Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Prioritätenreihung und Risikomanagement bei Stützbauwerken im Landesstraßennetz
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Matthias J. Rebhan
Roman Marte
Stefan S. Grubinger
Franz Nöhrer
Bernhard Saurug
Die aktuellen normativen Forderungen für die Erhaltung und Überwachung von Bestandsobjekten durch die RVS-Richtlinien, welche für die österreichischen Bundesländer als Infrastrukturerhalter zum Stand der Technik zählen, führen vor allem im Umgang mit bestehenden Stützbauwerken zu einem erheblichen Aufwand. Dies resultiert zum einen aus dem steigenden Bauwerksalter und zum anderen aus einer aktuellen Sensibilisierung aufgrund vermehrter Schadensfälle bei Stützbauwerken in jüngster Vergangenheit.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Umsetzung eines Systems für das Risikomanagement bzw. die Prioritätenreihung bei bestehenden Stützbauwerken, welche durch das Bundesland Steiermark betrieben und erhalten werden. Das Konzept basiert auf einer einfachen, systematischen und nachvollziehbaren Herangehensweise zur Erfassung des von einem Einzelbauwerk oder Straßenzug ausgehenden Risikos, welches durch eine Risikomaßzahl definiert wird. Als Grundlage dienen hierzu Kriterien, welche sich zum einen auf das Bauwerk und dessen Erhaltungszustand beziehen und
zum anderen die Umgebung bzw. die Lage und Wichtigkeit des Bauwerkes mitberücksichtigen. Somit ist für die Feststellung der Priorität der zu prüfenden Objekte eine Vorgehensweise gegeben, die eine Berücksichtigung der wesentlichen Einflussfaktoren hinsichtlich Gefährdungspotential erlaubt. Auf Basis dieser Priorisierung kann sodann eine gesamtheitliche Aufnahme und Beurteilung der Objekte garantiert werden und darauf aufbauend eine Aussage über den Erhaltungszustand getätigt werden. Die verwendeten Kriterien können hierzu in die drei Bereiche Rang der Straße, Unterlagen zum Bauwerk und Kriterienkatalog unterteilt werden. Mit der Umsetzung dieses Konzeptes ist es möglich, den Aufwand für die Durchführung von Bauwerksprüfungen zu reduzieren und somit einen effizienten Mitteleinsatz sicherzustellen.
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Südtangente Koblenz: Rollverschlüsse in der Sanierung und im Neubau (DE) 606 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 4.0 Zusammenfassung und Ausblick Bei diesem Projekt war es der Wunsch des Bauherren, die bestehenden Rollverschlusskonstruktionen zu ertüchtigen und zugleich drei neue Rollverschlusskonstruktionen einzubauen. In den kommenden Bauphasen sollen wiederum neuen Rollverschlüsse eingebaut werden. Literaturverzeichnis [1] Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz [2] Marc Zeitler copyright [3a] Wikipedia [3-18] mageba 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 607 Prioritätenreihung und Risikomanagement bei Stützbauwerken im Landesstraßennetz Matthias J. Rebhan, Roman Marte, Stefan S. Grubinger Technische Universität Graz, Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik, Graz, Österreich Franz Nöhrer, Bernhard Saurug Amt der Steiermärkischen Landesregierung, A16 Verkehr und Landeshochbau - Referat Bauwerkserhaltung und Geotechnik, Graz, Österreich Zusammenfassung Die aktuellen normativen Forderungen für die Erhaltung und Überwachung von Bestandsobjekten durch die RVS-Richtlinien, welche für die österreichischen Bundesländer als Infrastrukturerhalter zum Stand der Technik zählen, führen vor allem im Umgang mit bestehenden Stützbauwerken zu einem erheblichen Aufwand. Dies resultiert zum einen aus dem steigenden Bauwerksalter und zum anderen aus einer aktuellen Sensibilisierung aufgrund vermehrter Schadensfälle bei Stützbauwerken in jüngster Vergangenheit. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Umsetzung eines Systems für das Risikomanagement bzw. die Prioritätenreihung bei bestehenden Stützbauwerken, welche durch das Bundesland Steiermark betrieben und erhalten werden. Das Konzept basiert auf einer einfachen, systematischen und nachvollziehbaren Herangehensweise zur Erfassung des von einem Einzelbauwerk oder Straßenzug ausgehenden Risikos, welches durch eine Risikomaßzahl definiert wird. Als Grundlage dienen hierzu Kriterien, welche sich zum einen auf das Bauwerk und dessen Erhaltungszustand beziehen und zum anderen die Umgebung bzw. die Lage und Wichtigkeit des Bauwerkes mitberücksichtigen. Somit ist für die Feststellung der Priorität der zu prüfenden Objekte eine Vorgehensweise gegeben, die eine Berücksichtigung der wesentlichen Einflussfaktoren hinsichtlich Gefährdungspotential erlaubt. Auf Basis dieser Priorisierung kann sodann eine gesamtheitliche Aufnahme und Beurteilung der Objekte garantiert werden und darauf aufbauend eine Aussage über den Erhaltungszustand getätigt werden. Die verwendeten Kriterien können hierzu in die drei Bereiche Rang der Straße, Unterlagen zum Bauwerk und Kriterienkatalog unterteilt werden. Mit der Umsetzung dieses Konzeptes ist es möglich, den Aufwand für die Durchführung von Bauwerksprüfungen zu reduzieren und somit einen effizienten Mitteleinsatz sicherzustellen. 1. Bauwerksprüfung Aufgrund der geografischen Lage und Topografie Österreichs sind Stützbauwerke zur Errichtung von Infrastruktureinrichtungen wie Straßen- oder Schienentrassen oftmals erforderlich. Hieraus resultiert, dass die Durchführung von laufenden Kontroll- und Prüftätigkeiten unerlässlich für die Sicherheit und Verfügbarkeit dieser Trassen ist. Ein Hauptbestandteil dieser Tätigkeiten stellt die Erfassung des Erhaltungszustands dar. In Österreich gelten für die öffentlichen Bauwerkserhalter - ÖBB und ASFINAG sowie die Bundesländer - die Richtlinien für Verkehr und Straße (RVS - vgl. [1]) als Stand der Technik. Diese regeln in welchem Umfang und zeitlichen Abständen Kontroll- und Prüftätigkeiten (Bauwerksinspektionen) durchzuführen sind. Generell wird dabei in Österreich eine Erfassung des „Erhaltungszustandes“ vorgenommen, das heißt es werden Veränderungen, meist in Form von Schäden am Objekt, durch das Prüfpersonal erfasst. Darauf aufbauend findet eine Beurteilung des Objektes statt. Schäden an Stützbauwerken können in unterschiedlichen Ausprägungen, Erscheinungsformen und Schweregraden vorliegen [2]. In Abhängigkeit des Bauwerkstyps, des Errichtungszeitpunkts und der vorliegenden Schäden stellt die Prüfung von bestehenden Stützbauwerken eine große Herausforderung sowohl für Bauwerkserhalter als auch das Prüfpersonal (vgl. [3]) dar. Neben diesen RVS-Richtlinien gibt es in Österreich noch weitere Prüfdokumente wie beispielsweise die ÖGG Empfehlungen zur vertieften Prüfung und Beurteilung bestehender, unverankerter Stützbauwerke (vgl. [2]) bzw. interne Dokumente und Handlungsanweisungen der einzelnen Bauwerkserhalter. Prioritätenreihung und Risikomanagement bei Stützbauwerken im Landesstraßennetz 608 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 2. Bestandsbauwerke Das österreichische Streckennetz im niederrangigen Verkehr (ohne Autobahnen und Schnellstraßen) weist eine Gesamtlänge von ca. 34.200 km (vgl. [4]) auf. Mit 5.000 km liegt ungefähr ein Siebtel dieser Strecke im Verwaltungs- und Aufgabenbereich des Landes Steiermark. Damit ist das Amt der Steiermärkischen Landesregierung nach den