Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2023
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7 Jahre Digitalisierung von PPP-Projekten der Verkehrsinfrastruktur
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2023
Jannis Illgner
Daniela Schäfer
Anna Andreev
Seit 2015 unterstützt die Competence Area BIM der HOCHTIEF PPP Solutions Transport Infrastruktur Europa mit ihrem P3IM System, dem PPP Informationsmanagement System, das Baumanagement, den Betrieb und die Erhaltung von PPP-Projekten der Verkehrsinfrastruktur mit digitalem Know-how und auf den Bedarf zugeschnittenen Lösungen. Die meisten angebotenen Lösungen fokussieren sich auf die Unterstützung der täglichen Aufgaben im Asset Management. Das stetig wachsende Angebot an Funktionen und digitalen Prozessen wird in Anwendungsfällen, sogenannten P3IM Modulen, beschrieben. Diese bauen mitunter daten- und prozesstechnisch aufeinander auf. In diesem Beitrag wird exemplarisch ein repräsentativer Ausschnitt des Portfolios vorgestellt, an dem die standardisierte Arbeitsweise und das systematische Vorgehen der angewandten Arbeitspraktiken deutlich werden. Abschließend wird auf aktuelle Herausforderungen der Digitalisierung von Transportinfrastruktur eingegangen und aufgezeigt, wie die Competence Area BIM diesen bereits heute begegnet.
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3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 77 7 Jahre Digitalisierung von PPP-Projekten der Verkehrsinfrastruktur Jannis Illgner, M. Sc. HOCHTIEF PPP Solutions GmbH, Essen Dr. Daniela Schäfer HOCHTIEF PPP Solutions GmbH, Essen Anna Andreev HOCHTIEF PPP Solutions GmbH, Essen Zusammenfassung Seit 2015 unterstützt die Competence Area BIM der HOCHTIEF PPP Solutions Transport Infrastruktur Europa mit ihrem P3IM System, dem PPP Informationsmanagement System, das Baumanagement, den Betrieb und die Erhaltung von PPP-Projekten der Verkehrsinfrastruktur mit digitalem Know-how und auf den Bedarf zugeschnittenen Lösungen. Die meisten angebotenen Lösungen fokussieren sich auf die Unterstützung der täglichen Aufgaben im Asset Management. Das stetig wachsende Angebot an Funktionen und digitalen Prozessen wird in Anwendungsfällen, sogenannten P3IM Modulen, beschrieben. Diese bauen mitunter daten- und prozesstechnisch aufeinander auf. In diesem Beitrag wird exemplarisch ein repräsentativer Ausschnitt des Portfolios vorgestellt, an dem die standardisierte Arbeitsweise und das systematische Vorgehen der angewandten Arbeitspraktiken deutlich werden. Abschließend wird auf aktuelle Herausforderungen der Digitalisierung von Transportinfrastruktur eingegangen und aufgezeigt, wie die Competence Area BIM diesen bereits heute begegnet. 1. Einführung Der Masterplan des BMVI sieht vor, dass die BIM-Methodik (Building Information Modeling) ab 2025 für alle zukünftigen Verkehrsinfrastrukturprojekte eingesetzt werden soll. Hierbei fokussiert sich das Augenmerk jedoch nur auf einen Teil des Projektlebenszyklus, denn der Fokus der bis 2025 zu erstellenden Methodik liegt klar auf der Erstellung von Anwendungsfällen für die Planungs- und Bauphase der Projekte. Betrieb und Erhaltung hingegen werden nur als Teil des ganzheitlichen Zukunftsbildes auf Basis Digitaler Zwillinge erwähnt, bleiben in ihrer Ausgestaltung jedoch unkonkret [1]. Dieses Muster der Fokussierung von BIM auf Planung und Bau zieht sich durch große Teile der Fachliteratur (vgl. z.B. [2], [3], [4], [5]). Zusätzlich wird BIM häufig nicht als Methode, sondern als die Fähigkeit bezeichnet, Objekte als 3D Model darzustellen [2]. Die ebenfalls wichtigen nicht-geometrischen Zusatzinformationen, die unterschiedlichste Anwendungsfälle erst ermöglichen, werden dabei häufig ignoriert. Dabei sind es gerade jene Informationen, die einen Mehrwehrt für spätere Phasen im Lebenszyklus ermöglichen [6]. Wird die BIM Methodik nicht als ganzheitliche, sondern auf einzelne Lebenszyklusphasen ausgerichtete Methodik verstanden, so ergeben sich unter anderem die Gefahren von signifikanten Informationsverlusten und Mehrarbeit. Speziell für die Gruppe der Besitzer und Betreiber von Verkehrsinfrastruktur führt dies somit zu signifikanten Mehrkosten, die durch die Schaffung von Interoperabilität vermieden werden könnten. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die aus fehlender Interoperabilität resultierenden Kosten auf die Projektphase „Betrieb und Erhaltung“ bereits 2004 mit Abstand die größten negativen finanziellen Auswirkungen hatten, ist es von essenzieller Wichtigkeit, ebendiese Interoperabilität der Daten über den gesamten Projektlebenszyklus sicherzustellen [7]. Seit Veröffentlichung der Studie des NIST in den USA (National Institute of Standards and Technology) im Jahr 2004 könnten sich die dort erfassten Kosten aufgrund von zunehmender Nutzung digitaler Programme sogar weiter erhöht haben [2]. Als projektlebenszyklusorientierter Partner der öffentlichen Hand realisiert HOCHTIEF PPP Solutions Infrastrukturprojekte mit einem ganzheitlichen Ansatz über die Planung und den Bau bis hin zu Betrieb und Erhaltung [8]. Vor dem Hintergrund der über mehrere Jahrzehnte ausgelegten Konzessionsverträge sind innerhalb von HOCHTIEF PPPS unterschiedliche Anwendungsfälle definiert worden, die entsprechende Prozesse in digitaler Form und im Einklang mit dem P3IM System abbilden. Diese Anwendungsfälle verteilen sich über den gesamten Lebenszyklus der betreuten Projekte und gehen sogar in Teilen über das klassische BIM-Verständnis hinaus, indem auch Aspekte betrachtet werden, die zwar mit dem Bau von Verkehrsinfrastruktur zusammenhängen, nicht jedoch direkt mit dem Verkehrsinfrastrukturobjekt und der zugehörigen Projektdatenstruktur verknüpf bar sind. Bereits 2013 zeigte Dr. Liebich eine Anwendungsfallklassifizierung auf, in welcher potenzielle Anwendungsfälle den Phasen des Projektlebenszyklus zugeordnet wurden 78 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 7 Jahre Digitalisierung von PPP-Projekten der Verkehrsinfrastruktur [9]. Auffällig ist, dass auch Dr. Liebich bereits Anwendungsfälle sah, die keine zwingende direkte Verbindung zum detaillierten Modell eines digitalen Zwillings benötigen (z.B. Notfallplanung). Innerhalb des P3IM wird dieser Ansatz jedoch noch weiter ausgeführt, denn insbesondere in den Projektlebenszyklusphasen Betrieb und Erhaltung existieren viele Anwendungsfälle, die keine Verbindung zu den ursprünglichen Planungsdaten benötigen (z.B. Unfallmanagement, Einsatzkräfte am Unfallort, Betriebsführung). Auch in diesen beiden Phasen werden viele Aktivitäten an Objekten durchgeführt, die bereits durch die Planungs- und Bauphasen definiert und als Teil einer Projektdatenstruktur erfasst wurden. Eine entsprechende Detaillierung ist jedoch größtenteils nicht mehr nötig, da für die Durchführung des Prozesses häufig die in einer „Project Breakdown Structure“ (PBS) definierten Attribute ausreichen. Somit ermöglicht das P3IM, dass zusätzliche Anwendungsfälle wie Unfallmanagement unterstützt werden können oder objektbezogene Anwendungsfälle wie Zustandserfassungen für Straßen- und Ingenieurbauwerke als End-2-End Prozess, inklusive Mängel- und Gewährleistungsmanagement, größtenteils digital abgebildet werden können. 