Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken
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Tobias Bürkle
Andreas Gerdes
In einer Vielzahl an wissenschaftlich begleiteten praktischen Anwendungsbeispielen wurde bereits nachgewiesen, dass eine Tiefenhydrophobierung ein ökologisch wie auch ökonomisch sinnvolles Oberflächenschutzsystem für Bauwerke aus Stahlbeton darstellt. So kann eine Tiefenhydrophobierung an Neu- als auch an Bestandsbauwerken eine geeignete Maßnahme sein, um die geplante Nutzungsdauer der Bauwerke zu erreichen bzw. zu verlängern. In der Praxis hat sich dabei gezeigt, dass die minimale Eindringtiefe des Hydrophobierungsmittels je nach Exposition des Bauwerks/Bauteils
ein wichtiges Kriterium für die dauerhafte Schutzfunktion der Tiefenhydrophobierung darstellt. Unteranderem wurden in Zusammenarbeit mit der Autobahndirektion Südbayern und weiteren Projektpartnern, bestehend aus Materialherstellern, ausführenden Fachfirmen und Ingenieurbüros, hierzu mehrere Pilotprojekte an Brücken- und Tunnelbauwerken durchgeführt. Ziel der Projekte war es, sowohl bei der Planung, Ausführung und Qualitätssicherung Standards zu erarbeiten als
auch durch ein Monitoringkonzept Langzeiterfahrungen bezüglich der Schutzfunktion der Tiefenhydrophobierung über die weitere Nutzungsdauer zu erfassen.
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2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 565 Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken Tobias Bürkle IONYS AG, Karlsruhe Prof. Dr. Andreas Gerdes IONYS AG, Karlsruhe Zusammenfassung In einer Vielzahl an wissenschaftlich begleiteten praktischen Anwendungsbeispielen wurde bereits nachgewiesen, dass eine Tiefenhydrophobierung ein ökologisch wie auch ökonomisch sinnvolles Oberflächenschutzsystem für Bauwerke aus Stahlbeton darstellt. So kann eine Tiefenhydrophobierung an Neuals auch an Bestandsbauwerken eine geeignete Maßnahme sein, um die geplante Nutzungsdauer der Bauwerke zu erreichen bzw. zu verlängern. In der Praxis hat sich dabei gezeigt, dass die minimale Eindringtiefe des Hydrophobierungsmittels je nach Exposition des Bauwerks/ Bauteils ein wichtiges Kriterium für die dauerhafte Schutzfunktion der Tiefenhydrophobierung darstellt. Unteranderem wurden in Zusammenarbeit mit der Autobahndirektion Südbayern und weiteren Projektpartnern, bestehend aus Materialherstellern, ausführenden Fachfirmen und Ingenieurbüros, hierzu mehrere Pilotprojekte an Brücken- und Tunnelbauwerken durchgeführt. Ziel der Projekte war es, sowohl bei der Planung, Ausführung und Qualitätssicherung Standards zu erarbeiten als auch durch ein Monitoringkonzept Langzeiterfahrungen bezüglich der Schutzfunktion der Tiefenhydrophobierung über die weitere Nutzungsdauer zu erfassen. 1. Von der Imprägnierung zur Tiefenhydrophobierung - ein historischer Überblick Eine funktionsfähige Infrastruktur spielte bereits früh in der Menschheitsgeschichte für die Entwicklung des Menschen, der Wirtschaft und der Gesellschaft im Allgemeinen eine wichtige Rolle. Deshalb wurde dem Erhalt dieser Bauwerke auch besondere Sorgfalt gewidmet. Im alten Ägypten wurde die Dauerhaftigkeit von Tempelanlagen, gebaut mit luftgetrockneten Lehmziegeln, durch eine Imprägnierung mit Seifen und Alaun, einem sulfathaltigen Doppelsalz, verbessert [1]. Die Wasserversorgung Roms lieferte bereits vor mehr als 2000 Jahren ca. 450 Liter pro Tag und Kopf aus dem Umland in die Stadt [2]. Das entspricht mehr als dem Dreifachen der Menge, was heute pro Einwohner und Tag an Wasser verbraucht wird. Die Lebensdauer von Bauwerken durch Fernhalten von Wasser zu verlängern war ebenfalls seit Jahrhunderten das Ziel der Baumeister in Ländern außerhalb Europas. So wurden um 700 n. Chr. in Indien Proteine und Pflanzenextrakte beim Bau der Tempelanlagen in Kerala den Mörteln zugesetzt [3]. Weitere typische Additive aus dieser Zeit zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit waren Tungbaumöl oder sogar Tierblut. Im 20. Jahrhundert wurden zunehmend siliziumorganische Verbindungen zur Imprägnierung von Werkstoffen des Bauwesens eingesetzt. Zur ersten Generation gehörten die Kaliumsiliconate, wasserlösliche Salze, die mit Wasser oder auch Wasserglas zu einer applikationsfertigen Lösung vermischt wurden. Neben der Imprägnierung von Mauersteinen wurden damit auch Schadensbilder, die durch aufsteigende Feuchtigkeit im Mauerwerk entstanden, saniert. Wasserunlösliche Silane und Polysiloxane wurden mit organischen Lösungsmitteln verdünnt, wobei der Wirkstoffgehalt oft unter 10% lag. Diese Formulierung gefährdete aber nicht nur Umwelt und die Arbeitssicherheit, sondern zeigte in der Regel eine sehr geringe Wirksamkeit und Lebensdauer. In den 80iger Jahren wurden die ersten wasserverdünnbaren Systeme formuliert, u.a. von der Fa. Dynamit Nobel. Vor Ort stellte der Anwender durch die Vermischung von Wasser mit einem speziell dafür entwickelten Silan eine wässrige Lösung her, die für ca. 2 h verarbeitbar war. Der eigentliche Entwicklungsschub für wässrige, niedrigviskose System erfolgte aber in den 90iger Jahren. Emulsionen und Mikroemulsionen wurden als Alternativen für lösungsmittelhaltige Produkte, hergestellt auf Basis von Testbenzin, in das Bauwesen eingeführt. Während der Einführungsphase für wässrige Systeme häuften sich aber auch Berichte über Fehlapplikationen, gekennzeichnet durch einen schnellen Wirkungsverlust Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 566 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 (ca. 3 Jahre). Dadurch kehrte sich die zunächst sehr positive Einstellung der Planer und Bauherren gegenüber dieser Technologie ins Gegenteil um. In der Mitte der Neunziger Jahre wurden erste Studien zum Verhalten dieser Emulsionen in Gegenwart zementgebundener Werkstoffe durchgeführt. Dabei zeigte sich sehr schnell, dass die bereits erwähnten Emulsionen für eine Betonhydrophobierung ungeeignet sind. Durch chemisch-physikalische Wechselwirkungen zwischen Hydrophobierungsmittel und zementgebundenem Werkstoff war die Eindringtiefe, die sowohl für die Wirksamkeit als auch für die Dauerhaftigkeit einer hydrophobierenden Maßnahme entscheidend ist, unabhängig von der Kontaktzeit nicht höher als 0.5 mm. Das war nicht nur von der technischen Seite her überraschend, sondern die Folge dieser unzureichenden Eindringtiefe war ein bereits nach wenigen Jahren auftretendes Versagen der Maßnahme. „Hilft nichts, schadet aber auch nichts“ war zur damaligen Zeit daher ein häufiger Kommentar, den heute auch noch ab und zu hört [4]. Dies war auch das auslösende Moment für die Initiierung zahlreicher Forschungsprojekte, die weltweit in verschiedenen Forschungseinrichtungen bis heute durchgeführt werden. Die dabei erarbeiteten Ergebnisse waren nicht nur die Voraussetzung für die Entwicklung neuer Produkte, wie z.B. hochviskose wässrige (z.B. Creme) oder nichtwässrige (z.B. Gele) Systeme, sondern auch die Basis für die Etablierung neuer Verarbeitungsrichtlinien und Qualitätssicherungskonzepte in der Praxis. Es überrascht daher auch nicht, dass im Vergleich zu anderen Oberflächenschutzsystemen, wie z.B. Versiegelungen oder Beschichtungen, das Wissen über die chemischphysikalischen Grundlagen der Tiefenhydrophobierung wesentlich umfangreicher ist. Eine wichtige Voraussetzung für die heute sehr geringen Fallzahlen in Bezug auf Fehlapplikationen bei einer Tiefenhydrophobierung. 2. Dauerhaftigkeit - von der Definition bis zum Lebenszyklusmanagement Der Begriff „Dauerhaftigkeit von Stahlbeton(bauwerken)“ stand in letzten Jahrzehnten eher im Hintergrund, verglichen mit den konstruktiv relevanten Kennwerten des Werkstoffes. Erst seit wenigen Jahren steht das Ziel dauerhafte Bauwerke zu erstellen im Fokus des Planers. Viel mehr fordert aber der Bauherr zunehmend, dass die tatsächliche Lebensdauer auch der geplanten Nutzungsdauer von 80-100 Jahren entspricht und nicht nur 20-30 Jahre. Diese Entwicklungen veränderten nicht nur das Verhältnis von Planer und Bauherr, sondern wirkt sich bereits deutlich auf die technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auf dem Baumarkt aus. Bisher bedeutete Dauerhaftigkeit, dass die verlangten Gebrauchseigenschaften über eine festgelegte Zeitdauer, die entweder als Nutzungsdauer oder Lebensdauer unter den planmäßigen Beanspruchungen und unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit, d.h. angemessene Herstellungs- und Instand-haltungskosten erhalten bleiben. Diese etwa sperrige Formulierung wird im Regelwerk und vor allem in der Praxis als ein ausreichender Widerstand des Baustoffes gegenüber Umwelteinwirkungen verstanden. Dabei wird davon ausgegangen, dass bei einer Berücksichtigung objekt-, nutzungs- und umweltbedingter Beanspruchungen bei der Auswahl