eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 2/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2021
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LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau

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2021
Sandra Ulrich
David Reisenbichler
Automatisiertes Fahren hat bereits und wird in Zukunft großen Einfluss auf Verkehrseffizienz, Verkehrssicherheit, Umwelt und auch die Logistik-Branche haben. Hier verspricht insbesondere das s.g. LKW Platooning große Ressourceneinsparungen. Dabei sind mehrere LKWs elektronisch miteinander vernetzt um längs- und/oder Querregelung zentral für den ganzen Platoon über den führenden LKW zu steuern. So könnte in sehr geringem Abstand hintereinandergefahren werden, um Windschatteneffekte zur Treibstoffeinsparung zu nutzen. Neben vieler offener Fragen hinsichtlich der technischen Lösung als auch der Umsetzbarkeit auf bestehenden Verkehrswegen (z.B. Verkehrsfluss bei Auf- und Abfahrten) gilt es auch Auswirkungen auf den Straßenoberbau durch das spurgenaue Fahren und die geringen Abstände zu analysieren um Straßenbetreibern Sicherheit hinsichtlich des Erhaltungsmanagement und der Dimensionierung zu geben. Im Projekt „Spurvariation“ (gefördert durch ASFINAG und BMVIT im Rahmen der österreichischen VIF2018 Ausschreibung) wurde daher die folgende Fragestellung analysiert und beantwortet: „Welche Auswirkungen hat LKW-Platooning auf den Straßenoberbau der ASFINAG und inwiefern kompensiert spurversetztes Fahren im Platoon die Energieeinsparung der LKWs durch gewonnene Windschatteneffekte im Platoon?“ Dazu wurden aufbauend auf der Lastklassenberechnung gem. des österreichischen Bemessungsstandards RVS 03.08.63 auf Basis des Primärwirkungsmodells Ermüdung neue Parameter implementiert, um die Einwirkung von Platoons abzubilden. Die Ergebnisse geben eine erste Orientierung zu möglichen Implementierungsszenarien.
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2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 361 LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau Sandra Ulrich, ARNDT IDC GmbH & Co KG, Vienna, Austria (Hauptautor) David Reisenbichler, ARNDT IDC GmbH & Co KG, Vienna, Austria (Vortragender) Überblick Automatisiertes Fahren hat bereits und wird in Zukunft großen Einfluss auf Verkehrseffizienz, Verkehrssicherheit, Umwelt und auch die Logistik-Branche haben. Hier verspricht insbesondere das s.g. LKW Platooning große Ressourceneinsparungen. Dabei sind mehrere LKWs elektronisch miteinander vernetzt um längsund/ oder Querregelung zentral für den ganzen Platoon über den führenden LKW zu steuern. So könnte in sehr geringem Abstand hintereinandergefahren werden, um Windschatteneffekte zur Treibstoffeinsparung zu nutzen. Neben vieler offener Fragen hinsichtlich der technischen Lösung als auch der Umsetzbarkeit auf bestehenden Verkehrswegen (z.B. Verkehrsfluss bei Auf- und Abfahrten) gilt es auch Auswirkungen auf den Straßenoberbau durch das spurgenaue Fahren und die geringen Abstände zu analysieren um Straßenbetreibern Sicherheit hinsichtlich des Erhaltungsmanagement und der Dimensionierung zu geben. Im Projekt „Spurvariation“ (gefördert durch ASFINAG und BMVIT im Rahmen der österreichischen VIF2018 Ausschreibung) wurde daher die folgende Fragestellung analysiert und beantwortet: „Welche Auswirkungen hat LKW-Platooning auf den Straßenoberbau der ASFINAG und inwiefern kompensiert spurversetztes Fahren im Platoon die Energieeinsparung der LKWs durch gewonnene Windschatteneffekte im Platoon? “ Dazu wurden aufbauend auf der Lastklassenberechnung gem. des österreichischen Bemessungsstandards RVS 03.08.63 auf Basis des Primärwirkungsmodells Ermüdung neue Parameter implementiert, um die Einwirkung von Platoons abzubilden. Die Ergebnisse geben eine erste Orientierung zu möglichen Implementierungsszenarien. 1. 1. Methodische Vorgehensweise 1.1 Projektüberblick Das Ziel beim LKW-Platooning lautet, dass alle LKWs im Platoon derselben Spur folgen, um den Effizienzgewinn durch den Windschatteneffekt zu maximieren. Da dies aber potentiell negative Auswirkungen auf die Lebensdauer des Straßenoberbaus - insbesondere von Asphaltstraßen - hat, werden in diesem Projekt verschiedene Varianten von Spurvariationen untersucht und die positiven Effekte auf den Oberbau, den Effizienzverlusten beim Windschatten gegenübergestellt. Die initiale Definition eines LKW Platoons für dieses Projekt ist ein Konvoi von maximal 3 LKWs, die in einem Abstand von 10-15m mit einer maximalen Geschwindigkeit von 80 km/ h fahren. Abbildung 1: Platooning Layout Das Projekt Spurvariation wurde mit folgender methodischen, stufenweisen Herangehensweise abgearbeitet. 1. Die Basis bildete eine detaillierte Sensitivitätsanalyse von lane assist Systemen (Genauigkeit beim Spurhalten, Querregelung) im Arbeitspaket 2. 