Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2023
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Der Einfluss lokal erfasster Verkehrsbelastung auf die Substanzbewertung des Oberbaus von Befestigungen in Asphaltbauweise
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Jörg Patzak
Alexander Zeißler
Zur Dimensionierung des Oberbaus von Straßen benötigen sowohl die empirischen Verfahren nach den RStO 12/20 als auch die rechnerischen Verfahren nach den RDO Asphalt und RDO Beton einschl. den sich in Bearbeitung befindenden RSO Asphalt und RSO Beton praxisnahe Eingangsgrößen der örtlichen Verkehrsbelastung. Essentielle Voraussetzung dafür ist die Erhebung der lokal auftretenden Achslasten. Da Achslastwaagen i. d. R. nur auf Bundesautobahnen im Einsatz sind, standen für das nachgeordnete Netz bisher keine Verfahren zur Verfügung um relevante Daten zu erfassen. Mit dem „Arbeitspapier für die Dimensionierung und Bewertung der strukturellen Substanz, Teil 1: Verkehrsbelastung“, erschienen 2021, werden erstmals 3 verschiedene Methodiken zur Ermittlung der örtlichen Verkehrsbelastung in Form von Achslastverteilungen beschrieben. Je nach Verfügbarkeit und Relevanz vorhandener Daten zur Verkehrsbelastung im betrachteten Streckenbereich können nunmehr auch Verkehrszähldaten oder eigene visuelle Fahrzeugerhebungen zur Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs herangezogen werden. Beispielhaft wird aufgezeigt, welche verkehrslastbedingten Eingangswerte zur Verfügung stehen und wie sich diese auf konventionelle Dimensionierung und auf die rechnerische Bewertung der strukturellen Substanz von Befestigungen in Asphaltbauweise auswirken.
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3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 129 Der Einfluss lokal erfasster Verkehrsbelastung auf die Substanzbewertung des Oberbaus von Befestigungen in Asphaltbauweise Prof. Dr.-Ing. Jörg Patzak Berliner Hochschule für Technik, Fachbereich Verkehrswegebau Prof. Dr.-Ing. habil. Alexander Zeißler Technische Universität Dresden, Professur für Stadtbauwesen und Straßenbau Zusammenfassung Zur Dimensionierung des Oberbaus von Straßen benötigen sowohl die empirischen Verfahren nach den RStO 12/ 20 als auch die rechnerischen Verfahren nach den RDO Asphalt und RDO Beton einschl. den sich in Bearbeitung befindenden RSO Asphalt und RSO Beton praxisnahe Eingangsgrößen der örtlichen Verkehrsbelastung. Essentielle Voraussetzung dafür ist die Erhebung der lokal auftretenden Achslasten. Da Achslastwaagen i. d. R. nur auf Bundesautobahnen im Einsatz sind, standen für das nachgeordnete Netz bisher keine Verfahren zur Verfügung um relevante Daten zu erfassen. Mit dem „Arbeitspapier für die Dimensionierung und Bewertung der strukturellen Substanz, Teil 1: Verkehrsbelastung“, erschienen 2021, werden erstmals 3 verschiedene Methodiken zur Ermittlung der örtlichen Verkehrsbelastung in Form von Achslastverteilungen beschrieben. Je nach Verfügbarkeit und Relevanz vorhandener Daten zur Verkehrsbelastung im betrachteten Streckenbereich können nunmehr auch Verkehrszähldaten oder eigene visuelle Fahrzeugerhebungen zur Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs herangezogen werden. Beispielhaft wird aufgezeigt, welche verkehrslastbedingten Eingangswerte zur Verfügung stehen und wie sich diese auf konventionelle Dimensionierung und auf die rechnerische Bewertung der strukturellen Substanz von Befestigungen in Asphaltbauweise auswirken. 