der Ausgangsstoffe, Formulierung der Betonrezeptur, einer sachgerechten Verarbeitung und Nachbehandlung ein dauerhafter Baustoff hergestellt wird, der keines zusätzlichen Schutzes bedarf. Bei den Beanspruchungen durch Nutzung und Umwelt stehen dabei die folgenden Faktoren im Vordergrund, wenn über die Dauerhaftigkeit von Beton gesprochen wird. • Widerstand gegen chemische Angriffe • Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand • Passiver Korrosionsschutz der Bewehrung • Widerstand gegen das Eindringen von Chloriden In der Realität wird dieses Ziel, d.h. dass die Dauer der tatsächlichen und der geplanten Nutzungs- oder Lebensdauer übereinstimmt, nur in den wenigsten Fällen erreicht. Aber auch der Begriff „Dauerhaftigkeit hat eine gewisse Weiterentwicklung erlebt. Heute steht Dauerhaftigkeit für mehr als nur für einen dauerhaften Werkstoff. Vielmehr ist es ein Synonym für hohe „Performance“ und Qualität der eingesetzten Werkstoffe, niedrige Lebenszykluskosten, geringe Umweltbelastungen und nicht zuletzt für den technischen Ansatz „Prävention“. In Abbildung 1: Auswahl von Präventionsmaßnahmen entlang des Lebenszyklus eines Infrastrukturbauwerks werden ausgewählte technische Maßnahmen gezeigt, mit deren Hilfe das oben formulierte Ziel in Bezug auf realer und geplanter Lebensdauer erreicht werden können. Darüber hinaus ist aber auch jeder „Baustein“ für die Entwicklung und Etablierung moderner Lebenszyklusmanagementkonzepte geeignet, ohne die eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung nur sehr schwer realisierbar ist. Abbildung 1: Auswahl von Präventionsmaßnahmen entlang des Lebenszyklus eines Infrastrukturbauwerks Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 567 Im Folgenden soll das Thema „Prävention“ vertieft werden und zwar am Beispiel der Tiefenhydrophobierung von Betonbauwerken. Neben den Technologiegrundlagen wird das Ergebnis einer Langzeit-studie gezeigt, bei der am Beispiel von Brücken des Fernstraßennetzes („Autobahnen“) die Wirkung einer Tiefenhydrophobierung über einen Zeitraum von 15 Jahren untersucht wurde. Weitere Aspekte sind die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen einer Tiefenhydrophobierung, die neben der technischen „Performance“ zunehmend im Vordergrund steht. 3. Technologie einer Tiefenhydrophobierung 3.1 Zielsetzung Die Infrastruktur ist objekt- und nutzungsbedingt verschiedenen Umwelteinwirkungen ausgesetzt, welche die instandsetzungsfreie Lebensdauer der Bauwerke maßgeblich beeinflussen können. Bei der überwiegenden Zahl der sich daraus ergebenen Schadensmechanismen lassen sich dabei zwei Teilschritte unterscheiden, der Transport werkstoffaggressiver Verbindungen in das Werkstoffinnere und die dort ablaufenden chemischen Reaktionen zwischen diesen Verbindungen und Bestandteilen des Stahlbetons. Ein typisches Beispiel ist die chloridinduzierte Bewehrungskorrosion bei Stahlbetonbauwerken. Im ersten Schritt wird die Tausalzlösung oder das Meerwasser durch kapillares Saugen in die Betonrandzone transportiert. Erreicht die Chloridfront die Stahlbewehrung setzen elektrochemische Prozesse ein, die zunächst den Passivfilm auf der Stahloberfläche durchbrechen, um anschließend in Gegenwart von Wasser durch eine Reaktion mit Sauerstoff eine lokale Stahlauflösung zu bewirken. Analysiert man für diesen Fall die technischen Eingriffsmöglichkeiten durch die/ den Ingenieur(in) stellt man sehr schnell fest, dass das Verhindern des Schadstofftransportes nicht nur einfacher zu realisieren ist als das Stoppen der Korrosionsprozesse, sondern auch wirtschaftlicher. Dieser Zusammenhang lässt sich schnell auch auf andere Schadensprozesse, wie den Sulfatangriff oder die Alkali- Kieselsäure-Reaktion (AKR) übertragen. Abbildung 2: Schematische Darstellung der bei einer Tiefenhydrophobierung ablaufenden Prozesse Aus diesen grundlegenden Betrachtungen lässt sich auch direkt das Ziel einer Tiefenhydrophobierung ableiten. Durch diese Oberflächenschutzmaßnahme soll der Transport wässriger, werkstoffaggressiver Lösungen in die Werkstoffrandzone unterbunden werden, damit die Voraussetzungen für eine werkstoffschädigende chemische Reaktion gar nicht erst relevant werden. 3.2 Wirkungsweise Bei der Tiefenhydrophobierung werden Systeme auf Silanbasis, in Form wässriger oder nichtwässriger, hoch- oder niedrigviskoser Produkte, auf die Werkstoffoberfläche durch Spritzen, Rollen oder Streichen appliziert. Von dort wird das Silan, meist ein Octyltriethoxysilan, durch kapillares Saugen in das Werkstoffinnere transportiert. In der Abbildung 2: Schematische Darstellung der bei einer Tiefenhydrophobierung ablaufenden Prozesse ist eine solche Kapillare dargestellt, bei der neben dem Substrat (Zementstein (grau)) auch der unter normalen klimatischen Bedingungen darauf anhaftende „Wasserfilm“ (violett) dargestellt ist. Bedingt durch die Bestandteile des Zementsteins ist der „Wasserfilm“ hochalkalisch, weshalb man auch besser von einem Flüssigkeitsfilm der Porenlösung sprechen kann. Als organische Verbindungen sind Silane weitgehend wasserunlöslich. Daher bildet sich zwischen dem Flüssigkeitsfilm (violett) und dem eindringendem Silan (hellblau) eine Phasengrenze aus. Eine zweite Phasengrenze bildet sich naturgemäß zwischen Wasserfilm und Substrat (grau) aus. Während des Silantransports lassen sich vereinfacht in zwei Teilprozesse unterteilen: 1. Schritt: Hydrolyse der Silane Bei der Hydrolyse der Silane setzen sich diese an der Grenzfläche zum alkalischen Flüssigkeitsfilm mit Wasser unter Bildung sogenannter Silanole um, wobei üblicherweise Ethanol freigesetzt wird (Abbildung 3: Hydrolyse Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 568 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 des Silans im alkalischen Milieu unter Abspaltung von Ethanol). Die so gebildeten Silanole sind nicht nur wasserlöslich, sondern auch sehr reaktiv. Deshalb treten sie zunächst durch die Phasengrenze Silan/ alkalischer Flüssigkeitsfilm hindurch, um dort in einem 2. Reaktionsschritt nach einem Mechanismus, den man als „Kondensation“ bezeichnet, direkt weiter zu reagieren (Abbildung 4: „Polykondensation“ der Silanole unter Bildung von Oligomeren bzw. unter Anbindung an endständige OG- Gruppen des Substrats). Abbildung 3: Hydrolyse des Silans im alkalischen Milieu unter Abspaltung von Ethanol Abbildung 4: „Polykondensation“ der Silanole unter Bildung von Oligomeren bzw. unter Anbindung an endständige OG-Gruppen des Substrats 2. Schritt: Polykondensation der Silane Bei der sogenannten „Polykondensation“ reagieren die Silanole mit anderen Silanolen unter Abspaltung von Wasser, was dieser Reaktion auch den Namen gegeben hat. Dabei entstehen größere Moleküle aus 2-3 Silanolen, die man als Oligomere bzw. Polysilxane bezeichnet (Abbildung 4: „Polykondensation“ der Silanole unter Bildung von Oligomeren bzw. unter Anbindung an endständige OG-Gruppen des Substrats). Die Oligomere werden mit zunehmenden Kondensationsgrad und damit wachsender Molekülgröße wasserunlöslich und „fallen“ aus dem alkalischen Flüssigkeitsfilm aus. Diese hydrophob wirkenden „Polysiloxanschnipsel“ werden auf dem Substrat adsorbiert, was zu einer wasserabweisenden Ausrüstung der Kapillarinnenflächen führt. Daneben gibt es noch eine weitere Möglichkeit der Anbindung. Bei dieser reagieren die OH-Gruppen der Silanole bzw. Oligomere mit sogenannten endständigen OH- Gruppen auf der Oberfläche des Substrats unter Bildung einer chemischen Bindung. Welche Art von Anbindung dominiert, d.h. die Adsorption der „Polysiloxanschnipsel“ oder der chemischen Anbindung hängt wesentlich von der chemischen Struktur ab und bestimmt auch maßgeblich die chemisch-physikalisch Eigenschaften der unterschiedlich gebildeten „Polymerfilme“. Einfluss der Polykondensation auf den Silantransport in der Werkstoffrandzone Die fortschreitende Polykondensation führt aber nicht nur zur Ausbildung des Polysiloxanfilms, sondern die gebildeten wasserlöslichen Silanole und Oligomere beeinflussen direkt auch den Silantransport und damit die Wirkstoffverteilung in der Werkstoffrandzone. Wie in den Arbeiten von Gerdes und Oehmichen gezeigt, bewirken diese Reaktionsprodukte eine zeitabhängige Abnahme in der Silanaufnahme, d.h. mit der Zeit nimmt die aufgenommene Silanmenge ab [5,6]. Oehmichen konnte zeigen, dass dieser Effekt in der Abnahme der Grenzflächenspannung s an der Phasengrenze Silan/ Lösungsfilm [6] begründet ist. Der Wert für die Oberflächenspannung reinen Wassers (gilt angenähert auch für die Porenlösung) beträgt 72 N/ m. Die Werte für die Oberflächenspannung handelsüblicher Silane liegt bei etwa 20-22 N/ m. Oehmichen konnte in ihren Untersuchungen zeigen, dass bei der Mischung einer synthetischen Porenlösung (gesättigte Lösung von