Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Künstliche Intelligenz für den digitalen und nachhaltigen Asphaltstraßenbau
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Marcus Müller
Der Asphaltstraßenbau hat einen bedeutenden Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen. Digitale Technologien für die Echtzeitsteuerung von Bauprozessen im Hinblick auf Nachhaltigkeitsziele spielen bislang nur eine untergeordnete Rolle. Die Forschung und Entwicklung für den nachhaltigen Straßenbau konzentrieren sich derzeit eher auf Baumaterialien, Baumaschinen und das Produkt Straße. Der Beitrag untersucht, wie durch die digitale Echtzeitsteuerung von Bauprozessen CO2-Emissionen im Straßenbau signifikant gesenkt werden können. Auf Basis einer Fallstudie wird gezeigt, wie bereits heute marktgängige Software-Systeme für die digitale Echtzeitsteuerung erste Potenziale zur Emissionsreduktion entfalten. Daraus wird ein Arbeitsprogramm abgeleitet, um zukünftig noch weitere CO2-Reduktionspotenziale unter Nutzung von Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) zu heben. Die Ergebnisse des Beitrags wirken sowohl auf die Praxis des Straßenbaus und der Gestaltung von Software-Systemen zur Prozesssteuerung als auch auf die KI-Forschung und die Nachhaltigkeitsforschung.
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3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 115 Künstliche Intelligenz für den digitalen und nachhaltigen Asphaltstraßenbau Dr. Marcus Müller Smart Site Solutions GmbH, Nürtingen Zusammenfassung Der Asphaltstraßenbau hat einen bedeutenden Anteil an den weltweiten CO 2 -Emissionen. Digitale Technologien für die Echtzeitsteuerung von Bauprozessen im Hinblick auf Nachhaltigkeitsziele spielen bislang nur eine untergeordnete Rolle. Die Forschung und Entwicklung für den nachhaltigen Straßenbau konzentrieren sich derzeit eher auf Baumaterialien, Baumaschinen und das Produkt Straße. Der Beitrag untersucht, wie durch die digitale Echtzeitsteuerung von Bauprozessen CO 2 -Emissionen im Straßenbau signifikant gesenkt werden können. Auf Basis einer Fallstudie wird gezeigt, wie bereits heute marktgängige Software-Systeme für die digitale Echtzeitsteuerung erste Potenziale zur Emissionsreduktion entfalten. Daraus wird ein Arbeitsprogramm abgeleitet, um zukünftig noch weitere CO 2 -Reduktionspotenziale unter Nutzung von Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) zu heben. Die Ergebnisse des Beitrags wirken sowohl auf die Praxis des Straßenbaus und der Gestaltung von Software-Systemen zur Prozesssteuerung als auch auf die KI-Forschung und die Nachhaltigkeitsforschung. 1 Z. B. https: / / vm.baden-wuerttemberg.de/ de/ service/ publikation/ did/ wir-bauen-nachhaltig/ 2 Bspw. https: / / www.bauindustrie.de/ themen/ umwelt-und-bautechnik 3 Z. B. https: / / www.asphalt.de/ themen/ umwelt/ 4 Bspw. https: / / www.promobilitaet.de/ positionen/ nachhaltiger-strassenbau/ 5 U. a. https: / / www.bast.de/ DE/ Projekte/ fp-laufend-s1.html 1. Einführung In Deutschland werden für die 700.000 Km Asphaltstraßen jährlich ca. 40 Mio. Tonnen Asphalt [1] in meist mit Braunkohlestaub beheizten Asphaltmischwerken produziert und auf den Baustellen verbaut. Für die Asphaltproduktion werden in Europa jährlich rd. 300 Mio. Tonnen [2] Gestein mit erdölhaltigen Bindemitteln auf ca. 180°C erhitzt [3], in einem störanfälligen Prozess mit Lkw transportiert und mit schweren Baugeräten eingebaut. Zur Herstellung einer Tonne Asphaltmischgut werden durch das Verfeuern von Braunkohlestaub 20 kg CO 2 freigesetzt [4]. Bereits bei einer mittleren Baustellengröße mit 2.500 Tonnen einzubauendem Asphalt entspricht dies etwa zwölf First-Class-Flügen einer Person von Stuttgart nach Shanghai. Und global betrachtet bedeutet es bis zu 400 Mio. Tonnen CO 2 -Emissionen im Asphaltstraßenbau. Der Straßenbau steht nicht nur durch das Ziel der Europäischen Union, ihren Anteil an der globalen CO 2 -Emission bis 2030 (im Vergleich zu 1990) um mindestens 40 % zu reduzieren, vor großen Herausforderungen. Nachhaltigkeit steht auf den Agenden zahlreicher Auftraggeber 1 , Bauunternehmen 2 , Baustofflieferanten 3 , Baugeräte-/ Anlagenhersteller und Verbände 4 sehr weit oben und wird die Zukunft der gesamten Branche - wie auch der branchenrelevanten Forschung 5 -, gemeinsam mit der Digitalisierung und weitergehenden Automation, stark prägen. Nationale (u. a. die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung) und internationale Programme (z. B. European Green Deal, Circular Economy Action Plan, US Build Back Better), neue Vergabekriterien, einzelwirtschaftliche Management-Entscheidungen und Unternehmensstrategien treiben die Relevanz eines möglichst klimaneutralen Straßenbaus massiv voran. Derzeit werden bereits große Anstrengungen in Forschung und betrieblicher Praxis unternommen, um die wachsenden Nachhaltigkeitsanforderungen anzugehen bzw. zu erfüllen. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten konzentrieren sich aktuell auf das Baumaterial (u. a. Erhöhung des Recycling-Anteils, temperaturabgesenkte Asphalte, alternative Bindemittel bzw. Baumaterialien), die Baumaschinen/ Anlagen (insb. Elektrifizierung von Baumaschinen, Änderung der Energieträger, Umweltproduktdeklarationen für Asphalt) und das Produkt Straße, wie u. a. solaraktive oder NOx-reduzierende Beläge. Der Erhöhung der Nachhaltigkeit durch Steuerung des eigentlichen Bauprozesses, also zu dem Zeitpunkt, in dem die CO 2 -Emissionen überhaupt entstehen, kommt bislang kaum Aufmerksamkeit zu. Studien messen insbesondere der digitalen Echtzeitsteuerung von Bauprozessen mittels Verfahren der Künstlichen Intelligenz eine besondere Bedeutung bei der Erreichung ambitionierter Nachhaltigkeitsziele zu [5]-[8]. Die hierzu erforderlichen digitalen Voraussetzungen sind bereits gegeben (Stichworte: Straßenbau 4.0 und Building Information Modeling), so dass der nächste Innnovationsschritt in der Entwicklung intelligenter Verfahren zur Prozesssteuerung (im Sinne von KI) nach Kriterien der Nachhaltigkeit liegt. 116 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Künstliche Intelligenz für den digitalen und nachhaltigen Asphaltstraßenbau 2. Stand der Wissenschaft und Technik 2.1 Digitale Echtzeitprozesssteuerung im Asphaltstraßenbau Die Nutzung digitaler Technologien in der Bauwirtschaft hat in den vergangenen Jahren bedeutend zugenommen. 