eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 2/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2021
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VERLEIHT FLÜGEL - Anwenderfreundlichkeit als Schlüssel für den erfolgreichen Einsatz von Aerial Data im Infrastrukturbau

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2021
Christian Wörner
Planungs- und Bauprozesse von Infrastrukturobjekten sind in technischen, finanziellen und operativen Aspekten sehr komplex und erfordern ein hohes Maß an interdisziplinärem Management und Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten und Interessensvertretern. Bis heute werden viele der integralen Arbeitsschritte, wie bautechnische und vertragliche Zustandserfassungen oder abrechnungsrelevante Festlegungen und Nachweise, mit einer hohen Zahl an Baustellenbegehungen, einzeln aufgenommenen Notizen und Fotos, und mit manuell bedienten Vermessungswerkzeugen durchgeführt. Im Folgenden werden die sich gerade etablierenden Technologien um Drohnen und deren Erfassung und Abbildung von Baustellen in der 3D- (Punktwolken) und 2D-Projektion (Orthomosaike) behandelt. Die Nutzung dieser neuen Technologien und die daraus entstehenden Daten setzt in der Regel Spezialwissen im Einsatz von Prozessierungs-, CAD- und Vermessungssoftware heraus. Es wird gezeigt, wie intuitive Software-Lösungen und die Minimierung von benötigten Spezialkenntnissen, Mehrwerte der Technologien für alle im Bau Beteiligten bringt.
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2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 551 VERLEIHT FLÜGEL - Anwenderfreundlichkeit als Schlüssel für den erfolgreichen Einsatz von Aerial Data im Infrastrukturbau Dipl.-Ing. Christian Wörner VIA IMC GmbH, Berlin, Deutschland Zusammenfassung Planungs- und Bauprozesse von Infrastrukturobjekten sind in technischen, finanziellen und operativen Aspekten sehr komplex und erfordern ein hohes Maß an interdisziplinärem Management und Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten und Interessensvertretern. Bis heute werden viele der integralen Arbeitsschritte, wie bautechnische und vertragliche Zustandserfassungen oder abrechnungsrelevante Festlegungen und Nachweise, mit einer hohen Zahl an Baustellenbegehungen, einzeln aufgenommenen Notizen und Fotos, und mit manuell bedienten Vermessungswerkzeugen durchgeführt. Im Folgenden werden die sich gerade etablierenden Technologien um Drohnen und deren Erfassung und Abbildung von Baustellen in der 3D- (Punktwolken) und 2D-Projektion (Orthomosaike) behandelt. Die Nutzung dieser neuen Technologien und die daraus entstehenden Daten setzt in der Regel Spezialwissen im Einsatz von Prozessierungs-, CAD- und Vermessungssoftware heraus. Es wird gezeigt, wie intuitive Software-Lösungen und die Minimierung von benötigten Spezialkenntnissen, Mehrwerte der Technologien für alle im Bau Beteiligten bringt. 1. Einleitung Die Prozesse in Planung und Bau von Infrastrukturobjekten sind in technischen, finanziellen und operativen Aspekten sehr komplex und erfordern ein hohes Maß an interdisziplinärem Management und Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten und Interessensvertretern. Ein integraler Bestandteil der erfolgreichen Abwicklung von Bauprojekten ist es, den sich schnell verändernden Zustand einer Baumaßnahme zu erfassen - einerseits als übergreifende Kommunikations- und Entscheidungsgrundlage, aber vor allem auch zur akkuraten Vermessung. Bis heute werden diese Arbeiten mit einer hohen Zahl an Baustellenbegehungen, einzeln aufgenommenen Notizen und Fotos, und mit manuell bedienten Vermessungswerkzeugen durchgeführt. Der Infrastrukturbausektor erlebt gerade einen Wandel, wodurch die komplexen Prozesse mit der Unterstützung von neuen Technologien und digitalen Methoden optimiert werden können. Mit der raschen technischen Entwicklung von Drohnen wurden in jüngster Zeit die Vorteile im Einsatz in der