2. Darauf aufbauend wurde in Arbeitspaket 3 beim Virtual Vehicle Center mittels Strömungsanalyseberechnungen jener Versatz berechnet, bei dem der Gewinn des Windschattenfahrens durch den Versatz in der Querregelung kompensiert wird. Das unterste Limit zur Berechnung der Auswirkungen auf die Fahrbahnoberfläche ergab sich aus der Sensitivitätsanalyse LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau 362 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 (Varianz in der Querregelung zwischen zwei LKW). Die oberste Grenze wurde durch die Windschattensimulation festgelegt (bei welchem Versatz ergibt sich kein Energiegewinn durch den Windschatten). 3. Die Analyse der Auswirkungen auf den Straßenoberbau in Arbeitspaket 4 baut auf erprobten Lebenszyklusmodellen auf, in die zusätzliche Parameter für neue Einflussfaktoren durch LKW-Platooning festgelegt und integriert wurden. Neue Belastungsfälle innerhalb der Grenzwerte der Sensitivitätsanalyse und auf Basis der definierten LKW-Platoons wurden vorgeschlagen. 4. Die Wirkungsbetrachtung in Arbeitspaket 5 fasste die Ergebnisse der Arbeitspakete 2-4 zusammen und evaluierte die Gesamtauswirkung von LKW-Platooning auf den Straßenoberbau der ASFINAG. 5. Die Auswirkungen auf den Straßenoberbau wurden in die „dynamic risk-rated-map“ von Connecting Austria integriert, damit die Auswirkungen der Studie im gesamten Zusammenhang des Verkehrsmanagements der ASFINAG hinsichtlich LKW-Platoons dargestellt werden konnten. Der Zusammenhang zwischen den Inhalten und Arbeitspaketen ist in nachfolgender Grafik zusammengefasst dargestellt. Abbildung 2: Methodische Vorgehensweise (Ulrich et al. 2020) 1.2 Herangehensweise zur Ermittlung der Auswirkungen auf den Oberbau Der Fokus dieses Manuskripts liegt auf der Auswirkung auf den Oberbau, die im Projekt in AP4 um folgende Kernfrage behandelt wird: Ist infolge der Belastung durch LKW-Platoons mit einer signifikant erhöhten Schadensauswirkung zu rechnen und bei welchem Spurversatz ist bei größtmöglichem Effizienzgewinn durch Platooning, die Auswirkung in Form von Schadensbildern auf den Straßenoberbau möglichst gering? Für die Analyse der Auswirkungen von LKW-Platooning auf den Straßenoberbau, insbesondere von Asphaltstraßen, wurde einerseits die Relevanz für die Bemessung von Neubau und Sanierungen analysiert und andererseits die zu erwartenden Auswirkungen im Erhaltungsmanagement der Bestandsstrecken. Dazu wurden sowohl die üblichen Ansätze auf der Belastungsseite (Bemessungsnormlastwechsel) als auch auf der Widerstandsseite (Materialeigenschaften hinsichtlich Verformungsbeständigkeit) beleuchtet und Ansätze für die Berücksichtigung von LKW-Platoons vorgeschlagen. Die Bemessung und Berechnung von Zustandsentwicklungen der Zustandsgrößen des Oberbaus folgt seit langem einem einfachen Prinzip: die Einwirkung durch den Schwerverkehr muss kleiner sein als der Widerstand, den der Oberbau entgegensetzt. Die Einwirkung hängt naturgemäß von der Verkehrsbelastung ab, also der Art der auftretenden Fahrzeuge, deren Auftretenswahrscheinlichkeit und deren Achslasten. Zur Bestimmung des Widerstands wird die maßgebliche Belastung des Oberbaus bestimmt, die auf umfangreichen empirischen Daten, die zu den Oberbaudimensionierungsregeln der RVS 03.08.63 geführt haben, basiert. Für die Bemessung und Lebensdauer des Straßenoberbaus ist die Belastung, die sich aus dem Schwerverkehr ergibt, der maßgebende Faktor und der PKW-Verkehr kann vernachlässigt werden. Die maßgebende Größe für die Verkehrsbelastung sind dabei die s.g. Bemessungsnormlastwechsel (BNLW), die sich aus der Anzahl an Übergängen einer Normachse mit einer Achslast von 100 kN (entspricht 10 t) ergeben. Um die tatsächliche Verkehrsstärke zu ermitteln, werden die verschiedenen auftretenden Schwerverkehr (SV) Fahrzeugkategorien mit Äquivalenzfaktoren auf diese BNLW umgerechnet. Manuell gefahrene LKW folgen keiner exakten Spur, sondern nutzen den verfügbaren Raum einer Fahrspur und pendeln in gewissem Grad darauf hin und her. Dieser Effekt wird als „lateral wander“ bezeichnet und in der Bemessung in Form eines Faktors zur Berücksichtigung der Fahrspurverteilung innerhalb des Fahrstreifens berücksichtigt. Dieser Faktor wurde genutzt, um den Spurversatz von LKW-Platoons abzubilden. Für die Analyse der Auswirkungen von LKW-Platooning auf den Straßenoberbau wurden geeignete Äquivalenzfaktoren für diese neue Fahrzeugkategorie gesucht und Annahmen für die Fahrspurverteilung getroffen. Zusätzlich wurden Erkenntnisse aus kürzlich veröffentlichten internationalen Studien analysiert und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit in Österreich bewertet. Mit Hilfe dieser neuen Werte für die Bemessungsparameter wurden exemplarisch Oberbaubemessungen für typische Verkehrsbelastungen bei üblichen Neubau- oder grundhaften Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt. Dazu wurde ein simplifiziertes Berechnungsmodell auf Basis der RVS 03.08.63 Methodik mit den neuen LKW-Platooning Werten erstellt, um für die Bemessung eine Orientierung hinsichtlich der Auswirkungen von LKW-Platoons zu bekommen. Darüber hinaus wurden die neuen Platooning Werte auch auf die Zustandsentwicklungsmodelle für Spurrinnen gem. PMS Handbuch angewendet und so auch eine Methodik angeboten, um die Auswirkungen von LKW- Platoons auf die Bestandsstrecken zu analysieren. Die Methodik ist in nachfolgender Grafik zusammengefasst. LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 