Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Bioasphalt
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Isa Landthaler
Für die Asphaltherstellung wird bisher das erdölbasierte Bitumen eingesetzt. Aufgrund der Erdölknappheit, den sich stetig erhöhenden Marktpreisen und der Auswirkungen auf die Umwelt wird derzeit nach einer effizienten, kostengünstigen und umweltfreundlichen Alternative gesucht, mit der das Bitumen ersetzt werden kann. Als Möglichkeit hierfür kann Bioasphalt angesehen werden, bei welchem das Bitumen teilweise oder gänzlich mit nachwachsenden Rohstoffen ersetzt wird. Forscher entwickelten hierzu Varianten aus Algen und Lignin mit nahezu gleichbleibender Bindemittelqualität.
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3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 219 Bioasphalt Auf dem Holzweg? Isa Landthaler Hochschule Biberach Zusammenfassung Für die Asphaltherstellung wird bisher das erdölbasierte Bitumen eingesetzt. Aufgrund der Erdölknappheit, den sich stetig erhöhenden Marktpreisen und der Auswirkungen auf die Umwelt wird derzeit nach einer effizienten, kostengünstigen und umweltfreundlichen Alternative gesucht, mit der das Bitumen ersetzt werden kann. Als Möglichkeit hierfür kann Bioasphalt angesehen werden, bei welchem das Bitumen teilweise oder gänzlich mit nachwachsenden Rohstoffen ersetzt wird. Forscher entwickelten hierzu Varianten aus Algen und Lignin mit nahezu gleichbleibender Bindemittelqualität. 1. Einführung In Deutschland werden etwa 20 Millionen Tonnen Asphalt hergestellt [1]. Da hierfür Bitumen als Bindemittel eingesetzt wird, steht die Bauindustrie vor neuen Herausforderungen. Denn in den vergangenen Jahren ist zu beobachten gewesen, dass zum einen das Bitumen immer teurer wird und zum anderen eine Bitumenknappheit vorherrscht. Darüber hinaus steht die Bauindustrie vor einem Wandel, indem die Sustainable Development Goals mehr und mehr implementiert werden. Um einen nachhaltigeren Asphalt zu erschaffen, ist deshalb darauf zu achten die Umweltauswirkungen so gering wie möglich zu halten, indem beispielsweise die Mischtemperatur verringert wird, Additive hinzugefügt werden, die die Bitumenqualität und -langlebigkeit erhöhen, oder Bitumenersatzstoffe aus nachwachsenden Ressourcen verwendet werden. Als eine Maßnahme wurde die Recyclingquote bei der Asphaltherstellung angehoben. Jedoch kann dabei die maximale Zugabemenge an Asphaltgranulat selten gewährleistet werden, da diese von mehreren Faktoren wie der technischen Ausstattung der Mischanlage, der herzustellenden Asphaltsorte oder Qualität des Recyclingmaterials abhängig ist. Zudem verschlechtert eine hohe Recyclingrate die Bitumenqualität. Als Alternative können zudem Bitumenersatzstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe angesehen werden. Der damit gemischte Asphalt ist unter dem Namen Bioasphalt bekannt. Im Folgenden wird näher auf dessen aktuellen Forschungsstand eingegangen. 2. Bioasphalt Der Unterschied zwischen konventionellen Asphalt und Bioasphalt besteht darin, dass das Bitumen teilweise oder gänzlich mit nachwachsenden Rohstoffen ersetzt wird. Dabei herrscht eine Vielzahl an Möglichkeiten vor, um das Bitumen mit anderen Stoffen auszutauschen. Die derzeitigen Forschungen beschränken sich jedoch auf Ersatzstoffe, die auf Basis von Lignin, Algen, Latex und diversen Pflanzenölen basieren. Bioasphalt kann mittels der folgenden Gruppen unterschieden werden: • als direkte Alternative, indem das Bitumen gänzlich ersetzt wird. • Als Bitumenerweiterung, indem das Bitumen zu mindestens 25% ersetzt wird. • Als