Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2021
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Auswirkungen der Digitalisierung auf Infrastrukturmaßnahmen
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2021
Rebecca Probst
Martin Seitner
Die Digitalisierung von Verkehrsinfrastrukturen und der Einsatz der BIM-Methode liefern transparente Daten für Entscheidungsgrundlagen. Um daraus auch die Prüf- und Genehmigungsprozesse beschleunigen zu können, bedarf es neben der Software, fähigem Personal und neuen Prozessen vor allem Standards. Diese sind vor allem für die Nutzung von Informationen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks wesentlich, denn erst standardisierte, strukturierte und
maschinenlesbare Daten ermöglichen den Einsatz von maschinellem Lernen und automatisierter Datenverarbeitung.
Dabei können die sogenannten digitalen Zwillinge eines Bauwerks durch die automatisierte Verarbeitung von Punktwolkendaten von Bestandsmodellen erzeugt werden, oder durch digitale Planungsmethoden und die Anreicherung von Daten in der Planungs- und Bauphase zu Bestandsmodellen generiert werden. Durch standardisierte Daten können Erhaltungsmaßnahmen bauwerksübergreifend betrachtet und neue Zusammenhänge ermittelt werden, um diese vorausschauend zu steuern, die Lebensdauern zu verlängern und ressourcen- und klimaschonende Aspekte zu beachten.
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2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 375 Auswirkung der Digitalisierung auf Infrastrukturmaßnahmen Wo fängt die Digitalisierung an und in welchen Bereichen werden Infrastrukturmaßnahmen davon beeinflusst? Welchen Einfluss hat die Standardisierung auf die Digitalisierung? Wieviel Standardisierung benötigt die Digitalisierung? Rebecca Probst Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten, Deutschland Martin Seitner Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten, Deutschland Zusammenfassung Die Digitalisierung von Verkehrsinfrastrukturen und der Einsatz der BIM-Methode liefern transparente Daten für Entscheidungsgrundlagen. Um daraus auch die Prüf- und Genehmigungsprozesse beschleunigen zu können, bedarf es neben der Software, fähigem Personal und neuen Prozessen vor allem Standards. Diese sind vor allem für die Nutzung von Informationen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks wesentlich, denn erst standardisierte, strukturierte und maschinenlesbare Daten ermöglichen den Einsatz von maschinellem Lernen und automatisierter Datenverarbeitung. Dabei können die sogenannten digitalen Zwillinge eines Bauwerks durch die automatisierte Verarbeitung von Punktwolkendaten von Bestandsmodellen erzeugt werden, oder durch digitale Planungsmethoden und die Anreicherung von Daten in der Planungs- und Bauphase zu Bestandsmodellen generiert werden. Durch standardisierte Daten können Erhaltungsmaßnahmen bauwerksübergreifend betrachtet und neue Zusammenhänge ermittelt werden, um diese vorausschauend zu steuern, die Lebensdauern zu verlängern und ressourcen- und klimaschonende Aspekte zu beachten. Auswirkung der Digitalisierung auf Infrastrukturmaßnahmen 376 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 1. Building Information Modeling In der Baubranche wird Digitalisierung oft mit Building Information Modeling (kurz BIM) gleichgesetzt. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur definiert BIM als eine kooperative Arbeitsmethodik, mit der auf der Grundlage digitaler Modelle eines Bauwerks die für seinen Lebenszyklus relevanten Informationen und Daten konsistent erfasst, verwaltet und in einer transparenten Kommunikation zwischen den Beteiligten ausgetauscht oder für die weitere Bearbeitung übergeben werden. Im Mittelpunkt dieser Methode steht ein virtuelles 3D-Bauwerksmodell, welches neben geometrischen und topologischen auch semantische Informationen beinhaltet. Das Bauwerksmodell kann für viele Anwendungsfälle in der Planungs-, Ausführungs- und Betriebsphase verwendet werden und führt zu einer erheblichen Effizienz- und Qualitätssteigerung in allen Lebenszyklusphasen einer Infrastruktur. Die Digitalisierung von Infrastrukturmaßnahmen beginnt jedoch bereits bevor ein Modell entsteht und entwickelt vor allem in der Betriebs- und Erhaltungsphase erhebliche Potenziale. Abbildung 1: Building Information Modeling (BIM) (Quelle: Konstruktionsgruppe Bauen AG) 2. Herausforderungen in Verkehrsinfrastrukturprojekten Verkehrsinfrastrukturbauwerke sind im Gegensatz zu Hochbauten stark mit ihrer Umwelt vernetzt und müssen so auch im Gesamtkontext betrachtet werden. Infrastrukturprojekte sind entsprechend weitläufig und bestehen aus in Abhängigkeit zueinander stehenden, verschiedenartigsten Bauwerksstrukturen wie den linienförmigen Strecken, den punktförmigen Brücken und dem flächenförmigen Gelände. Während der Bauphase wandert zudem die Baustelle kontinuierlich entlang der Strecke und stellt somit hohe Anforderungen an die geographische Lage der Plandaten. Weiterhin wechseln Infrastrukturprojekte in der Lebenszyklusbetrachtung eines Bauwerkes häufig die Zuständigkeiten in der Verwaltung auch wenn diese letztendendes in einer Hand bleiben. Dennoch ist der Ablauf solcher Projekte von der Idee bis zum Abriss in zahlreichen Regelwerke, Standards, Normen und Richtlinien definiert und werden im konventionellen Planungsprozess auch entsprechend umgesetzt. 