363 Abbildung 3: Methode Oberbauauswirkungen (Ulrich et al. 2020) 2. Berücksichtigung von LKW-Platooning bei Neubau und Sanierung Als maßgebende Beanspruchungen werden bei der Dimensionierung von Asphaltstraßen in der Regel die wechselnde Zugbeanspruchung an der Unterseite der Asphaltschichte und die senkrechte Druckbeanspruchung am Unterbauplanum angesehen. Die zyklischen Zugbeanspruchungen infolge der Verkehrsbelastung führen zur Ermüdung des Baustoffes und an der Unterseite der Asphaltkonstruktion entstehen Risse, die sich nach oben hin fortpflanzen („bottom-up cracking“). In der Folge verbinden sich die Einzelrisse zu Netzrissen, wodurch es zur rasch progressiven Herabsetzung der Tragfähigkeit der gesamten Konstruktion kommt - zur Ermüdung des Oberbaus. Das Schadensmerkmal Ermüdung, bedingt in erster Linie durch die Verkehrsbelastung, wird auch im Fall von LKW-Platooning als bemessungsrelevantes Schadensmerkmal für die strukturelle Oberbaudimensionierung herangezogen. Die Auswirkungen auf die Spurrinnenbildung betreffen die Gebrauchstauglichkeit (insbesondere die Verkehrssicherheit), jedoch weniger die Tragfähigkeit und sind daher relevanter in der Lebenszyklusbetrachtung. Um LKW-Platooning in der Oberbaubemessung zu berücksichtigen, ist es daher insbesondere erforderlich, die Verkehrsbelastung, also einen entsprechenden Äquivalenzfaktor für die Bemessungsnormlastwechsel zu finden. Bei der Bemessung gemäß der großteils verwendeten RVS 03.08.63 kommt ein Bemessungskatalog zum Einsatz, der Standardoberbauten enthält und so für verschiedene Lastklassen unterschiedliche Bautypen anbietet. Die Verkehrsbelastung wird in der zugrundeliegenden Bemessungsmethodik durch die Kenngröße BNLW ausgedrückt. Diese entspricht einer Anzahl an Übergängen einer Normachse mit einer Achslast von 100 kN (entspricht 10 t), der ein Oberbau während eines definierten Bemessungszeitraums ausgesetzt ist. Diese Anzahl an Normlastwechseln ist über so genannte Äquivalenzfaktoren mit der tatsächlichen Verkehrsstärke (ausgedrückt durch den JDTVi einer Fahrzeugkategorie i bzw. den JDTLV) verknüpft. Diese Faktoren geben an, wie viele Übergänge der Normlast bei einem Übergang eines Schwerfahrzeugs in Rechnung zu stellen sind und sind sowohl von der Gesamtgewichtsverteilung der Schwerfahrzeuge als auch von deren Auftretenshäufigkeit im Straßennetz abhängig. Der BNLW wird aus der folgenden Beziehung ermittelt: BNLW = NLW tägl * R * V * S * 365 * n * z LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau 364 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Anzahl der durchschnittlich täglichen Normlastwechsel für den gesamten Querschnitt zum Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe. Ergibt sich aus NLWtägl = ∑JDTVi * Äi JDTVi Mittelwert über alle Tage des Jahres der Anzahl der einen Straßenquerschnitt in beiden Richtungen täglich passierenden Kraftfahrzeuge der Fahrzeugkategorie i Äi Mittlerer Äquivalenzwert der jeweiligen Fahrzeugkategorie i R Richtungsfaktor für die Aufteilung des Lastverkehrs auf die Fahrtrichtungen (0,5 bei gleichmäßiger Aufteilung des Lastverkehrs auf beide Fahrtrichtungen) V Faktor zu Berücksichtigung der Verteilung des Lastverkehrs auf mehrere Richtungsfahrstreifen (1,0 bei einem bzw. zwei Richtungsfahrstreifen; 0,9 bei drei oder mehr Richtungsfahrstreifen) S Faktor zur Berücksichtigung der Fahrspurverteilung innerhalb des Fahrstreifens n Bemessungsperiode [Jahre] (ursprünglich 20 Jahre für bituminöse Befestigungen und 30 Jahre für Betondecken; Seit 2016 für Bundesstraßen A und S einheitlich 30 Jahre z Zuwachsfaktor unter Berücksichtigung einer jährlichen Zuwachsrate p [%] Für eine einfache, überschlägige Berücksichtigung von LKW-Platoons kann die verwendete Bemessungsformel genützt und lediglich um neue Werte für betroffene Parameter ergänzt werden, wie dies in nachfolgender Abbildung zusammengefasst ist. Abbildung 4: Anpassung relevanter Parameter der Bemessungsformel der RVS 03.08.63 Um LKW-Platoons in der Bemessung zu berücksichtigen wird ein neuer Äquivalenzfaktor vorgeschlagen. Auf Basis einer generischen LKW Geometrie (Devesa und Indinger 2011) wird von Platoons mit einem gesetzlich geregelten Maximalgewicht von 44 Tonnen (intermodaler Transport) in Platoons aus 2 oder 3 LKW mit einem Abstand von 10-15 m ausgegangen. Für die Berechnung der Last wird dabei weiterhin jeder LKW eines Platoons als Fahrzeug gezählt und nicht der Platoon als eine einzelne Einheit. Die Begründung dafür liegt einerseits an den vorgegebenen Abständen zwischen den LKW, die mit 10-15 m als zu groß angesehen werden um eine echte Einheit zu bilden. Andererseits kann so auch die Variation der Spurgenauigkeit konsequent je LKW umgesetzt werden. Um das Schädigungspotential eines solchen Platoons mit den beschriebenen Annahmen einordnen zu können, wurden die umfangreichen Untersuchungen zu Schadenswirkungen verschiedener Fahrzeugklassen durch die Auswertung von BWiM Daten in Forschungsprojekten der letzten Jahre hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit für LKW-Platoons analysiert. Als Näherung für grobe Abschätzungen wird auf dieser Basis nur von geringfügig höherem