Bauwirtschaft erkannt. Durch die Prozessierung von Luftbilddaten können großflächige Oberflächenbilder (sog. Orthophotos bzw. Orthomosaik) und 3D Punktwolken erstellt werden, die die Realität in Milliarden von akkuraten Punkten in ihrer tatsächlichen dreidimensionalen Verortung abbilden. Der korrekte Einsatz dieser Technologie mit industrieneutralen Standardlösungen, sowie die effiziente Ableitung von Informationen, erfordert jedoch ein hohes Maß an technischem Verständnis und Erfahrung. Für die Anwendung im Straßenbau ist es wichtig, einen einfachen und schnellen Zugang zu diesen Informationen für alle am Bau Beteiligten, vom Auftraggeber bis hin zum Bauhandwerker, zu gewährleisten. In den folgenden Kapiteln wird anhand der für den Straßenbau entwickelten Webplattform AVUS.DIGITAL gezeigt, wie nutzerfreundliche cloudbasierte Softwarelösungen in der Vermessungsdisziplin, bei der Erstellung von Lageplänen und Berechnung von Massen und Mengen, aber auch beim Projekt- und Kosten-Controlling, unterstützen. Barrieren, wie komplexe Experten-Software oder der eigenverantwortliche Umgang mit riesigen Datenmengen, sowie die Angst vor der Digitalisierung, gilt es zu nehmen und die Anwendung von Zukunftstechnologien für jeden zu ermöglichen. Anwenderfreundliche Lösungswege werden klassischen Methoden in Vermessung und Bau, aber auch etablierten Softwarelösungen und Abläufen gegenüber gestellt. VERLEIHT FLÜGEL - Anwenderfreundlichkeit als Schlüssel für den erfolgreichen Einsatz von Aerial Data im Infrastrukturbau 552 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 2. Klassische Methoden 2.1 Bau- und Landvermessung Die Vermessung ist eine der elementarsten Disziplinen in der Abwicklung von Bauprojekten. Die akkurate Projektion von Objekten, Bauteilen oder Grenzen in horizontaler und vertikaler präziser Bestimmung bildet die objektive Faktengrundlage für die Planung, Abrechnung, Bauprozesse und Nachweisführung. Traditionell werden hierzu terrestrische Vermessungsgeräte, wie Nivelliergeräte, Tachymeter oder GPS/ GNSS- Empfangsgeräte verwendet. Diese weisen, trotz unterschiedlicher technischer Basistechnologien, ähnliche Funktion auf: Die messtechnische Bestimmung von x, y und z Koordinaten in den örtlich relevanten Koordinatensystemen. Zur Vermessung von Punkten mit terrestrischen Vermessungsgeräten müssen die Punkte physisch vom Vermessungspersonal begangen werden, da in der Regel das Empfangsgerät (bspw. Nivelliergerät, GPS/ GNSS Roverstab, Tachymeter,..) auf den zu vermessenden Punkt gestellt wird, und diesen entweder absolut oder in Relation zu vorher gemessenen Punkten oder Projektfestpunkten, misst. Eine Ausnahme und Neuerung der letzten Jahre hier bilden bodengeführte Laserscanner ab, die durch LiDAR Technologien weitflächig Punkte in der Ferne aufnehmen können. Gerade im Straßenbau sind viele zu messende Bereiche nicht oder nur schwer zugänglich - entweder durch noch bzw. schon aktiven Verkehr auf der Infrastrukturfläche oder wegen unerreichbarem Terrain. Dies erschwert oft die Ausführbarkeit der notwendigen Vermessung und erfordert viel Vorplanung. Da diese Methoden viel Fachwissen benötigen, wird die Vermessung in der Regel von geschulten Vermessungsingenieuren bzw. Vermessern durchgeführt. Die Landeskatastervermessung wird üblicherweise nur durch einen nachgewiesenen ÖBVI (Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur) durchgeführt. Dieser Umstand bedingt, dass die Vermessung, auch bei Bauprojekten, nur durch speziell ausgebildetem Personal durchgeführt werden kann. Die vertraglichen Vorgaben und Anforderungen von Auftragsbehörden von Bund und Länder erfordern ebenfalls eine ausführliche vermessungstechnische Begleitung. Ein großer Teil davon ist es, Abrechnungsgrundlagen zu schaffen, indem relevante Punkte bzw. komplexe Punktzüge einer zu erbringenden Leistung eingemessen und digital aufbereitet werden. Die aufgemessenen Punkte werden nach der Erfassung vor Ort in Vermessungssoftware bzw. CAD (Computer Aided Design)-Software übertragen, ausgewertet und umgewandelt, etwa in PDF Planungsunterlagen oder digitale Austauschformate. 