2. PPP Informationsmanagement (P3IM) Das PPP Informationsmanagement P3IM wird seit 2015 sukzessive von HTPPPS Competence Area BIM zusammen mit HOCHTIEF ViCon entwickelt und auf PPP-Projekten in Baumanagement, Betrieb und Erhaltung genutzt. Es bildet den gesamten Projektlebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur ab und verbindet durch das Managementmodell unterschiedliche Datenquellen. 2.1 P3IM Evolution Das P3IM startete 2015 mit der Digitalisierung zuvor manuell durchgeführter formularbasierter Datenaufnahmen von Zustandserfassungen von Strecke und Ingenieurbauwerken über den Lebenszyklus. Durch die digitale Erfassung der Daten baubegleitend, zur Unterstützung der Bauabnahme oder für betriebliche Kontrollprüfungen und erste digitale Prozesse konnten zuvor mühsam durchgeführte Regeltätigkeiten wie Dokumentenbenennung, das Hinzufügen von Metadaten oder Datenduplizierung automatisiert werden. Sogar die regelbasierte Erstellung von PDF Dokumenten und die Informationsbereitstellung an den Bauverantwortlichen für nachfolgende digitale Prozesse, wie das Mängelmanagement oder auch zur Verifikation an den Auftraggeber, wurden somit ermöglicht. Allen Zustandserfassungen liegt seit Beginn der Entwicklungen eine PBS zugrunde. Sukzessiv wurden und werden bis heute und auch zukünftig erfasste Daten, wie auch Informationen aus anderen externen Datenquellen und Autorensystemen, eingebunden und über die PBS mit dem P3IM Modell verknüpft. Hier unterstützt HOCHTIEF ViCon, damit die Daten anwendungsfallübergreifend in Dashboards und am P3IM Modell ausgewertet werden können. Ziel war schon immer die Generierung von Mehrwert durch Transparenz, Prozessstabilität und neuen Erkenntnissen durch die Verschneidung von Daten. Das Jahr 2018 folgte mit einem Wechsel auf die Microsoft Power Plattform - ein zweiter Evolutionsschritt hin zu einem umfangreicheren „App-Gedanken“. Durch die Nutzung der vielfältigen Tools des Anbieters war es möglich, den zuvor statischen formularbasierten Aufnahmeprozess dynamischer zu gestalten und diverse Automatismen und Navigationselemente einzubauen. Diese Herangehensweise ermöglicht eine flexiblere Gestaltung vieler Lösungen, sodass größere Teile des Prozesses in den benötigten Ausprägungen automatisiert abgebildet werden können. Mit den positiven Erfahrungen und zunehmendem Wunsch der Projekte nach weiterer Digitalisierung wuchs die Zahl der BIM Anwendungsfälle als P3IM Module. Viele Anwendungsfälle sind nach wie vor mit der PBS verknüpft, weil die hieraus resultierenden Auswertungsmöglichkeiten für das Asset Management von großer Bedeutung sind. Die erzielte Digitalisierung von Datenaufnahme und Prozessen wurde jedoch auch für betriebliche Vorgänge, die vornehmlich einer anderen, nicht zwangsläufig objektorientierten Logik folgen, zunehmend wichtig. Diese Anwendungsfälle werden ebenfalls mit dem P3IM Modell verknüpft, jedoch mit geringerer Detaillierung, so dass die Vorteile einer Verschneidung von Informationen am P3IM Modell auch hier genutzt werden können. Schließlich folgte neben dem kontinuierlichen