Calciumhydroxid, pH-Wert 12.3) mit wenigen Millilitern eines Silans bereits wenige Minuten nach Zusammenschütten beider Komponenten die Oberflächenspannung auf Werte zwischen 30 und 35 N/ m abfielen. Begründet ist dieses Verhalten in der Bildung der wasserlöslichen Silanole bzw. Oligomere, welche eine tensidähnliche Struktur aufweisen. Erst im Verlauf der nächsten Stunden polymerisieren die Oligomere zu den wasserunlöslichen Polysiloxanen, die aus der Lösung ausfallen. Mit dieser „Selbstreinigung“ der Lösung ist ein Anstieg bei den Werten der Oberflächenspannung um 70 N/ m beobachten. Da aber die Oberflächenspannung für den kapillaren Transport die treibende Kraft ist („driving force“), nimmt, nimmt als Folge der chemischen Reaktion nicht nur die Oberflächenspannung, sondern auch die Transportrate ab. Aber nicht nur die Transportrate wird durch die chemischen Reaktionen beeinflusst, sondern durch die Einstellung lokaler Stoffgleichgewichte als Folge des Transports wird auch die chemische Reaktion beeinflusst. Man spricht dann von einem reaktiven Transport, der für die Tiefenhydrophobierung charakteristisch ist. Wirkung einer Hydrophobierung auf die Benetzbarkeit einer Oberfläche Am Ende dieser Reaktionen, die über mehrere Stunden bis Tage andauern können, entwickelt sich je nach Zusammensetzung des Hydrophobierungsmittels ein mehr oder minder stark ausgeprägter „Abperleffekt“ [7]. Durch eine Kontaktwinkelmessung kann dieser wasserabweisende Effekt quantifiziert werden. Dazu wird auf die Werkstoffoberfläche ein Wassertropfen aufgesetzt und unmittelbar danach mit einer geeigneten technischen Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 569 Ausrüstung der sich ausbildende Kontaktwinkel zwischen Wasser und hydrophobiertem Substrat gemessen. Abbildung 5: Kontaktwinkelmessung an mineralischen Oberflächen; oben: nicht hydrophobiert, q = 9.8°; unten: hydrophobiert, q = 133.8° Dabei gilt, dass bei einem Kontaktwinkel < 90° die Oberfläche benetzbar ist, bei Kontaktwinkeln > 90° gilt eine Oberfläche bereits als hydrophob, wobei bei funktionierenden Hydrophobierungen Kontaktwinkel von > 120° durchaus erreichbar sind. Diese Messungen haben aber nur einen orientierenden Charakter, entscheidend ist die Reduktion der Wasseraufnahme, verglichen mit einem unbehandelten Werk-stoff. Dieser ist kein Maß für die Leistungsfähigkeit einer Hydrophobierung, zumal er als Folge der einwirken-den UV- Strahlung durch den Abbau des Polysiloxanfilms auf der Werkstoffoberfläche nur kurzfristig vor-handen ist. 3.3 Einflussfaktoren für Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit Im Allgemeinen gilt, dass für die Bewertung der „Performance“ einer Oberflächenschutzmaßnahme die Schutzwirkung über einen möglichst langen Zeitraum maßgebend ist. Das gilt naturgemäß auch für eine Tiefenhydrophobierung, wobei eine visuelle Beurteilung, wie bei einer Polymerbeschichtung üblich, hier nicht geeignet ist. Untersuchungen zur Reduktion der Wasseraufnahme und den Chlorideindringwiderstand an Brücken-bauwerken in Schweden haben aber gezeigt, dass eine Tiefenhydrophobierung bei sachgemäßer Anwendung die Aufnahme von wässrigen, betonaggressiven Lösungen über einen Zeitraum von ca. 20-25 Jahre weitgehend unterdrückt. Demgegenüber stehen aber auch Beispiele, bei denen bereits nach 3 Jahren die wasserabweisende Wirkung nicht mehr vorhanden war. Es stellte sich daher bereits früh die Frage, welche Faktoren eine hohe Wirksamkeit und lange Lebens-dauer begünstigen. Im Rahmen von Forschungsprojekten konnten diese Faktoren als Eindringtiefe und der Wirkstoffgehalt in der Werkstoffrandzone identifiziert werden (Abbildung 5: Kontaktwinkelmessung an mineralischen Oberflächen; oben: nicht hydrophobiert, q = 9.8°; unten: hydrophobiert, q = 133.8°) [5]. Eindringtiefe Es lässt sich leicht nachvollziehen, dass mit höherer Eindringtiefe des Hydrophobierungsmittels auch die Dicke der wasserabweisend ausgerüsteten Werkstoffrandzone zunimmt (Abbildung 5: Kontaktwinkelmessung an mineralischen Oberflächen; oben: nicht hydrophobiert, q = 9.8°; unten: hydrophobiert, q = 133.8°). Mit dieser Dicke steigt aber auch der äußere Wasserdruck, der aufgebracht werden muss, um diese „Barriere“ zu durchbrechen. So haben Untersuchungen gezeigt, dass bei unbehandelten Betonen (W/ Z-Wert 0.5) sich bereits bei einem Wasserdruck von 8-9 bar ein kontinuierlicher Wasserfluss durch den Werkstoff einstellt. Bei Betonen gleicher Zusammensetzung, aber einer hydrophobierten Randzone mit 4 mm Dicke, findet selbst bei einem Wasserdruck von 18 bar noch kein Wassertransport statt. Aus diesen Laboruntersuchungen, aber auch auf Basis von Untersuchungen an Praxisobjekten, konnte folgender Zusammenhang abgeleitet werden: • ab 2 mm bei geringfügiger Einwirkung werkstoffaggressiver Wässer (z.B. gelegentlicher Sprühnebel, aufgehende Wände bei mäßig genutzten Verkehrsflächen) • 2 mm < x < 4 mm bei erhöhter Einwirkung werkstoffaggressiver Wässer (z.B. Sprühwasser, Brückenlager mit Abstand von der Straße größer 5 m, Betonpfeiler von Autobahnbrücken) • 4 mm < x < 6 mm bei starker Einwirkung werkstoffaggressiver Wässer (z.B. Spritzwasser, Mittelpfeiler, Brückenkappen, Hafenanlagen und Offshore- Bauwerke) Wirkstoffgehalt in der Betonrandzone Wie im Abschnitt 3.2 gezeigt, werden die inneren Kapillaroberflächen mit einem wasserabweisend wirkenden Polysiloxanfilm („Silikonharzfilm“) belegt. Dafür sind in Abhängigkeit von der inneren Oberfläche der Kapillare unterschiedliche Mengen an Polysiloxan erforderlich. Der Grund dafür soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Bei einem Beton mit W/ Z-Wert 0.45 ist eine Ge- Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 570 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 samtporosität von ca. 10 Vol.-% zu erwarten, während bei einem Beton mit W/ Z-Wert 0.55 dieser Wert bei ca. 15 Vol.-% liegt. Darüber hinaus ist beim Beton mit dem niedrigerem W/ Z-Wert der Anteil an Kapillarporen deutlich geringer als beim Beton mit W/ Z-Wert 0.55. Daraus lässt sich folgern, dass bei Betonen mit höheren W/ Z- Werte die innere Kapillaroberfläche deutlich höher ist und daher die Menge an Wirkstoff (Polysiloxan) ebenfalls höher sein muss, um einen geschlossenen Film zu erzeugen. Diese These konnte durch wissenschaftliche Untersuchungen tatsächlich belegt werden. Praktisch reicht die applizierte Menge an Hydrophobierungsmitteln, die je nach Produktformulierung zwischen 350-800 g/ m 2 liegt, für einen geschlossenen Polysiloxanfilm sich aus. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass für eine wirksame und dauerhafte Tiefenhydrophobierung je nach Betontyp und -qualität unterschiedliche Mengen an Wirkstoff (Polysiloxan) in der Werkstoffrandzone vorhanden sein müssen. Da dies von einer Reihe weiterer Einflussfaktoren abhängt, u.a. vom Feuchtegehalt in der Werkstoffrandzone, der Kontaktzeit zwischen Hydrophobierungsmittel und Werkstoff oder dem Typ des verwendeten Silans, sind bei großen Maßnahmen (z.B. Talbrücken) Voruntersuchungen angezeigt. 4. Anwendungen in der Praxis - Planung einer Hydrophobierung 4.1 Vorbemerkungen Der Erfolg einer Tiefenhydrophobierung und damit ihre Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit hängt wesentlich von ihrer Planung ab. Häufig wird die Bedeutung dieser aber unterschätzt, da die technische Umsetzung einer Tiefenhydrophobierung dem Planer oder Ausführenden als einfach erscheint. Das Hydrophobierungsmittel wird auf die Oberfläche gesprüht, es dringt in den Werkstoff ein und ist im Gegensatz zu einer zement- oder polymergebundenen Beschichtung danach optisch nicht mehr wahrnehmbar. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall, da die bereits beschriebenen Einflussfaktoren, wie verwendeter Silantyp, Gesamtporosität oder Feuchtegehalt des Festbetons oder Umweltbedingungen, wie Außentemperatur oder Windgeschwindigkeit, sich auf die Qualität einer Tiefenhydrophobierung stark auswirken. Diese und weitere Faktoren müssen aber bei der Planung der Tiefenhydrophobierung Beachtung finden, um eine leistungsfähige und dauerhafte Maßnahme zu realisieren. 