Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Erhalt der Straßeninfrastruktur Baden-Württemberg
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Markus Kübler
Baden-Württemberg ist als dynamisches Land, profilierter Wirtschaftsstandort und Transitland auf eine gut ausgebaute und vor allem intakte Straßeninfrastruktur angewiesen. Die große Herausforderung in Bezug auf die Sicherstellung der Mobilität in Baden-Württemberg ist und wird der Erhalt der bestehenden Straßeninfrastruktur sein.
Der Vortrag gibt einen Überblick über verschiedene Anforderungen, Strategien und Innovationen im Rahmen der Erhaltung des Straßennetzes in Baden-Württemberg. Auf die Straßenbestandteile Brücken, Fahrbahnen, Radwege sowie Hang- und Felssicherungsvorrichtungen wird hierbei spezifisch eingegangen.
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3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 159 Erhalt der Straßeninfrastruktur Baden-Württemberg Anforderungen, Strategien und Innovationen Dipl.-Ing. Markus Kübler Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, Stuttgart Zusammenfassung Baden-Württemberg ist als dynamisches Land, profilierter Wirtschaftsstandort und Transitland auf eine gut ausgebaute und vor allem intakte Straßeninfrastruktur angewiesen. Die große Herausforderung in Bezug auf die Sicherstellung der Mobilität in Baden-Württemberg ist und wird der Erhalt der bestehenden Straßeninfrastruktur sein. Der Vortrag gibt einen Überblick über verschiedene Anforderungen, Strategien und Innovationen im Rahmen der Erhaltung des Straßennetzes in Baden-Württemberg. Auf die Straßenbestandteile Brücken, Fahrbahnen, Radwege sowie Hang- und Felssicherungsvorrichtungen wird hierbei spezifisch eingegangen. 1. Straßennetz Baden-Württemberg 1.1 Zuständigkeiten und Umfang Infolge der Reform der Bundesfernstraßenverwaltung ist seit 1.-Januar-2021 die Autobahn GmbH des Bundes zuständig für die Planung, den Bau, den Betrieb und die Erhaltung der Autobahnen. Dies gilt auch für das Autobahnnetz in Baden-Württemberg. Die Zuständigkeit der Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg umfasst somit das Bundes- und Landesstraßennetz. Die Straßenbauverwaltung des Landes ist hierbei insbesondere mit Blick auf die Erhaltung zuständig für rund 4.200 Kilometer Bundessowie rund 10.000 Kilometer Landesstraßen mit insgesamt rund 7.300 Brücken. 1.2 Zustandsentwicklung und Anforderungen Die Zustandsentwicklung des Bundes- und Landesstraßennetzes zeigt, dass trotz dem im Jahr 2011 vollzogenen Paradigmenwechsel „Erhaltung vor Um-, Aus- und Neubau“ und der damit verbundenen Schwerpunktsetzung der Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg auf Erhaltungsmaßnahmen der Zustand des Bundessowie des Landesstraßennetzes in der Gesamtschau der letzten rund zehn Jahre weitestgehend konstant geblieben ist. Bei den Bundes- und Landesstraßen hat sich in diesem Zeitraum der Zustand der Fahrbahnen leicht verbessert. Der Zustand der Bundes- und Landesstraßenbrücken hat sich leicht verschlechtert. Dies ist insbesondere darin begründet, dass beispielsweise ein Großteil der Bundes- und Landesstraßenbrücken in den 1970er-Jahren gebaut wurden, der Brückenbestand nunmehr ein durchschnittliches Bauwerksalter von rund 50 Jahren aufweist und sich die Brücken sozusagen im Nachgang zum Hochlauf an Brückenneubauten vor rund einem halben Jahrhundert mit Blick auf die Substanz und die Tragfähigkeit aktuell in erheblichem Umfang