Ausbau der unterstützten Anwendungsfälle das Ziel, die Geschäftsprozesse als End-2-End Prozesse digital abzubilden. Dies stellt eine weitere Evolutionsstufe des P3IM dar. Der Fokus liegt nun darauf, die zuvor relativ unverändert digitalisierten analogen Prozesse zu optimieren, um den vollen Nutzen der Digitalisierung zu erschließen und medienbruchfreie Bearbeitung zu ermöglichen. Mit einem verstärkten Fokus auf Standardisierung wird dabei ebenfalls Wert daraufgelegt, die bestmögliche Lösung auf allen unterstützten Projekten zum Einsatz bringen zu können. Dabei ist es wichtig hervorzuheben, dass die vorherigen Stufen der Evolution zwingend durchlaufen werden mussten, um die nötigen Erkenntnisse zu gewinnen und damit die aktuellen Prozesse optimieren zu können. Die entwickelten digitalen Lösungen bieten hier eine große Arbeitserleichterung und großen Mehrwert im Informationsmanagement und reduzieren letztlich das Risikoportfolio großer Projekte. 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 79 7 Jahre Digitalisierung von PPP-Projekten der Verkehrsinfrastruktur Abb. 1: Unterstützte P3IM Anwendungsfälle 2022 2.2 P3IM Architektur Im Folgenden wird auf die Entwicklung von Lösungen zur Datenerfassung, digitaler Prozesse und Informationsmanagement genauer eingegangen. Die aktuell genutzte Architektur des P3IM basiert zu großen Teilen auf den durch Microsoft bereitgestellten Diensten. Mit den Anwendungen der Microsoft Power Plattform wird die Dateneingabe, Verarbeitung und lokale Analyse abgebildet. Datenerfassung, -speicherung und -verarbeitung: Daten werden größtenteils über mobile Apps erfasst, auf den Endgeräten der Nutzer gespeichert und bei stabiler Internetverbindung an den SharePoint übermittelt. Dort liegen die Daten in strukturierter Form und können über automatisch vergebene Identifikationsnummern adressiert werden. Diese Id-Nummern ermöglichen ebenfalls eine tabellenübergreifende Verknüpfung der Datensätze, welche insb. für nachfolgende übergreifende Analysen herangezogen werden können. Weiterhin ermöglicht die Nutzung von Microsoft Power Automate die automatische regelbasierte Weiterverarbeitung der erfassten Daten und stellt sicher, dass nachträgliche Änderungen von Daten an allen relevanten Stellen verknüpfter Tabellen ebenfalls angepasst werden. Die Speicherung der Daten auf dem SharePoint ermöglicht es Nutzern darüber hinaus, einzelne Datenfelder manuell abzuändern und somit beispielsweise den Status eines Bearbeitungsvorgangs zu aktualisieren. Datenanalyse: Über den Ebenen der Datenerfassung, -speicherung und -verarbeitung spannt sich die Ebene der Datenanalyse, in der die zuvor generierten Daten ausgewertet werden können. Dies erfolgt durch die Nutzung von Microsoft Power BI, mithilfe dessen schnelle anwendungsfallbezogene Ad-Hoc Analysent ermöglicht werden. Drill-Downs und Roll-Ups werden ebenfalls unterstützt. Die Analysevorgänge beziehen ihre Daten in Echtzeit aus den auf dem SharePoint liegenden Informationen, sodass Änderungen der Daten direkt in die getätigten Auswertungen einfließen können. Abb. 2: P3IM Anwendungsarchitektur 80 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 7 Jahre Digitalisierung von PPP-Projekten der Verkehrsinfrastruktur 2.3 Repräsentative P3IM Anwendungsfälle (End-2-End) In diesem Abschnitt werden einige repräsentative Anwendungsfälle vorgestellt, die durch das P3IM ganzheitlich abgebildet werden, sodass eine nahezu