4.2 Unterschiede bei der Erstellung eines Neubaus und beim Schutz von Bestandsbauwerken Bei der Planung ist zunächst zwischen einem Neubau und einem Bestandsbau zu unterscheiden. So spielt vor allem beim Neubau das Betonalter bei der Ausführung einer Tiefenhydrophobierung eine wichtige Rolle. Dabei steht aber weniger die Entwicklung der Druckfestigkeit oder der pH-Wert des Festbetons (ca. 12-13) im Vordergrund, sondern der Feuchtegehalt in der Werkstoffrandzone. Der junge Festbeton ist nach der Herstellung zunächst wassergesättigt. Abhängig von der Betonqualität oder den Umweltbedingungen (Temp., rel. Feuchtigkeit) trocknet der Überdeckungsbeton mit unterschiedlicher Geschwindigkeit aus. Ist aber während der Applikation des Hydrophobierungsmittels der Trocknungsprozess noch nicht ausreichend vorangeschritten, der Feuchtegehalt also zu hoch, kann das Silan nicht in Betonrandzone eindringen, da die Kapillarporen mit der Porenlösung gefüllt sind und den Silantransport blockieren. Die unter diesen Bedingungen erreichbare Eindringtiefe und Wirkstoffgehalt in der Betonrandzone werden dementsprechend gering sein. Um bei einem Neubau eine erfolgreiche Tiefenhydrophobierung sicherzustellen, hat daher die Kontrolle der Betonfeuchtigkeit eine herausragende Bedeutung. Mit den verfügbaren Messgeräten gilt die Messung der Betonfeuchte als nicht besonders sicher. Daher sollten im Zweifelsfall Probeflächen angelegt werden, die 14 Tage nach der Applikation durch Bohrkernentnahme beprobt werden. An den Kernen kann dann die tatsächlich erreichte Eindringtiefe und die Wirkstoffverteilung in der Betonrandzone analytisch mittels IR-Spektroskopie bestimmt werden [8]. Im Abschnitt 4.6 wird auf die Verfahren zur objektbezogenen Qualitätskontrolle noch näher eingegangen. Bestandsbauwerke, wie zum Beispiel Brücken der Bundesfernstraßen oder Teile von Hafenanlagen, können trotz vorhandener Chloridbelastung hydrophobiert werden. Die chemisch-physikalischen Prozesse, die zur wasserabweisenden Ausrüstung des Betons führen, werden selbst bei hohen Chloridgehalten (≤ 0.5 Massen-%, bezogen auf das Betongewicht) nur geringfügig beeinflusst. Bei der Bewertung der Hydrophobierbarkeit von Bestandsbauwerken steht vielmehr die Chlorideindringtiefe bzw. der Korrosionszustand der Bewehrung im Vordergrund. Deshalb ist eine Zustandsanalyse, welche diese Faktoren erfasst, bei chloridbelasteten Bauwerken zwingend erforderlich. Zeigt die Auswertung der Zustandsanalyse, dass die Chloridfront die Bewehrung noch nicht erreicht hat, ist eine funktionsfähige Tiefenhydrophobierung eine technische Maßnahme, welche die weitere Chloridaufnahme sicher unterbindet und die instandsetzungsfreie Nutzung deutlich verlängern kann. Dabei gibt es bei der Ausführung der Maßnahmen keine gravierenden Unterschiede zwischen einem Neubau oder Bestandsbau. Nur bei der Untergrundvorbehandlung sind einige Punkte zu berücksichtigen, worauf in einem der folgenden Abschnitte eingegangen wird. Hat die Chloridfront die Bewehrung aber bereits erreicht oder liegt bereits hinter der Bewehrung, ist eine Tiefen- Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 571 hydrophobierung zwar technisch möglich, die dann noch erreichbaren Ziele der Maßnahme müssen aber im Einzelfall abgewogen werden. 4.3 Bewertung der Betonqualität Die erreichbare Eindringtiefe und auch die Wirkstoffverteilung in der Betonrandzone, die man zusammenfassend auch als Wirkstoffprofil bezeichnen kann, hängen maßgeblich von der Betonqualität ab. Als Bezugsgröße kann hierzu der W/ Z-Wert herangezogen werden, durch den die mechanischen Kenndaten und damit auch die Entwicklung des Betongefüges bestimmt wird. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die Ausführung hydrophobierend wirkender Maßnahmen bis zu einem W/ Z-Wert 0.45 eine nennenswerte Verbesserung des Chlorideindringwiderstands nach sich ziehen. Neben Laborergebnissen konnte das auch in der Praxis, u.a. durch Untersuchungen an Brückenbauwerken in Stockholm, nachgewiesen werden. So schreibt die schwedische Erhaltungsstrategie bereits seit mehr als 30 Jahren neben einem niedrigen W/ Z-Wert (hier 0.45) eine Tiefenhydrophobierung vor. Bei Betonen mit tieferen W/ Z-Werten ist dies aufgrund der sehr geringen Durchlässigkeit aber nicht mehr zu erwarten. Ein weiterer Aspekt, der die instandsetzungsfreie Lebensdauer von Infrastrukturbauwerken bestimmt, ist die „Performance“ dafür hergestellter Bauteile. Dazu soll an dieser Stelle auf eine Entwicklung eingegangen werden, die sich auch in der Praxis zunehmend auf die Lebensdauer von Infrastrukturbauwerken eingeht. Generell gilt, dass die Dauerhaftigkeit von Bauwerken nicht nur durch die Qualität des bestellten Betons bestimmt wird, sondern maßgeblich durch die Werkstoffverarbeitung vor Ort. Oder anders ausgedrückt, die Qualität des Bauteils ist die Summe aus den rezepturbedingten Werkstoffeigenschaften und den persönlichen Fähigkeiten des Handwerkers. In der Praxis lässt sich aber immer häufiger beobachten, dass die Qualitätsunterschiede an einem Bauteil lokal stark variieren können. So wurden bei bayrischen Bundesfernstraßen Mittelpfeiler von Überführungsbauwerken in Hinsicht auf ihre Betonqualität überprüft. Dazu wurde als Bewertungsgrundlage die physikalische Größe „Gesamtporosität“ herangezogen, bestimmt mit der Quecksilberdruckporosimetrie, welche sich direkt auf den Chlorideindringwiderstand auswirkt. Praktisch wurden aus unterschiedlichen Höhen (0.50 m, 1.00 m, 1.50 2.0 m) Bohrkerne entnommen und an diesen die Gesamtporosität bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass es bei vielen der untersuchten Betonpfeiler markante Unterschiede in den Werten gibt, obwohl der räumliche Abstand der Entnahmepunkte nur ca. 1.50 m beträgt. Beispielsweise konnten an einem Pfeiler für die Gesamtporosität Werte zwischen 12 und 18 Vol.-% festgestellt werden. Diese Zahlen gelten für Brückenbauwerke, die vor ca. 20-50 Jahren, also zwischen 1970 und 2000 erstellt wurden. Erwartet wurde, dass die Brücken aus den 70iger Jahren sowohl die höchsten Werte als auch die höchste Streuung zeigten. Überraschenderweise war dies aber trotz erheblicher Fortschritte in der Betontechnologie an den Brücken aus den 90iger Jahren der Fall. Praktisch bedeutet es, dass bei jüngeren Bauwerken nicht zwangsläufig eine bessere Qualität und damit höhere „Performance“ zu erwarten ist. Messungen an Brückenbauwerken, die zwischen 2000 und 2020 erstellt wurden, weisen eher darauf hin, dass die Streuung in den Festbetoneigenschaften, wie z. B. Gesamtporosität, eher zuals abnehmen. Auch hier kann eine Tiefenhydrophobierung ein technischer Ansatz sein, um bezüglich der Wasser- und Schadstoffaufnahme die Inhomogenität realer Bauteile zu minimieren. Unabhängig von den lokal vielleicht stark variierenden Werten für die Wasseraufnahme werden nach der Applikation einer Tiefenhydrophobierung werden diese Unterschiede mehr oder minder egalisiert. Neben der technischen Verbesserung der Dauerhaftigkeit lässt sich für den Bauherrn durch diese präventive Maßnahme auch die Planungssicherheit über die geplante Lebensdauer des Infrastrukturbauwerks signifikant verbessern. 4.4 Exposition der Flächen und die sich daraus ableitenden Anforderungen an die Tiefenhydrophobierung Wie bereits gezeigt, spielen bei der Planung einer Tiefenhydrophobierung verschiedene Faktoren eine Rolle. Besonders zu beachten ist die Art und Weise, wie die Betonoberflächen unter realen Bedingungen den werkstoffaggressiven chemischen Verbindungen, die in der Baupraxis üblicherweise in Form wässriger Lösungen auftreten, ausgesetzt sind. So macht es einen deutlichen Unterschied in der Salzmenge, ob die Pfeiler einer Brücke dem Meerwasser ausgesetzt sind oder ob es sich um Tausalzlösungen handelt, die im Winterbetrieb als Spritzwasser oder Sprühnebel temporär auf die Bauwerke einwirken. Auch die zeitliche Dauer der Einwirkung, beispielsweise durch das tidebedingte Ansteigen und Abfallen des Meerwasserspiegels oder durch Stürme, kann die Kontaktzeit zwischen chloridhaltigem Wasser und Bauwerksoberfläche bestimmen. Gibt es zwischen der Bauwerksbeaufschlagung längere Trocknungszeiten, kann der dominierende Transportprozess von Diffusion zum kapillaren Transport wechseln, was in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Transportprozesse einen sehr deutlichen Unterschied macht. Diese Liste ließe sich noch verlängern, was es nachvollziehbar macht, dass für jedes zu hydrophobierende Bauwerk diese Belastungssituation als Teil der Planung genau analysiert werden muss. Daraus leiten sich auch Größen ab, welche für die Planung der hydrophobierenden Maßnahme relevant sind. Bisher wurden bereits die Begriffe „Eindringtiefe“, „Wirkstoff- Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 572 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 gehalt in der Werkstoffrandzone“ oder „Wirkstoffprofil“ eingeführt, welche für die qualitative Beschreibung einer Tiefenhydrophobierung definiert wurden. Für eine Planung sind aber quantitative und messtechnisch überprüfbare Größen erforderlich. Bereits seit vielen Jahren wird in der Praxis dazu die Größe „wirksame Eindringtiefe“ verwendet. Darunter versteht man den Abstand von der Oberfläche, bei dem durch die Wirkung der Tiefenhydrophobierung die Wasseraufnahme um ≥ 90% reduziert wird, verglichen mit der Wasseraufnahme des unbehandelten Betons. Die Vorgehensweise zur Bestimmung dieser