Schädigungspotential ausgegangen, die in Form von Äquivalenzwerten in nachfolgender Tabelle für spurgenaue 2er und 3er Platoons mit 15 m Abstand dargestellt sind. Tabelle 1: Vorgeschlagene Äquivalenzwerte für LKW-Platoons Fahrzeug Ä i Erläuterung Fahrzeugklasse VC113 2,10 gem. Projekt Obesto gerundet 2er Platoon spurgenau 2,20 Geschätztes, geringfügig höheres Schädigungspotential +3% geg. Einzel VC113 gerundet 3er Platoon spurgenau 2,30 Geschätztes, geringfügig höheres Schädigungspotential +8% geg. Einzel VC113 gerundet 2er oder 3er Platoon mit Spurversatz 2,10 Schädigungspotential von VC113 Bei einem Spurversatz von > 0,5 m wird mit dem Äi der Fahrzeugklasse VC113 (Blab et al. 2014) gearbeitet, da keine erhöhte Schädigung erwartet wird. Dies gilt sowohl für einen 2er als auch einen 3er Platoon. Der zweite besonders relevante Parameter ist der sogenannte Fahrspurfaktor S, der in Abhängigkeit von der Fahrspurbreite der Verteilung von LKW Fahrspuren und Trajektorien Rechnung trägt. Die Fahrspurbreite auf störungsfreien ASFINAG-Netzabschnitten ist > 3,5 m. Baustellenbereiche sind von der Betrachtung explizit LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 365 ausgenommen. Um den Spurversatz von LKW-Platoons in einer Bemessung zu berücksichtigen, werden nachfolgend Vorschläge für den Fahrspurfaktor gemacht. Tabelle 2: Vorgeschlagene Fahrspurfaktoren für LKW-Platooning Spurversatz Spurversatz Faktor S neu Spurgenaues fahren 1,00 Abweichung des 2. LKW von 0,5 m 0,70 Abweichung des 2. LKW von 1,0 m 0,50 Mit den beschriebenen Werten für die Äquivalenzfaktoren und Spurversatzfaktoren wurden exemplarisch Oberbauten für verschiedene Verkehrsstärken dimensioniert und die Ergebnisse jeweils für die folgenden vier Platooning Szenarien mit Marktdurchdringungen von 0-100 % in einem Diagramm sowie tabellarisch in Abhängigkeit von der Auftretenswahrscheinlichkeit von LKW-Platoons dargestellt. • 2er Platoon spurgenau • 3er Platoon spurgenau • 2er oder 3er Platoon mit Spurversatz 0,5 m • 2er oder 3er Platoon mit Spurversatz 1,0 m Es wird davon ausgegangen, dass es bei einem Spurversatz > 0,5 m keinen Unterschied macht ob die Platoons aus 2 oder 3 LKW bestehen. Exemplarisch wurden für verschiedene Verkehrsstärken die Auswirkungen berechnet. Da davon ausgegangen wird, dass Platooning auf logistikrelevanten Streckenabschnitten zuerst eingeführt wird, wird als durchschnittlicher Bemessungsfall ein JDTLV 4000 des gesamten Schwerverkehrskollektivs angenommen. Hier wurden 2 Fahrstreifen mit einer Breite zumindest des 1. Fahrstreifens von 4,0m angenommen. Tabelle 3: Medium Case Berechnungsrahmenbedingungen Parameter Wert Verkehrsstärke JDTLV Kollektiv 4000 Verkehrsstärke je Richtungsfahrbahn getrennt ja Anzahl Fahrstreifen 2 Fahrstreifenbreite 4,00 Bemessungsperiode 30 Jahre Jährl. Zuwachsrate 1,50% Medium Case Abbildung 5: BNLW und Lastklassen in Abhängigkeit der Marktdurchdringung für die 4 Platooning Szenarien Bei dieser Verkehrsstärke wird deutlich, dass bei einer schnellen Verbreitung von LKW-Platoons Maßnahmen erforderlich werden. Bei einer Marktdurchdringung von ca. 40 % würden spurgenaue Platoons bereits die aufnehmbaren Lastwechsel der LK82 überschreiten, was zu einer vorzeitigen Ermüdung des Oberbaus führen würde. Dem kann entweder durch einen verpflichtenden Spurversatz von > 0,5 m vorgebeugt werden oder durch ein Verkehrsmanagement, dass nur einen maximalen Anteil von 40 % LKW-Platoons zulässt. Dreht man die Betrachtung um und ermittelt auf Basis der maximal aufnehmbaren Normlastwechsel die strukturelle Lebensdauer, ist auch in diesem Szenario bei den Auftretenswahrscheinlichkeiten keine Verkürzung der strukturellen Lebensdauer anzunehmen. Im Spurversatz ergibt sich auch bei 100 % LKW-Platoons noch keine Verkürzung. Bei spurgenauen Platoons besteht ab ca. 35 % (3er Platoon) bzw. 40 % (2er Platoon) Handlungsbedarf in Form von Beschränkungen, oder die strukturelle Lebensdauer beginnt auf bis zu 20 Jahre bei 100 % Marktdurchdringung zu sinken. Abbildung 6: Strukturelle Lebensdauer in Abhängigkeit der Marktdurchdringung für die 4 Platooning Szenarien Zusammenfassend zeigen diese exemplarischen Berechnungen, dass bei einem ausreichenden Puffer innerhalb der Lastklasse bei langsamer Marktdurchdringung keine Einschränkungen zu erwarten sind. Unterdimensionierungen und das Ausreizen der Toleranzbereiche sind hingegen nicht empfehlenswert. LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau 366 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 3. Berücksichtigung von LKW-Platooning bei PMS und Lebenszyklusanalyse Die Prognose des Straßenzustandes für die unterschiedlichen RVS-relevanten Zustandsmerkmale - Spurrinnen, Längsebenheit, Griffigkeit, Risse und Oberflächenschäden wird auf Basis des PMS für das ganze ASFINAG Netz standardisiert durchgeführt um unter Verwendung von budgetären Grenzwerten die optimalen Erhaltungsmaßnahmen auf jedem untersuchten Streckenabschnitt abzuschätzen. Internationale Studien legen nun nahe, dass sich durch LKW-Platooning negative Effekte auf das Zustandsmerkmal Spurrinnenbildung ergeben könnten bzw. Ermüdung bereits vor dem Ende der Bemessungsdauer