Kolloquium Straßenbau in der Praxis
kstr
expert Verlag Tübingen
21
2023
31
Klimaresilienter Ausbau der Alleestraße in Bochum
21
2023
Christian Reihelt
Der geplante Umbau der Alleestraße in Bochum soll unter klimagerechten Maßgaben erfolgen. Wesentlich sind dabei die Förderung des Umweltverbundes, eine wassersensible Gestaltung der Oberflächen sowie die Erneuerung der Entwässerungseinrichtungen, mit der eine Abkopplung vorhandener Flächen sowie die Rückhaltung, Speicherung und Versickerung erreicht wird. Diese Ziele werden insbesondere durch den Ausbau der Radverkehrsanlagen, den Ausbau des ÖPNV, die Entsiegelung von Flächen und Herstellung von Baumrigolen sowie der Pflanzung von 100 Bäumen zur Wiederherstellung des Alleecharakters erreicht. Wesentlich für die erfolgreiche Durchführung des Projektes ist die frühzeitige Beteiligung aller an der Planung beteiligten Planer und Behörden sowie Politik und Anwohnern.
kstr310107
3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 107 Klimaresilienter Ausbau der Alleestraße in Bochum Christian Reichelt, M. Sc. FISCHER TEAMPLAN Ingenieurbüro GmbH, Erftstadt Zusammenfassung Der geplante Umbau der Alleestraße in Bochum soll unter klimagerechten Maßgaben erfolgen. Wesentlich sind dabei die Förderung des Umweltverbundes, eine wassersensible Gestaltung der Oberflächen sowie die Erneuerung der Entwässerungseinrichtungen, mit der eine Abkopplung vorhandener Flächen sowie die Rückhaltung, Speicherung und Versickerung erreicht wird. Diese Ziele werden insbesondere durch den Ausbau der Radverkehrsanlagen, den Ausbau des ÖPNV, die Entsiegelung von Flächen und Herstellung von Baumrigolen sowie der Pflanzung von 100 Bäumen zur Wiederherstellung des Alleecharakters erreicht. Wesentlich für die erfolgreiche Durchführung des Projektes ist die frühzeitige Beteiligung aller an der Planung beteiligten Planer und Behörden sowie Politik und Anwohnern. 1. Einführung Die Alleestraße in Bochum stellt die Hauptverkehrsachse zwischen dem Bochumer Zentrum und den westlichen Außenbezirken der Stadt dar. Sie verbindet den inneren Ring (B 226) mit den Außenbezirken und der BAB 448. Die Straße befindet sich in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand, welcher sich sowohl in Mängeln der strukturellen Substanz der Straße widerspiegelt als auch verkehrsplanerische und städtebauliche Aspekte berührt. Der Straßenquerschnitt ist im Bestand im Wesentlichen durch die vier Kfz-Fahrstreifen und nicht mehr genutzte Straßenbahngleise in Mittellage gekennzeichnet und weist einen hohen Versiegelungsgrad auf. Radverkehrsanlagen gibt es derzeit nicht. Der ehemalige Alleecharakter wird an vielen Stellen nicht mehr deutlich, da die Durchgängigkeit der Alleebepflanzung nicht mehr gegeben ist. Die Straßenentwässerung wird über Straßenabläufe, welche an die vorh. Mischwasserkanalisation angeschlossen sind, gewährleistet. Mit dem Umbau der Alleestraße soll der Verkehrsraum neu aufgeteilt werden. Die Reduktion auf einen Kfz-Fahrstreifen je Richtungsfahrbahn sowie der Rückbau nicht mehr genutzter Gleisanlagen ermöglicht dabei die Herstellung komfortabler und sicherer Radverkehrsanlagen, den barrierefreien Ausbau des ÖPNV sowie die Integration eines neuen Entwässerungssystems. 2. Maßnahmen Um dem Anspruch eines klimaresilienten Umbaus der Alleestraße in Bochum gerecht zu werden, wurden Maßnahmen verschiedener Art überprüft und in die Planung integriert. Aus verkehrlicher Sicht stehen dabei die Förderung des Umweltverbundes mit der Schaffung von Radfahrstreifen mit einer durchgängigen Breite von 2,50 m sowie der barrierefreie Ausbau der Bushaltestellen im Vordergrund. In Teilabschnitten wird der Radfahrsteifen aufgeweitet und als Beschleunigungsmaßnahme vom Busverkehr mitgenutzt. Durch die Ausweisung neuer Ladezonen kann der Lieferverkehr zukünftig geordnet abgewickelt werden. Auch die Förderung des Fußverkehrs steht mit der vollständigen Erneuerung der schadhaften Gehweganlagen im Fokus. Abb. 1: Visualisierung der Oberflächen 108 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Klimaresilienter Ausbau der Alleestraße in Bochum Zur Neuorganisation der Entwässerung werden möglichst viele Flächen von der vorhandenen Mischwasserkanalisation