Größe wird im nächsten Abschnitt vorgestellt. Neuerdings wird in Ausschreibungen der öffentlichen Hand auch ein Wert für den „Chlorideindringwiderstand“ festgelegt, der durch die Betonauswahl und/ oder durch die Anwendung einer Tiefenhydrophobierung sichergestellt werden soll. Bezüglich der „wirksamen Eindringtiefe“ lassen sich verschiedene Belastungsfälle unterscheiden. Sind die Bauwerke nur temporär werkstoffaggressiven Wässern ausgesetzt, beispielsweise durch den gelegentlichen Tausalzeinsatz auf Gehwegen oder Parkflächen bzw. bei der Einwirkung tausalzhaltiger Sprühnebel bei Brückenlagern, die mehr als 10 Meter vom Fahrweg entfernt sind, kann von einer geringfügigen Einwirkung sprechen. In diesem Fall genügt eine „wirksame Eindringtiefe“ von ca. 2 mm, um langfristig das Bauteil vor Korrosion zu schützen. Diese Werte lassen sich mit niedrigviskosen, organischen Systemen mit 100% Wirkstoffgehalt realisieren, wobei das Hydrophobierungsmittel zweimal auf die zu behandelnde Oberfläche appliziert wird. Bei Betonpfeilern in Tiefgaragen oder Parkdecks, bei Widerlagern mit einem Abstand von mehr als 5 m vom Fahrweg oder Tunnelabschnitten, deren Abstand vom Portal mehr als 400 m beträgt, kann man von erhöhten Einwirkungen ausgehen. Für diesen Fall sollte die „wirksame Eindringtiefe“ zwischen 2 und 4 mm liegen. Mit hochviskosen, wässrigen Hydrophobierungsmitteln („Creme“) und einer Applikationsmenge von ca. 350-450 g/ m 2 können diese Werte erreicht werden. Von einer starken Einwirkung betonaggressiver Wässer kann bei Hafenanlagen oder offshore-Bauwerken ausgehen. Zu dieser Kategorie gehören aber auch Mittelpfeiler oder Kappen von Brückenbauwerken, die chloridhaltigem Spritzwasser ausgesetzt sind. Für „wirksame Eindringtiefen“ von 4 bis 6 mm sind organische, hochviskose Hydrophobierungsmittel („Gel“) einzusetzen, die mit 500 -750 g/ m 2 auf die Betonoberfläche aufgetragen werden. 4.5 Anforderungen an den Untergrund In Abschnitt 4.2 wurde bereits auf den starken Einfluss des Feuchtegehalts in der Betonrandzone eingegangen. Das hat naturgemäß direkte Folgen für die Untergrundvorbereitung bei einer Tiefenhydrophobierung. Sowohl beim Neubau als auch bei Bestandsbauwerken sollte auf eine Reinigung mit Wasser (z.B. Dampfstrahlen) möglichst vermieden werden. In vielen Fällen ist ein trockenes Abbürsten der Oberfläche ausreichend. Ist die Oberfläche stark verunreinigt, beispielsweise durch Fette oder Öle, und damit eine Reinigung mit Wasser und/ oder Reinigungsmitteln unvermeidbar, ist eine ausreichend lange Trocknungsdauer vorzusehen. Auch hier bietet sich wieder das Anlegen einer Probefläche an, um die Zugänglichkeit der Werkstoffrandzone für das Hydrophobierungsmittel beurteilen zu können. 4.6 Qualitätskontrolle Durch eine Qualitätskontrolle soll festgestellt werden, ob die in der Praxis erreichten Werte für die „wirksame Eindringtiefe“ mit den Vorgaben der Planung übereinstimmen. Für die Bestimmung dieser Größe ist zunächst ein Wirkstoffprofil, d.h. der Wirkstoffgehalt als Funktion des Abstandes von der Werkstoffoberfläche und ein Saugprofil, d.h. die Wasseraufnahme als Funktion des Abstandes von der Werkstoffoberfläche. Die Vorgehensweise zur Ermittlung dieser Profile soll im Folgenden näher beschrieben werden. Probenentnahme Für die Qualitätskontrolle werden vor der Hydrophobierung drei Bohrkerne aus der zu hydrophobierenden Betonfläche entnommen. Diese dienen als Referenzproben, was die Wasseraufnahme betrifft. Nach Ablauf von 14 Tagen werden aus der hydrophobierten Fläche 5 Bohrkerne entnommen, wobei drei Bohrkerne für die Bestimmung des Saugprofils, ein Kern für die Ermittlung des Wirkstoffprofils und der letzte Kern als Reserve vorgesehen sind. Saugprofil Nach der Bohrkernentnahme werden diese zunächst vermessen, um anschließend die Seitenfläche der Zylinder mit einem Epoxidharz zu beschichten. Auf diese Weise soll ein einaxialer Wassertransport über die hydrophobierte Betonoberfläche sichergestellt werden. Danach wird die beschichtete Probe gewogen (Nullwert), bevor die beschichteten Zylinder in ein Wasserbad gestellt werden. Bei der Durchführung des Saugversuches darf der Wasserspiegel nur 1-2 mm höher sein, als die Unterkante des Bohrkerns. Den Saugversuch führt man über 24 Stunden durch und bestimmt nach Ablauf dieser Zeit durch erneute Wägung die Gewichtszunahme. Aus dem Gewichtsvergleich lässt sich die Wasseraufnahme durch Probe ermitteln. Mit Hilfe des sogenannten Wurzel-t-Gesetzes lässt sich dann der Wasseraufnahmekoeffizient A berechnen. (1) mit m = Gewichtsdifferenz in kg, F= Saugfläche in m 2 , t in h, A in kg/ m 2 √h Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 573 Nach dieser ersten Messung wird mit Hilfe einer modifizierten Fräsmaschine, beginnend von der hydrophobierten Oberfläche, eine 1 mm dicke Schicht „abgeschliffen“. Anschließend wird die Probe im Klimaschrank rekonditioniert, d.h. der Feuchtegehalt wieder auf den Wert eingestellt, der bei der Durchführung des Null-Versuches im Betoninneren herrschte. Dieses Prozedere wird solange wiederholt, bis die Wasseraufnahme der hydrophobierten Proben dem Wert entspricht, der für die unbehandelten Referenzproben bestimmt wurde. Trägt man die Werte als Funktion des Abstandes von der Oberfläche auf, erhält man das Saugprofil. Wirkstoffprofil Für die Bestimmung des Wirkstoffprofils wird die Betonprobe ebenfalls in 1mm-Schritten abgefräst, wobei das dabei anfallende Pulver aufgefangen wird. Mit Hilfe einer Methode der Hochleistungsanalytik kann in diesen Proben der Wirkstoffgehalt, d.h. der Polysiloxangehalt in mg/ g Beton bestimmt werden. Trägt man diese Werte als Funktion des Abstandes von der hydrophobierten Fläche auf, erhält man das Wirkstoffprofil. Bestimmung der „wirksamen Eindringtiefe“ und des „minimalen Wirkstoffgehaltes In Ohne Vorversuche müssen bei der Qualitätskontrolle Saugprofile aufgenommen werden, um die „wirksame Eindringtiefe“ zu bestimmen. Auf den ersten Blick scheint das in allen Fällen der bessere Weg zu sein. Tatsächlich ist die Aufnahme der Saugprofile aber sehr zeitintensiv, was die Feststellung, dass die Tiefenhydrophobierung korrekt ausgeführt würde, um Wochen bis Monate verzögert. Im Gegensatz dazu können Wirkstoffprofile innerhalb von 24-48 Stunden mit der notwendigen Genauigkeit ermittelt werden. ist sowohl ein Saugprofil (linke Seite) als auch das dazu korrespondierende Wirkstoffprofil (rechte Seite) dargestellt. Für die Laborversuche wurde ein Beton mit W/ Z-Wert 0.4 verwendet der mit verschiedenen Silantypen behandelt wurden. Beim Saugprofil repräsentiert die blaue Kurve die unbehandelte Probe, während die grüne, pinkfarbene und rote Kurve die Saugprofile hydrophobierter Betone. Bis zum Abstand von 9 mm beträgt die Reduktion der Wasseraufnahme ca. 90%, verglichen mit der unbehandelten Referenzprobe. Ab 9 mm ist ein Anstieg der Wasseraufnahme zu beobachten, die je nach Silantyp nach 10 mm (Propyltriethoxysilan), 14 mm (Octyltriethoxysilan) oder 16 mm (Butyltriethoxysilan) dem Wert des unbehandelten Betons entspricht. Der Punkt, an dem der Kurvenanstieg beginnt, wird als die „wirksame Eindringtiefe“ definiert. In der rechten Abbildung sieht man typische Kurvenverläufe für Wirkstoffprofile. Ermittelt man für den Wert der „wirksamen Eindringtiefe“ den korrespondierenden Wirkstoffgehalt, kann man den Wert für den „minimalen Wirkstoffgehalt“ ermitteln. Diese Menge an Polysiloxan ist notwendig, um die Wasseraufnahme praktisch zu unterdrücken. Hat man beide Werte in Vorversuchen am Objekt bestimmt, kann die Qualitätskontrolle auf die Bestimmung der Wirkstoffprofile reduziert werden. Bei dem Oberflächenabstand, bei dem der ermittelte „minimale Wirkstoffgehalt“ noch vorliegt, kann man von einer wirksamen Tiefenhydrophobierung ausgehen. Ohne Vorversuche müssen bei der Qualitätskontrolle Saugprofile aufgenommen werden, um die „wirksame Eindringtiefe“ zu bestimmen. Auf den ersten Blick scheint das in allen Fällen der bessere Weg zu sein. Tatsächlich ist die Aufnahme der Saugprofile aber sehr zeitintensiv, was die Feststellung, dass die Tiefenhydrophobierung korrekt ausgeführt würde, um Wochen bis Monate verzögert. Im Gegensatz dazu können Wirkstoffprofile innerhalb von 24-48 Stunden mit der notwendigen Genauigkeit ermittelt werden. Abbildung 6: Experimentell bestimmte Saug- und Wirkstoffprofile für verschiedene Silane, appliziert auf einen Beton, hergestellt mit W/ Z-wert 0.45 4.7 Arbeits- und Umweltschutz Bei Hydrophobierungsmitteln handelt es sich um eine „chemische Zubereitung“ verschiedener Ausgangsstoffe, wobei das ausgewählte Silan naturgemäß die Produkteigenschaften am stärksten beeinflusst. Daraus resultieren Anforderungen an den Arbeits- und Umweltschutz, die unbedingt zu beachten sind. Als Informationsquelle stehen neben dem Technischen Merkblatt auch das Sicherheitsdatenblatt (SDS) zur Verfügung. In letzterem finden sich vor allem Daten in Bezug auf die chemisch-physikalischen Eigenschaften des Produktes, vorgeschriebene Sicherheitsmaßnahmen bei der Ausführung oder Vorgaben zur umweltgerechten Entsorgung von Restmengen. 