6 Dies gilt insbesondere für den Straßenbau. Hierzu zählen vor allem die Erfassung von Betriebsdaten mittels Sensoren (im Asphalt oder an Baugeräten und Anlagen bzw. extern, z. B. Wetterstationen am Baustellenrand), Drohnen und mobiler Endgeräte, die Datenintegration über Cloud- Plattformen und die Entstehung baustellenweiter Informationssysteme auf Basis von Building Information Modellen (BIM). Die zunehmende Digitalisierung hat auch bedeutende Auswirkungen auf die Prozesssteuerung im Straßenbau, wie u. a. die Initiative Qualitäts-Straßenbau Baden-Württemberg 4.0 (QSBW4.0) des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg [4], [9] sowie die Initiative Qualitätsstraßenbau Autobahn Asphalt 4.0 (QAA4.0) von Die Autobahn GmbH des Bundes [10], [11] zeigen. Im Bereich der Prozesssteuerung im Straßenbau konzentrieren sich industrielle Anstrengungen auf die Überwachung und Steuerung prozessrelevanter Zustände, Aktivitäten und Ereignisse in integrierten Informationssystemen und die Entscheidungsunterstützung bezüglich Einbauqualität und einzusetzender Ressourcen wie Material, Baugeräte, Fahrzeuge, Anlagen und Personal (u. a. Forschungsprojekte PAST I&II, QUAST, SmartSite). Hierbei handelt es sich um prozessorientierte Informationssysteme, die den Bauprozess widerspiegeln. Diese Entwicklungen adaptieren Gestaltungskonzepte von Manufacturing Execution Systemen der Fertigungsindustrie. Stand der Technik bei der Entscheidungsunterstützung sind optimierende und heuristische Verfahren, die anhand eines formalen Modells zulässige Entscheidungsalternativen ermitteln und in Hinblick auf Zielgrößen wie Kosten, Zeit und Qualität bewerten. Der primäre Fokus marktgängiger Systeme zur digitalen Echtzeitprozesssteuerung im Asphaltstraßenbau liegt auf dem betriebswirtschaftlich effizienten Prozessmanagement und Ressourceneinsatz. Ferner zielen die Systeme auf die Qualitätssicherung durch einen kontinuierlich heißen Einbau ab. So konnte bspw. in Feldstudien die Tauglichkeit solcher Systeme im Hinblick auf einen unterbrechungsfreien Einbau auf realen Baustellen nachgewiesen werden [12]. Ein effizientes Prozessmanagement und ein effizienter Ressourceneinsatz zahlen dabei bereits heute auf Nachhaltigkeitsziele ein. So ermitteln marktgängige Systeme bspw. die optimale Flottengröße und kürzeste Umlaufrouten für den Transport. Die digitalen Systeme unterstützen die nach Umweltaspekten zu bevorzugende Verwendung temperaturabgesenkter Asphalte. Diese stellen besondere Herausforderungen an Logistik- und Einbauprozesse sowie an eine stete Temperaturüberwachung. Nicht zuletzt werden durch einen qualitätsgesicherten, 6 Zur Übersicht s. bspw. KI-Projekte des BMDV: https: / / www.bmvi.de/ DE/ Themen/ Digitales/ Kuenstliche-Intelligenz/ KI-Projekte-in-der-Mobilitaet/ aktionsplan.html digital überwachten und gesteuerten Einbau (kontinuierlicher heißer Einbau) die Nutzungsdauern von Straßen erhöht [13]. Dies wiederum führt zu selteneren Erhaltungs- und Neubaumaßnahmen - und somit zu insgesamt geringeren CO 2 -Ausstößen. 2.2 Nachhaltigkeit im Asphaltstraßenbau Im Wesentlichen konzentrieren sich die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie Umsetzungsprojekte im Bereich des „grünen Straßenbaus“ auf nachhaltigere Baumaterialien bzw. auf eine nachhaltigere Materialproduktion. So wurden bei der Nutzung von Recycling- Materialien und Abfallstoffen, wie bspw. Flugasche oder Plastikgranulat [14]-[17] und in der Erforschung sowie im Einsatz von temperaturabgesenkten Asphalten bereits weitreichende Fortschritte erzielt [18]. Auch die Baumaschinen sind Gegenstand einer Nachhaltigkeitsoptimierung. Jüngere Studien beschäftigen sich hierbei