medienbruchfreie Bearbeitung möglich ist. Dabei folgen die gewählten Anwendungsfälle dem Ziel, die digital abgebildete Lösung End-2-End bzw. sogar unter Einbeziehung sich anschließender Folgeprozesse darzustellen. Mobile P3IM Zustandserfassung mit nachfolgendem Mängel- und Gewährleistungsmanagement: Insbesondere in den ersten Jahren nach Fertigstellung der Bauwerke ist es für den Betreiber der Verkehrsinfrastruktur von essenzieller Wichtigkeit, den Status seiner Bauwerke digital nachzuverfolgen, um ggf. auftretende Mängel als Gewährleistungsansprüche geltend machen zu können. Mit den mobilen Apps zur Zustandserfassung (unterteilt nach Strecke und Ingenieurbauwerken) ist es für die Begehenden möglich, bei durchgeführten Begehungen festgestellte Auffälligkeiten digital festzuhalten und in einer zentralen Liste abzulegen, von wo aus eine Weiterverarbeitung erfolgen kann. Hierzu können Dokumente erstellt werden, die relevante Informationen zu den entsprechenden Feststellungen bündeln. Diese Dokumente können dann in den Folgeprozessen Mängelmanagement bzw. Gewährleistungsmanagement weiterverarbeitet werden. Dort werden mehrere Feststellungen zu einem Mangel / Gewährleistungsmangel zusammengefasst. Über einen eindeutigen Identifikator werden diese angelegten Mängel dann den gruppierten Feststellungen zugeordnet, sodass die logische Verknüpfung gewährleistet ist. Die so zugeordneten Feststellungen können somit direkt nach Durchführung der Mangelanzeige durch die zuständigen Bearbeiter (z.B. Team Erhaltung / Bau-Arge) analysiert, behoben und als behoben gemeldet werden. Bevor jedoch eine finale Bestätigung erfolgt, muss die Abmeldung durch das Projektteam bestätigt werden. Zwar sind in diesem Prozess noch nicht alle Schritte medienbruchfrei umgesetzt (bspw. erfolgt die Benachrichtigung der zuständigen Personen über einen neuen Mangel via E-Mail und existierende Dokumente können noch nicht automatisiert zusammengefügt werden). Trotzdem sind bereits heute alle Informationen zentral gespeichert und miteinander in Beziehung gesetzt, sodass die Grundlage für weitere Schritte in Richtung einer medienbruchfreien Verarbeitung bereits gelegt ist. P3IM-Unfallmanagementsystem: Das P3IM Unfallmanagementsystem war einer der ersten auf den unterstützen Projekten eingeführten Anwendungsfälle und wurde seit seiner Einführung kontinuierlich erweitert. Mithilfe einer mobilen App können Straßenwärter, Kolonnenführer oder Einsatzleiter vor Ort bereits während des Unfalls alle relevanten Daten zum Unfall aufnehmen, die für eine nachträgliche Dokumentation vonnöten sind. Weiterhin kann aus der App heraus direkt eine Meldung besonderer Vorkommnisse an den Auftraggeber versandt werden. Schäden können dokumentiert und in ihrem Ausmaß bestimmt werden. Mithilfe von Kameraaufnahmen können die am Unfallort erstellten Bilder ebenfalls direkt an den SharePoint übermittelt und automatisch dem Unfall zugeordnet werden, sodass der nachträgliche Administrationsaufwand so weit wie möglich reduziert wird. Die für den Prozess der Unfallabwicklung (Wiederherstellung der Fahrbahn / weiterer beschädigter Objekte, Reinigung, etc.) zu erfassenden Tätigkeiten eigener Betriebsmitarbeiter sowie die beauftragten Leistungen externer Dienstleister können sowohl aus dem Büro heraus als auch direkt vor Ort zeitgenau erfasst werden. Weiterhin können genutzte Geräte und Fahrzeuge hinzugefügt, sowie verbrauchte Materialien eingegeben werden, sodass