3. Digitalisierung und Standardisierung Die Digitalisierung ist der Wandel von analogen Prozessen hin zu digitalen Prozessen. Die Digitalisierung in Baubranche ist kein IT-Thema, sondern trifft alle Bereiche, in denen durch die Digitalisierung neue Produkte, neue Prozesse und neue Wege entstehen. Ein wesentlicher Mehrwert der Digitalisierung von Infrastrukturprojekten entsteht erst in der Verwendung gleicher Informationen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks hinweg. Um dies über alle Lebenszyklusphasen zu nutzen sind einheitliche Datenstrukturen über alle Phasen sowie alle Bauwerke einer Verwaltungseinheit, unerlässlich. Um dies gewährleisten zu können, ist es erforderlich nach einheitlichen Standards zu arbeiten und auch die Abbildung 2: Verkehrsinfrastrukturmodell (Quelle: Konstruktionsgruppe Bauen AG) Auswirkung der Digitalisierung auf Infrastrukturmaßnahmen 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 377 vorhandenen Standards in das digitale Zeitalter zu heben. Dabei ist es wesentlich auch die Prozesse aller Projektbeteiligten, vom Bauherrn über die Planer, die ausführenden Unternehmen, die Genehmigungsbehörden, die Prüfingenieure, die Projektsteuerer bis hin zum Bauleiter und den Betrieb zu betrachten. Erst die standardisierten, strukturierten und maschinenlesbare Daten ermöglichen die Anwendung von automatisierten Prozessen, Machine Learnig Verfahren, DataMining und den Einsatz von künstlicher Intelligenz. So können Zusammenhänge und Muster automatisiert erkannt werden und durch den ingenieurtechnischen Sachverstand bewertet werden. Erhaltungsmaßnahmen können vorausschauend gesteuert, Lebensdauern der Bauwerke verlängert und ressourcen- und klimaschonende Aspekte beachtet und Maßnahmen optimiert geplant werden. Im Zuge verschiedener Forschungsprojekte werden die Anforderungen an die Standardisierung von digitalen Projekten untersucht. 4. Digitalisierung im Lebenszyklus Die Digitalisierung von Bauprojekten beginnt bereits bei der ersten Projektidee. Vor allem in der Projektvorbereitung werden wesentliche Grundlagen für die Digitalisierung eines Infrastrukturprojektes gelegt. In dieser Phase werden die Datenstrukturen definiert, Koordinationsprozesse, Ablagestrukturen und Projektplattformen aufgesetzt und implementiert und die digitalen Aspekte in den Ausschreibungen berücksichtigt. Um die Informationen allen Projektbeteiligten redundanzfrei und transparent zur Verfügung zu stellen werden diese in 3D-Modellen und damit verknüpften Datenbanken auf einer Projektplattform zentral gespeichert. In einem kooperativen, modellbasierten Planungsprozess werden die relevanten Daten und Informationen konsistent erfasst, verwaltet und transparent ausgetauscht. Eine große Herausforderung stellt hier derzeit noch die Diskrepanz zwischen den geltenden Regelwerken und den Möglichkeiten digitaler Prozesse dar. So werden beispielsweise Plandarstellungen von Bauwerksentwürfen in den Richtlinien RAB-ING bzw. RE 2012 detailliert beschrieben. Die BIM-Methode bietet jedoch neue Möglichkeiten einen Bauwerksentwurf ohne Pläne darzustellen. Wichtig zu betrachten ist dennoch, dass auch modellbasierte Darstellungen vergleichbar geprüft und weiter bearbeitet werden müssen. Dafür ist es erforderlich, dass es auch die digitalen Planungsergebnisse soweit standardisiert werden, dass auch die Prüfprozesse digitalisiert, standardisiert und ggf. teilautomatisiert werden können. Für die Übergabe von Planungsdaten in die Ausführungsphase werden standardisierte Daten erforderlich, um so die Prozesse der ausführenden Firmen, der Bauoberleitung und Bauüberwachung sowie aller weiterer Projektbeteiligten über alle Projekte hinweg vereinheitlichen zu können. Bei den ausführenden Firmen hebt die Digitalisierung den Mehrwert vor allem in der Vorfertigung von Bauteilen und der optimierten Steuerung ihrer Baumaschinen. Dafür dienen die BIM-Modelle aus der Planungsphase als Grundlage. Die vernetzten Daten zwischen Baumaschinen und digitalen Modellen ermöglichen eine optimierte Ausführungsqualität und effiziente Prozesse. Über Cloud Computing wird die Vernetzung von Informationen mit beispielsweise Echtzeitinformationen von Baumaschinen genutzt, um Bauprozesse zu optimieren. Abbildung 3: Gründe für die Lebenszyklusbetrachtung von Bauwerke (Quelle: Konstruktionsgruppe Bauen AG)