2.2 Prozesse im Bau- und Infrastrukturmanagement Für die erfolgreiche Abwicklung eines Bauprojekts sind verschiedene Teilprozesse zu bearbeiten. Im Folgenden werden vor allem die Prozesse eins ausführenden Unternehmens aufgeführt, wobei die Aufgaben von anderen Akteuren wie Auftraggeber, Oberbauleitung, Bauüberwachung oder Umweltbegleitung, etc. - ähnlicher Komplexität und Struktur, und somit übertragbar, sind. Die folgend aufgeführten Prozesse werden in ihrer klassischen Ausführungsart kurz beschrieben und in späteren Kapiteln, in Hinblick auf die Durchführung mit Hilfe von durch Drohnen erstellten Daten, wieder aufgegriffen. 2.2.1 Mengenermittlung und Kalkulation in der Angebotsphase In der herkömmlichen Abwicklung beginnt in der Regel ein Bauprojekt für ein Unternehmen mit einem Vergabeverfahren und der damit verbundenen Angebotsstellung. In der Angebotskalkulation müssen die Planungs- und Ausschreibungsunterlagen analysiert und nach örtlichen Begebenheiten bepreist werden. In dieser Phase ist es oft schwierig, die gesamten Zusammenhänge eines Infrastrukturprojekts, vor allem bei hoher örtlicher und technischer Ausprägung, durchzusehen. Kalkulatoren beruhen sich daher oft auf Erfahrungswerte und Schätzungen, um Unsicherheiten und Unklarheiten auszugleichen. „Die Baukalkulation beruht in großem Maße auf Schätzungen und Prognosen. Deshalb ist es unerlässlich, während der Erstellung eines Bauprojektes mithilfe dieser kurzfristigen Erfolgsrechnungen zu prüfen, ob und inwieweit der in der Kalkulation vorgesehene Betrag für Gewinn und Wagnis erzielt wurde.“ (Leimböck, 2015) 2.2.2 Bauabrechnung und Bestandsvermessung Um die ausgeführten Bauleistungen abrechnen zu können, muss eine ausführliche Nachweisführung erbracht werden. Die Nachweisführung besteht oft aus durch Vermesser erstellte Aufmaßblätter und Abrechnungsplänen, die die Leistungen in ihrer akkuraten Projektion, bspw. als Polygonzug, abbilden. Für monatliche Abschlagszahlungen und vor allem die Schlussrechnung am Ende eines Bauprojekts ist die lückenlose Abrechnungsgrundlage zu schaffen. Die Bestandsvermessung ist die digitale Abbildung von Objekten, die zur Planung und Durchführung baufachlicher Aufgaben für Bauunternehmen, Auftraggeber oder Liegenschaftsverwaltungen verwendet wird. VERLEIHT FLÜGEL - Anwenderfreundlichkeit als Schlüssel für den erfolgreichen Einsatz von Aerial Data im Infrastrukturbau 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 553 Abbildung 1: Auszug eines Abrechnungsplans mit vermaschten Flächen und Aufmaß der hergestellten Fahrbahn Quelle: VIA IMC GmbH 2.2.3 Baufortschrittsdokumentation Um die sich stetig verändernden Zustände einer Baustelle im Blick zu haben und zu verstehen, sind Bauleiter und Poliere ständig vor Ort auf der Baustelle. Visuelle Inspektionen und Absprachen mit den Gewerken sind essentiell, um den Baufortschritt nachzuvollziehen. Diese Art des Baustellenmanagements setzt die dauerhafte örtliche Verfügbarkeit des leitenden Baustellenpersonals voraus. Eine Vielzahl von Informationsquellen, wie Baupläne, zeitliche Bauablaufpläne und Kosteninformationen, müssen abgewägt und aktualisiert werden (Navon 2007). Für die visuelle Inspektion werden oft tausende Fotos mit „Point-And-Shoot“-Kameras oder Smartphones erstellt, was zu einer unkontrollierbaren Datenmenge führt. Die Bauleiter sind in der Regel eng mit den Vermessern in Kontakt, um die Informationskette zwischen Abschluss einer Teilmaßnahme und abrechnungsreifer Aufmaßerstellung kurz zu halten. 2.2.4 Beweissicherung In Erweiterung zur Baufortschrittsdokumentation, spielt die Beweissicherung für Bauunternehmen eine große Rolle. Die Absicherung während des Baus und bei Fertigstellung von Bauwerken gegenüber Nachunternehmern und Auftraggebern ist wichtig, um etwaigen Mangelansprüchen entgegenwirken zu können. Die baubegleitende Beweissicherung wird oft mit einer ausführlichen Fotodokumentation erstellt. 