aus all diesen Informationen nach Wiederherstellung der Fahrbahn auf Knopfdruck automatische Kostenzusammenstellungen erstellt werden können, die dann zur finanziellen Abwicklung herangezogen werden. Somit können durch das P3IM System Unfälle von der Erfassung bis zur Abrechnung in einem System dargestellt und bearbeitet werden, wobei eine zielgruppengerechte Adressierung dahingehend erfolgt, dass die Unfalldatenerfassung auf mobilen Endgeräten und die Unfallverarbeitung über einen Desktopzugang erfolgen. Trotzdem greifen beide Anwendungen auf denselben Datenpool zu und haben somit in Echtzeit Zugriff auf benötigte und aktuelle Informationen. 3. Wie die Competence Area BIM aktuellen Herausforderungen begegnet In einer Meta-Studie, die 189 Veröffentlichungen zur Digitalisierung im Bereich Verkehrsinfrastruktur untersuchte, definieren Costin et al. fünf Bereiche von Herausforderungen, die BIM im Bereich Verkehrsinfrastruktur prägen und eine flächendeckende Einführung erschweren: Technik, Prozesse, digitale Mentalität, den rechtliche Rahmen und ROI (Return on invest)-bezogene Herausforderungen [2]. Nachfolgend werden drei für die Competence Area BIM relevante Bereiche (Technik, Prozesse, Mindset) erläutert, und es wird beschrieben, inwiefern diese den Herausforderungen bereits heutzutage begegnet und was in Zukunft noch stärker betrachtet werden sollte: 3.1 Technische Herausforderungen Bereits 2014 stellte Matějka heraus, dass es an einer standardisierten Vorgehensweise für die Anwendung von BIM auf Verkehrsinfrastrukturprojekten fehlt und dass - falls überhaupt - nur die Methodik aus dem Hochbau übertragbar ist, nicht jedoch andere Bereiche, wie beispielsweise die Objektstruktur, da sich diese grundlegend von der des Infrastrukturbaus unterscheidet [10]. Um ebendieser Problematik proaktiv zu begegnen und bereits vor Konkretisierung des BMVI Zukunftsbildes auf Basis digitaler Zwillinge von den Vorteilen der BIM- Methodik im Verkehrsinfrastrukturbereich profitieren zu können, hat die Competence Area BIM eine eigene auf Verkehrsinfrastruktur ausgelege PBS eingeführt. Dabei erfolgt die Orientierung innerhalb des Modells anhand der übergeordnet gültigen PBS, durch die sämtliche erfassten projektbezogenen Informationen direkt am zugehörigen Objekt verortet werden können [11] [12]. Gleichzeitig helfen die bereitgestellten Apps und Prozesse 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 81 7 Jahre Digitalisierung von PPP-Projekten der Verkehrsinfrastruktur innerhalb der Microsoft Power Platform dabei, Daten standardisiert und im benötigten Format aufzunehmen und so nahezu in Echtzeit ans Managementmodell anbinden zu können. Damit validiert der durch die Competence Area BIM gewählte Ansatz eine für Konzessionsprojekte häufig angewandte Methode, in welcher neue Systeme ab Beginn der Betriebsphase genutzt werden [13]. Indem das P3IM allerdings trotzdem auf den für Betrieb und Erhaltung relevanten Informationen der Planungs- und Bauphasen auf baut und diese ins Datenmodell integriert, können eine aufwändige Neuerstellung von Informationssystemen verhindert und die bereits existierenden Daten mehrwertbringend genutzt werden [2] [4]. Somit ermöglicht der gewählte Ansatz, Informationen zentralisiert darzustellen und dazu beizutragen, bessere und informationsbasierte Entscheidungen zu treffen [3] und das Potenzial von bis zu 15% Einsparungen zu nutzen, welche der Nutzen einer