vor allem mit der Messung von Emissionen von Baugeräten [19]- [21]. Als eine mögliche Lösung zur Emissionsreduktion wird derzeit vor allem die Elektrifizierung von Baumaschinen erforscht [22], [23]. Ferner wurden verschiedene Bewertungs- und Ratingverfahren entwickelt, die Nachhaltigkeitsaspekte von Verkehrsstraßenprojekten adressieren. Zu nennen sind hier Integrated VicRoads Environmental Sustainability Tool, IS Rating Scheme des Australian Green Infrastructure Council, GreenLITES, GreenPave, Greenroads, I-LAST, Envision, Transportation Analysis Rating System (STARS), CEEQUAL oder INVEST [24]. Die meisten Verfahren sind unabhängig vom Einsatz bestimmter digitaler Technologien und stellen lediglich Regeln bzw. Handlungsanweisungen dar. Für alle bislang eingesetzten Verfahren gilt, dass die Datensammlung zur Ermittlung der Bewertungen bzw. Ratings nach Projektabschluss erfolgt und die Daten von Expert: innen manuell bereitzustellen sind (durch Recherche in Projektdokumenten und Beantwortung von Fragen). Die Verknüpfung heutiger Möglichkeiten der digitalen Echtzeitprozesssteuerung (inkl. Datenerhebung und Entscheidungsunterstützung während des Einbaus) mit den bereits erzielten Ergebnissen der Nachhaltigkeitsforschung im Straßenbau fand bislang noch nicht statt. Erste Studien messen der digitalen Echtzeitsteuerung von Bauprozessen mittels Verfahren der Künstlichen Intelligenz eine besondere Bedeutung bei der Erreichung ambitionierter Nachhaltigkeitsziele zu [5]-[8]. 3. Digitaler und nachhaltiger Asphaltstraßenbau 3.1 Nachhaltigkeitspotenziale der digitalen Echtzeitprozesssteuerung im Asphaltstraßenbau Die digitale Echtzeitprozesssteuerung im Asphaltstraßenbau plant, steuert und dokumentiert alle Wertschöpfungsstufen - Produktion, Transport, Einbau und Verdichtung von Asphalt. Bereits zahlreiche Bauunternehmen 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 117 Künstliche Intelligenz für den digitalen und nachhaltigen Asphaltstraßenbau setzen diese Systeme zur Optimierung ihrer Abläufe, v.a. unter einer Lean-Perspektive, ein. Zur Planungszeit wird u. a. die optimale Größe der Transportflotte berechnet und eine kürzeste bzw. schnellste Umlaufroute vorgeschlagen. Während der Bauausführung sammeln diese Prozesssteuerungssysteme Daten und überführen diese in Steuerungsempfehlungen, insb. zur Einbaugeschwindigkeit und Verladefrequenz. Das System Smart Site One (SSO) des Anbieters Smart Site Solutions GmbH - hier exemplarisch für die Klasse dieser Systeme - erfasst dabei automatisiert Daten über Schnittstellen (z. B. zu Mischanlagen) und Sensoren (z. B. GPS-Boxen auf Lkw bzw. zentimetergenaue GPS-Lösungen auf Baugeräten). Die Daten werden über Mobilfunk an die SSO- Cloud übergeben, dort verarbeitet und der Bauleitung bzw. dem Einbaupolier auf der Baustelle in Form von Entscheidungsempfehlungen auf mobile Endgeräte zurückgespielt (s. Abb. 1). Primäre Zielsetzung von Systemen wie Smart Site One ist die Prozess- und Ressourcenoptimierung [12], [25], [26]. In einer Art Zielkongruenz von wirtschaftlichen und nachhaltigkeitsorientierten Optimierungen ergeben sich hieraus bereits heute schon erste Potenziale für den „grünen Straßenbau“: Eine optimierte Flottengröße und Umlaufplanung reduzieren - quasi nebenbei - auch die Anzahl der Tonnenkilometer und so die durch die Transportflotte ausgestoßenen Mengen