4.8 Technische Umsetzung einer Tiefenhydrophobierung In der Abbildung 7 sind die typischen Schritte einer Tiefenhydrophobierung unter praktischen Bedingungen dargestellt. Im ersten Schritt werden bei neuen Bauwerken Probeflächen angelegt, um Typ und Menge an Hydrophobierungsmittel festzulegen, die für das Erreichen einer Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 574 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 bestimmten „wirksamen Eindringtiefe“ geeignet bzw. erforderlich sind (Abbildung 7, Schritt 1). Vor Beginn der Maßnahme wird das zu hydrophobierende Bauteil mit Kunststofffolien oder Planen eingehaust. Dadurch soll ein unkontrolliertes Verfrachten von Hydrophobierungsmittel verhindert werden, was sowohl die vorbeifahrenden Fahrzeuge als auch die Straßenoberfläche verunreinigen kann. Beides stellt eine direkte Gefahr für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer dar (Abbildung 7, Schritt 2). Hydrophobierungsmittel werden üblicherweise mit dem Airless-Verfahren auf die Werkstoffoberfläche aufgetragen, wobei das sowohl für niedrigviskose als auch hochviskose Produkte gilt. Die applizierte Menge beträgt dabei je nach Silantyp zwischen 400-750 g/ m 2 (Abbildung 7, Schritt 3). Nach einer 14tägigen Reaktionszeit werden erneut Probekörper aus dem hydrophobierten Betonbauteil entnommen, um durch die Qualitätskontrolle die in der Planung fixierten Werte zu überprüfen (Abbildung 8, Schritt 4) Schritt 1: Zustandsanalyse und/ oder Anlegen von Probeflächen Schritt 2: Schutz der vorbeifahrenden Autos und Verkehrsflächen Schritt 3: Applikation des Hydrophobierungs-mittels im Airless-Verfahren Schritt 4: Entnahme von Bohrkernen für die Qualitätskontrolle Abbildung 7: Durchführung einer Tiefenhydrophobierung an einem neuerstellten Brückenbauwerk 5. Case Study: Brückenbauwerke in Bayern 5.1 Untersuchter Brückenbestand Im Jahre 2004/ 2005 wurde durch die Autobahndirektion Bayern-Süd eine Studie in Auftrag gegeben, in der die Wirksamkeit einer Tiefenhydrophobierung als „Chloridsperre“ an Bestandsbrücken und neuerstellten Brücken untersucht werden sollte. Nach der Zustandsanalyse von 19 Autobahnbrücken, die Teil der Bundesfernstraßen A7, A8, A96, A99 und A 980 waren, sollten diese tiefenhydrophobiert werden. An diesen Arbeiten war die Hochschule Karlsruhe und die Firmen Wacker AG, StoCretec GmbH, Konstruktionsgruppe Bauen Kempten GmbH und Aquastahl GmbH beteiligt Im Jahre 2018/ 2019 wurden aus diesem Brückenportfolio neun Brücken erneut beprobt, um Aussagen zur Wirksamkeit der Tiefenhydrophobierung zu erhalten. Als Maßstab für die „Performance“ dieser Oberflächenschutzmaßnahme wurde das Chloridprofil, bestimmt in 2003, mit dem Chloridprofil, ermittelt in 2018/ 2019, ver- Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 575 glichen. Dazu wurden, analog zu 2004/ 05, 2 vertikale Messlinien je Bauwerk bzw. Brückenpfeiler festgelegt. Auf diesen Achsen wurden Bohrkerne in einer Höhe von 0.3 m, 1.3 m und 2.3 m entnommen. An diesen Brückenpfeilern wurde erneut die Bewehrungsüberdeckung ermittelt, die Carbonatisierungstiefe bestimmt, ein Saugprofil aufgestellt und die Chloridprofile aufgenommen. Durch die ersten Messungen sollte der Bauwerkszustand überprüft, mit den beiden letzten Messungen die Wirksamkeit der Tiefenhydrophobierung ermittelt werden. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse dieser Untersuchungen vorgestellt. 5.2 Ergebnisse an Bestandbauwerken 5.2.1 Brückenbauwerk A7 BW 108-1 In die sind für das oben genannte Brückenbauwerk die Chloridprofile, ermittelt im Jahre 2004 (orange) bzw. im Jahre 2018, eingetragen. Der Vergleich der Chloridprofile zeigt, dass über einen Zeitraum von ca. 15 Jahren sich sowohl die Chlorideindringtiefe als auch die gesamte Chloridmenge in der Betonrandzone nicht signifikant erhöht haben. Auch nach 15 Jahren liegt der Chloridgehalt, bezogen auf das Zementgewicht, deutlich unter dem Wert, der üblicherweise als korrosionsauslösend gilt (Richartz-Kriterium). Voraussetzung dafür war aber eine wirksame Eindringtiefe von 4 mm. Auch konnte festgestellt werden, dass die Tiefenhydrophobierung noch unverändert wirksam ist. Auch die Carbonatisierung hat sich über 15 Jahre nur um 2 mm erhöht. Die oft formulierte Aussage, dass eine Hydrophobierung die Carbonatisierungsgeschwindigkeit beschleunigt, zeigt sich hier, wie bei den anderen Brückenbauwerken, nicht. Abbildung 8: Brückenbauwerk A7 BW 108-1 - Vergleich des Chloridgehaltes 2004/ 2018 Abbildung 9: Brückenbauwerk A7 BW 122-1 - Vergleich des Chloridgehaltes 2004/ 2018 5.2.2 Brückenbauwerk A7 BW 122-1 Beim Brückenbauwerk A7 BW 122-1 hat die Tiefenhydrophobierung nicht den erwünschten Effekt gezeigt. Während im Jahre 2004 die Chloride nur im Bereich von 0-15 mm einen nennenswerten Gehalt aufweisen, hat sich im Verlauf der nächsten 15 Jahre das Bild deutlich verändert. Im Bereich von 0-15 mm wurden Maximalwerte zwischen 0.5-1.0 Massen-%, bezogen auf das Zementgewicht bestimmt. Auch direkt an der Bewehrung hat der Chloridgehalt Werte von 0.2-0.4 Massen-% erreicht (Abbildung 9: Brückenbauwerk A7 BW 122-1 - Vergleich des Chloridgehaltes 2004/ 2018). Die Überprüfung der Tiefenhydrophobierung zeigte, dass diese deutlich an Wirksamkeit verloren hatte, was mit einer geringen Eindringtiefe und Wirkstoffgehalt in Verbindung gebracht werden konnte. Die Ergebnisse bestätigen die Feststellung, dass für eine wirksame und dauerhafte Tiefenhydrophobierung eine hohe „wirksame Eindringtiefe“ die entscheidende Voraussetzung ist. Beim Carbonatisierungsfortschritt ist keine ungewöhnliche Zunahme zu verzeichnen. 5.2.3 Brückenbauwerk A99 BW 0/ 5 Im Rahmen der westlichen Erweiterung der Bundesautobahn 99, Westumfahrung München zwischen dem Autobahndreieck München Süd-West und dem Autobahnkreuz München West, wurden die Mittelpfeiler von 6 Brückenbauwerken nach Fertigstellung und vor der ersten Verkehrsfreigabe im Zeitraum September bis November 2005 hydrophobiert. Bei der Tiefenhydrophobierung des Bauwerks A99 BW0/ 5 wurde bis auf eine kleine „Referenzfläche“ der gesamte Mittelpfeiler tiefenhydrophobiert. Die Bohrkerne, die aus der ausgesparten Fläche entnommen wurden, sind in der Abbildung 10: Brückenbauwerk A99 BW 0/ 5 - Bohrkernentnahmestellen (oben) und Aussparung der Tiefenhydrophobierung bei der Applikation (unten) oben, durch die blauen Kreise gekennzeichnet. Die roten Kreise stehen für die Probenent- Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 576 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 nahmeorte, die für die hydrophobierte Fläche festgelegt worden. In der Abbildung 10: Brückenbauwerk A99 BW 0/ 5 - Bohrkernentnahmestellen (oben) und Aussparung der Tiefenhydrophobierung bei der Applikation (unten) unten, ist in der Mitte des Brückenpfeilers die Abklebung mit einer Folie zu erkennen, welche die Applikation und Aufnahme des Hydrophobierungsmittels verhinderte. In Abbildung 11: Brückenbauwerk A99 BW 0/ 5 - Vergleich der Chloridprofile sind die Chloridprofile, bestimmt für hydrophobierte (rot) bzw. unbehandelte Flächen (blau), eingetragen. Die Wirksamkeit der Tiefenhydrophobierung sich direkt aus dem Vergleich der Chlorideindringtiefe und der gesamten Menge an Chlorid in der Betonrandzone ableiten. Bezüglich der Carbonatisierung lässt sich auch bei diesem Brückenbauwerk keine signifikanten Unterschiede zwischen hydrophobierten und unbehandelten Flächen feststellen. Abbildung 10: Brückenbauwerk A99 BW 0/ 5 - Bohrkernentnahmestellen (oben) und Aussparung der Tiefenhydrophobierung bei der Applikation (unten) Abbildung 11: Brückenbauwerk A99 BW 0/ 5 - Vergleich der Chloridprofile Zusammenfassend ist durch die Durchführung der Studie an den Brückenbauwerken der A7, A8, A96, A99 und A 980 festzustellen, dass die Wirksamkeit einer Tiefenhydrophobierung, vorausgesetzt eine ausreichende „wirksame Eindringtiefe“ wurde erreicht, nachgewiesen ist. Ein signifikanter Einfluss auf die Carbonatisierunggeschwindigkeit konnte nicht nachgewiesen werden. 