ganzheitlichen BIM-Methodik ermöglicht [1]. Ali et al. weisen zudem auf das häufig auftretende Problem der Dateninteroperabilität hin, welches sich aus der Nutzung unterschiedlicher Software und Technologien ergibt [14]. Zwar wird mit dem IDF Dateiformat ein Standard bereitgestellt, mithilfe dessen objektbezogene Informationen softwareübergreifend ausgetauscht werden können, doch für die teilweise transaktionsbasierte Datenerfassung, die durch Mitarbeiter von Betrieb und Erhaltung durchgeführt wird, eignet sich dieses Dateiformat nur bedingt. Gleichzeitig sollen die Daten nicht nur Nutzern des Informationsmanagementmodells zugänglich sein, sondern auch Sachbearbeitern als Unterstützung in der Prozessabwicklung, bspw. für Unfallschadensabwicklung oder Mängelmanagement dienen. Daher werden alle Daten der unterstützten Lösungen auf Share- Point Online strukturiert gespeichert. Somit übernimmt SharePoint die Funktion der gemeinsamen Datenplattform (CDE) und stellt Schnittstellen bereit, mithilfe derer die gesammelten Daten im angeschlossenen Informationsmanagementmodell verarbeitet werden können. Insbesondere für die Datenbereitstellung zur Analyse wird somit dem konventionellen Ansatz ETL (extrahieren, transformieren, laden) gefolgt, sodass ursprünglich selbst nicht miteinander in Beziehung stehende Daten als mehrwertbringende Informationen innerhalb des Informationsmanagementmodells auswertbar sind. 3.2 Prozessuale Herausforderungen: Neben den technologischen Hürden sind es ebenfalls Herausforderungen im Bereich Prozesse, die die aktuelle Arbeitsweise im Bereich Betrieb und Erhaltung für Verkehrsinfrastrukturprojekte einschränken. Insbesondere das effiziente Aufstellen von digital unterstützten Arbeitsprozessen wird hier von Costin et al. hervorgehoben [2]. Innerhalb der Competence Area BIM wird dieser Herausforderung insbesondere durch die Nutzung der gemeinsamen Datenplattform begegnet, in der alle operativ erfassten und verarbeiteten Daten zusammenfließen. Somit werden digitale Schnittstellenproblematiken reduziert, Kompatibilitätsprobleme umgangen, die durch die Nutzung der Produkte unterschiedlicher Softwareanbieter entstehen würden und Kosten gesenkt, da sich auf wenige Softwareanbieter beschränkt werden kann. Gleichzeitig kann in der Rolle als zentraler Bereitsteller von neuen, digital unterstützten Anwendungsfällen für mehrere Projekte der „Best of Breed“ Ansatz verfolgt werden und die optimalste Lösung, die auf den Projekten im Einsatz ist, bei Interesse auf weitere Projekte ausgerollt werden. Als Koordinator kann die Competence Area BIM somit Innovationen und Prozessoptimierungen schnell entwickeln und dort zielgerichtet dort bereitstellen, wo Bedarf besteht. 3.3 Herausforderungen bzgl. der digitalen Mentalität: Der dritte von Costin et al. herausgestellte große Herausforderungsblock betrifft weniger die Werkzeuge und Methoden, sondern richtet sich stattdessen darauf, ein „digitales Mindset“ bei all jenen zu verankern, die regelmäßig mit den digitalen Prozessen in Berührung kommen. Dies kann durch Trainings und Weiterbildung geschehen, aber auch durch das Auf bauen von Vertrauen in die existierenden Lösungen [2]. Innerhalb der Competence Area BIM wird dieser Herausforderung auf vielfältige Weise begegnet. Um Datenverlusten bei der Übertragung von mobilen Endgeräten zum SharePoint vorzubeugen, wurden in den bereitgestellten Apps umfangreiche Sicherheitsmechanismen