1. Einleitung Mit der Einführung der RDO Asphalt [1] und der RDO Beton [2] im Jahre 2009 besteht die Möglichkeit, Straßenbefestigungen sowohl in Asphaltbauweise als auch in Betonbauweise im Rahmen von Neubaumaßnahmen rechnerisch zu dimensionieren. Regelwerke zur Bewertung der strukturellen Substanz bestehender Befestigungen in Asphalt- oder Betonbauweise [RSO Asphalt 09; RSO Beton 09] sind in Bearbeitung. Grundsätzlich setzt die Anwendung genannter Regelwerke spezifische Eingangswerte voraus. Eingangswerte umfassen hierbei u. a. Daten der Verkehrsbelastung und klimatische Randbedingungen. Die möglichst genaue Kenntnis der auf die Straßenbefestigung einwirkender Belastungen ist essentiell für die Berechnung belastbarer Dimensionierungsbzw. Prognoseergebnisse. Das Arbeitspapier „Eingangsgrößen für die Dimensionierung und Bewertung der strukturellen Substanz Teil 1: Verkehrsbelastung (AP EDS-1) [8] stellt die Möglichkeiten der Ermittlung relevanter Verkehrsbelastungsdaten zusammen und erläutert die theoretischen Hintergründe. Darauf auf bauend wird beispielhaft aufgezeigt und diskutiert, welche Auswirkungen auf die konventionelle Dimensionierung nach den RStO [4] und auf die Bewertung der strukturellen Substanz von Befestigungen in Asphaltbauweise nach den RSO Asphalt (Entwurf) [3] aus den zu Grunde gelegten Daten resultieren. Für die zeitgemäße ingenieurtechnische und insbesondere praxisgerechte Anwendung wird unter Verwendung der Software ADtoPave [12] gezeigt, wie schnell und effektiv derartige Fragestellungen im Vorfeld von Planungs- oder Erhaltungsmaßnahmen beantwortet werden können. 2. Verkehrsbelastung - Status quo 2.1 Status quo - RStO Gemäß dem Regelwerk für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO) kann die die Berechnung der dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B nach zwei unterschiedlichen Methoden durchgeführt werden. Methode 1 kommt zur Anwendung, wenn ausschließlich Angaben zur durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke des Schwerverkehrs (DTV SV ) vorliegen. Diese Methode ist die mit Abstand am häufigsten angewandte Herangehensweise und insbesondere im nachgeordneten Netz einzige Methode zu Ermittlung der dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B. Differenziert wird zusätzlich, wenn erforderlich, zwischen konstanten und variablen Faktoren, was grundsätzlich für beide Methoden gilt. Um Methode zwei anwenden zu können müssen Achslastdaten bekannt sein. Folglich sind Achslasten sowie deren Auftretenshäufigkeiten im Vorfeld zu erfassen und auszuwerten. Diese Herangehensweise ist nicht nur wünschenswert, sondern notwendig, da nur so die in situ existierende Verkehrsbelastung korrekt abgebildet wird. 130 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Der Einfluss lokal erfasster Verkehrsbelastung auf die Substanzbewertung des Oberbaus von Befestigungen in Asphaltbauweise 2.2 Status quo - RDO Asphalt 09 / RSO Asphalt (Entwurf) Rechnerische Dimensionierungsverfahren wie die RDO Asphalt [1] setzen Achslastkollektive als zwingend Eingangsgröße des Verfahrens voraus. Anzustreben sind dabei Achslastmessungen, auf deren Grundlage die objektspezifische Achslastverteilung ermittelt werden kann. Liegen diese Daten nicht vor, können repräsentative