6. Ökonomische Aspekte einer Tiefenhydrophobierung 6.1 Lebenszykluskosten in Abhängigkeit von Baustoffen und Bauweisen Trotz veränderter Ausschreibungs- und Vergaberichtlinien stehen bei der öffentlichen Hand bei Entscheidungen immer noch die Erstellungskosten im Vordergrund. Nachhaltigkeitsziele und damit auch die Lebenszykluskosten finden erst in Ausnahmefällen ihre angemessene Berücksichtigung. Das gilt insbesondere für Infrastrukturbauwerke, weil für diesen Bereich auch noch entsprechende Modelle zur Berechnung der Lebenszykluskosten fehlen. Eine Ausnahme bilden neue Ansätze, die für Straßentunnel entwickelt wurden. Bei einem dieser Ansätze werden in einem Gesamtmodell alle Kostenarten zusammengefasst. Davon ausgehend können auch einzelne Bauteile oder das gesamte Bauwerk bewertet, aber auch verschiedene Varianten miteinander verglichen werden. Nach Ansicht der Autoren ist die Methodik auch auf andere Infrastrukturbauwerke anwendbar, wozu auch Brückenbauwerke zu zählen sind. Praktisch wird der Lebenszyklus eines Infrastrukturbauwerks in objektspezifische Phasen eingeteilt, den wiederum bestimmte Prozesse zugeordnet werden können. Die Abbildung 12: Darstellung relevanter Prozesse in Anlehnung an die ASB-ING (2013) zeigt diesen Zusammenhang schematisch. Danach lassen sich die folgenden Schritte unterscheiden: Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 577 Abbildung 12: Darstellung relevanter Prozesse in Anlehnung an die ASB-ING (2013) Erstellung In der Planungsphase werden alle Daten erfasst, die zur Ausführung des eigentlichen Bauwerks erforderlich sind. Die damit verbundenen Kosten gehören zu den Initialkosten. Während der Erstellung wird die Planung umgesetzt, wobei auch während des Baus unerwartete Planungsänderungen erheblich zu den Baukosten beitragen. Einen eher kleinen Anteil haben dabei die Werkstoffkosten, obwohl sie bei eingeschränkter Funktion oder einer nicht ausreichenden Dauerhaftigkeit einen erheblichen Anteil zum Erhaltungsaufwand beitragen. Erhaltung Während der Nutzungsphase steht die Erhaltung im Vordergrund, wobei zwischen verschiedenen Beiträgen unterschieden werden muss. Planmäßig sind Unterhaltmaßnahmen auszuführen, wobei zwischen Konstruktion (Bau) und Betriebsanlagen (Betrieb) zu differenzieren ist. Diese unterscheiden sich aber nicht nur durch die Kosten, sondern auch durch den notwendigen zeitlichen Aufwand bzw. die ihre Häufigkeit. Unter Prävention sind die technischen Maßnahmen zu verstehen, mit deren Hilfe eine Instandsetzung zu vermeiden ist. Die Kosten dafür betragen ca. 10% der Aufwendungen, die eine Instandsetzung mit sich bringt. Eine Instandsetzung ist ungeplant, erfolgt daher in vielen Fällen unter Betrieb und ist dementsprechend kostenintensiv. Alle zeitlich vorgelagerten Maßnahmen sind daher so vorzusehen, dass eine Instandsetzung sicher vermieden wird. Gelingt dies nicht, kann betrachtet dessen summierter finanzieller Beitrag zu den Lebenszykluskosten über den gesamten Lebenszyklus um ein Mehrfaches höher liegen als die Kosten, die sich aus Planung, Bau und Unterhalt zusammensetzen. Rückbau Beim Rückbau hat das Recycling eingesetzter Werkstoffe bzw. die Wiederverwendung von Bauteilen bereits heute, in Zukunft aber noch viel mehr, einen relativ hohen Beitrag zu den Lebenszykluskosten. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass heute bereits in der Planung die Recyclingfähigkeit der vorgesehenen Werkstoffe bewertet wird. Für die Berechnung der Lebenszykluskosten für Infrastrukturbauwerke, wie z.B. einem Brückenbauwerk, ist der nachfolgende strukturierte Ablauf vorgesehen. Ermittlung der Ausgangslage durch die Definition des Untersuchungsrahmens. Im vorliegenden Fall stimmt dieser mit dem Bilanzierungsraum für die Ökobilanz überein. In Abhängigkeit von der gewählten Bauweise erfolgt die funktionelle Definition von Bauteilen (Funktionsmodule) und der technischen Ausrüstung, die für den Bäderbetrieb erforderlich sind. • Entwicklung von Nutzungsszenarien in Abhängigkeit von der gewählten Bauweise unter Berücksichtigung spezifischer Einflussfaktoren für die instandsetzungsfreie Nutzungsdauer. • Kostenermittlung für die einzelnen Nutzungsszenarien, wobei der „Performance“ und Dauerhaftigkeit der Werkstoffe besonders Rechnung getragen werden soll. • Überführung der szenarioabhängigen Kosten in eine Kostenmatrix. • Berechnung der Lebenszykluskosten in Abhängigkeit vom gewählten Szenario mittels Kapitalwertmethode. Vergleich der Bauweisen in Hinsicht auf die Lebenszykluskosten und weiteren Optimierungsmöglichkeiten. Abbildung 13: Betrachtungen zu den Investitionen für eine Instandsetzung bzw. einer Tiefen-hydrophobierung 6.2 Betrachtungen zu den Kosten einer Tiefenhydrophobierung im Vergleich zu einer Instandsetzung Die oben beschriebene Vorgehensweise zur Berechnung der Lebenszykluskosten eines Infrastrukturbauwerks (z.B. Brücke, Tunnel) die in einem Fall durch präventive Maßnahmen instandsetzungsfrei über die geplante Nutzungsdauer von 100 Jahren Tiefenhydrophobierung Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 578 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 genutzt werden konnte und in dem anderen Fall instandgesetzt werden muss, ist derzeit Gegenstand einer Studie. Die Ergebnisse liegen somit noch nicht vor. Ersatzweise sollen die Daten für das Investment bei einer Instandsetzung mit den Kosten einer Tiefenhydrophobierung verglichen werden. Der Vergleich basiert auf Daten, die durch die Autobahndirektion Bayern-Süd zur Verfügung gestellt wurden. Diese Kalkulationen sind in Abbildung 13: Betrachtungen zu den Investitionen für eine Instandsetzung bzw. einer Tiefen-hydrophobierung dargestellt. Danach wurden für die ausgewählte Brücke für die Instandsetzung insgesamt 230.000 Euro angesetzt. Im Gegensatz dazu ergibt sich für die Tiefenhydrophobierung ein Betrag von 40.000 Euro. Nach der Berechnung der Lebenszykluskosten ist für die beiden Maßnahmen mit einem noch größeren Unterschied zu rechnen. Das ist aufgrund der Ergebnisse verschiedener Studien zu erwarten, wonach bei 80% der Bauwerksinstandsetzungen bereits nach 8-10 Jahren erneut Schäden zu beobachten sind. Im Gegensatz dazu gilt die Wirksamkeit einer Tiefenhydrophobierung über einen Zeitraum von 20 Jahren als gesichert. 7. Ökologische Aspekte einer Tiefenhydrophobierung 7.1 Der Begriff Nachhaltigkeit im Bauwesen Nachhaltiges Bauen ist im Hochbau (z.B. Wohnungsbau, Bürogebäude, Einkaufszentren) besser etabliert als in anderen Bereichen des Bauwesens. Dazu haben u.a. die Bewertungsstandards, entwickelt durch Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) oder „Leadership in Energy and Environmental Design“ (LEED) beigetragen. Aber auch die stärkere Positionierung von Handelsmarken (z.B. Sto oder Sto- Cretec) in Bezug auf Nachhaltigkeit haben diese Entwicklung beschleunigt. Diese Ansätze sind nur bedingt auf die Infrastruktur übertragbar, was auch in deren Vielfältigkeit begründet ist. Grundsätzlich bleiben aber die Ziele für eine nachhaltige Infrastruktur die Gleichen: • Bewahrung des Ökosystems und Schutz der Umwelt (Ökologie) • Ausschöpfen der ökonomischen Potenziale (Ökonomie) • Der Nutzen für Mensch und die gesellschaftliche Entwicklung (soziokulturelle Beiträge) Bei der klassischen Bewertung der Nachhaltigkeit eines Infrastrukturbauwerks stehen diese drei Faktoren in einer komplexen Interaktion und gelten darüber hinaus als gleichwertig. 7.2 Voraussetzungen für eine nachhaltige Infrastruktur Dauerhaftigkeit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein nachhaltiges Bauwerk. Das gilt insbesondere für Infrastrukturbauwerke, da diese für eine instandsetzungsfreie Nutzungsdauer von 80-120 Jahren geplant und auch gebaut werden. Werden während dieser Nutzung ungeplante Instandsetzungen erforderlich, können der finanzielle Aufwand und die Umweltauswirkungen bis zum Dreifachen höher sein als die Belastungen, die bei der ursprünglichen Bauwerkserstellung entstanden sind. Die Dauerhaftigkeit hängt wiederum vom Konstruktionstyp, vielmehr aber noch von der Art und den Eigenschaften eingesetzter Werkstoffe ab. Da die tatsächlichen Beanspruchungen für die individuellen Bauwerke objekt- und nutzungsspezifisch sind, müssen diese bereits im Rahmen einer Vorplanung sehr sorgfältig analysiert und bewertet werden. Ungeeignete Werkstoffe würden sonst zu einem frühzeitigen Bauteil- oder Bauwerksversagen führen. Heute stehen bei der Werkstoffauswahl viel stärker als in der Vergangenheit ökologische Kriterien im Vordergrund, oder anders ausgedrückt, es wird durch Bauherren und Planer bei der Planung und Bauwerkserstellung die Reduzierung des Einsatzes natürlicher Ressourcen angestrebt, z.B. durch Verwendung nachwachsender Rohstoffe oder recycelten Materials. Beschränkt sich diese ökologische Bewertung dabei nur auf die Baustoffherstellung und werden die „Performance“ und Dauerhaftigkeit nicht ausreichend in die Bewertung miteinbezogen, wird in Hinsicht auf Nachhaltigkeit genau das Gegenteil erreicht. 