eintreten kann. Dies betrifft spurgenaues LKW-Platooning. (Gungor und Al-Qadi 2020a; Chen et al. 2019; Bouchihati 2020) Aktuelle Studien kommen jedoch auch zu dem Schluss, dass Platooning nicht nur eine erhöhte Belastung für den Oberbau bedeuten muss, sondern die Vernetzung der LKW auch eine Chance darstellt. Demzufolge kann durch die Möglichkeit von kontrollierter Spurvariation der kanalisierte Lastwechsel von spurgenauen Platoons aufgebrochen und gesteuert so variiert werden, dass sich kein negativer Effekt auf den Oberbau durch Platooning ergibt und des Weiteren das potentielle Problem sogar zu einer Chance für Kosteneinsparung werden kann (Gungor und Al-Qadi 2020b, 2020a). In diesen Studien werden mit FEM theoretische Berechnungen angestellt, die zu überraschend hohen Einsparungspotentialen von bis zu 50 %, in Abhängigkeit von Oberbaustärke und Gesamtverkehrsbelastung, kommen. Diese Ergebnisse sind äußerst interessant, gehen jedoch von weit in der Zukunft liegenden Rahmenbedingungen aus, bei denen der gesamte Schwerverkehr in optimal gesteuertem Spurversatz fährt. Diese Ansätze sind auch für Österreich interessant und verfolgenswert, entsprechen aber nicht dem praktischen Ansatz dieses Projektes, in dem Aussagen für die nächsten Jahre getroffen werden sollen. Gemeinsam mit der ASFINAG wurden repräsentative Streckenabschnitte ausgesucht, die hinsichtlich ihrer Eignung für Platooning bewertet bzw. hinsichtlich Auswirkungen auf ihre Lebenszyklusentwicklung abgeschätzt wurden. Zur Einschätzung des Zustands und der Eignung eines Streckenabschnitts für Platooning sind eine Reihe von Werten relevant. Neben der Verformungsbeständigkeit des Oberbaus, die sich vorrangig durch die Verformungsbeständigkeit der Deck- und Binderschicht ergibt, ist die strukturelle Widerstandsfähigkeit der Tragschichten gegen Ermüdung wichtig, um eine Aussage über die weitere Belastbarkeit treffen zu können. Dafür sind vor allem Alter und Auslastung der Bemessung (über- oder unterdimensioniert) relevant. Zusätzlich muss die bereits vorhandene Spurrinnentiefe in die Bewertung miteinbezogen werden. Dazu sollten also die folgenden Daten und Parameter für eine Einschätzung zur Platooningfähigkeit auf Basis des aktuellen Straßenzustands (Daten aus dem PMS der ASFINAG) analysiert werden: • Aufbau, Bautype und Alter • Belastung (Verkehr und Verkehrsbelastungskoeffizient) • Zustandsmerkmal Spurrinnen (Vorhandene Spurrinnentiefe) • Verformungsbeständigkeit der verbauten Deck- und Binderschicht Für die Prognose wurde auf die deterministisch-empirischen Zustandsprognosemodelle für das Zustandsmerkmal Spurrinnen zurückgegriffen, das auf den empirischen Daten, die in den Zustandserfassungen am ASFINAG- Netz erfasst und dokumentiert wurden basiert. Das Prognosemodell der Spurrinnen befindet sich derzeit gerade in Überarbeitung und konnte für das Projekt leider noch nicht zur Verfügung gestellt werden. Deswegen wurden die Berechnungen auf Basis des Prognosemodells von 2016 (Weninger-Vycudil et al. 2016) durchgeführt. Die Verhaltensfunktion Spurrinnen wird über das Alter der Decke und die kumulierten Normlastwechsel definiert. Das folgende deterministisch-empirisches Zustandsprognosemodell kommt aktuell zur Anwendung: (Weninger- Vycudil et al. 2016) Analog zur Oberbaubemessung finden kumulierte Normlastwechsel Eingang in die Verhaltensfunktionen. Um LKW-Platoons in der Verhaltensfunktion zu berücksichtigen werden daher die vorgeschlagenen Äquivalenzfaktoren für LKW-Platoons sowie die Spurvariationsfaktoren auch in der Verhaltensfunktion angewendet und so die erwarteten Normlastwechsel für unterschiedliche Platooning Szenarien berücksichtig. Wie auch in der Oberbaubemessung stellt die größte Unbekannte, die jedoch einen wesentlichen Einfluss hat, die Marktdurchdringung der LKW-Platoons dar. LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 367 Während in der Oberbaubemessung eine durchschnittliche Marktdurchdringung über die gesamte Bemessungsdauer zur Anwendung gekommen ist, werden für die Verhaltensfunktionen folgende unterschiedliche Marktdurchdringungsszenarien berechnet. • Base Case: Kein Platooning • Medium Case: Einführung Platooning ab dem Jahr 2022 mit einem Marktanteil von 5 % und einer folgenden weiteren jährlichen Verlagerung von 3 % hin zu Platooning. • High Case: Einführung Platooning ab dem Jahr 2022 mit einem Marktanteil von 10 % und einer folgenden weiteren jährlichen Verlagerung von 5 % hin zu Platooning In der folgenden Tabelle sind die Szenarien, die für die ausgewählten Bestandsabschnitte berechnet werden, noch einmal als Matrix dargestellt. Tabelle 4: Berechnungsszenarien Bestandsabschnitte Medium Case High Case Kein Platooning - - 2er Platoon spurgenau 3er Platoon spurgenau 2er oder 3er Platoon mit Spurversatz 0,5m 2er oder 3er Platoon mit Spurversatz 1,0m Platooning Start: 2022 Startjahr: 5% Steigerung/ Jahr: +3% (max. 80%) Platooning Start: 2022 Startjahr: 10% Steigerung/ Jahr: +5% (max. 80%) Platooning Szenario Wichtig dabei ist, dass in diesem Projekt von einer reinen Verlagerung des Gesamtschwerverkehrsaufkommens von einzelnen LKW hin zu LKW-Platoons bei gleichbleibender