Bundesländern Nieder- und Oberösterreich Verwalter und Erhalter des drittgrößten Landesstreckennetzes in Österreich. Aus einer Erhebung der Bestandsdaten aller öffentlichen Bauwerkserhalter (vgl. [4]) geht hervor, dass in Österreich ca. 100.000 Stützbauwerke im niederrangigen Straßennetz und weitere ca. 40.000 im hochrangigen Straßennetz bzw. entlang der Schienentrassen der Österreichischen Bundesbahnen vorhanden sind. Auf das Streckennetz im Land Steiermark verteilen sich ca. 4.800 Stützbauwerke. Wie Abb. 1 zeigt, werden diese zur Hälfte durch Gewichtsmauern gebildet. Weitere 44 % sind in Form von Steinmauerwerk vorhanden, welche ebenfalls als eine Form der Schwergewichtsmauern betrachtet werden können. Lediglich 6 % (274 Stützbauwerke) werden durch Sonstige Konstruktionen wie Winkelstützmauern, Gabionenkonstruktionen oder Bewehrte Erde Konstruktionen gebildet. Lediglich 1 % (61 Bauwerke) werden, durch die in dieser Darstellung nicht angeführten, geankerten Konstruktionen gebildet. Abb. 1: Stützbauwerke im Streckennetz des Landes Steiermark (vgl. [3]) Diese Aufteilung zeigt, dass rund 94 % des Bauwerksbestandes durch Bauwerkstypen gebildet werden, welche dem Typ der Gewichtsmauern zugeordnet werden können, welche im Allgemeinen durch ein gutmütiges und sich ankündigendes Versagen (vgl. [2] & [4]) gekennzeichnet sind. 3. Risikomanagement Land Steiermark Die obigen Ausführungen zu den Bestandsbauwerken im Streckennetz des Landes Steiermark und die Ausführungen zu den vorhandenen Bauwerkstypen lassen erkennen, dass das hier vorliegende Streckennetz grundsätzlich durch sich eher gutmütig verhaltende und ein Versagen ankündigende Stützbauwerke gekennzeichnet ist. Aus diesem Grund wurde in Zusammenarbeit zwischen dem Land Steiermark und der Technischen Universität Graz ein Konzept (vgl. [5]) erarbeitet, welches ein Risikomanagement bzw. eine Prioritätenreihung im Zusammenhang mit der Inspektion und Prüfung von bestehenden Stützbauwerken ermöglicht. Die Möglichkeit ein derartiges System zu implementieren wird in den RVS-Richtlinien (vgl. [1]) durch eine Anpassung des Anwendungsbereiches gegeben. Dieser besagt, dass „der Erhaltungsverpflichtete eine Risikobewertung der nicht geankerten Stützbauwerke durchführen und basierend auf dem Ergebnis den Anwendungsbereich“ anpassen kann. Ein mögliches Konzept für eine derartige Risikobewertung (vgl. [5]) wird nachfolgend vorgestellt. 3.1 Konzept des Risikomanagements Das Konzept basiert im Wesentlichen auf der Ermittlung und Bestimmung einer Risikomaßzahl. Diese beruht auf den Randbedingungen des Bauwerkes welche in Form eines Kriterienkataloges (vgl. Kapitel 3.2 sowie ) in die Beurteilung einfließen. Begonnen wird hierzu mit der Erhebung der Bauwerksdaten (i in Abb. 2), welche zu Folge einer vor Ort Begehung oder der Aufbereitung der Daten aus einer Bauwerksdatenbank von Statten gehen kann. Im Anschluss werden die Randbedingungen des Bauwerkes mit den Inhalten eines Kriterienkataloges (ii in Abb. 2) verglichen und die Bestimmung der Risikomaßzahl RMZ (iii in Abb. 2) kann durchgeführt werden. Prioritätenreihung und Risikomanagement bei Stützbauwerken im Landesstraßennetz 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 609 Abb. 2: Flussdiagramm zur Umsetzung der Methode der Risikobewertung bei Stützbauwerken [6] Die Ermittlung der Risikomaßzahl findet laut Formel (1) statt, welche durch die Gleichung in Formel (2) mit dem Grenzwert von 1,75 limitiert wird. Diese Limitierung ist damit begründet, dass bei Überschreitung des Grenzwertes eine derart große Schädigung des Bauwerkes vorliegt, dass die Anwendung dieser Methode nicht mehr