Bitumenmodifizierung, bei der das Bitumen bis zu 10 M-% ersetzt wird. [2] 2.1 Bioasphalt auf Basis von Algen Zur Herstellung eines algenbasierten Bindemittels verwendete der Forschungsbund „Algoroute“ die Algensorte Scenedesmus sp. Hierzu wurde auf die Mikroalgenabfälle aus der Kosmetik- und Lebensmittelindustrie zurückgegriffen, welche zu etwa 80 % aus Wasser bestehen. Die Mikroalgenbestandteile wurden einer Pyrolyse unterzogen. Dabei wurden diese zunächst in einem geschlossenen Behälter auf ca. 300 °C erhitzt, wodurch ein Druck entsteht, welcher dem ähnelt, der bei der natürlichen Umwandlung von Algen und Mikroorganismen in Erdöl bei einer Tiefe von 1500 bis 3000 m entspricht. Daraus entsteht eine schwarze, ölige und zähflüssige Masse an der Wasseroberfläche, welcher als vollständiger Bitumenersatzstoff verwendet werden kann. Schlussendlich liegt der Wirkungsgrad des Umwandlungsprozesses bei 55 %, d. h. sich der Ertrag gegenüber der Masse des Ausgangsstoffes um 45 % verringert. Die Untersuchungen unter Laborbedingungen ergeben, dass kein signifikanter Unterschied beim algenbasierten Bindemittel zum Bitumen besteht. Darüber hinaus ist der Bitumenersatzstoff ab 100 °C flüssig und der der viskoelastische Bereich liegt zwischen -20 °C und +60 °C. Folglich kann die Kohäsion der Granulatstruktur gewährleistet werden und der Widerstand gegenüber mechanischer Belastung wird erhöht [3]. 220 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Bioasphalt 2.2 Bioasphalt auf Basis von Lignin Neben Cellulose und Cithin gehört Lignin zu den häufigsten natürlichen Polymeren und lässt sich nahezu aus allen Pflanzen gewinnen. Die harzige Substanz wird in der pflanzlichen Zellwand eingelagert, wo es eine Verholzung der Zelle bewirkt und somit der Pflanze die Druck- und Bruchfestigkeit verleiht. Lignin besitzt zudem drei Grundbausteine, die aus den folgenden Phenyleinheiten aufgebaut sind: - P-Cumaralkohol - Confiferyalkohol - Sinapinalkohol [4] Abbildung 1: Grundbausteine des Lignins Anhand Tabelle 1 ist zu erkennen, dass Laub- und Nadelbäume einen hohen Ligningehalt haben, weshalb sich diese besonders für die Verwendung von lignin-basierten Asphalt eignen. Tabelle 1: Ligninggehalte in diversen Pflanzen [4] Pflanzentyp Ligningehalt [%] Holz 20-30 Holzrinde 20-30 Kokusnussrinde 20-30 Stroh, Hanf, Flachs 15-25 Gärreste 5-25 Gras 5-15 Bisher wird der größte Lignin-Anteil mittels Kraft-Aufschluss-Verfahren gewonnen. Zudem erzielten Bindemittelgemische Im Genaueren handelt es sich hierbei um ein Verfahren, bei dem zur Lösung des Lignins von der faserigen Cellulose entrindete Holzschnitzel unter Druck mehrere Stunden in Natronlauge gekocht werden. Dieses Verfahren findet insbesondere bei der Papierherstellung seine Anwendung. Dort fallen weltweit jährlich etwa 50 Millionen Tonnen Lignin als Abfallprodukt an, die zu etwa 98 % ungenutzt bleiben, indem diese verbrannt werden [5]. Abbildung 2: Prinzip des kontinuierlichen Sulfatverfahrens [Pastusiak, 2003] Anhand der Forschungsergebnisse erzielt Bitumen, das mit einem Kraft-Lignin gemischt wurde, die besten Ergebnisse. Darüber hinaus kann das Bitumen unter Laborbedingungen und bei gleichbleibender Qualität mit Lignin bis zu 50 M-% ersetzt werden [6]. Ein weiterer Beleg für die Verwendung von ligninbasiertem Bitumen geben die Ergebnisse der bisherigen Pilotprojekte. Beispielsweise existieren seit 2015 in den Niederlanden 23 Straßen mit einer Gesamtlänge von 12 km aus Bioasphalt, bei welchen das Bitumen zu 45 % mit Lignin ausgetauscht wurde, bis heute und sind in einem hervorragenden Zustand [6]. 