Gesamtverkehrsbelastung ausgegangen wird. Sollten die dadurch freiwerdenden Kapazitäten jedoch von zusätzlichem Schwerverkehr aufgefüllt werden, kann sich ein ganz anderes Bild ergeben. Gemeinsam mit der ASFINAG wurden vier Streckenabschnitte ausgewählt, die wie beschrieben hinsichtlich ihrer Eignung für Platooning analysiert werden. Abbildung 7: Ausgewählte Bestandsabschnitte Exemplarisch werden nachfolgend die Ergebnisse anhand des Abschnittes A8 Schärding - Suben dargestellt. Der Autobahnabschnitt zwischen Schärding und Suben auf der A8 stellt einen bereits recht alten Asphaltbautyp dar. In nachfolgender Tabelle sind die aktuellen Zustandsdaten zusammengefasst: LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau 368 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Tabelle 5: Bestandsdaten A8 Daten A8 Ort Fahrtrichtung Suben von bis Ort - Suben von bis [km] km 69,1 km 74,9 Aufbau Gebundener Aufbau 3 cm SMA S1, 1997 6 cm AC Binder, 1997 8 cm AC Binder, 1997 14 cm AC Trag T1, 1985 Bautype PMS BT14_V (AS_V) Bautype 1-4 Verstaerkung Gesamtdicke gebundener Schichten [cm] 31 Alter Letzte Sanierung [Jahr] 1997 Rechnerisches Oberbaujahr 1992 Belastung JDTLV 2017 (max. Wert in Abschnitt) [-] 4513 Österreichische Tragfähigkeitszahl 19,52 Verkehrsbelastungskoeffizient [-] 3 Zustand Spurrinnen 1.FS Zustandsgröße (ZG) Spurrinnen max. [mm] 12,6 Zustandswert (ZW) Spurrinnen max. [-] 3,2 Zustandsgröße (ZG) Spurrinnen Æ [mm] 5,0 Zustandswert (ZW) Spurrinnen Æ [-] 1,9 Erhebungsjahr Spurrinnen 2014 Verformungsbeständigkeit Deckschicht gut Mit einem Verkehrsbelastungskoeffizienten von 3,0 ist die Strecke deutlich überdimensioniert und strukturell nach 23 Jahren noch gut belastungsfähig. Der maximale Zustandswert für Spurrinnen ist mit 3,2 zwar noch in Ordnung, liegt jedoch bereits nahe am Warnwert, was bei diesem Alter nicht überraschend ist. Dieser Wert 3,2 stellt aber eine punktuelle Schwäche in einem Abschnitt dar. Aus diesem Grund wird für die weitere Betrachtung der durchschnittliche Wert von 1,9, der noch in einem durchaus guten Bereich ist, genutzt. Für die Verhaltensfunktion des Zustandsmerkmals Spurrinnen für die verschiedenen Platooning Szenarien und Marktdurchdringung ergeben sich folgende Werte für die Berechnung: LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 369 Tabelle 6: Parameter für Verhaltensfunktion Spurrinnen A8 Parameter Werte JDTLV Kollektiv 4513 Erhebungsjahr 2017 Äi= abh. von Szenario Verkehrsstärke je Richtungsfahrbahn getrennt ja R= 1,00 Anzahl Fahrstreifen 2 V = 1,00 Fahrstreifenbreite 3,75 S = abh. von Szenario Jährl. Zuwachsrate 1,49 % zt = 1,49 % Kalibrierfaktor SMA KFSR= 0,30 Letzte Messung 2014 AlterDecke,Messung= 17 Modellparameter a BT14_V (AS_V) a = 0,7183 Modellparameter b BT14_V (AS_V) b = 0,0159 Unter Verwendung des errechneten Kalibrierfaktors von 0,30 und der angenommenen Äquivalenzfaktoren sowie Spurvariationsfaktoren für die verschiedenen Platooning Szenarien zeigt sich im nachfolgenden Diagramm, dass im belastungsintensivsten Fall der spurgenauen 3er Platoons mit hoher Marktdurchdringung (High Case) der Warnwert zwar 7 Jahre früher als in einem Verlauf ohne Platooning erreicht wird, dies jedoch erst nach 38 Jahren (im Jahr 2042) geschieht. Ein Spurversatz von 1,0 m ist in diesem Streckenabschnitt aufgrund der durchschnittlichen Fahrstreifenbreite von 3,75m nicht möglich und wird daher nicht dargestellt. Die Lebensdauer der Deckschichten wird jedoch bekannterweise durch alle Zustandsmerkmale gemeinsam bestimmt und variiert stark in Abhängigkeit von Belastung und Widerstandsfähigkeit. Deswegen ist es auch schwierig eine durchschnittliche Lebensdauer einer Deckschicht anzugeben. Die im Diagramm angegeben 25 Jahre stellen bereits eine sehr lange Lebensdauer für eine bituminöse Deckschicht dar. Im Falle des Streckenabschnitts auf der A8 kann zusammenfassend gesagt werden, dass eine Sanierung und der Austausch der Deckschicht nicht erst durch das Zustandsmerkmal Spurrinnen ausgelöst, sondern bereits lange vor Erreichen eines Spurrinnen-Warnwertes in wenigen Jahren erforderlich sein wird. Abbildung 8: Verhaltensfunktion Spurrinnen A8 LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau 370 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Die hier betrachteten LKW-Platoons mit geplanten Fahrzeugabständen von 10 bis 15 m sind nicht sehr weit von den Abständen in LKW-Kolonnen im frei fahrenden Verkehrsablauf entfernt. Deshalb ist mit den zu erwartenden Marktdurchdringungsraten in naher Zukunft nicht davon auszugehen, dass sich die Auswirkungen bei gleichbleibenden Gesamtverkehrslasten signifikant verändern. Dies gilt allerdings nur solange, als durch die Anwendung des Platoonings nicht in der Folge die Gesamtanzahl des Schwerverkehrs auch erhöht wird, d.h. die Bemessungsverkehrsbelastung (Anzahl der Gesamtnormlastwechsel) erhöht wird. Im PMS wird daher vor allem empfohlen die Zustandsmessungsergebnisse für Spurrinnen kritisch hinsichtlich verstärkter Wirkungen zu beobachten, um auf mögliche Abweichungen zu den üblichen Zustandsentwicklungen (Abweichungen von den Verhaltensfunktionen) zu reagieren. Es ist unbestritten, dass spurgenaue