Achslastkollektive verwendet werden. In der geltenden Fassung, Ausgabe 2009, werden drei repräsentative Achslastkollektive zu Verfügung gestellt und entsprechend der Häufigkeitsverteilung auftretender Achslasten in • BAB - Fernverkehr • BAB - Mischverkehr • BAB - stadtnaher Verkehr unterschieden. Beispielhaft zeigt Abbildung 1 das Achslastkollektiv BAB Fernverkehr (gem. RDO Asphalt) als eines dieser repräsentativen Achslastkollektive. Abbildung 1: Achslastkollektiv „BAB - Fernverkehr“ (oben) mit zur Achslastklasse zugeordneter Achslast und relativer Häufigkeit (unten) [1] Die zwingende Notwendigkeit von Achslastkollektiven als Eingangsgröße besteht in gleicher Art und Weise für die Bewertung der strukturellen Substanz gem. den RSO Asphalt (Entwurf) [3]. 3. Verkehrsbelastung - nach AP EDS Teil 1 In der Praxis liegen objektscharfe Informationen zu Achslasten nur sehr selten vor, beispielsweise für ausgewählte Autobahnabschnitte. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) betreibt ein Achslastmessstellennetz, welches aktuell 41 Richtungsmessstellen an 21 Querschnitten umfasst, wobei die Fahrzeuge mit Hilfe von Sensoren verwogen werden (Weigh In Motion). Für das nachgeordnete Netz liegen derartige Informationen i. d. R. nicht vor. Im 2021 erschienen, oben genannten Arbeitspapier [8] werden erstmals 3 verschiedene Methodiken zur Ermittlung der örtlichen Verkehrsbelastung in Form von Achslastverteilungen beschrieben. Je nach Verfügbarkeit und Relevanz vorhandener Daten zur Verkehrsbelastung im betrachteten Streckenbereich können nunmehr auch Verkehrszähldaten oder eigene visuelle Fahrzeugerhebungen zur Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs herangezogen werden. Im Vortragsteil mit dem Haupttitel „Neue Wege und Methoden zur systematischen Erhaltungsplanung kommunaler Straßen“ wurde im Untertitel 1 das neue „Arbeitspapier für die Dimensionierung und Bewertung der strukturellen Substanz, Teil 1: Verkehrsbelastung“ - Die Ermittlung der örtlichen Verkehrsbelastung zur Dimensionierung und Substanzbewertung im nachgeordneten Straßennetz vorgestellt. Grundlagen, Unterschiede und mögliche Anwendungen werden dabei aufgezeigt, mit dem Fokus auf Methode 3 des Arbeitspapiers. 4. Verkehrsbelastung als Eingangsgröße im Rahmen der konventionelle Dimensionierung nach den RStO - Vorgehensweise und Unterschiede am Beispiel Zur Darstellung der Unterschiede und möglichen Auswirkungen wird im ersten Schritt das Beispiel einer konventionellen Dimensionierung nach den RStO [3] betrachtet. Für die Dimensionierung, d. h. die Berechnung der dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B werden 3 Varianten betrachtet. Als konkretes Beispiel wird die Heerstraße (Bundesstraße 2/ 5 im westlichen Stadtgebiet von Berlin) auf Höhe Freybrücke (Abbildung 2) betrachtet. Variante 1: Daten aus regelmäßigen Verkehrserhebungen Bei Variante 1 stehen wie allgemein bekannt und üblich, ausschließlich Daten zur durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke zur Verfügung. Grundlage dafür sind regelmäßigen Verkehrserhebungen. 