7.3 Vorgehensweise bei der Nachhaltigkeitsbewertung von Infrastruktur Wie bereits ausgeführt, kann bei der Bewertung von Infrastrukturbauwerken nur eingeschränkt auf die bereits entwickelten Standards (z.B. DGNB, LEED) zurückgegriffen werden. Auf der anderen Seite ist die Komplexität bei Infrastrukturbauwerken deutlich kleiner als bei Hochbauten, dafür stehen technische Lösungen, wie eine Tiefenhydrophobierung, als Voraussetzung für Funktionsfähigkeit und Dauerhaftigkeit viel stärker im Fokus. Daraus leitet sich auch das Vorgehen ab, dass sich für eine erweiterte Nachhaltigkeitsanalyse für Infrastrukturbauwerke anbietet: • TECHNIK: Analyse und Bewertung technischer Lösungen in Bezug auf Funktionsfähigkeit und Dauerhaftigkeit anhand dafür aufzustellender realitätsnaher Szenarien. • ÖKOLOGIE: Erstellung einer Ökobilanzierung über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks mit Hilfe realitätsnaher Szenarien. • ÖKONOMIE: Berechnung von Lebenszykluskosten auf Basis realitätsnaher Szenarien Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 579 • SOZIOKULTURELLE FAKTOREN: Analyse in Bezug auf die Bedeutung der Infrastruktur für Mensch und Gesellschaft (z.B. Integration, Gesundheit, Lebensqualität oder Sicherheit). In der Vergangenheit wurden bereits Studien zu einem Teil der obigen Punkte ausgeführt. Die Ergebnisse zu den technisch und ökonomisch orientierten Studien wurden in den vorhergehenden Abschnitten bereits vorgestellt und diskutiert. Nachfolgend werden Ergebnisse von ökologischen Betrachtungen vorgestellt. 7.4 Ökobilanzierung von Baustoffen und Bauweisen Die Ökobilanzierung von Produkten, Prozessen oder sogar Dienstleistungen ist in vielen wirtschaftlichen Bereichen nicht nur etabliert, sondern das Vorgehen ist in den Normen DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 geregelt. Nach der Abbildung 14: Schematische Darstellung einer Ökobilanz nach DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 [9,10]. lassen danach vier Schritte unterscheiden. Durch eine Ökobilanz können allgemein Umweltaspekte und/ oder potenzielle Umweltwirkungen (z.B. Ressourcennutzung) im Verlauf des Lebensweges eines Produktes von der Rohstoffgewinnung über Produktion, Anwendung, Abfallbehandlung, Recycling bis zur endgültigen Beseitigung untersucht werden. Praktisch werden dazu Software-Pakete, wie Umberto© der Fa. Ifu GmbH, Hamburg, eingesetzt. Abbildung 14: Schematische Darstellung einer Ökobilanz nach DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 [9,10]. Der erste Schritt bei einer Ökobilanz ist die Festlegung der Ziele, die durch sie erreicht werden sollen. Beim Hochbau ist das typischerweise die Ermittlung des „product carbon footprints“ für vergleichbare Bauprodukte bzw. als Grundlage für Produktverbesserungen, beispielsweise durch Verwendung nachwachsender Rohstoffe. Für Infrastrukturbauwerke greift das aber zu kurz. Hier muss die Ökobilanz für Baustoffe und/ oder Bauweisen über den gesamten Lebenszyklus erfasst werden, was sich auch in der Festlegung der Ziele abbilden muss. Das gilt auch für den nächsten Schritt, die Definition des Untersuchungsrahmens. Für Infrastrukturbauwerke ist dazu neben der räumlichen Ausdehnung des Bilanzobjektes (hier: Brückenpfeiler) auch der Zeitraum (hier: 60- 120 Jahren) der Betrachtungen festzulegen. Bezugnehmend auf eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft unterteilt man dabei den Lebenszyklus in die Abschnitte Erstellung, Unterhalt, Instandsetzung (fakultativ, wenn notwendig) und Rückbau. Bei der nachfolgenden Sachbilanz werden in Bezug auf den Untersuchungsrahmen sämtliche Stoff- und Energieströme (Input: z.B. Rohstoffe, Energie, Output: z.B. Abwässer, CO 2 ) qualitativ und quantitativ erfasst. Die sich anschließende softwareunterstützte Wirkungsabschätzung soll beispielhaft anhand der Klimagase (CO 2 , Methan, NOx) erläutert werden. Methan ist ca. 25-mal klimawirksamer als Kohlendioxid. Daher werden alle Klimagase zunächst auf die Wirkung des Klimagases CO 2 normiert, um nachfolgend die äquivalente Menge an CO 2 daraus zu berechnen. Mit Hilfe sogenannter Wirkungskategorien ermittelt dann die Software die Auswirkungen dieser Menge an CO 2 auf den Treibhauseffekt. Weitere Wirkungskategorien sind u.a. Versauerungspotenzial für Böden oder die Eutrophierung von Gewässern. Abbildung 15: Für die Ökobilanzierung einer Instandsetzung und einer Tiefenhydrophobierung betrachtete Brücke der Gotthard-Autobahn Mit den Ergebnissen der einzelnen Wirkungskategorien werden Produkte, Technologien oder Dienstleistungen in Bezug auf Umweltverträglichkeit verglichen. Unterneh- Langzeiterfahrungen mit Tiefenhydrophobierungen als Oberflächenschutzsystem von Brücken- und Tunnelbauwerken 580 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 men nutzen die Daten für die gezielte Weiterentwicklung von Produkten oder Technologien, Entscheider erhalten dadurch Unterstützung beim Auswahlprozess. Für eine repräsentative Ökobilanzierung muss daher im Vorfeld ein möglichst realitätsnahes Szenario für den Lebenszyklus entwickelt werden. Entsprechendes gilt für andere Bauweisen, um diese in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit miteinander vergleichen zu können. 7.5 Ökobilanzierung einer Tiefenhydrophobierung Im vorliegenden Fall wurde als Ziel der Vergleich zwischen den ökologischen Auswirkungen einer Instandsetzung und einer Tiefenhydrophobierung definiert. Als Bilanzrahmen wurde dazu ein Brückenpfeiler ausgewählt, der Teil einer Brücke der Gotthard-Autobahn in der Schweiz ist (Abbildung 15: Für die Ökobilanzierung einer Instandsetzung und einer Tiefenhydrophobierung betrachtete Brücke der Gotthard-Autobahn). Durch Fehler bei der Ausführung der Entwässerung, genauer das Abschneiden der Entwässerungsrohre unterhalb der Brückenunterseite, gelangten Chloride in die Brückenpfeiler. Aufgrund der dadurch induzierten Bewehrungskorrosion war die Instandsetzung der Brückenpfeiler unumgänglich. Vergleichsweise wurde für diese Brückenpfeiler ein Szenario entwickelt, bei dem durch eine Tiefenhydrophobierung als präventive Maßnahme die Bewehrungskorrosion verhindert wurde. Zusätzliche Einflussfaktoren, die mit der Einschränkung der Brückennutzung verbunden sind (z.B. Staus oder Umleitungen) müssen hier nicht berücksichtigt werden. In der Abbildung 16: Schematische Darstellung des Bilanzrahmens und der berücksichtigten Energie- und Massenströme für die vergleichenden ökologischen Betrachtungen zu den Auswirkungen einer Instandsetzung und Tiefenhydrophobierung sind die Massen- und Energieströme dargestellt, die für die Ökobilanzierung der Instandsetzungsmaßnahme bzw. für die Tiefenhydrophobierung berücksichtigt wurden. Für die einzelnen Maßnahmen wurden sowohl die Energieströme, wie z.B. beim Abtrag des Überdeckungsbetons (Instandsetzung) oder bei der Herstellung (Tiefenhydrophobierung) erfasst. Typische Massenströme ergeben sich durch die Verwertung des abgetragenen Betons (Instandsetzung) oder der Applikation des Hydrophobierungsmittels (Tiefenhydrophobierung). Nach der Erfassung dieser Daten wurden die Wirkungskategorien mit der verwendeten Software berechnet und gegenübergestellt. Der Übersicht halber sind die Ergebnisse beider Kalkulationen in der Abbildung 17: Vergleichende Darstellung der Ergebnisse einer Ökobilanzierung für eine Instandsetzung und eine Tiefenhydrophobierung. Die Ergebnisse der Instandsetzung wurden auf 100% gesetzt, die Resultate für die Tiefenhydrophobierung im Verhältnis dazu. eingetragen. Dabei wurden die Ergebnisse für die Instandsetzung in Relation zu den Resultaten für die Tiefenhydrophobierung gesetzt. Praktisch heißt dies, dass die Ergebnisse für die Instandsetzung auf 100% normiert wurde. Der Vergleich zeigt, dass die Umweltauswirkungen einer Tiefenhydrophobierung deutlich niedriger sind, verglichen mit einer Instandsetzung. Daraus lässt sich auch ein „ökologischer break-even“ ableiten, wonach eine Tiefenhydrophobierung neunmal appliziert werden kann, bevor deren ökologische Auswirkungen mit denen einer Instandsetzung vergleichbar wäre. Bei der Annahme, dass die geplante Lebensdauer der Brücke bei 100 Jahren liegt, wäre aus ökologischer Sicht eine alle drei Jahre ausgeführte Tiefenhydrophobierung immer noch weniger umweltbelastend als die Instandsetzung. Tatsächlich kann aufgrund von Studien und praktischen Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass eine Tiefenhydrophobierung ca. 20 Jahre wirksam ist. Danach ist mit geringem Aufwand eine Wiederholung der hydropbierenden Maßnahme möglich. Die Ergebnisse zeigen, dass präventive Maßnahmen, wie hier die Tiefenhydrophobierung, erhebliche ökologische Vorteile aufweisen, wenn dadurch eine Instandsetzung vermieden werden kann. Abbildung 16: Schematische Darstellung des Bilanzrahmens und der berücksichtigten Energie- und Massenströme für die vergleichenden ökologischen Betrachtungen zu den Auswirkungen einer Instandsetzung und Tiefenhydrophobierung