3. Stand der Technik von Drohnen und Erzeugung von Luftbilddaten Die Nutzung von Luftbilddaten findet schon seit einigen Jahrzehnten in der Geodäsie zur Herstellung von Geländemodellen oder Landkarten Anwendung. Der Übergang zur Landes- und Flächenplanung geschah historisch nahtlos. Bis vor wenigen Jahren waren es noch Flugzeuge im Niedrigflugbereich, mit denen die Vielzahl von Karten für Bundes- und Länderbehörden erstellt wurden. Erst durch jüngste technologische Entwicklungen von unbemannten Luftfahrzeugen (engl. Unmanned Aerial Vehicle, UAV, ugsl. Drohnen) wurde es möglich, auch für private oder kommerzielle Nutzer, solche Flüge durchzuführen. Heutzutage werden Luftbilderfassungen v.a. für die Erstellung von 3D Punktwolken und 2D Orthophotos, also die perfekte orthogonale Aufsicht auf die überflogenen Flächen, genutzt. 3.1 Drohnen / UAVs Unbemannte Luftfahrtzeuge (UAVs) bzw. Drohnen, sind autonom flugfähige Geräte mit einer Vielzahl von Sensoren: GPS/ GNSS-Empfänger, verschiedene Kameras zur eigenen Verortung und Abstandsermittlung, Beschleunigungssensoren / Inertial Measurement Units und magnetische Sensoren für die Flugsteuerung und RGB-Photo- oder LiDAR-Sensoren für die Bilderfassung. Die zwei am häufigsten Bauarten von Drohnen sind die „Fixed Wing“-Drohnen und Quadrocopter. „Fixed Wing“-Drohnen ähneln in Aufbau und Flugart am ehesten Flugzeugen bzw. Segelflugzeugen. Mit den zwei großen Flügeltragflächen seitlich und einen i.d.R. frontal angebrachten Rotor, kann mit wenig Energieverbrauch große Distanzen abgeflogen werden. Da diese Starrflügler-Drohnen wenig agil und von der Vorwärtsbewegung abhängig sind, werden sie hauptsächlich für ebene, langgezogene, Flächen verwendet. Für den Einsatz im Infrastrukturbau sind sie daher aus technischer Sicht gut geeignet, jedoch erlaubt es die Gesetzgebung aktuell maximal nur in seltenen Ausnahmefällen das Gerät außerhalb der Sichtweite des Piloten über einem Infrastrukturobjekt (etwa Autobahn oder Landstraße) zu fliegen. Quadrocopter sind die Art von UAVs, mit denen die meisten Menschen den Begriff Drohnen assoziieren. Wie der Begriff sagt, wird ein Quadrocopter durch vier Propeller an 4 Motoren, angetrieben. Dies erlaubt dem Fluggerät eine hohe Flexibilität in der Bewegung im dreidimensionalen Raum. Durch die dauerhafte Regelung der vier Motoren ist der Energieverbrauch hoch und somit die Betriebsdauer durch die Akkugröße bei modernen Prosumer-Geräten auf 20-30 Minuten limitiert. Im Zuge dieser rasanten technologischen Entwicklung in den letzten Jahren wird die Luftbilderfassung und die damit verbundene Erzeugung von Orthomosaiken und 3D Punktwolken mit RGBbzw. LiDAR-Sensoren immer gängiger und in der Industrie akzeptiert und adaptiert (Qu et al. 2014). VERLEIHT FLÜGEL - Anwenderfreundlichkeit als Schlüssel für den erfolgreichen Einsatz von Aerial Data im Infrastrukturbau 554 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 3.2 Photogrammetrie Unter den Begriff Photogrammetrie fallen Verfahren, mit denen primär Farb- und geometrische Informationen im zwei- und dreidimensionalen Raum aus mehreren Bildern erzeugt werden können. Die mathematischen Berechnungen dahinter erkennen auf unterschiedlichen Bildern gleiche Punkte und können daraus den räumlichen Bezug der abgebildeten Objekte bzw. Texturen herstellen. Die einfachste Anwendung dabei ist in der Stereoskopie, wo in zwei Bildquellen Informationen zu Raumtiefe oder Distanz berechnet werden können. In der Kartographie und Erstellung von Geländemodellen wurden oft Bilder aus Bildflügen von Flugzeugen oder Satelliten genutzt. Mit der erhöhten Anzahl, Auflösung und Überlappung der Bilder steigt auch der computing-Aufwand erheblich, so dass die Technologie in den letzten Jahren mit der immer stärker werdenden Rechenkraft von Computer-Systemen erhöhte und effiziente Anwendung und damit auch neue Anwendungszwecke in verschiedenen Industriesektoren findet. Durch die flexible Nachprozessierung können durch RGB-Bildaufnahmen die 2D-Orthomosaike (perfekte orthogonale Projektion, etwa wie ein Satellitenbild) bzw. farbigen 3D Punktwolken erstellt werden. 