LKW-Platoons die Spurrinnenbildung begünstigen. Wie die Analysen der Bestandsstreckenabschnitte jedoch gezeigt haben, ist die Spurrinnenbildung erst ab einem hohen SV Anteil ein maßgebliches Zustandsmerkmal, während ansonsten Deckschichtsanierungen eher durch andere Zustandsmerkmale, wie z. B. Griffigkeit, ausgelöst werden. Auf solchen Streckenabschnitten mit hohem SV-Anteil, sind meist aber verformungsbeständige Aufbauten aus Beton verbaut. Mit einem kontinuierlichen Monitoring, wie es durch das PMS am ASFINAG-Netz umgesetzt wird, ist bereits der wichtigste Schritt getan. Überschreitungen von Warnwerten beim Zustandsmerkmal Spurrinnen sollten unmittelbar entweder zu einer Sanierung oder zu Beschränkungen für Platoons führen. Ebenso ist es essentiell gerade auch mit der allgemeinen zunehmenden Schwerverkehrsbelastung auf dem hochrangigen Straßennetz, den Verkehrsbelastungskoeffizient zu monitoren und auf Strecken mit LKW-Platooning ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, um bereits vor dem Erreichen des Dimensionierungswertes entweder Maßnahmen durch das Verkehrsmanagement zu setzen oder die Erhaltungsplanung entsprechend darauf vorzubereiten. Durch die Vernetzung der LKW-Platoons und den damit verbundenen Möglichkeiten eines kontrollierten Spurversatzes entsteht die Möglichkeit die Verkehrsbelastung auf den gesamten verfügbaren Querschnitt zu verteilen und so die Widerstandsseite optimal zu nutzen. Gerade aus Sicht des PMS ergeben sich daraus Möglichkeiten für effektive Einsparungen, die künftig weiter untersucht werden sollten. 4. Zusammenfassung Aus den ersten groben Berechnungen hinsichtlich der Berücksichtigung von LKW-Platoons bei Neubau und Sanierung als auch im Erhaltungsmanagement des Straßenoberbaus ist aus heutiger Sicht innerhalb der Rahmenbedingungen wie sie für dieses Projekt definiert wurden, nicht davon auszugehen, dass sich große Auswirkungen auf die Bemessung ergeben. Dennoch ergeben sich einige Empfehlungen zu Maßnahmen und neuen Prozessen rund um die Oberbaudimensionierung bei Neubau und Sanierung. Während zu Projektbeginn noch keine publizierten Forschungsergebnisse zu genau dieser Forschungsfrage vorlagen, zeigt der hier umfassend zusammengefasste Stand der Technik, dass diese Frage mittlerweile auch international betrachtet wird. Die Ergebnisse sind dabei abhängig von den gewählten Rahmenbedingungen breit gestreut. Geringe Bedenken hinsichtlich des Oberbaus bestehen bei einer kurzfristig absehbaren sehr geringen Marktdurchdringung ohne Erhöhung der Gesamtverkehrsstärke und Belastung (Jermann et al. 2017; Ulrich et al. 2020; Bouchihati 2020). Andere Studien, die ein sehr fortschrittliches Szenario abbilden, in dem das gesamte Schwerverkehrskollektiv durch autonome, vernetzte Platoons ersetzt wird gehen bei spurgenauem Fahren von deutlich früherem Erreichen der Warnwerte für Spurrinnen und deutlich früherer Ermüdung aus. (Chen et al. 2019; Gungor und Al-Qadi 2020a, 2020b) Dieselben Studien kommen jedoch auch zu dem Schluss, dass Platooning nicht nur eine erhöhte Belastung für den Oberbau bedeuten muss, sondern gerade durch die Vernetzung der LKW und der damit verbundenen Möglichkeit gezielter Spurvariation sogar eine Chance für eine ebenso deutlich höhere Lebensdauer des Oberbaus. Wichtig dabei ist, dass es sich um theoretische Betrachtungen handelt, die von 100% LKW-Platoons mit kontrolliertem Spurversatz ausgehen und nur in so einem Zukunftsszenario Einsparungen bis 50 % der Oberbauerhaltungskosten bei gezieltem Spurversatz im Vergleichszeitraum möglich sind. (Gungor und Al-Qadi 2020a, 2020b) Während ein gezielter Spurversatz möglicherweise vielversprechend sein könnte, müssten derartige Studien einem harten Praxistest für österreichische Autobahnen unterzogen werden. Vernachlässigbare Auswirkungen auf die Oberbaudimensionierung bei Sanierung, Neu- und Ausbau Um LKW-Platoons in der Bemessung des Oberbaus bei Neubau- und Sanierungsprojekten im ASFINAG Netz zu berücksichtigen wurde ein simplifiziertes Berechnungsmodell auf Basis der Methodik der RVS03.08.63 erstellt. Dafür wurden neue Äquivalenzfaktoren eingeführt um die hier behandelten LKW-Platoons (2-3 LKW im Abstand von 10-15 m mit variierendem Spurversatz) abzubilden und Parameter um den Spurversatz entsprechend zu berücksichtigen. Die exemplarischen Berechnungen zeigen, dass bei der zu erwartenden Marktdurchdringung von 10 % in den kommenden Jahren nur geringfügig, höhere Belastungen auftreten, die jedoch keine Auswirkung auf die Dimensionierung haben. Ein Spurversatz von 0,50m wäre grundsätzlich zu begrüßen und ist auch gem. der Ergebnisse in AP3 aus Treibstoffeinsparungssicht effektiv. Größere Spurversätze wären auf Grund der verfügbaren Fahrstreifenbreiten tatsächlich ohnehin nur in einem geringen Teil des ASFINAG Netzes realisierbar. Für Sanierung und LKW-Platoons und ihre Auswirkungen auf den Straßenoberbau 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 371 Ausbau von LKW-intensiven Strecken wird dennoch auch die rechnerische Dimensionierung gem. RVS 03.08.68 empfohlen, um dabei das Schwerverkehrskollektiv besser abzubilden und auch innovative, verformungsbeständige