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 131 Der Einfluss lokal erfasster Verkehrsbelastung auf die Substanzbewertung des Oberbaus von Befestigungen in Asphaltbauweise Abbildung 2: Erhebungsstelle Heerstraße, Berlin [Quelle: Kartendaten © 2022 GeoBASIS-DE/ BKG (© 2009), Google Angaben zu den Verkehrsmengen (DTV 2019) liegen nach den Angaben der Stadt Berlin (Umweltatlas) vor. Erfasst sind hierbei die relevanten Daten im Rahmen der Verkehrserhebung, welche die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke DTV (Kfz) erfassen mit der Unterteilung in DTV Pkw DTV Lkw > 3,5 t (ohne Busse) DTV Lieferwagen <= 3,5 t DTV Linienbusse DTV Reisebusse DTV Motorräder Konkret werden folgenden Zahlenwerte der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke verwendet: • DTV 2019 Kfz/ 24 h = 44.030 • DTV (SV) 2019 Kfz/ 24 h = 2.840 (SV-Anteil 6,45 %) Gem. den Vorgaben der RStO 12 (Korrektur 2020) sind folgende strassenklassenspezifischen Faktoren Achszahlfaktor f A : 4,0 Lastkollektivquotient q BM : 0,25 mittlere jährliche Zunahme SV: 2,0 % (über alle Prognosejahre) sowie nachfolgende Gewichtungsfaktoren zu verwenden. Fahrstreifenfaktor f 1 : 0,5 Fahrstreifenbreitenfaktor f 2 : 1,1 Steigungsfaktor f 3 : 1,0 Bei den i.d.R. anzusetzenden 30 Jahren Nutzungsdauer und einem ebenfalls angenommenen mittleren jährlichem Zuwachs des Schwerverkehrs von 2,0 % (über alle Prognosejahre) liegen folgende Dimensionierungsergebnisse vor: EDTA = 2840 AÜ/ 24 h B = 23,6 Mio. AÜ Die Einstufung erfolgt somit in die Belastungsklasse Bk 32. Variante 2: Verwendung des dimensionierungsrelevante Achslastkollektives „B-Str.“ Bei Variante 2 wird für die Berechnung ein dimensionierungsrelevantes Achslastkollektiv auf Grundlage von Verkehrszähldaten basierend auf Dauerzählstellen angewandt. Konkret verwendet wurde die Achslastverteilung Bundesstraßen „B-Str.“ gem. dem Arbeitspapier Eingangsgrößen für die Dimensionierung und Bewertung der strukturellen Substanz - Teil 1: Verkehrsbelastung [8]. Achslastklassen und zugeordnete Häufigkeiten können Abbildung 3 entnommen werden. Abbildung 3: Achslastverteilung Bundesstraßen (B-Str.) (oben) mit zur Achslastklasse zugeordneter Achslast und relativen Häufigkeit (unten) [8] 132 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Der Einfluss lokal erfasster Verkehrsbelastung auf die Substanzbewertung des Oberbaus von Befestigungen in Asphaltbauweise Im Vergleich zu Variante 1 werden folglich die äquivalenten durchschnittlichen täglichen Achsübergänge (EDTA) nicht mehr über die straßenklassenspezifischen Faktoren f A und q BM der RStO „pauschal“, sondern achslastklassenweise über die 26 definierten Achslastklassen berechnet und aufsummiert. Für die absolute Häufigkeit der auftretenden durchschnittlichen täglichen Achsübergänge ist der zum Achslastkollektiv zugeordnete mittlere Achszahlfaktor von 3,6 zu verwenden. Bei sonst gleichen Randbedingungen (wie in Variante 1 vorgestellt) berechnen sich folgende Dimensionierungsergebnisse: EDTA = 3038 AÜ/ 24 h B = 25,2 Mio. AÜ Die Einstufung erfolgt somit unverändert in die Belastungsklasse Bk 32. Erkennbar ist allerdings die Differenz von 1,6 Mio. AÜ. Zwar liegt im Vergleich der mittleren Achszahlfaktor für dieses Achslastkollektiv unter dem der RStO, der mittlere Lastkollektivquotient jedoch darüber. Variante 3: objektspezifische Achslastverteilung auf Grundlage von Silhouettenerfassungen Wenn keine verwertbaren Daten aus Achslastmessungen vorliegen, Daten von Dauerzählstellen nicht vorliegen oder signifikante Abweichungen der Zusammensetzung der Fahrzeugtypen im Betrachtungsbereich (abweichende von Bundesautobahnen bzw. Bundesstraßen) zu erwarten sind (vgl. Kapitel 4 - Variante 2), sollte Methode 3 des AP EDS-1 [8] angewandt werden. Die Herangehensweise beruht auf einer Silhouettenerhebung über einen statistisch definierten Zeitabschnitt. Daraus kann die Verteilung der Fahrzeugtypen ermittelt werden, welche mit den fahrzeugtypspezifischen, standardisierten Achslastverteilungen des AP EDS-1 [8] überlagert werden. Ergebnis ist das für den betreffenden Straßenabschnitt (objektspezifische) dimensionierungsrelevante Achslastkollektiv. Das für das konkrete Beispiel vom Ingenieurbüro Uhlig & Wehling GmbH ermittelte Achslastkollektiv zeigt Abbildung 4. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass der für die Erhebung der Verkehrsdaten relevante Zeitbereich nicht vollständig eingehalten werden konnte. Für die absolute Häufigkeit der auftretenden durchschnittlichen täglichen Achsübergänge wurde der aus dem Achslastkollektiv berechnete mittlere Achszahlfaktor von 2,8 verwendet. Bei sonst gleichen Randbedingungen (wie in Variante 1 vorgestellt) berechnen sich damit folgende Dimensionierungsergebnisse: EDTA = 2382 AÜ/ 24 h B = 19,8 Mio. AÜ Die Einstufung erfolgt somit ebenfalls unverändert in die Belastungsklasse Bk 32 allerdings mit einer Differenz von 3,8 Mio. AÜ zur Methode der RStO und einer Differenz von 5,4 Mio. AÜ zum Achslastkollektiv „B- Str.“ [8]. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass die objektspezifische Erhebung der Verkehrsbelastung entscheidenden Charakter hat, da sich die Zusammensetzung des Schwerverkehrs und die daraus resultieren fahrzeugspezifischen Achslasten netzspezifische stark unterscheiden. Insbesondere im nachgeordneten Netz bzw. in Kommunen sind erhebliche Unterschiede standardisieren straßenklassenspezifischen Kenngrößen und Achslastkollektiven zu erwarten. Im Gegensatz zur konventionellen Dimensionierung nach den RStO [4] sind für die rechnerischen Dimensionierungs- und Prognoseverfahren dimensionierungsrelevante Achslastkollektive essentielle Eingangsgröße. Die Vorgehensweise sowie mögliche Auswirkungen bei der Bewertung der strukturellen Substanz nach den RSO Asphalt (Entwurf) [3] werden in Abschnitt 6.3 exemplarisch behandelt. Abbildung 4: Objektspezifische Achslastverteilung (oben) mit zur Achslastklasse zugeordneter Achslast und relativen Häufigkeit (unten) 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 133 Der Einfluss lokal erfasster Verkehrsbelastung auf die Substanzbewertung des Oberbaus von Befestigungen in Asphaltbauweise 5. Verkehrsbelastung als Eingangsgröße im Rahmen der Bewertung der strukturellen Substanz von Befestigungen in Asphaltbauweise - Vorgehensweise am Beispiel Seit der Einführung der RDO Asphalt im Jahre 2009 [1] besteht die Möglichkeit, Straßenbefestigungen in Asphaltbauweise im Rahmen von Neubaumaßnahmen rechnerisch zu dimensionieren. Für Bestandsstrecken in Asphaltbauweise kann die strukturelle Substanz nach den RSO Asphalt (Entwurf) [3] bewertet und deren Restsubstanz rechnerisch prognostiziert werden. Im Ergebnis dieser Bewertung kann eine Maßnahmenplanung erst dann als wirtschaftlich eingestuft werden, wenn die Nutzungsdauer neu einzubauender Schichten an die Restsubstanz in der Konstruktion verbleibender Schichten angepasst wird. Es sei darauf vermerkt das diesem Grundsatz auch Rechnung zu tragen ist, bei Anwendung der geltenden Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen [4]. Unter Pkt. 4 „Erneuerung von Fahrbahnen“ wird explizit darauf verwiesen, dass Art und Zustand der vorhandenen Befestigung (Pkt. 4.1.4) für die Belastungsklassen Bk10 bis Bk100 rechnerisch überprüft und bewertet werden sollten. Konkret sind in diesem Fall Materialuntersuchungen (Performanceprüfungen) an Probekörpern, hergestellt aus vor Ort entnommenen Bohrkernen, durchzuführen und diese im Kontext genannten Verfahrens zu bewerten. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang auf Tabelle 5 der RStO [4] verwiesen (Abbildung 5), in welcher für Erneuerungen in Asphaltbauweise auf vorhandener Befestigung ab Bk 10 keine standardisierten Befestigungsvarianten vorgegeben sind. Abbildung 5: Erneuerung in Asphaltbauweise auf vorhandener Befestigung [4] 5.1 Grundlagen zur Verfahrensweise Die Anwendung des Verfahrens nach den RSO Asphalt (Entwurf) [3] stützt sich im Wesentlichen auf 4 nachfolgend dargestellte Bearbeitungsschwerpunkte. 1. Festlegung strukturell homogener Streckenabschnitte 2. Probennahme (Bohrkernentnahme) als Querschnitts-/ oder Abschnittsbeprobung innerhalb der strukturell homogenen Abschnitte 3. Ermittlung der dimensionierungsrelevanten Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen aller Asphaltschichten 4. Bewertung der strukturellen Substanz gem. den RSO Asphalt (Entwurf) nach der deterministischen oder der probabilistischen Verfahrensweise Die einzelnen Schwerpunkte werden beispielsweise in [7] thematisiert, an dieser Stelle aber nicht näher behandelt, da nicht Gegenstand dieser Veröffentlichung. 6. Erläuterung der Vorgehensweise am Beispiel Im konkreten Beispiel handelt es sich um einen fiktiven Befestigungsauf bau einer Bk32, da keine konkret Erneuerungsmaßnahme zugrunde liegt. Zur Diskussion der essentiellen Relevanz der Eingangsgröße „Verkehrsbelastung“, welche hier im Vordergrund steht, ist dies auch nicht erforderlich. Die Berechnung der strukturellen Restsubstanz der Befestigung erfolgt auf Grundlage der probabilistischen Verfahrensweise unter Verwendung der Softwarelösung ADtoPave [12], mit welcher unterschiedlichste Aufgaben rund um die rechnerische Dimensionierung von Asphaltbefestigungen bearbeitet werden können (Abbildung 6). Abbildung 6: Analysing and Design Tool for Pavements (ADtoPave) [12] Für die Beispielrechnung wurde folgender Befestigungsauf bau gewählt: • 4 cm Asphaltdeckschicht • 8 cm Asphaltbinderschicht • 18 cm Asphalttragschicht • 45 cm Frostschutzschicht 6.1 Belastung aus Klima und Verkehr Für die Verkehrsbelastung wurden die in Kapitel 4 vorgestellten Daten der Achslastverteilungen nach Variante 2 und 3 verwendet. Für die Berücksichtigung dimensionierungsrelevanter Temperaturbedingungen in den Asphaltschichten der Befestigung sind gem. RSO Asphalt (Entwurf) [3] normierte, charakteristische Temperaturprofile zu verwenden. Die Auftretenshäufigkeit dieser charakteristischen Temperaturprofile ist abhängig von der jeweiligen klimainduzierten Straßentemperaturen-Zone (KiST-Zone). Im vorliegenden Betrachtungsfall wurde Temperaturzone 3 verwendet. Die Auftretenswahrscheinlichkeit der normierten, charakteristischen Temperaturprofile innerhalb einer KiST-Zone sind nach den RSO Asphalt (Entwurf) [3] festgelegt und können Tabellenwerten entnommen werden. Alternativ kann die Festlegung der KiST-Zone in ADtoPave [12] direkt über die Eingabe von Gauß-Krüger-Koordinaten bestimmt werden. 