standardisierten Achslastverteilungen BAB Fernverkehr, BAB Mischverkehr und BAB Stadtnaher Verkehr Eingang in die Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht [RDO Asphalt 09]. Die unterschiedlichen, typischen Achslastverteilungen resultieren aus entsprechend charakteristischen Verteilungen der Fahrzeugtypen (Silhouetten) des Schwerverkehrs. Für alle gemessenen Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs konnten somit in Abhängigkeit der klassifizierten Achslastkollektive jeweils unterschiedliche, spezifische Achslastverteilungen ermittelt werden. Im Ergebnis wurde eine umfangreiche Datenbasis mit standardisierten Achslastverteilungen Abbildung 1: Methodik des Verfahrens zur Bestimmung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs aus Silhouettenerfassungen 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 341 Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs zur realitätsnahen Straßenplanung für alle gemessenen Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs nach den Technischen Lieferbedingungen für Streckenstationen, Ausgabe 2012 [TLS 2012] auf Bundesautobahnen geschaffen, die je nach Verfügbarkeit aktualisierten Datenmaterials fortlaufend modifiziert werden kann. Für eine konkrete Planungsaufgabe erfolgt zunächst die Erfassung der Struktur des Schwerverkehrs in situ mittels Silhouettenerhebung über einen statistisch relevanten Zeitbereich. Im Ergebnis der nachfolgenden Datenanalyse wird die Verteilung der Fahrzeugtypen bestimmt und drei standardisierten Fahrzeugtypverteilungen gegenübergestellt. Mittels statistischem Signifikanztest erfolgt anschließend die Zuordnung des örtlich erfassten Fahrzeugkollektivs zu einem standardisierten Fahrzeugkollektiv. Zur Berechnung des Achslastkollektivs wird die örtlich gemessene Fahrzeugtypverteilung (ermittelt anhand der Silhouettenverteilung) mit den fahrzeugtypspezifischen, standardisierten Achslastverteilungen überlagert. Im Ergebnis entsteht das für den betreffenden Straßenabschnitt dimensionierungsrelevante Achslastkollektiv. Dieses ist gekennzeichnet durch eine ortsbezogene, messtechnisch erfasste Fahrzeugtypverteilung in Kombination mit der adäquaten, standardisierten Achslastverteilung der einzelnen Fahrzeugtypen. Für Fahrzeugsilhouetten außerhalb der TLS 2012 bzw. außerhalb des gemessenen Fahrzeugkollektivs auf Bundesautobahnen (z.B. Traktoren, Gelenkbusse) werden Ersatzverfahren zur Bestimmung einer mittleren Achslastverteilung durchgeführt. Die Dimensionierung des Oberbaus kann somit auf der Grundlage einer spezifischen Achs-lastverteilung nach Methode 2 der RStO 12 oder rechnerisch nach den RDO Asphalt 09 bzw. den RDO Beton 09 [RDO Beton 09] erfolgen. 3. Datengrundlage Grundlage der Untersuchungen bilden Achslastmessdaten der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) auf Autobahnen aus den Jahren 1998 [Laffont 1999] und 2004 [Wolf 2010]. An fünf verschiedenen Messquerschnitten in Hessen sowie einem Messquerschnitt in Mecklenburg-Vorpommern wurden neben weiteren Messungen zum Gesamtverkehrsaufkommen auch Einzelfahrzeugdaten des Schwerverkehrs mittels stationärer Achslastmesssysteme erfasst. Die zur Verfügung gestellte Datengrundlage erstreckte sich auf insgesamt 407.383 Fahrzeuge des Schwerverkehrs. Nach Durchführung einer umfassenden Plausibilitätsanalyse verblieben 385.775 Datensätze (Fahrzeuge des Schwerverkehrs) als Untersuchungsgrundlage. Inhalt jedes Datensatzes sind unter anderem Achszahl, Achslasten und Achsabstände sowie der Fahrzeugtyp nach den TLS 2012. 