Mischgüter zum Einsatz zu bringen. Eine grundsätzliche Empfehlung für schwerverkehrsintensive Strecken, um der Spurrinnenbildung vorzubeugen, ist der Einbau von verformungsbeständigen Deck- und Binderschichten oder Betonfahrbahnen. Erhaltungsmanagement durch Monitoring und Beschränkungen mittels Verkehrsmanagements Auch in der Lebenszyklusbetrachtung sind mit den prognostizierten langsam eingeführten Szenarien von LKW-Platoons, gerade auch auf Grund des immer noch großzügigen Abstands von 10-15 m, keine signifikanten Verkürzungen der Strukturellen- oder der Gebrauchsdauer zu erwarten. Im PMS sollten Streckenabschnitte auf denen LKW-Platooning zum Einsatz kommt, sofort bei Erreichen des Warnwertes für Spurrinnen saniert und verformungsbeständige Deckschichten eingebaut werden. Ansonsten sollten Beschränkungen solcher Abschnitte durch das Verkehrsmanagement vorbereitet werden. Dasselbe gilt für Abschnitte die bereits aufgrund eines Verkehrsbelastungskoeffizients unter 1 als unterdimensioniert zu betrachten sind. Conclusio Grundsätzlich ist zu beachten, dass im vorliegenden Bericht lediglich eine modellhafte Sensitivitätsanalyse dargestellt werden kann, da die Rahmenbedingungen einer Markteinführung von LKW-Platooning noch unklar sind. Alle in dem Projekt durchgeführten Validierungsfahrten wurden auf geschlossenem Testgelände (Zalazone, Ungarn) durchgeführt. Fahrten im Platoon auf öffentlicher Straße waren nicht möglich, da die StVO einen Mindestabstand von 50 Metern zwischen LKW vorgibt. Bei einer Einführung von LKW-Platooning muss insbesondere die Entwicklung des Gesamtschwerverkehrskollektivs genau beobachtet werden. In diesem Projekt wird von einer reinen Verlagerung des Gesamtschwerverkehrsaufkommens von einzelnen LKW hin zu LKW- Platoons bei gleichbleibender Gesamtverkehrsbelastung ausgegangen. Sollten die dadurch freiwerdenden Kapazitäten jedoch von zusätzlichem Schwerverkehr gefüllt werden, kann sich ein ganz anderes Bild ergeben. Aus jetziger Sicht ist jedoch nicht davon auszugehen, dass mit signifikant erhöhten Schadensauswirkungen durch LKW-Platoons zu rechnen ist, aber der allgemeine Anstieg des Schwerverkehrs stärkere Auswirkungen haben könnte, als die bloße Einführung von Platooning. Da sich die Marktdurchdringung graduell entwickeln wird und gleichzeitig der Entwicklungsgrad von Vernetzungsmöglichkeiten (V2V als auch V2I) steigt, ergeben sich Möglichkeiten für zentralisierte (V2I durch Verkehrsmanagement), als auch dezentralisiert (V2V Spurversatzregelung zwischen Fahrzeugen) Spurversatzsteuerungen, die eine potentielle zukünftige Schonung des Straßenoberbaus möglich machen können. Eine unkontrollierte Implementierung von Platooning kann jedoch durchaus zu stärkeren Schäden führen. Eine fortlaufende Analyse von Oberbauoptimierten LKW-Platoon Layouts und der Möglichkeiten einer zentralisierten Steuerung des Spurversatzes mittels V2I Vernetzung wird empfohlen um das Potential eines positiven Einflusses auf die Lebensdauer des Straßenoberbaus auf lange Sicht zu realisieren. Literaturverzeichnis [1] Aigner, Walter; Kulmala, Risto; Ulrich, Sandra (2019): Vehicle fleet penetrations and ODD coverage of NRA-relevant automation functions up to 2040. MANTRA: Making full use of Automation for National Transport and Road Authorities - NRA Core Business, Deliverable 2.1. [2] Blab, Roland; Eberhardsteiner, Lukas; Haselbauer, Katrin; Marchart, Bettina; Hessmann, Torsten (2014): OBESTO. Implementierung des GVO und LCCA-Ansatzes in die österreichische Bemessungsmethode für Straßenoberbauten. Bericht für die ASFINAG, FFG Projektnummer 2824558, zuletzt geprüft am 18.09.2019. [3] Bouchihati, Mohamed el (2020): The impact of truck platooning on the pavement structure of Dutch Motorways. TU Delft, zuletzt geprüft am 30.06.2020. [4] Chen, Feng; Song, Mingtao; Ma, Xiaoxiang; Zhu, Xingyi (2019): Assess the impacts of different autonomous trucks’ lateral control modes on asphalt pavement performance. In: Transportation Research Part C: Emerging Technologies 103, S. 17-29. DOI: 10.1016/ j.trc.2019.04.001. [5] Devesa, Antoine; Indinger, Thomas (2011): Verbrauchsreduktion an Nutzfahrzeugkombinationen durch aerodynamische Maßnahmen. FAT-Schriftenreihe 237, zuletzt geprüft am 24.06.2020. [6] Gungor, Osman Erman; Al-Qadi, Imad L. (2020a): All for one: Centralized optimization of truck platoons to improve roadway infrastructure sustainability. In: Transportation Research Part C: Emerging Technologies 114, S. 84-98. DOI: 10.1016/ j. trc.2020.02.002. [7] Gungor, Osman Erman; Al-Qadi, Imad L. (2020b): Wander 2D: a flexible pavement design framework for autonomous and connected trucks. In: International Journal of Pavement Engineering, S. 1-16. DOI: 10.1080/ 10298436.2020.1735636. [8] Jermann, Jörg; Oehry, Bernhard; Bosch, Ralf; Schmid, Thomas; Gasser, Yves; van Driel, Cornelie; Kryeziu, Gzim (2017): Chancen und Risiken des Einsatzes von Abstandshaltesystemen sowie des Platoonings von Strassenfahrzeugen - Machbarkeitsanalyse. Basel, zuletzt geprüft am 08.03.2019. [9] PMS Consult (2019): PMS Daten für die ausgewählten Streckenabschnitte. Bautyp, Schichtenzusammensetzung, Zustand, Verkehrsstärke