in einen instandsetzungsbzw. ertüchtigungswürdigen Zustand befindet. Die Erhaltung des Bundes- und Landesstraßennetzes stellt somit auch weiterhin eine große Herausforderung dar und bedarf großer Anstrengungen. Dieser Sachverhalt wird zukünftig in besonderem Maße dadurch verstärkt, dass im Bundes- und Landesstraßennetz zunehmend Erhaltungsmaßnahmen vorzeitig infolge des Klimawandels (beispielsweise durch Starkregenereignisse, Hochwasser, Felsstürze, Hangrutschungen) erforderlich werden. Die Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg führt Erhaltungsmaßnahmen grundsätzlich an bestehenden schadhaften bzw. mindertragfähigen Brücken, Fahrbahnen, Radwegen, Stütz- und Lärmschutzwänden sowie Hang- und Felssicherungen durch. Aber auch der Neubau von Hang- und Felssicherungen, die betriebstechnische und bauliche Tunnelnachrüstung sowie der Neubau von Amphibien- und Kleintierschutzanlagen stellen Aufgabenbereiche dar, welche über die Erhaltungsmittel finanziert werden. 2. Brückenerhaltung 2.1 Brückenprüfungen Bauwerke nach der DIN-1076 werden regelmäßigen Prüfungen unterzogen. Diese Bauwerksprüfungen sind nicht nur gesetzliche Pflicht, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Erhaltungsmanagements der Straßenbauverwaltung des Landes. Dabei werden die Brücken im Abstand von sechs Jahren einer Hauptprüfung unterzogen. Jeweils drei Jahre nach der Hauptprüfung erfolgt eine Einfache Prüfung. Zudem kontrollieren die zuständigen Straßenmeistereien im Zuge von jährlich durchzuführenden Besichtigungen die Brücken. Hierbei erfolgen zweimal jährlich Beobachtungen im Hinblick auf augenscheinliche Schäden. Im Zuge der Brückenprüfungen werden Schäden aufgenommen und der Zustand unter Berücksichtigung der Standsicherheit, der Verkehrssicherheit sowie der Dauerhaftigkeit beurteilt. Die Ergebnisse werden zu einer Zustandsnote zusammengefasst. Es werden hierbei sechs Zustandsnotenbereiche zugeordnet: 160 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Erhalt der Straßeninfrastruktur Baden-Württemberg Notenbereich Beschreibung 1,0 - 1,4 1,5 - 1,9 2,0 - 2,4 2,5 - 2,9 sehr guter Zustand guter Zustand befriedigender Zustand ausreichender Zustand 3,0 - 3,4 3,5 - 4,0 nicht ausreichender Zustand ungenügender Zustand Bauwerksbzw. Brückenprüfungen werden von besonders qualifizierten und erfahrenen Bauwerksprüfingenieuren der Straßenbauverwaltung des Landes oder von ausgewählten externen Ingenieurbüros vorgenommen. 2.2 Zustandsentwicklung der Brücken Die auf Grundlage der Brückenfläche gemittelte Zustandsnote aller Bundes- und Landesstraßenbrücken in Baden- Württemberg hat sich in den letzten zehn Jahren um rund 0,1 leicht verschlechtert, die ermittelte durchschnittliche Zustandsnote beträgt derzeit 2,4 (Stand Januar 2022). In Summe sind aktuell 350 Bundessowie 312 Landesstraßenbrücken durch einen Neubau zu ersetzen oder instandsetzungs-/ ertüchtigungsbedürftig (Stand Februar 2022). Vor diesem Hintergrund ist aktuell etwa für jede zehnte Brücke eine Erhaltungsmaßnahme einzuleiten. 2.3 Zunahme des Schwerverkehrs Die Regelungen der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung sowie der Straßenverkehrs-Ordnung sehen grundsätzlich ein zulässiges Gesamtgewicht von 40-Tonnen vor, für welches eine Überfahrt der Brücken erlaubt ist. Die Notwendigkeit der Brückenerhaltung wird auch durch die gestiegene Belastung der Brücken infolge einer Zunahme des Schwerverkehrs verstärkt. Die Zunahme des Schwerverkehrs führt dazu, dass viele Brücken Tragfähigkeitsdefizite aufweisen und auf die künftigen Nutzungsanforderungen hin ertüchtigt werden müssen. 