3.3 Laser-Scanning Terrestrische Laser-Scanner sind bereits als Vermessungswerkzeug etabliert und finden vor allem im Hochbau Einsatz. Im Infrastrukturbau werden Laser-Scanner häufig bei Bauwerken und vertikalen Vermessungen eingesetzt. Auch für UAVs/ Drohnen gibt es mittlerweile LiDAR-Sensoren für kommerzielle Nutzung, mit denen 3D Vermessungen durchgeführt werden können. Die Sensoren sind im Vergleich zu normalen RGB-Kameras und Photogrammetrie-Prozessierung erheblich kostenintensiver. Die durch LiDAR-Sensorik erstellten Punktwolken sind sehr präzise und durch das Nachprozessieren können sehr detaillierte Punktwolken erstellt werden. Ohne weitere aufwändige Nachprozessierung enthalten die 3D Punktwolken jedoch keine Farbinformationen. 4. Anwendung von Aerial Data in den Infrastruktur-/ Bauprozessen Infrastruktur- und Straßenbauprojekte weisen oft eine große örtliche Ausdehnung und hohe Komplexität in den logistischen, planerischen und bautechnischen Anforderungen auf. Von der Planung, über die Bauausführung bis hin zur Fertigstellung hat es hohe Priorität, den aktuellen Zustand zu erfassen und bewerten zu können. Für den Gesamtüberblick werden oft Satellitenbildkarten verwendet. Wie im Eingang beschrieben, ist die Vermessungsdisziplin eine der essentiellen Bestandteile der erfolgreichen Projektabwicklung und unterstützt die Prozesse in Planung, Modellierung, Abrechnung oder Dokumentation. Vermessungs- und CAD-Software-Systeme werden im Straßenbau klassisch zur Planung von Objekten und zur Erfassung des Ist-Zustands verwendet, um abrechnungssichere Lagepläne zu erstellen. Mengen und Volumen werden beispielsweise durch Dreiecksvermaschung von einzeln gemessenen Punkten oder durch die annähernde Berechnung über Achsen und Querprofile berechnet. Aerial Data, also die durch Luftaufnahmen erstellten Datensätze wie Punktwolken und 2D Bilder, kann die bereits etablierten Arbeitsprozesse mit dem hohen Grad an Detailgenauigkeit unterstützen. Die Industrie hat den Nutzen bereits in den letzten Jahren entdeckt und drohnengestützte Bestandserfassungen sind bereits in der Bergbauindustrie oder der Landwirtschaft gängig. Der Bausektor, der sowieso gerade einen Digitalisierungswandel um 3D Planung und BIM erfährt, bringt mehr und mehr Akzeptanz dieser Technologie gegenüber. Drohnenhersteller und Software-Unternehmen haben den Absatzmarkt bereits erkannt und bieten Software- Lösungen für den automatisierten Flug und die Erfassung von Bildern mit Drohnen, und zur Photogrammetrie-Prozessierung, an. Mit der Verknüpfung von Passpunkten (engl.: Ground Control Points) werden die Bilder an das örtliche und projektbezogene Koordinatensystem verbunden und erlangen damit eine hohe ortsbezogene Genauigkeit: es kann eine cm-genaue horizontale Lage und eine vertikale Genauigkeit von unter 3cm (Moser et al. 2016) erreicht werden. Diese Toleranz ermöglicht den Einsatz als Vermessungswerkzeug und liegt innerhalb derer einiger Anforderungen und Regelwerke. Die folgenden Abbildungen zeigen Beispiele im Infrastrukturbau der durch Luftbilder erstellten Daten. Abbildung 2: Orthomosaik eines ca. 240.000 m² großen Bauprojekts Quelle: AVUS.DIGITAL, VIA IMC GmbH VERLEIHT FLÜGEL - Anwenderfreundlichkeit als Schlüssel für den erfolgreichen Einsatz von Aerial Data im Infrastrukturbau 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 555 Abbildung 3: Detailansicht eines Orthophotos in einer Auflösung von 1 cm/ px Quelle: AVUS.DIGITAL, VIA IMC GmbH Abbildung 4: Detailansicht einer 3D-Punktwolke mit einer Auflösung von 0,27cm/ px Quelle: AVUS.DIGITAL, VIA IMC GmbH 4.1 Nutzung