an CO 2 . Ein zentraler Treiber der Emissionen im Asphaltstraßenbau ist die Herstellung von Asphalt im Mischwerk. Jede Tonne, die zu viel produziert wird, produziert gleichzeitig im Prinzip vermeidbares CO 2 . Auch hier leisten heutige Systeme, wie Smart Site One, über ihre präzisen, ständig aktualisierten Restmengenberechnungen einen ersten Beitrag. Baustelle und Asphaltmischwerk werden über die Algorithmen über noch benötigte Restmengen auf dem Lau- 7 Emissionen durch Nutzung der Straße werden hier nicht betrachtet. fenden gehalten. So wird exakt das produziert und transportiert, was auf der Baustelle auch tatsächlich (noch) gebraucht wird. Wissenschaft und Praxis sehen im Einsatz von temperaturabgesenkten Asphalten eine große Chance, bei der Produktion von Asphalt signifikante Einsparungen an CO 2 zu erzielen. Diese Asphalte stellen jedoch eine große Herausforderung an die Logistik, da aufgrund der geringeren Temperaturen - und somit kleineren Zeitfenstern für den Einbau und die regelkonforme Verdichtung - die Spielräume für Reaktionen auf Prozessstörungen weniger werden. Genau hier können Systeme für die digitale Echtzeitprozesssteuerung ansetzen. Sie stellen alle Abläufe transparent dar und informieren alle Beteiligten frühzeitig über Störungen. Smart Site One gibt darüber hinaus Handlungsempfehlungen, um adäquat auf diese Störungen reagieren zu können. Sämtliche Prozesse werden ferner automatisiert dokumentiert. Smart Site One macht somit die Verwendung temperaturabgesenkter Asphalte einfacher, prozessstabiler und sicherer. Dies unterstützt die Marktdiffusion von temperaturabgesenkten Asphalten in die breite Anwendungspraxis und hilft, deren positive Nachhaltigkeitseffekte zu heben. Neben der Prozess- und Ressourcenoptimierung unterstützen Systeme wie Smart Site One den qualitätsgesicherten Asphalteinbau (kontinuierlicher, unterbrechungsfreier und heißer Einbau). Dies konnte bereits in wissenschaftlichen Experimenten [27] und Praxisstudien [12] nachgewiesen werden. Ein digital qualitätsgesicherter Einbau führt zu längeren Liegezeiten der gebauten Straße und somit zu selteneren Baustellen [13]. Je länger eine Straße genutzt werden kann, desto geringer sind die CO 2 -Emissionen durch Erhaltungs-/ Neubaumaßnahmen. 7 Abb. 1: SSO optimiert die Logistik entlang der gesamten Lieferkette und nutzt dabei IoT-, KI- und Cloud-Technologien 118 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Künstliche Intelligenz für den digitalen und nachhaltigen Asphaltstraßenbau 3.2 Forschungsprojekt KInaStra - KI für den nachhaltigen Straßenbau Die digitale Echtzeitprozesssteuerung im Asphaltstraßenbau entfaltet bereits heute erste Potenziale im Hinblick auf eine Optimierung nach Kriterien der Nachhaltigkeit. Diese Potenziale können jedoch zukünftig noch stark ausgebaut werden, sodass Systeme wie Smart Site One zu wesentlichen Eckpfeilern der Nachhaltigkeitsstrategie von Bauunternehmen stellen können. Die hierzu erforderlichen datentechnischen Voraussetzungen sind bereits weitgehend gegeben (Stichworte: Straßenbau 4.0 und Building Information Modeling), so dass der nächste Innnovationsschritt in der Entwicklung intelligenter, datengetriebener Steuerungsverfahren auf Basis von Nachhaltigkeitskriterien liegt. Diesen Innovationsschritt der intelligenten, datengetriebenen Steuerungs- und Analyseverfahren adressiert