134 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Der Einfluss lokal erfasster Verkehrsbelastung auf die Substanzbewertung des Oberbaus von Befestigungen in Asphaltbauweise 6.2 Dimensionierungsrelevanten Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen Für das fiktive Berechnungsbeispiel mit dem zu vor festgelegten Befestigungsauf bau wurden vorhandene und nachfolgende dargestellte Materialkennwerte/ -kennwertfunktionen aus Laboruntersuchungen verwendet. Hauptkurve und Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion Entsprechend den TP Asphalt-StB, Teil 26 [6] dient als funktionaler Ansatz der Hauptkurve (Masterfunktion) nachfolgende Gleichung. (1) mit |E*| absoluter Wert des komplexen E-Moduls (Steifigkeitsmodul) [MPa] |E*|+∞ Grenzwert des Steifigkeitsmoduls bei sehr niedrigen Temperaturen und/ oder hohen Frequenzen [MPa] |E*|-∞ Grenzwert des Steifigkeitsmoduls bei sehr hohen Temperaturen und/ oder niedrigen Frequenzen [MPa] x* beliebiger Wert auf der Abszissenachse der Hauptkurve, bestimmt mit Hilfe der Temperatur-Frequenz- Äquivalenz [Hz] ż 1 , ż 2 Materialparameter der Hauptkurve [-] In Tabelle 1 sind die Materialparameter der Hauptkurven für die verwendeten Asphalte mit den zusätzlich benötigten Parametern, T0 Referenztemperatur [°C] ф materialspezifischer Parameter [-] aufgeführt, welche zur eindeutigen Beschreibung erforderlich sind. Tabelle 1: Parameter der Hauptkurve der Asphaltschichten E-∞ E+∞ ż 1 ż 2 T0 ф [N/ mm²] [N/ mm²] [-] [-] [°C] [-] Asphaltdeckschicht 0 22585 -0,7068 2,0342 20 28618 Asphaltbinderschicht 0 28624 -0,6938 1,4038 20 20091 Asphalttragschicht 0 30316 -0,7122 1,9985 20 23301 Zur besseren Verdeutlichung zeigt Abbildung 7 vergleichend die Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktionen aller verwendeten Asphaltschichten der vorhandenen Befestigung. Abbildung 7: Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktionen der verwendeten Asphalte (blau: ADS; gelb: ABS; rot: ATS) Ermüdungsfunktion Die Ermüdungsfunktion gem. TP Asphalt-StB, Teil 24 [5], mit dem funktionalen Zusammenhang nach Gleichung (2) der verwendeten Asphalttragschicht einschließlich der zugehörenden Parameter sind Abbildung 8 und Tabelle 2 zu entnehmen. (2) mit: ε el,Anf… elastische Anfangsdehnung [‰] N zul… max. ertragbare Lastwechselzahl k, n… Regressionsparameter [-] Tabelle 2: Parameter der Ermüdungsfunktion der Asphalttragschicht k[-] n[-] 45,7644 -2,1593 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 135 Der Einfluss lokal erfasster Verkehrsbelastung auf die Substanzbewertung des Oberbaus von Befestigungen in Asphaltbauweise Abbildung 8: Ermüdungsfunktion der Asphalttragschicht Im vorliegenden Beispiel erfolgte die für die Berechnung notwenige Diskretisierung (bei angewendeter probabilistischer Verfahrensweise) zwecks Vereinfachung wie folgt: Hauptkurve: Asphaltdeckschicht: keine Diskretisierung Asphaltbinderschicht: keine Diskretisierung Asphalttragschicht 3 Klassen Ermüdungsfunktion: Asphalttragschicht 7 Klassen Schichtdicke: keine Diskretisierung Schichtenverbundzustand Für alle Berechnungen wurde davon ausgegangen, dass der Grenzwerte der Scherkraft gem. ZTV Asphalt-StB [11] basierend auf der TP Asphalt-StB, Teil 80 [9] eingehalten ist und folglich vollständig wirksamer Verbund vorliegt. 