von Aerial Data in gängiger Vermessungs- und CAD-Software Die Punktwolken beinhalten je nach Größe der beflogenen Projekte mehrere Millionen bis hin zu Milliarden einzelner Punkte und werden üblicherweise im binären .las-Format gespeichert. Solche Dateien erreichen sehr schnell Dateigrößen von mehreren Gigabytes, bis hin zu 100 GB pro Datei für große und dichte Punktwolken. Hochaufgelöste Orthophotos können durch unkomprimierte Bildformate ähnlich große Dimensionen einnehmen. Für Software zur Nutzung dieser Daten bedeutet das eine große Herausforderung in der internen Verarbeitung und Vorprozessierung, so dass es keine erheblichen Ladezeiten während der Bearbeitung gibt. Für viele Software-Hersteller war dies eine plötzlich aufkommende Anforderung an ihre Produkte, so dass viele etablierte Programme diese Dateien nicht hinreichend und performant unterstützen können. Programme, bspw. wie iTWO civil, Bentley Open Roads oder Autodesk Revit, lösen dies, indem die Punktwolken beim Importvorgang in ein programm-natives Format umgewandelt wird. Dieser Prozess kann bei großen Datenmengen bis hin zu Stunden dauern. Oft werden die .las- und .tif-Dateien über Cloud-Storage an Projektpartner versendet - das Herunterladen und Umkonvertieren kann bereits einige Stunden in Anspruch nehmen, bevor die Arbeit beginnen kann. Abbildung 5: Eine detaillierte Punktwolke in der Software iTWO civil von RIB Quelle: VIA IMC GmbH Wie in der Abbildung zu sehen ist, bietet eine durch Luftaufnahmen erstellte Punktwolke ein hohes Maß an Details und eine große Menge an Punkten. Im Vergleich zum klassischen Vorgehen, wo im Vorfeld geklärt werden muss, welche Objekte aufgemessen werden, kann hier im Nachgang und zu jeder Zeit auf die perfekte Projektion eines Bauprojekts zugegriffen werden. Je nach anstehender Aufgabe können hier Volumen von Erdflächen, Längen und Höhen von eingebautem Asphalt oder Brückenbauteilen bestimmt werden. Für die Abrechnung gibt es in den Abrechnungsrichtlinien und Normen der Auftraggeber Vorgaben, wie Volumen und Mengen berechnet werden. Abbildung 6: Dreiecksvermaschung in iTWO civil von RIB Quelle: VIA IMC GmbH Durch das Vermaschen von einzelnen Punkten werden Digitale Geländemodelle (DGM) erstellt, zwischen denen das Volumen berechnet werden kann. Das Vorge- VERLEIHT FLÜGEL - Anwenderfreundlichkeit als Schlüssel für den erfolgreichen Einsatz von Aerial Data im Infrastrukturbau 556 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 hen wird sowohl durch Punkte aus der Punktwolke, als auch mit terrestrisch aufgemessenen Punkten, angewendet. Eine weitere grundlegende Berechnungsart von Material ist die Achsen- und Querschnitts-Berechnung. In gleichen Abschnitten entlang einer Straßenachse werden Querschnitte des Ist- und Soll-Zustands beschrieben, um somit das gesamte Volumen vom eingebauten oder einzubauenden Materials entlang der jeweiligen Achse zu bestimmen. Obwohl die Software bei der Erstellung der Querprofile Automatismen bietet, wird ein erheblicher Aufwand in der Bearbeitung und Extrahierung der Punkte benötigt. Abbildung 7: Querprofilberechnung in iTWO civil von RIB Quelle: VIA IMC GmbH Eine weitere Unterstützung von Aerial Data in den Bauprozessen findet sich in der Abrechnungs- und Lageplanerstellung. Klassischerweise werden erbrachte Leistungen durch terrestrisch vermessene Punkte und Polygonzüge nachgewiesen. Zur fehlerfreien Dokumentation bedeutet das eine dauerte vermessungstechnische Begleitung eines Bauvorhabens um jeden Baufortschritt festzuhalten. Die Zuziehung von Luftbildmaterial erlaubt es, viele Leistungen auf einmal abzubilden und im Nachgang im Büro aufzubereiten. Die zeitlich limitierte Begleitung vor Ort und damit verbundene Bauzeitverzögerungen sind somit auf ein Minimum reduzierbar. Abbildung 8: Lageplan unter Nutzung von Luftbildmaterial Quelle: VIA IMC GmbH Die Nutzung von Luftbilddaten - Punktwolken und Orthomosaike - bieten also einen erheblichen Mehrwert in der Planung, Vermessung und Modellierung, und somit für die integralen Bestandteile eines jeden Bauprojekts. Es ist anzunehmen, dass die UAV/ Drohnen in Zukunft zum Standardwerkzeug von Vermessungsingenieuren wird. Zusammenfassend ist zu sagen, dass in der aktuellen Nutzungsweise der Technologie sich folgende limitierende Faktoren aufzeigen: 1. Etablierte Bau-Software-Lösungen ermöglichen keine Ad-Hoc-Nutzung von großen Datenmengen. Die lange programmeigene Vorprozessierung nimmt Zeit von den Bearbeitern. 