implementiert. Trotzdem muss hervorgehoben werden, dass die bereitgestellten Lösungen, insbesondere das Informationsmanagementmodell, nur so gut funktionieren, wie die Datenqualität es zulässt. Werden vom Nutzer falsche oder unzureichende Daten eingetragen, so ist eine mehrwertbringende Auswertung nur bedingt oder gar nicht möglich. Daher ist es umso wichtiger, dass die Einführung jeder Neuerung mit einer begleitenden Präsentation und Testphase begleitet wird, bis der Nutzer die nötige Sicherhit im Umgang mit der Lösung bekommen hat. Ein weiterer Aspekt, der die Qualität der aufgenommenen Daten beeinflusst, ist die intuitive Nutzung der Lösungen durch die Endbenutzer. Daher wird seit einiger Zeit ein verstärkter Fokus daraufgelegt, Lösungen zu entwickeln, die nicht nur funktional sind, sondern ebenfalls intuitiv bedienbar bleiben und benötigte Daten so weit wie möglich bereits im Hintergrund erfassen, sodass der Nutzer sich auf die für ihn relevanten Felder konzentrieren kann. Dies ist umso wichtiger, da Lösungen für unterschiedliche Zielgruppen bereitgestellt werden. Somit bekommen auch Straßenwärter die Gelegenheit, Daten digital erfassen zu können. Dies ermöglicht, dass Rückmeldung nicht nur aus den Büroräumen der unterstützten Projekte erfolgen, sondern fördert auch das ungefilterte Feedback derjenigen, die viele der angebotenen Apps im täglichen Gebrauch auf den mobilen Endgeräten nutzen. 4. Zusammenfassung Mit dem Masterplan BIM Bundesfernstraßen wird ein erstes Rahmendokument vorgelegt, welches einen Weg zur verstärkten Nutzung von BIM im Bereich der Ver- 82 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 7 Jahre Digitalisierung von PPP-Projekten der Verkehrsinfrastruktur kehrsinfrastruktur aufzeigt. Da der derzeitige Fokus aktuell jedoch auf den Projektlebenszyklusphasen Planen und Bauen liegt, werden die Phasen Betrieb und Erhaltung nur tangiert. Genau diesen Phasen kommt jedoch im täglichen Geschäft von HOCHTIEF PPPS eine entscheidende Bedeutung zu. Daher hat die Competence Area BIM in den letzten Jahren eine eigenständige BIM Methodik entwickelt, die in einigen Bereichen weit über das klassische BIM-Verständnis hinausgeht und passgenau auf die Bedürfnisse öffentlich-privater Partnerschaftsprojekte abgestimmt ist. Durch eine vordefinierte Projektdatenstruktur, sowie eine standardmäßig eingerichtete Datenumgebung mit zugehörigem, auf der Microsoft Power Plattform basierenden „Technologie-Stack“, ist die Competence Area BIM in der Lage, neue Lösungen zentral zu entwickeln und im „Best-of-Breed“ Ansatz auf die unterstützten Projekte auszurollen. Durch den aktuellen Fokus auf die medienbruchfreie Durchführung von End- 2-End Prozessen erleichtert die Competence Area BIM somit den Projekten die tägliche Arbeit, reduziert Routinetätigkeiten und hilft, die Digitalisierung im Bereich der Verkehrsinfrastruktur weiter voranzutreiben und aktuellen Herausforderungen in den Bereichen IT, Prozesse und digitales Mindset gut gewappnet begegnen zu können. Literatur [1] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, „Masterplan BIM Bundesfernstraßen,“ Berlin, 2021. [2] A. Costin, A. Adibfar, H. Hu und S. S. Chen, „Building Information Modeling (BIM) for transportation infrastructure - Literature review, applications, challenges, and recommendations,“ Automation in Construction 94, p. 257-281, 2018. [3] H. Sofia, E. Anas und O. 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