2.4 Baurechtliche Voraussetzungen Bei der Planung umfangreicher Erhaltungsmaßnahmen an Brücken insbesondere bei Ersatzneubauten sind neben den rein objektbezogenen Planungen auch die Belange des Umwelt- und Naturschutzes, des Wasserhaushalts, des Immissionsschutzes (Lärm) sowie die Rechter Dritter (Grunderwerb oder vorübergehende Inanspruchnahme von Flächen zur Durchführung der Baumaßnahmen) zu erheben und entsprechend rechtlich zu würdigen. 2.5 Erhaltungsplanung der Brücken Grundsätzlich umfasst die Erhaltungsplanung der Bundes- und Landesstraßenbrücken die Instandsetzung, die Ertüchtigung und den Ersatzneubau der Bauwerke. Im Rahmen der Erhaltungsplanung sind hierbei verschiedene Komponenten zu berücksichtigen. Diese sind insbesondere • Zustandsnote im Allgemeinen • Brücken mit Zustandsnote 3,5 und schlechter • Brückenmodernisierungsprogramm des Bundes • Brücken mit spannungsrisskorrosionsgefährdetem Spannstahl • Brücken mit Verdrängungskörpern (Hohlkörperplatten) • Brücken mit sprödbruchgefährdeten Edelstahlrollenlagern • Brücken mit Koppelfugen • Mindertragfähige Brücken im Zuge der ausgewiesenen Großraum-und Schwertransportstrecken • Brücken im Zuge wichtiger Strecken für den Schadholzabtransport aus den Wäldern. Mit Blick auf erforderliche Ersatzneubauten von Brücken geht die Straßenbauverwaltung neue Wege, um insbesondere die fehlenden Personalressourcen zu ersetzen. Externe Planungsbüros sollen in noch weit umfassenderem Umfang als bisher mit der Ersatzneubauplanung von Brücken beauftragt werden sollen. Hierzu läuft seit Oktober 2022 eine Ausschreibung durch das Ministerium für Verkehr, die bei den Planungsbüros auf großes Interesse gestoßen ist.- 3. Beispiel Ersatzneubau der Gumpenbachbrücke im Zuge der B 27 in Kornwestheim 3.1 Ausgangslage und Vorgeschichte Die Gumpenbachbrücke liegt im Zuge der B 27 auf der Gemarkung Kornwestheim (Landkreis Ludwigsburg) zwischen den Anschlussstellen Kornwestheim-Mitte und Kornwestheim-Nord. Die B 27 verläuft in Süd-Nord- Richtung von Stuttgart nach Ludwigsburg und verbindet dabei das Oberzentrum Stuttgart mit dem Mittelzentrum Ludwigsburg/ Kornwestheim. Die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke beträgt mehr als 50.000-Kfz/ 24 Std, der Schwerverkehrsanteil rund 7-Prozent. Die B 27 weist in diesem Abschnitt einen zweibahnigen, vierstreifigen Straßenquerschnitt auf. Abb. 1: B 27 im Bereich der Gumpenbachbrücke, (Situation vor der Baumaßnahme) Die Gumpenbachbrücke wurde im Jahr 1954 als vierfeldriger Durchlaufträger mit einer Gesamtlänge von rund 100 Meter gebaut. Sie besteht aus zwei Teilbauwerken, jeweils einem pro Richtungsfahrbahn. Die Teilbauwerke haben separate Über- und Unterbauten und sind über eine Mittelkappe miteinander verbunden. Im Mai 2009 fanden an beiden Teilbauwerken Hauptprüfungen nach DIN 1076 statt. Dabei wurden Tausalzschäden und angerostete Querspannglieder an den Kragarmen festgestellt. Aufgrund des weiteren Fortschreitens dieser Bauwerksschäden sowie zahlreicher Betonabbrüche im 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 161 Erhalt der Straßeninfrastruktur Baden-Württemberg darauffolgenden Winter, erfolgte im Mai 2010 eine Sonderprüfung. Beide Teilbauwerke wurden hierbei mit der Zustandsnote 3,7 bewertet. Insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen wurde entschieden, im Zuge einer Erhaltungsmaßnahme die Gumpenbachbrücke durch einen Neubau zu ersetzen. Mit den Planungen für den Ersatzneubau der Brücke wurde im Jahr 2010 begonnen. Die Erteilung des Gesehen-Vermerks für den RE-Vorentwurf durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ist am 25. November 2014 erfolgt. Der Planfeststellungsbeschluss nebst wasserrechtlicher Erlaubnis liegt seit 25. Oktober 2016 vor. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat am 16. Januar 2019 den Gesehen-Vermerk für den RAB-ING-Entwurf erteilt. Der Baubeginn der Hauptmaßnahme war im Januar 2020, das Bauende war im September 2022. 3.2 Ersatzneubau - innovativer Querverschub der Brücke einschließlich Stützen und Fundamente Der Ersatzneubau der Gumpenbachbrücke erfolgte auf Grundlage zweier Teilbauwerke, welche jeweils drei Felder aufweisen. Diese Teilbauwerke bestehen aus gevouteten Spannbetonplattenbalken. Die Plattenbalken sind monolithisch mit den Stützen verbunden. Der innovative Bauablauf des Ersatzneubaus sah die Herstellung eines Teilbauwerks der Gumpenbachbrücke in Seitenlage zur B 27 sowie den anschließenden Querverschub des Teilbauwerks einschließlich der Mittelstützen und Fundamente als semi-integralen Brücke vor. Auf dieser Grundlage konnten die mit einem Ersatzneubau verbundenen Eingriffe in den Verkehr der hochbelasteten B 27 deutlich minimiert sowie die vorhandenen vier Fahrstreifen der B 27 während der knapp dreijährigen Bauzeit weitestgehend aufrechterhalten werden. Eine Behelfsbrücke war nicht erforderlich. Der Ersatzneubau der Gumpenbachbrücke stellte somit eine nachhaltige Erhaltungsmaßnahme auf Grundlage einer ressourcensparenden Bauweise dar. Nach Information des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur wurde im Rahmen des Ersatzneubaus der Gumpenbachbrücke der erste Querverschub einer semi-integralen Talbrücke in Deutschland durchgeführt. Im Einzelnen stellte sich der Bauablauf wie folgt dar: • Das neue östliche Teilbauwerk der Gumpenbachbrücke wurde zunächst einschließlich der Stützen und Fundamente in Seitenlage zur B 27 gebaut. Der Verkehr auf der B 27 konnte hierbei weiterhin über die zwei bestehenden Teilbauwerke mit vier Fahrstreifen geführt werden. • Nach der Herstellung des neuen Teilbauwerks in östlicher Seitenlage wurde der Verkehr in Fahrrichtung Ludwigsburg auf dieses neue östliche Teilbauwerk umgelegt. Diese Verkehrsführung umfasste die zwei Fahrsteifen der Verbindung Stuttgart - Ludwigsburg. Anschließend wurde der Verkehr in Richtung Stuttgart vom alten westlichen Teilbauwerk nun über das alte östliche Teilbauwerk geführt. Diese Verkehrsführung umfasste die zwei Fahrsteifen der Verbindung Ludwigsburg - Stuttgart. Es standen somit weiterhin weitestgehend vier Fahrsteifen zur Verfügung. Abb. 2: B 27 im Bereich der Gumpenbachbrücke, (östliches Teilbauwerk in Seitenlage gebaut) • Nach dieser Verkehrsumlegung war das alte westliche Teilbauwerk der Gumpenbachbrücke nicht mehr unter Verkehr und konnte abgebrochen werden. Anstelle des alten westlichen Teilbauwerks wurde in endgültiger Lage das neue westliche Teilbauwerk gebaut. • Nach der Fertigstellung des neuen westlichen Teilbauwerks sowie einer weiteren Umlegung des Verkehrs in Richtung Stuttgart vom alten östlichen Teilbauwerk auf dieses neue westliche Teilbauwerk wurde das östliche Teilbauwerk als sogenannte „Inselbaustelle“ abgebrochen. Der Verkehr in Richtung Ludwigsburg verblieb hierbei auf dem neuen