2. Datenvorhaltung wird zum Problem, wenn die Daten immer wieder heruntergeladen und lokal vorgehalten werden müssen, um sie in den Programmen zu nutzen. 3. Aktuell ist die Nutzung von Punktwolken und hochaufgelösten Luftbildern in den meisten Fällen den Vermessungsingenieuren und Planern vorbehalten, da nur diese über die CAD- und Vermessungssoftware verfügen. Zur Schaffung eines höheren Mehrwerts muss die Nutzung von Luftbilddaten für alle am Bau Beteiligten ermöglicht werden, um so Synergien in allen Bauprozessen zu erzeugen. Expertenwissen und spezielle Software- Skills dürfen keine Voraussetzung zur Verbesserung der Prozesse sein. 4.2 Idealvorstellung der Nutzung Vermessungsingenieure sind normalerweise diejenigen, die sich mit den Belangen von technologischen Neuerungen um Software und Hardware beschäftigen müssen. Dies betrifft die terrestrischen Vermessungswerkzeuge, wie Tachymeter, Nivelliere und GPS/ GNSS-Sensoren und nun auch Drohnen, sowie die mathematischen Auswertungen und Ausgleichsrechnungen, oder auch die Bedienung der beschriebenen CAD-Software-Lösungen. Diesem Umstand ist geschuldet, dass alle anderen Akteure von Bauprojekten generell weniger dazu neigen, sich mit neuen Programmen oder Geräten auseinandersetzen. VERLEIHT FLÜGEL - Anwenderfreundlichkeit als Schlüssel für den erfolgreichen Einsatz von Aerial Data im Infrastrukturbau 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 557 Demnach hat es in den letzten Jahrzehnten kaum bahnbrechende Entwicklungen gegeben, die die vielfältigen weiteren Bauprozesse betreffen. Viele verschiedene am Bau Beteiligte, vom Controlling und High-Level Management durch Geschäftsführer, Auftraggeber, Bauleiter oder Oberbauleiter, bis hin zu allen Baufachkräften, die an einem Werk beteiligt sind, greifen oft noch auf die gleichen Hilfsmittel zu, wie sie in den letzten Dekaden verwendet wurden. Der umfängliche Informationsgehalt von Luftbilddaten lässt jedoch viele etablierte Abläufe profitieren. Wir zeigen auf, wie eine cloudbasierte Plattform aussehen müsste, um dies zu ermöglichen. Im Folgenden werden Beispiele der Internetplattform AVUS.DIGITAL der VIA IMC GmbH gezeigt, die speziell für den Bau- und Infrastruktursektor entwickelt wurde. Vier grundlegende Herausforderungen müssen aus unserer Sicht behandelt werden: 1. Die Angst vor Veränderung und Digitalisierung muss genommen werden. Eine Software-Lösung muss intuitiv zu nutzen sein und darf nicht durch Komplexität abschrecken. 2. Die Nutzung muss einfach und ad-hoc funktionieren. Datenverwaltung muss durch Software übernommen werden. 3. Software-Barrieren müssen eliminiert werden und es darf keine weitere Insel-Lösung erstellt werden. Datenformate müssen fließend ineinander übergehen. 4. Voraussetzung an technisches Know-How muss auf ein Minimum gesetzt werden. Für die Luftbilderfassung gilt somit: Es kann nicht angenommen werden, dass die Nutzer Drohnenflüge selbst ausführen können. Der Zugang muss einfach und reibungslos stattfinden. Jeder Nutzer soll mit seinem persönlichen Benutzer-Account genau das machen können, was seine Arbeit unterstützt. Bei der Mitarbeit an verschiedenen Standorten beginnt der Einstieg mit einer klaren Übersicht über alle vorhandenen Projekte, wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist. Abbildung 9: Projektübersicht Quelle: AVUS.DIGITAL, VIA IMC GmbH Wer über keine eigene Drohne verfügt, kann eine