zweckmäßig ist. Die Terme A und B setzen sich aus den beiden zahlenmäßig größten Faktoren des Kriterienkataloges zusammen und sollen den Einfluss der maßgebenden Schäden aufzeigen. Die restlichen Kriterien (in Form von Mängeln und Schäden am Bauwerk) fließen durch Mittelwertbildung (Term C in Formel (1) und (2)) in die Ermittlung der Risikomaßzahl ein. Einige Beispiele für den Inhalte des Kriterienkataloges sind in Tab. 1 aufgelistet. (1) (2) Neben den Schäden und Mängeln am Objekt finden zwei weitere Parameter bei der Ermittlung der Risikomaßzahl Berücksichtigung. Durch den Term D wird das Vorhandensein von Unterlagen zu einem Objekt mit einbezogen, was eine genauere Bewertung des Bauwerkes ermöglicht. Somit wird der Kenntnisstand über das Bauwerk, wie z.B. das Vorliegen von Planunterlagen zum Bauwerk, Kenntnisse über die Untergrund- und Grundwasserverhältnisse, Vorliegen von Prüf- und Überwachungsunterlagen, Statische Berechnungen etc. bei der Ermittlung der Risikomaßzahl berücksichtigt. Weiters werden neben Informationen zum Objekt auch dessen Standort sowie der Rang der Straße (Term E) ebenfalls zur Bestimmung der Risikomaßzahl herangezogen. Dies basiert auf dem Regionalem Verkehrskonzept Obersteiermark West (vgl. [7]) und bildet die Relevanz und die Anforderungen an die Verfügbarkeit des Straßennetzes in der Steiermark ab. Die ermittelte Risikomaßzahl (RMZ) ist ein Maß für das Bauwerksrisiko, in das sowohl die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes eines Schadens, wie auch die Folgen eines Schadens eingehen. Dieses basiert, ähnlich den RVS-Richtlinien, auf einem Schulnotensystem zwischen 1 (sehr geringes Risiko) und 5 (sehr hohes Risiko). Die Bandbreite der RMZ reicht generell von 0,025 bis 2,00, was auch die Bandbreite der Beurteilung zu Folge der RMZ (Abb. 3) definiert. Abb. 3: Bewertungsschema zur Bestimmung des Risikos anhand der Risikomaßzahl 3.2 Kriterienkatalog & Bauwerksparameter Wie aus der Erläuterung zur Ermittlung der RMZ zu erkennen ist, basiert der erste Term in Formel (1) auf den Inhalten eines Kriterienkataloges. Mit diesem wird eine große Bandbreite an unterschiedlichen Schadensbildern, Mangelerscheinungen und auch Versagensmechanismen aufbereitet. Der Inhalt dieses Kataloges (vgl. [5]) reicht dabei von gravierenden Mängeln wie dem Fehlen einer Absturzsicherung, defekten Entwässerungen oder nicht frostbeständigen Steinmaterialien bis hin zu kleineren Schäden wie oberflächlichen Abplatzungen des Betons oder dem Ausrieseln der Verfüllung bei Raumgitterkonstruktionen. Um vergleichbare und standardisierbare Ergebnisse bei der Ermittlung der RMZ zu erhalten, wurde im Zuge der Ausarbeitung des Konzeptes ein Kriterienkatalog definiert und aufbereitet. Ein Auszug aus diesem ist in Tab. 1 gegeben. Neben der Betrachtung der Inhalte des Kriterienkataloges und der Berücksichtigung der Abgrenzung nach Formel (2) wurden auch Drop-Out Kriterien als ergänzende Regulatorien in das Konzept eingearbeitet. Diese berücksichtigen besonders kritische Versagensmechanismen (z.B. Korrosion bei Winkelstützmauern vgl. [4]) oder sehr schwierig zu beurteilende Bauwerke, wie beispielsweise geankerte Konstruktionen, ab. Derartige Drop- Out-Kriterien sind im Kriterienkatalog gekennzeichnet und führen zu einem Ausschluss aus der Nutzung des be- Prioritätenreihung und Risikomanagement bei Stützbauwerken im Landesstraßennetz 610 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 schriebenen Konzeptes für das betrachtete Objekt. Folglich ist für dieses Objekte eine Kontroll- und Prüftätigkeit nach RVS 13.06.61 durchzuführen. Tab. 1: Auszug Kriterienkatalog