östlichen Teilbauwerk in Seitenlage. • In der letzten Bauphase wurde das in Seitenlage hergestellte, semi-integrale Teilbauwerk einschließlich der Stützen und Fundamente verschoben. Hierzu brachten hydraulische Hub- und Verschubsysteme die Brücke in seine endgültige Lage. Für den Zeitraum des Querverschubs wurde der Verkehr der B 27 über das neue westliche Teilbauwerk geführt. Hierzu wurde ein Fahrsteifen je Fahrtrichtung eingezogen. Abb. 3: B 27 im Bereich der Gumpenbachbrücke, (östliches Teilbauwerk vor Querverschub) Die Gesamtkosten der Baumaßnahe betragen voraussichtlich rund 31-Millionen Euro (Stand Dezember 2022) und beinhalten auch eine Erneuerung der Lärmschutzwände entlang der B 27 sowie Um-/ Ausbau-maßnahmen an der Anschlussstelle Kornwestheim-Nord. 162 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Erhalt der Straßeninfrastruktur Baden-Württemberg 4. Erhaltungsmanagement für Straßen (Fahrbahnen) und Radwege 4.1 Zustandserfassung und-bewertung (ZEB) Die Bundes- und Landesstraßen in Baden-Württemberg sowie die straßenbegleitenden Radwege in der Baulast des Bundes und des Landes werden turnusmäßig nach vier Jahren einer neuen Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) unterzogen. Dabei erfolgt die Zustandserfassung der Straßen und Radwege mit Messfahrzeugen. Zum Einsatz kommen schnell fahrenden Messfahrzeuge, die im Verkehrsstrom mitfahren und mit Hilfe von Lasertechnik und Kameras die Straßenoberfläche aufnehmen. Sie erfassen einerseits den so genannten Gebrauchswert. Dieser umfasst die relevanten Aspekte aus Sicht des Verkehrsteilnehmers: • Allgemeine Unebenheit • Fiktive Wassertiefe • Griffigkeit Andererseits misst die ZEB den so genannten Substanzwert. Dieser gibt an, wie stark die Substanz einer Straße angegriffen ist und damit auch, wie sehr sie an Wert verliert. Hierbei werden folgende Aspekte betrachtet: • Spurrinnentiefe • Risse • Restschadensfläche Die ZEB-Daten erlauben einen guten Überblick über die Zustandsverteilung und Zustandsausprägung der Straßenabschnitte. Hierbei wird für jeden 100 Meter-Abschnitt außerorts und jeden 20 Meter-Abschnitt in Ortsdurchfahrten eines Straßenzuges anhand der beiden Teilwerte Substanz- und Gebrauchswert der Zustand ermittelt. Die Notenskala reicht hierbei von 1 (bester Wert) bis 5 (schlechtester Wert), wobei ab einer Note von 4,5 jeweils der sogenannte Schwellenwert erreicht ist. Die ermittelten Zustandsgrößen wurden nach einer festgelegten Wertesynthese zu einem Gesamtwert verknüpft: Zustandsnotenklasse Beschreibung 1,0 - 1,4 1,5 - 2,4 2,5 - 3,4 3,5 - 4,4 neuwertig sehr guter bis guter Zustand guter bis mittlerer Zustand Warnwert (3,5) überschritten, Anlass zur intensiven Beobachtung und Analyse, ggf. Planung von Maßnahmen 4,5 - 5,0 Schwellenwert (4,5) überschritten, Einleitung baulicher oder verkehrsbeschränkender Maßnahmen 4.2 Zustandsentwicklung der Straßen (Fahrbahnen) und Radwege Die Entwicklung des Straßenzustands (Fahrbahnen) kann insbesondere über den Gesamtwert aus der ZEB beurteilt werden. Der Gesamtwert der Bundesstraßen hat sich von 3,2 im Jahr 2011 auf 3,0 im Jahr 2015 verbessert. Die letzte ZEB der Bundesstraßen hat im Jahr 2019 stattgefunden. Die ZEB 2019 hat einen Gesamtwert von 3,0 ergeben. Der Gesamtwert der Landesstraßen hat sich von 3,5 im Jahr 2012 auf 3,4 im Jahr 2016 verbessert. Die letzte ZEB der Landesstraßen hat im Jahr 2020 stattgefunden. Die ZEB 2020 hat einen Gesamtwert von 3,4 ergeben. Im Jahr 2018 wurde landesweit die erste ZEB Radwege durchgeführt. Die Ergebnisse der aktuell laufenden ZEB Radwege 2022/ 2023 liegen noch nicht vor. Anhand der Ergebnisse der ZEB Radwege 2022/ 2023 kann die Zustandsentwicklung ebenfalls bewertet werden. 