Befliegung über das verknüpfte Pilotennetzwerk mit professionellen Drohnenpiloten zugreifen. Die Bestellung erfolgt direkt für den notwendigen Anwendungszweck, bspw. Urgeländeaufmaß, Bauabrechnung oder Bestandsdokumentation, für das ausgewählte Projekt an dem vom Projektteam gewünschten Termin. Abbildung 10: Bestellvorgang einer Befliegung Quelle: AVUS.DIGITAL, VIA IMC GmbH Mit der Möglichkeit auf externe Piloten zuzugreifen, wird die größte Hürde in der Nutzung von Luftbilddaten bereits genommen: die Kenntnisse, selbst mit einem UAV die Daten zu erzeugen. Die Investition in die notwendigen Geräte und Software ist oft für viele Unternehmen nicht tragbar. Weiterhin benötigt es Fachpersonal, das sich mit der Aneignung der notwendigen Fähigkeiten, Kenntnisnachweisen und Erlangung von Ausnahmegenehmigung auseinandersetzt. Die Möglichkeit, mit wenigen „Klicks“ einen Drohnenflug zu bestellen, ist der erste Schritt um einen einfachen Einstieg in die Technologie zu gewähren. Nachdem ein Flug erfolgte, werden die Daten in ein 2D Orthomosaik und 3D Punktwolke prozessiert und auf der Plattform dargestellt. Wie in der Abbildung unterhalb zu sehen, wird das 20+ GB große geoTIFF nahtlos und ohne Wartezeit angezeigt. Es ist möglich bis auf cm- oder mm-Detail hinein zu zoomen. Dies deutet auf den hohen Informationsgehalt hin. VERLEIHT FLÜGEL - Anwenderfreundlichkeit als Schlüssel für den erfolgreichen Einsatz von Aerial Data im Infrastrukturbau 558 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Abbildung 11: Gesamtüberblick und Detailansicht eines 5 km langen Straßenbauprojekts Quelle: AVUS.DIGITAL, VIA IMC GmbH Der schnelle Zugriff auf die Daten in 2D und 3D (siehe Abbildung 12) ist Grundvoraussetzung für die Nutzung im normalen Baualltag. Eine Anwendung muss auf verschiedenen Endgeräten wie PC, Tablet, Smartphone, kompatibel sein und nur wenig Zeit für die Nutzung in Anspruch nehmen. Abbildung 12: Punktwolke eines 10 km langen Autobahnprojekts im Online-3D-Viewer Quelle: AVUS.DIGITAL, VIA IMC GmbH Selbst der einfache Zugriff auf visuelle Informationen der Orthophotos und Punktwolken erlaubt es bereits Bauprojekte in neuen Perspektiven zu sehen. Was vorher durch zeitaufwändige Baustellenbegehungen am Boden erledigt wurde, kann nun online durch den virtuellen Flug durch die Punktwolken geschehen. Bei langgestreckten Projekten werden Zusammenhänge erst mit dem Blick aus der Vogelperspektive klar und erlauben es jedem schnell sich einen Überblick zu machen. Wie in vorherigen Kapiteln aufgezeigt, ist die Ermittlung von Mengen und Volumen als Nachweisführung und zur Abrechnung von großer Bedeutung. Anstelle von aufwendiger Berechnungsprozesse durch Spezialsoftware, kann dies durch einfache Mittel in vielen Fällen durch jeden Nutzer selbst durchgeführt werden. Die Ergebnisse werden als Linien-, Polygone oder Punkt-Annotationen gespeichert und können in andere Programme exportiert werden. Darunter fällt natürlich die Rückführung in die Vermessungs-/ und CAD-Software, was effektiv bedeutet, dass jeder mit einfachen Hilfsmitteln - Teilaufgaben der klassischen Vermessungsdisziplin, wie die Schaffung von Abrechnungsgrundlagen oder Lageplanerstellungen, durchführen kann. Abbildung 13: Längenberechnung und Querschnittsanzeige Quelle: AVUS.DIGITAL, VIA IMC GmbH Auf ähnlich einfache Weise lassen sich akkurate Volumen von gelagertem Material auf Steinbrüchen, Asphalt-/ Betonmischwerken oder Baustellen berechnen. Der Aufwand zur akkuraten Inventur und Bestimmung von verfügbarem Material bringt Prozess- und Kostensicherheit. Vergleichbare Ermittlungen wurden herkömmlich entweder geschätzt oder durch kompliziertes Nachvollziehen von An- und Ablieferungsdokumentation errechnet. Auch Volumenveränderungen können festgestellt werden, indem das Auf- und Abtragsvolumen zwischen zwei Flügen automatisch berechnet wird. Abbildung 14: Volumenberechnung von Materialhalden Quelle: AVUS.DIGITAL, VIA IMC GmbH