Kriterium C i Winkelstützmauer Höhe über 2,50 m 1,00 Fehlende Absturzsicherung 1,00 Talseitig, direkt an die Straße angrenzendes Bauwerk 1,00 Talseitig, in einem Verhältnis Abstand zur Straße zu Höhe größer als 1,50 0,50 Nachverdichtungseffekte im Straßenbereich (z.B. Absackungen) ersichtlich 0,50 Ausrieselungen großer Mengen an Füllmaterial aus den Silozellen der Raumgitterkonstruktion 0,50 3.3 Adaptierung und Anpassung Abschließend wird noch angemerkt, dass es sich bei diesem Konzept um ein möglichst einfach anzuwendendes, dennoch adaptier- und anpassbares Verfahren handelt. Am Ende der Beurteilung eines Bauwerkes findet laufend eine Aktualisierung der Inhalte des Kriterienkataloges und der Kontrollzyklen statt. So kann sichergestellt werden, dass zukünftig wiederkehrend eine erneute Validierung der Beurteilung des Bauwerkes stattfindet, und dass neue Erkenntnisse eingearbeitet werden. Letzteres ist vor allem in Bezug auf den Kriterienkatalog erforderlich. In diesen werden somit laufend neue Erkenntnisse aus Bauwerksprüfungen oder auch aus Schadensfällen eingearbeitet. Damit wird neben einer einfachen und raschen Beurteilung des Bauwerkes auch eine Weitergabe von Informationen aber auch die Einbeziehung neuer Kenntnisse und Erfahrungen sichergestellt. 4. Praktische Umsetzung & Beispiele In Kapitel 3 dieses Beitrages wurde ein Konzept zu einem Risikomanagement vorgestellt, welches die Randbedingungen der Bauwerksprüfung und Inspektion in Österreich berücksichtigt und zudem zu einer Vereinfachung bzw. wirtschaftlicheren Handhabung der Ressourcen bei öffentlichen Bauwerkserhaltern führt. Nachfolgend wird - neben der wirtschaftlichen Aufarbeitung dieses Konzeptes - die praktische Anwendung und Umsetzung anhand von Beispielen behandelt. Dazu werden einleitend die aus der Bestimmung der Risikomaßzahl abzuleitenden Handlungsanweisungen beschrieben. Anschließend werden zwei Beispiele zur Anwendung des Konzeptes gezeigt. Weitere Beispiel sind in [5] und [6] zu finden. 4.1 Handlungsanweisung Aufbauend auf der Beurteilung des Risikos kann in weiterer Folge auch eine Ableitung von erforderlichen Tätigkeiten in Form von Inspektionstätigkeiten (vgl. Abb. 4) stattfinden. Hierbei wird zwischen „Betrieblichen Maßnahmen“, einer Laufenden Überwachung sowie Kontroll- und Prüftätigkeiten unterschieden. Abb. 4: Abgeleitete Handlungsanweisungen Unter „Betrieblichen Maßnahmen“ werden im Zusammenhang mit diesem Konzept jene Tätigkeiten verstanden, welche zur Sicherstellung des Erhaltungszustandes beitragen. Generell kann darunter die Fortführung der Tätigkeiten des Streckendienstes (z.B. Sicherstellung der Entwässerung, Entfernen von Bewuchs) verstanden werden, sofern keine weiteren Mängel oder Schäden im Zuge einer visuellen Besichtigung durch das Personal zu erkennen sind. Sollte dies der Fall sein, ist eine erneute Beurteilung des Risikos erforderlich. Die Laufende Überwachung stellt die in den RVS-Richtlinien angeführten Aufgaben des Streckendienstes dar. Dabei wird die „Feststellung von groben Schäden und auffälligen Veränderungen, soweit sie beim Befahren vom Fahrzeug aus sichtbar sind“ (vgl. [1]) vorgenommen. Generell sind diese einmal jährlich (mittleres Risiko) durchzuführen, können jedoch auch durch einen verstärkten Zyklus einer Überwachung (geringes Risiko) umgesetzt werden. Erst ab einem hohen bzw. sehr hohen Risiko findet eine Einordnung des Bauwerkes in das „RVS-System“ und die damit einhergehenden Inhalte einer Kontrolle und Prüfung sowie die damit verbundenen Termine zur Durchführung statt. Um die Anwendbarkeit dieses Konzeptes bzw. auch die Möglichkeiten aufzuzeigen