4. Standardisierte verteilungen 4.1 Standardisierte Achslastverteilungen des Gesamtkollektivs Schwerverkehr In Auswertung der Datenbasis wurden die in Abbildung 2 dargestellten, drei typischen Verteilungen der Achslasten des Schwerverkehrs auf Bundesautobahnen klassifiziert. Sie sind in Form einer Wertetabelle der Häufigkeiten von Achslastklassen in 2-t-Intervallen als standardisierte Verteilungen zur Bestimmung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektives aus DTV (SV) -Werten in Anlage 1 der RDO 09 enthalten. Gemäß der jeweils vorwiegenden Verkehrsart wurden die drei Kategorien mit BAB Fernverkehr, BAB Mischverkehr und BAB Stadtnaher Verkehr bezeichnet. Abbildung 2: Standardisierte Achslastverteilungen auf Bundesautobahnen nach den RDO Asphalt 09 342 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs zur realitätsnahen Straßenplanung Abbildung 3: Zuordnung der 18 häufigsten Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs nach ihrem vorrangigen Einsatzbereich [Wolf 2010] 4.2 Standardisierte Fahrzeugtypverteilungen des Gesamtkollektivs Schwerverkehr Entsprechend der Ergebnisse nach [Wolf 2010] können die Fahrzeuge des Schwerverkehrs grundsätzlich in Fahrzeugtypen mit überwiegendem Einsatz im Fernverkehr und Fahrzeugtypen mit überwiegendem Einsatz im Nahverkehr unterschieden werden. Abbildung 3 zeigt die entsprechende Zuordnung der 18 häufigsten Fahrzeugtypen auf Bundesautobahnen, die sowohl nach [Wolf 2010] als auch nach [Uhlig 2019] einen Anteil von mehr als 99 % des gesamten Schwerverkehrskollektivs umfassten. Abbildung 4: Relative Summenhäufigkeiten der Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs nach den TLS 2012 auf Bundesautobahnen 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 343 Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs zur realitätsnahen Straßenplanung Die Analyse der Daten an den untersuchten Messquerschnitten zeigte, dass sich gemäß dem Verhältnis der Häufigkeit von Fahrzeugtypen des Fernverkehrs zur Häufigkeit der Fahrzeugtypen des Nahverkehrs entsprechend typische Verteilungen der Achslasten ergaben. In Abhängigkeit der geographischen Lage des Messquerschnittes (Lage im Streckennetz, Entfernung zu Ballungs- und Wirtschaftszentren) konnten charakteristische Verteilungen der Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs festgestellt werden, die wiederum charakteristische Achslastverteilungen bewirkten. Abbildung 4 zeigt die Summenhäufigkeitsfunktionen der Fahrzeugtypverteilungen zu BAB Fernverkehr, BAB Mischverkehr und BAB Stadtnaher Verkehr. Die Analyse der Daten ergab für BAB Fernverkehr einen Anteil an Fahrzeugtypen des Fernverkehrs (Abbildung 3) von mehr als 70 % bis ca. 80 %. Bei BAB Mischverkehr beträgt dieser ca. 60 %, bei BAB Stadtnaher Verkehr lediglich 20 %. 4.3 Standardisierte Achslastverteilungen der Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs Die Analyse der Achslastverteilungen einzelner Fahrzeugtypen in Abhängigkeit des zugeordneten BAB-Typs nach RDO Asphalt 09 ergab differenzierte Ergebnisse. Im Kollektiv des Schwerverkehrs auf Autobahnen sind sowohl Fahrzeugtypen festzustellen, deren Achslastverteilungen deutliche Unterschiede für BAB Fernverkehr, BAB Mischverkehr und BAB Stadtnaher Verkehr aufweisen (Abbildung 5), als auch Fahrzeugtypen, die nur für einen BAB-Typ eine abweichende Achslastverteilung zeigen (Abbildung 6) oder bei denen keine signifikanten Unterschiede der Achslastverteilungen nach BAB-Typen registriert werden konnten (Abbildung 7). Im Ergebnis der Untersuchungen wurden für alle Fahrzeugtypen standardisierte Achslastverteilungen erstellt und den drei definierten BAB-Typen zugeordnet. Aufgrund der differenziert zu betrachtenden Charakterisierung der Verteilungsfunktionen ergaben sich somit Fahrzeugtypen mit ein, zwei oder drei standardisierten Achslastverteilungen in Abhängigkeit des BAB-Typs. Für Fahrzeugtypen, die nicht in den TLS 2012 definiert sind, wurde jeweils eine identische Achslastverteilung für alle drei BAB-Typen ermittelt. Abbildung 5: Beispiel für einen Fahrzeugtyp mit signifikant unterschiedlichen Achslastverteilungen aller BAB-Typen 344 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs zur realitätsnahen Straßenplanung Abbildung 6: Beispiel für einen Fahrzeugtyp mit signifikant unterschiedlicher Achslastverteilung eines BAB-Typs Abbildung 7: Beispiel für einen Fahrzeugtyp ohne signifikante Unterschiede der Achslastverteilungen nach BAB-Typ 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 345 Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs zur realitätsnahen Straßenplanung 5. Erfassung des Fahrzeugtypkollektivs in situ Die Erhebung des Fahrzeugtypkollektivs