das Forschungsvorhaben KInaStra mit dem Gesamtziel: Entwicklung von KI-Verfahren für die Echtzeitsteuerung und Analyse von Asphaltbaustellen nach Kriterien der Nachhaltigkeit, um die CO 2 -Emissionen im Bauprozess nachweislich zu senken, ohne negative Auswirkungen auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit. Konkret strebt KINASTRA zwei zentrale Ergebnisse an: 1. KI-gestützte Echtzeit-Bauprozesssteuerung unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien (neben Kosten, Zeit und Qualität). 2. Digitales Nachhaltigkeits-Reporting mittels Batch- Analyse vielfältiger Bauprozessdaten. Das Forschungsprojekt KInaStra - Künstliche Intelligenz für den nachhaltigen Straßenbau - wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden- Württemberg im Rahmen des Programms „Invest BW - Digitalisierung und Künstliche Intelligenz“ über zwei Jahre (01.01.2023 bis 31.12.2024) gefördert. Die Projektinnovationen werden in einem Konsortium mit eng aufeinander abgestimmten FuE-Kompetenzen in den Bereichen KI/ Machine Learning (Universität Hohenheim), Software-Entwicklung (Smart Site Solutions GmbH, Koordinator des Projekts), Straßenbautechnik (Reif Bauunternehmung GmbH & Co. KG) und Asphaltproduktion (Makadamlabor Schwaben GmbH) entwickelt. Die Evaluation der Projektergebnisse erfolgt unter industrieller Leitung auf realen Baustellen. KInaStra zielt auf die Entwicklung einer digitalen Echtzeitsteuerung von Bauprozessen mittels Verfahren der Künstlichen Intelligenz zur In-Process-Erhöhung der Nachhaltigkeit und transparenten, kontinuierten Erfassung von CO 2 -Emissionen ab. Damit geht KInaStra einen wichtigen Innnovationsschritt in der Entwicklung intelligenter, datengetriebener Steuerungsverfahren für nachhaltige Asphaltbaustellen. Dazu werden über die gesamte Asphaltlieferkette hinweg Daten mittels Sensoren und Schnittstellen erhoben und an eine Cloud übertragen. Dort werden die Daten in Echtzeit analysiert. Mit den KInaStra-KI-Verfahren werden Empfehlungen für eine In-Time-Erhöhung der Nachhaltigkeit abgeleitet und in den laufenden Bauprozess zurückgespielt. Die erhobenen Daten werden gleichzeitig für das kontinuierliche und abschließende digitale Nachhaltigkeits-Reporting verwendet. Projektziel ist eine CO 2 -Reduktionen u. a. durch (1.) CO 2 -optimales Supply-Chain-Planning und (2.) CO 2 -optimale Supply-Chain-Execution. Somit stärkt KInaStra die ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit bei sich verknappenden und verteuernden Ressourcen und weniger CO 2 . 4. Zusammenfassung und Ausblick Bereits heute bestehen Potenziale zur Erhöhung der Nachhaltigkeit von Asphaltbaustellen durch die Verwendung digitaler Systeme zur Echtzeitprozesssteuerung. Die Potenziale lassen sich mit Verfahren der Künstlichen Intelligenz insb. des Maschinellen Lernens zukünftig aber noch signifikant erhöhen. Dazu sind weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten notwendig. Das Forschungsprojekt KInaStra bietet den Rahmen, wichtige nächste Innovationsschritte in Bezug auf die nachhaltigkeitsoptimierte Prozesssteuerung zu bewerkstelligen. Für die Wissenschaft erschließen sich damit neue Untersuchungsgegenstände und Anwendungsgebiete, um u. a. Prognosemodelle zu erstellen, zu trainieren und im Praxiseinsatz zu evaluieren. Die Projektergebnisse wirken zweifach auf die betriebliche Praxis. Einerseits führen die KInaStra-Ergebnisse zu weiteren Innovationen auf Ebene der Software-Produkte für den Straßenbau. Zum anderen ergeben sich Chancen für zukünftig wesentlich nachhaltigere Baudienstleistungen und der Entwicklung nachhaltigkeitsbezogener baubegleitender Dienstleistungen. 