werden nachfolgend zwei Beispiele gezeigt, ehe in Kapitel 4.4 auf die mögliche Reduktion des Aufwandes - sowohl personell als auch monetär - eingegangen wird. 4.2 Beispiel 1 - Steinschlichtung Bei der in Abb. 5 abgebildeten Stützmauer handelt es sich um eine trocken vermörtelte Steinschlichtung, wel- Prioritätenreihung und Risikomanagement bei Stützbauwerken im Landesstraßennetz 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 611 che zur Herstellung eines Einschnittes im Zuge der Trassierung einer Straße errichtet wurde. Die Steinschlichtung weist einen geringen Abstand zu Straße auf und ist entsprechend hoch. Zudem sind am gesamten Bauwerk kleinere Schäden vorhanden und die Mauer weist in der Mitte - im höchsten Bauwerksbereich - bereits eine große Ausbauchung auf. Weiters liegt an der Vorderseite des Bauwerkes ein dichter, das gesamte Bauwerk abdeckende Bewuchs vor, welcher die visuelle Prüfung des Bauwerkzustandes entsprechend schwierig gestaltet. Zudem sind unzureichende Entwässerungsmaßnahmen vorhanden. Zum einen ist keine Drainage im Bauwerksbereich ersichtlich und die Ableitung der Hang- und Straßenwässer an der Vorderseite des Bauwerkes ist mangelhaft und für die anfallenden Wässer zu klein dimensioniert. Abb. 5: Beispiel einer Steinschlichtung In der ersten Betrachtung wurde berücksichtigt, dass sich diese Steinschlichtung an einer Straße mit mittelhohem Rang befindet. Daraus resultiert eine RMZ von 1,05, welche ein mittleres Risiko widerspiegelt. Daraus folgend findet eine Einstufung dieses Objektes in die Laufende Überwachung nach RVS mit einer jährlichen Periode statt. Wird bei der Betrachtung dieses Bauwerkes die Tatsache berücksichtigt, dass diese Steinschlichtung die „einzige Zufahrt“ zu einem besiedelten Talende darstellt, so erhöht sich die RMZ von 1,05 auf 1,75 zufolge der höheren Gewichtung der Straße. Diese große Risikomaßzahl führt dazu, dass das Bauwerk durch die Prüftätigkeit nach RVS und den darin definierten Prüfintervallen zu inspizieren ist. 4.3 Beispiel 2 - Gewichtsmauer Die in Abb. 6 dargestellte Gewichtsmauer weist ebenfalls einer großen Bauwerkshöhe auch einen geringen Abstand zur Straße auf. Zudem sind bereits massive Schäden am Bauwerk zu erkennen. Es liegt großflächiger Bewuchs vor und die Funktion der Entwässerung ist augenscheinlich eingeschränkt. Aufgrund der angeführten Schäden am Bauwerk, den fehlenden Unterlagen sowie der Lage des Bauwerkes an einer ranghohen Straße, ergibt die Risikobewertung dieses Objektes eine RMZ von 1,75. Daraus folgend ist die Beibehaltung der Prüfzyklen nach RVS 13.03.61 erforderlich. Abb. 6: Beispiel Gewichtsmauer 4.4 Reduktion des Aufwandes Bei Einhaltung der aktuellen Prüfperioden nach RVS 13.03.61 (vgl. [1]) für die Prüfung von bestehenden Stützbauwerken wären im Streckennetz des Landes Prioritätenreihung und Risikomanagement bei Stützbauwerken im Landesstraßennetz 612 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 Steiermark jährlich rund 1.495 Kontrollen sowie ca. 370 Prüfungen durchzuführen. Um den Aufwand für die Prüftätigkeit nach RVS zu verdeutlichen wird nachfolgend eine Betrachtung dieser Inspektionstätigkeiten vorgenommen. Die für die Tätigkeiten angenommenen Stunden und die dazugehörigen Kosten beziehen sich auf Schätzungen und sind in [5] detaillierter ausgeführt. Wie die Aufbereitung in Abb. 7 erkennen lässt, werden die Kontrollen durch eine Reduktion der Bauwerksanzahl deutlicher in der absolut benötigten Zeit beeinflusst, als dies bei den Prüfungen der Fall ist. Dies ist auf die größere Anzahl an erforderlichen Kontrollen im Vergleich zur Prüfung zurückzuführen. Abb. 