abgekoppelt. Das anfallende Regenwasser der Verkehrssowie der angrenzenden Dachflächen wird gemäß dem Schwammstadtprinzip in der Alleestraße zurückgehalten, der Vegetation zur Verfügung gestellt und, wo möglich, versickert bzw. in ein nahegelegenes Gewässer abgeleitet. Ein wesentliches Werkzeug für die Rückhaltung des Regenwassers stellt dabei der in Mittellage der Straße durchgängige Grünstreifen dar, welcher lediglich an den Knotenpunkten unterbrochen wird. Dieser Mittelstreifen dient der Integration von Baumrigolen, welche den neu gepflanzten Alleebäumen das zurückgehaltene Regenwasser zur Verfügung stellen. Dies steigert die Vitalität der Bäume und trägt zusätzlich zu einer erhöhten Verdunstung und Verschattung bei, wodurch ein Beitrag zur Kühlung des ansonsten stark versiegelten, innenstadtnahen Bereichs geleistet werden kann. Die Reinigung des belasteten Niederschlagswassers der Fahrbahnen erfolgt über die belebte Bodenzone. Überschüssiges Regenwasser wird getrennt vom Schmutzwasser abgeleitet und dem Marbach zugeführt. In Bereichen der Nebenanlagen, in denen kein durchgängiger Grünstreifen hergestellt werden kann, werden die Rigolkörper unterhalb der Gehwege integriert. Diesen unterirdischen Rigolkörpern wird das nicht belastete Regenwasser der Gehwege und Dachflächen über offene Baumscheiben und eine Kombination aus Rinnen- und Straßenabläufen zugeführt. 3. Herausforderungen Der Umbau eines klassischen Straßenquerschnitts in Zentrumslage einer Großstadt zu einem klimaresilienten Stadtraum birgt in mehrerlei Hinsicht Herausforderungen. Diese beinhalten sowohl bauliche als auch planungs- und genehmigungsrechtliche Fragestellungen. Aus den Anforderungen der geplanten Funktionsweise der Alleestraße ergeben sich zahlreiche Auswirkungen auf die Konstruktion des Straßenkörpers. Die Fahrbahn inkl. ehemaliger Gleisanlagen der Straßenbahn ist im Bestand ca. 18 m breit und in Form eines Dachprofils ausgebildet. Die Ableitung des Fahrbahnwassers in den in Mittellage geplanten Grünstreifen sowie die vorgesehene Rückhaltung bei Starkregenereignissen erfordern die Herstellung eines umgedrehten Dachprofils. Dabei entstehen erhebliche Höhendifferenzen zum bestehenden Verkehrskörper. Diese wirken sich auf die in Zentrumslage in hohem Maße vorhandenen Versorgungsleitungen aus, sodass auf die Koordinierung und Umverlegung dieser Leitungen in besonderem Maße Wert gelegt werden muss. Dies bezieht sich sowohl auf die Trassenfindung als auch die Koordination des Bauablaufes. Auch die Ausbildung der Baumrigolen, insbesondere derer in Mittellage der Fahrbahn, erfordert umfangreiche Planungen und Abstimmungen. Als wesentliche Aspekte sind dabei die Dimensionierung des Rückhaltevolumens, die Auswahl der Materialien in Hinblick auf Speicher- und -tragfähigkeit, die Ausbildung der Bordkonstruktion sowie die Auswahl der Gehölze zu nennen.Neben der detaillierten Planung der baulichen Maßnahmen ist die Gewährleistung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens wesentlich. Insbesondere die Behandlung, Ableitung und Versickerung überschüssigen Regenwassers erforderte dabei die frühzeitige Einbindung der entsprechenden Genehmigungsbehörden in den Planungsprozess, da zwischen der Ausbildung der Entwässerungseinrichtungen und den Verkehrsanlagen besondere Abhängigkeiten bestehen, die frühzeitig in der Querschnittsgestaltung und Höhenplanung der Straße zu berücksichtigen sind. Weiterhin sind Restriktionen durch die unter der Alleestraße verlaufende Stadtbahn zu beachten. 4. Fazit Der klimaresiliente Umbau der Alleestraße bietet vielfältige Chancen das Stadtklima positiv zu beeinflussen und den Umweltverbund zu stärken. Damit diese Ziele erreicht werden ist eine gesamtheitliche Planung von Verkehrs- und Entwässerungsanlagen erforderlich. Die beschriebenen Herausforderungen können dann gemeistert werden, wenn zwischen allen Akteuren ein frühzeitiger und zielorientierter Austausch stattfindet. Dies beinhaltet insbesondere den Straßenbaulastträger, alle beteiligten Fachämter, Planer aller Gewerke, Genehmigungsbehörden, Versorgungsträger, Politik, Anwohner und weitere Beteiligte wie Lieferanten und Bauausführende. Abb. 2: Visualisierung mit Darstellung der Entwässerungseinrichtungen