5. Disclaimer KInaStra (Künstliche Intelligenz für den nachhaltigen Straßenbau) wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg im Rahmen des Programms „Invest BW - Digitalisierung und Künstliche Intelligenz“ über zwei Jahre (01.01.2023 bis 31.12.2024) gefördert. 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 119 Künstliche Intelligenz für den digitalen und nachhaltigen Asphaltstraßenbau Literatur [1] Deutscher Asphaltverband (DAV) e.V., „Asphaltproduktion in Deutschland“, Bonn, 2020. [2] European Asphalt Pavement Association, „Asphalt in Figures 2020“, Brussels, 2020. [3] Deutscher Bundestag, „Verbrennung von Braunkohlestaub in Asphaltmischanlagen für den Straßenbau“, Berlin, 2016. [4] W. Hermann, T. Chakar, H. Klinger, V. Schmidt, und S. Klumbach, „Der Weg zu einer ressourcen- und klimaschonenden Straßeninfrastruktur in Baden-Württemberg“, Straße und Autobahn, Nr. 5, S. 401-407, 2022. [5] F. Shahnavaz und R. 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[10] Die Autobahn GmbH des Bundes, „Drackensteiner Hang: Bauen rund um die Uhr mit modernsten Verfahren - Vier Kilometer Fahrbahndeckenerneuerung an nur einem Wochenende“. https: / / www.autobahn.de/ die-autobahn/ projekte/ detail/ drackensteiner-hang-bauen-rund-um-die-uhr-mitmodernsten-verfahren-vier-kilometer-fahrbahndeckenerneuerung-an-nur-einem-wochenende#bildergalerie (zugegriffen Dez. 18, 2022). [11] Die Autobahn GmbH des Bundes, „Pilotprojekt an der A 65: Optimale Bauprozesse für mehr Produktqualität und Nachhaltigkeit“, Nov. 08, 2021. https: / / www.autobahn.de/ die-autobahn/ aktuelles/ detail/ pilotprojekt-an-der-a-65-optimale-bauprozesse-fuer-mehr-produktqualitaet-und-nachhaltigkeit (zugegriffen Dez. 18, 2022). [12] M. Müller und V. Natzschka, „Software so dynamisch und flexibel, wie der Bauprozess - Wie Netflix hilft, die Asphaltlogistik zu steuern“, in 2. Kolloquium Straßenbau in der Praxis, Sep. 2021, S. 501-504. [13] W. 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Pugi u.-a., „Electrification of an innovative directional drilling machine. sizing and design models“, in 2020 AEIT International Annual Conference (AEIT), 2020, S. 1-6. [23] J. Paraszczak, E. Svedlund, K. Fytas, und M. Laflamme, „Electrification of loaders and trucks-a step towards more sustainable underground mining“, Renewable Energy and Power Quality Journal, Bd. 12, Nr. 12, S. 81-86, 2014. [24] R. Szpotowicz und C. Tóth, „Revision of sustainable road rating systems: Selection of the best suited system for hungarian road construction using topsis method“, Sustainability, Bd. 12, Nr. 21, S. 8884, 2020. [25] M. Müller, „Smart Site One - Die innovative Asphaltlogistik aus der Cloud“, Straßen- und Tiefbau - Sonderheft Nachhaltigkeit und Digitalisierung, S. 8-9, 2020. [26] M. Müller, „Flexible Software für flexible Bauprozesse“, Straßen- und Tiefbau, Bd. 4, S. 28-29, 2020. [27] M. Mueller, M. Hubl, J. Merkert, R. Kuenzel, S. Meyl, und V. Nill, „Intelligent Road Pavement Logistics“, in Multikonferenz Wirtschaftsinformatik (MKWI 2016), März 2016, S. 365-376.