im betreffenden Planungsbereich kann beispielsweise per Handerfassung mittels vorbereiteter Formulare (Strichlisten) oder per Videoerfassung und anschließender Auswertung am Bildschirm erfolgen. Besonders im nachgeordneten Netz zu Bundesautobahnen ist damit zu rechnen, dass auch Fahrzeugsilhouetten des Schwerverkehrs auftreten können, die in den TLS 2012 nicht durch spezielle Codierung definiert sind (z.B. Traktoren mit oder ohne Anhänger, Gelenkbusse). Insofern sind Formulare oder Datenbankstrukturen entsprechend offen zu halten und nach der Erhebung zu konkretisieren. Die Festlegung der Zähltage und Zählzeiten kann in Anlehnung an die Regelungen des Handbuchs für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen [HBS 2015] erfolgen. Für Kurzzeitzählungen sollten demnach mindestens zwei 4-Stunden-Zeitbereiche an einem Vormittag und Nachmittag (möglichst Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag sowie außerhalb der Wintermonate und Ferienzeiten) gemessen werden, um die Spitzenverkehrszeiten einzuschließen. Sofern mit zufallsbedingten Schwankungen der Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs zu rechnen ist, werden Erhebungen an mehreren Tagen erforderlich. Im Rahmen der Erfassung an ausgewählten Bundes- und Staatsstraßen in Sachsen wurden Videoaufzeichnungen an 11 verschiedenen Messstellen realisiert. Die anschließende Auswertung und Dokumentation der bis zu 56 verschiedenen Fahrzeugtypen erfolgte in 30-Minuten-Intervallen. Tendenzielle, tageszeitabhängige Änderungen der Zusammensetzung des Schwerverkehrskollektivs konnten nicht festgestellt werden. Ebenso wenig abzuleiten waren signifikante Unterschiede der Zusammensetzung des Schwerverkehrs in Abhängigkeit der Straßenklassen Bundesstraße und Staatsstraße [Hennig 2009]. 6. Ermittlung des äquivalenten Fahrzeugtypkollektivs Die an den 11 Messstellen erfassten Fahrzeugtypkollektive wurden den standardisierten Fahrzeugtypverteilungen BAB Fernverkehr, BAB Mischverkehr und BAB Stadtnaher Verkehr nach Abbildung 4 gegenübergestellt. Mittels des Chi-Quadrat-Tests wurde die empirische Verteilung gegen jede der 3 Standardverteilungen geprüft und anschließend jenem Typus Standardverteilung zugeordnet, der den geringsten Wert der Prüfgröße aufweist [Uhlig 2019]. Im Ergebnis der Berechnungen konnten den Messstellen die in Tabelle 1 ausgewiesenen, maßgebenden BAB-Typen zugeordnet werden. Tabelle 1: Messstellen und maßgebende BAB-Typen der Fahrzeuge des Schwerverkehrs 7. Dimensionierungsrelevantes Achslastkollektiv Die Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs erfolgte durch Überlagerung des im Planungsbereich gemessenen Fahrzeugtypkollektivs nach Abschnitt 5 mit den fahrzeugtypspezifischen Achslastverteilungen des maßgebenden BAB-Typs nach Abschnitt 6. In Abbildung 8 ist das Ergebnis in Form eines Histogramms zur Achslastverteilung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs beispielhaft für eine Messstelle dargestellt. Die Differenzen zur standardisierten Achslastverteilung des zugehörigen, maßgebenden BAB-Typs (hier BAB Stadtnaher Verkehr) resultieren aus der an der betreffenden Messstelle abweichenden Verteilung der Fahrzeugtypen. 346 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs zur realitätsnahen Straßenplanung Abbildung 8: Dimensionierungsrelevantes Achslastkollektiv mit Gegenüberstellung der standardisierten Verteilung des maßgebenden BAB-Typs 8. Auswirkungen des Verfahrens 8.1 Achszahlfaktor Auf der Grundlage der in situ erfassten Fahrzeugtypverteilung wurde für jede Messstelle der entsprechende Achszahlfaktor ermittelt. Aus Tabelle 2 ist ersichtlich, dass im Vergleich zu den Achszahlfaktoren nach Tabelle A 1.1 der RStO 12 teilweise signifikante Differenzen auftreten (SV-Anteil der S-Straßen ≤ 4%). Diese können sowohl deutlich höher als auch deutlich niedriger als die Werte nach den RStO 12 (einschließlich Korrektur vom Juni 2020) liegen, das Maximum beträgt 25 % Abweichung (hier: Unterschreitung). Der Achszahlfaktor geht nach Methode 1 der RStO 12 als linearer Faktor in die Berechnung der dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B ein, womit sich entsprechende Auswirkungen im gleichen Verhältnis auf die Höhe von B niederschlagen. Tabelle 2: Vergleich der Achszahlfaktoren f A 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 347 Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs zur realitätsnahen Straßenplanung Tabelle 3: Vergleich von B und den zuzuordnenden Belastungsklassen 8.2 Dimensionierungsrelevante Beanspruchung B Zur vergleichenden Analyse der Auswirkungen des entwickelten Verfahrens wurde B mit konstanten Faktoren nach Methode 1.2 (Grundlage sind DTV (SV) -Werte) und Methode 2.2 (Grundlage sind dimensionierungsrelevante Achslastkollektive) der RStO 12 ermittelt und gegenübergestellt. Die Ergebnisse in Tabelle 3 weisen größtenteils signifikante Unterschiede in der Höhe von B aus - mit Werten nach Methode 2.2 sowohl oberhalb als auch unterhalb der Werte nach Methode 1.2. Das Maximum ergab sich mit einem um 69 % höheren Wert an Messstelle 11. Die deutlichen Differenzen zwischen den verschiedenen berechneten Werten B führen in vier Fällen zu unterschiedlichen Belastungsklassen nach Methode 1.2 und 2.2 (rot markierte Werte). 9. Zusammenfassung und Empfehlung Für Straßenklassen unterhalb von Bundesautobahnen stehen in der Regel keine detaillierten Achslastdaten zur Verfügung. Bei der Planung von Straßenbaumaßnahmen erfolgt die Dimensionierung des Oberbaus daher zum überwiegenden Teil nach Methode 1 der RStO 12. Bezogen auf den Einflussfaktor Fahrzeug (in aller Regel Schwerverkehr) weist somit lediglich die rein quantitative Eingangsgröße DTV (SV) einen unmittelbaren, lokalen Bezug zum Planungsbereich auf. Die zur Ermittlung der Beanspruchungswirkung des Schwerverkehrs erforderlichen qualitativen Größen Achszahl und Achslast werden in den RStO 12 durch den mittleren Achszahlfaktor f A sowie den mittleren Lastkollektivquotient q Bm berücksichtigt. Für beide Einflussgrößen sind in Abhängigkeit der Straßenklasse lediglich jeweils drei unterschiedliche, deutschlandweit einheitlich geltende Werte verfügbar. Insofern ist davon auszugehen, dass die im jeweiligen Planungsbereich tatsächlich auftretenden Beanspruchungsgrößen aus Schwerverkehr mitunter deutlich von den standardisierten Ersatzwerten der RStO 12 abweichen. Die hier beschriebene Methode des neuen Verfahrens zur Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs mit Hilfe einer Silhouettenerfassung berücksichtigt die spezifische, örtliche Zusammensetzung des Schwerverkehrs hinsichtlich der Verteilung auftretender Fahrzeugtypen. Diese wird auf der Grundlage von Stichprobenerhebungen in situ ermittelt und standardisierten Verteilungen gegenübergestellt. In Abhängigkeit der für den Planungsbereich maßgebenden Art des Schwerverkehrs wird jedem in situ gezählten Fahrzeugtyp eine standardisierte, fahrzeugtypspezifische Achslastverteilung zugeordnet. Die standardisierten, fahrzeugtypabhängigen Achslastverteilungen beruhen auf Datenanalysen von Achslastmessungen auf Bundesautobahnen. Es ist zu erwarten, dass die Fahrzeuge auf Bundesautobahnen im Mittel einen höheren Beladungsgrad haben als auf anderen Straßenklassen, weshalb die Berechnung von B bei Verwendung der fahrzeugtypabhängigen Achslastverteilungen, ermittelt aus den Messdaten von Bundesautobahnen, auf der „sicheren Seite“ liegt. Durch Überlagerung der spezifischen Achslastverteilung mit der relativen Häufigkeit jedes in situ erfassten Fahrzeugtyps ermittelt sich in Summe das dimensionierungsrelevante Achslastkollektiv für den zu betrachtenden Streckenabschnitt. Die Dimensionierung des Oberbaus kann somit unter Anwendung von Methode 2 der RStO 12 erfolgen, wodurch ein deutlich realitätsnäheres Ergebnis zu erwarten ist als unter Anwendung von Methode 1. Die praktische Anwendungsmöglichkeit des Verfahrens sowie die Auswirkungen auf die ermittelte Größe der Belastungszahl nach den RStO 12 wurden an 11 verschiedenen Streckenabschnitten auf Bundes- und Staatsstraßen in Sachsen nachgewiesen. In 9 Fällen ergaben sich signifikante Abweichungen zwischen den nach Methode 1 und Methode 2 der RStO 12 berechneten dimensionie-