6.3 Berechnungsergebnisse Für die Berechnungen wurden die in Kapitel 6 zugrunde gelegten Daten zum Befestigungsauf bau und zu den Materialkennwerten sowie die vorgestellten relevanten Verkehrsbelastungsdaten aus Kapitel 4 (Variante 2 und 3) verwendet. Für eine im Beispiel festgelegte maximale zulässige Ausfallwahrscheinlichkeit von 10 % bzw. 20 % und den dazu zugeordneten Anpassungsfaktoren [3] berechnet sich die strukturelle Restsubstanz (S RN ) wie nachfolgend vergleichend dargestellt ( Tabelle 3 ). Tabelle 3: Berechnungsergebnisse ALK „objektspezifisch“ (Kap. 4 Variante 3) ALK „B-Str.“ (Kap.4 Variante 2) f A 2,8 3,6 max. zul. Ausfallwahrscheinlichkeit = 10 % A F 2896 4777 S RN 7 Jahre 9 Jahre max. zul. Ausfallwahrscheinlichkeit = 20 % A F 2896 4777 S RN 13 Jahre 16 Jahre 7. Ergebnis und Zusammenfassung Die aufgeführten Berechnungen zeigen bereits für den Fall der konventionellen Dimensionierung (Kap. 4) nach den RStO das erhebliche Fehleinschätzungen vorliegen können, wenn die tatsächliche Verkehrsbelastung nicht berücksichtigt wird. Die Erhebung objektspezifischer Verkehrsbelastungsdaten sollte deshalb bereits grundlegender Bestandteil von Planungsmaßnahmen im Straßenbau sein. Gleiches gilt für Erneuerungsmaßnahmen, da die Festlegung des Befestigungsauf baus (einschl. der Eignung der in der Konstruktion verbleibenden Schichten) grundsätzlich belastbar nachgewiesen werden sollte. Die Bewertung der strukturellen Substanz nach den RSO Asphalt, Entwurf 2016 ist das zu verwendende „Werkzeug“ dafür und dient der Bestimmung des rechnerisch prognostizierten Ausfallzeitpunktes von Asphalttragschichten. Die Umsetzung mit Hilfe von Softwarelösungen erleichtert ingenieurtechnische Fragestellungen sowie die praxisgerechte Anwendung, um mögliche Fehleinschätzungen frühzeitig erkennen und vermeiden zu können. Literaturangaben [1] Richtlinien für die Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt), FGSV 2009 [2] Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Betondecken im Oberbau von Verkehrsflächen (RDO Beton), FGSV 2009 [3] Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RSO Asphalt, Entwurf), FGSV 2016 [4] Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO), FGSV 2012 [5] Technische Prüfvorschriften für Asphalt, Teil 24 Spaltzug-Schwellversuch - Beständigkeit gegen Ermüdung (TP Asphalt-StB, Teil 24), FGSV 2018 [6] Technische Prüfvorschriften für Asphalt, Teil 26 Spaltzug-Schwellversuch - Bestimmung der Steifigkeit (TP Asphalt-StB, Teil 26), FGSV 2018 [7] Patzak, J.; Zeißler, A.: Zielführende Straßenerhaltung - Bewertung der strukturellen Substanz. 2. 136 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Der Einfluss lokal erfasster Verkehrsbelastung auf die Substanzbewertung des Oberbaus von Befestigungen in Asphaltbauweise Kolloquium Straßenbau in der Praxis, Tagungshandbuch 2021 [8] Arbeitspapier „Eingangsgrößen für die Dimensionierung und Bewertung der strukturellen Substanz“ Teil 1 - Verkehrsbelastung, FGSV 2021 [9] Technische Prüfvorschriften für Asphalt, Teil 80 Abscherversuch (TP Asphalt-StB, Teil 80), FGSV 2007 [10] Technische Prüfvorschriften für Boden und Fels im Straßenbau, Teil E1 Prüfung auf statistischer Grundlage - Stichprobenprüfpläne (TP BF-StB E 1), FGSV 1993 [11] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt (ZTV Asphalt-StB), FGSV 2007 (Fassung 2013) [12] Analysing and Design Tool for Pavements (AD-to- Pave), IDAV GmbH, Schnorrstraße 70, 01069 Dresden