4.3 Erhaltungsmanagement des Landes Auf Grundlage der Informationen zum Substanz- und Gebrauchswert der ZEB-Abschnitte sowie unter Berücksichtigung von voraussichtlich zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel sowie einem Erfahrungswert für durchschnittliche Kosten von Erhaltungsmaßnahmen hat das Land ein Erhaltungsmanagement für die Bundes- und Landesstraßen in Baden-Württemberg erstellt. Das Erhaltungsmanagement umfasst hierbei insbesondere eine Priorisierung der sanierungsbedürftigsten Streckenabschnitte (Erhaltungsabschnitte) im Bundessowie Landesstraßennetz und stellt somit neben den Ergebnissen der ZEB die Grundlage für die Umsetzung von Maßnahmen zur Erneuerung der Fahrbahndecken durch die Straßenbauverwaltung des Landes dar. 5. Hang- und Felssicherung Hang- und Felssicherungsvorrichtungen (wie bspw. Steinschlagzäune) fallen nicht unter die Bauwerke nach der DIN 1076. Die Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg erfasst derzeit den Bestand der vorhandenen Hang- und Felssicherungsvorrichtungen. Auf dieser Grundlage soll u. a. eine Neukonzeption für die Sicherungsbauwerke erstellt sowie eine Erhaltungsstrategie ausgearbeitet werden. In der Praxis erfolgt die Umsetzung möglicher Sofortmaßnahmen, wie beispielsweise das punktuelle Entfernen gelockerten Gesteins, kleinere Ausbesserungsarbeiten an Geröllschutzzäunen und Beräumungen kleineren Umfangs im Rahmen der Straßenunterhaltung. Diese Arbeiten werden von den unteren Verwaltungsbehörden vorgenommen. Bei darüberhinausgehenden baulichen Folgemaßnahmen zur Hang- und Felssicherung für die Wiederherstellung eines verkehrssicheren Zustandes erfolgt eine Abstimmung zwischen den unteren Verwaltungsbehörden mit den zuständigen Regierungspräsidien. Für die Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen an vorhandenen Hang- und Felssicherungen sind die Regierungspräsidien zuständig. 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 163 Erhalt der Straßeninfrastruktur Baden-Württemberg 6. Schlussbemerkung Grundsätzlich werden bei der Planung und Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen die einzelnen Bestandteile des Straßennetzes immer zusammen betrachtet und in Abhängigkeit vom jeweiligen Zustand der einzelnen Straßenbestandteile gemeinsam als Erhaltungsmaßnahme umgesetzt. Bei Erhaltungsprojekten ist im Vergleich zu Neubauprojekten dabei in besonderem Maße der mit der Baumaßnahme verbundene Eingriff in den Verkehr zu berücksichtigen. Es ist davon auszugehen, dass der Bund in den nächsten Jahren für die Erhaltung der Bundesstraßen in Baden- Württemberg eine bedarfsgerechte Mittelausstattung gewährleistet. Das Land stellt aktuell für die Erhaltung der Landesstraßen die Haushaltsmittel nicht in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung. Die Straßenbauverwaltung des Landes hat den Erhaltungsmittelbedarf für das gesamte Landesstraßennetz in Baden-Württemberg vor allem auf Grundlage zweier Gutachten zur Brückensowie Fahrbahnerhaltung ermittelt. Demnach wäre in etwa eine Verdopplung der aktuellen Mittelausstattung erforderlich. Mittelbis langfristig wäre die Mittelausstattung vor allem unter Berücksichtigung einer Baupreissteigerung weiter zu erhöhen.