7: Einfluss der Bauwerksanzahl Demzufolge erscheint es sinnvoll, die Anzahl der nach RVS zu prüfenden Bauwerke zu reduzieren - und diese lediglich durch die Maßnahmen der „betrieblichen Erhaltung“ zu inspizieren. Dies ist jedoch auch damit verbunden, dass ein gewisses Restrisiko von diesen Bauwerken ausgehen wird. Dies kann jedoch im Regelfall nie ausgeschlossen werden. Vielmehr kann mit einer derartigen Priorisierung der Inspektionstätigkeiten - hin zu den Bauwerken mit einem größeren Risiko - im besten Fall sogar von einer Erhöhung der Streckensicherheit und Verfügbarkeit ausgegangen werden, da ein effizienterer Mitteleinsatz für die Erhaltung und auch Prüfung der Bauwerke sichergestellt wird. 5. Zusammenfassung & Ausblick Mit dem hier vorliegenden Beitrag wurde ein Konzept zum Risikomanagement bzw. der Prioritätenreihung bei Stützbauwerken gezeigt. Dieses kann in Österreich auf Grund der rechtlichen und dem Stand der Technik entsprechenden Rahmenbedingungen der RVS-Richtlinien durchgeführt werden. Das Konzept basiert auf der Ermittlung einer Risikomaßzahl für die zu prüfenden Objekte und der darauf aufbauenden Maßnahmeneinleitung. Ermöglicht wird eine einfachere Herangehensweise an die Inspektion von bestehenden Stützbauwerken sowie eine maßgeschneiderte und individuelle Anpassung an die Anforderungen des Bauwerkserhalters. Das hier vorgestellte Konzept kann nicht nur für Stützbauwerke angewendet werden. Durch eine Anpassung des Kriterienkataloges und der erforderlichen Maßnahmen können die Prüfvorschriften der RVS-Richtlinien für Ingenieurbauwerke (Reihe RVS 13.03ff) erweitert werden. Beispiele hierfür sind: - Brücken mit einfachen statischen Verhältnissen und eingeschränkter Stützweite; - Lärmschutzbauwerke; - Überkopfwegweiser. Mit der Anlehnung des Konzeptes an die geltenden RVS- Richtlinien kann darüber hinaus zum einen die rechtliche Lage der Anwendung sichergestellt werden und zum anderen auch eine Überführung der Ergebnisse in bestehende Prüfsysteme sichergestellt werden. Neben der Reduktion der Bauwerksanzahl, wie in Kapitel 4.4 angeführt, lässt sich aus wirtschaftlicher Sicht auch erkennen, dass durch eine generelle Reduktion des Aufwandes für die Prüfung ein massives Einsparungspotential ermöglicht wird. Hierzu können beispielsweise Maßnahmen der Digitalisierung (vgl. [5] & [6]) beitragen, umfangreiche Einsparungen sowohl in personeller als auch monetärer Sicht zu erzielen. 6. Danksagung Das in diesem Beitrag vorgestellte Konzept zu einem Risikomanagement bzw. einer Prioritätenreihung bei Stützbauwerken wurde in Zusammenarbeit mit dem Land Steiermark - der Abteil A16, dem Referat für Bauwerkserhaltung und Geotechnik - erarbeitet. Die Inhalte dieses Beitrages sind der Diplomarbeit von Stefan S. Grubinger mit dem Titel „Risikomanagement bei bestehenden Stützbauwerken im Streckennetz des Landes Steiermark“ (vgl. [5]) entnommen und dort in größerer Tiefe ausgearbeitet. Der besondere Dank für ihre Mitwirkung, die Einbringung ihrer Ideen, Vorschläge und Anforderungen ergeht an die beiden Mitarbeiter des Landes Steiermark, Franz Nöhrer und Bernhard Saurug, ohne deren Fachwissen in diesem Bereich die Umsetzung dieses Projektes nicht in dieser Form möglich gewesen wäre. Quellen [1] RVS 13.03.61 (2014): Qualitätssicherung bauliche Erhaltung - Überwachung, Kontrolle und Prüfung von Kunst-bauten - Nicht geankerte Stützbauwerke, Österreichische Forschungsgesellschaft Straße, Schiene, Verkehr, Wien. [2] ÖGG (2019): Empfehlungen zur vertieften Prüfung und Beurteilung bestehender, unverankerter Stützbauwerke. Österreichische Gesellschaft für Geomechanik, Salzburg.