2.3 Vorteile der Verwendung von Bioasphalt Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der Einsatz von Bioasphalt vorteilhaft sein kann. Denn zum einen ist es eine direkte Maßnahme, um der Bitumenknappheit entgegenzutreten, indem das Bitumen durch andere Stoffe ersetzt wird. Darüber hinaus können lokale Rohstoffe hierfür verwendet werden. Dies stärkt zum einen die regionale Wirtschaft und zum anderen erreicht dies eine entsprechende Unabhängigkeit gegenüber anderen Ländern. Daneben kann insbesondere bei ligninbasierten Bioasphalt die Mischguttemperatur verringert werden. Daraus resultiert, dass Energiekosten bei der Asphaltherstellung eingespart werden können. Ein weiterer Vorteil, der in Betracht gezogen werden muss, ist die Verringerung des ökologischen Fußabdruckes. Denn bei einer ganzheitlichen Betrachtung ist zu erkennen, dass sich die CO2 Emission im Gegensatz zum konventionellen Bitumen verringert. Beispielsweise zeigt Abbildung X, dass 5,72 % des im gesamten Lebenszyklus produzierten CO2 um 5,72 % reduziert werden kann, sofern das Bitumen mit 25 M-% Lignin ersetzt wird [7]. 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 221 Bioasphalt Abbildung 3: Anfallendes CO2 pro Tonne unter der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus 3. Fazit Anhand der Forschungsergebnisse ist zu erkennen, dass nachwachsende Bitumenersatzstoffe als wirksame Alternative für Bitumen angesehen werden können. Denn damit ist es möglich das Bitumen zu einem erheblichen Prozentsatz bei nahezu gleichbleibender Bindemittelqualität zu ersetzen. Mit der Erhöhung des Anteils an nachwachsenden Ersatzstoffen sinkt zugleich der Bitumenanteil. Unter all den Forschungen kann die Verwendung von ligninbasierten Bioasphalt aufgrund des enormen Vorkommens ein bahnbrechendes Ergebnis bringen. Jedoch werden hierfür weitere Forschungen benötigt, um den Prozentsatz des Lignins zu erhöhen und den richtigen Mischprozess zu finden, um die Ergebnisse zu optimieren und eine Produktion im großen Maßstab zu ermöglichen. Daneben kann das Bitumen mit nachwachsende Ersatzstoffe aus Algen oder weiteren Rohstoffen, die einer Pyrolyse unterzogen wurden, bereits vollständig ersetzt werden. Jedoch fehlen bisher Langzeitstudien, die auf die Dauerhaftigkeit bzw. dem Standhalten des Straßenbaumaterials unter realen Bedingungen eingehen. Literatur [1] Statista Research Department (01.06.2022): Asphaltmischgut - Produktion in Deutschland bis 2021, URL: https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 589508/ umfrage/ produktion-von-aspahltmischgut-in-deutschland/ (20.08.2022) [2] Yao et al. (2022): Review on Applications of Lignin in Pavement Engineering: A Recent Survey. URL: https: / / www.researchgate.net/ publication/ 357856035_Review_on_Applications_of_ Lignin_in_Pavement_Engineering_A_Recent_ S u r ve y ? _ i e p l % 5 B g e n e r a l Vi ew I d % 5 D = C e f PtowSgg RFSb3crHutzPOO1Dkq0TXvoC3X&_ iepl%5Bcontexts%5D%5B0%5D=searchReact&_ iepl%5BviewId%5D=Qljqn2SBRH7cd1w6u3ZU Z3siphMm70Q9lqlw&_iepl%5BsearchType% 5 D = p u b l i c a t i o n & _ i e p l % 5 B d a t a % 5 D % 5 BcountLessEqual20%5D=1&_iepl%5Bdata%5 D%5BinteractedWithPosition1%5D=1&_iepl %5Bdata%5D%5BwithoutEnrichment%5D=1&_ iepl%5Bposition%5D=1&_iepl%5BrgKey%5 D=PB%3A357856035&_iepl%5BtargetEntity Id%5D=PB%3A357856035&_iepl%5Binteracti onType%5D=publicationTitle [3] Französische Botschaft in Deutschland (2015): Bio-Bitumen: nachhaltige Straßen aus Mikroalgen. URL: https: / / idw-online.de/ de/ news629842 [4] Gosselink et al. (2016): Lignine, groene grondstof voor chemicaliën en materialen. URL: https: / / www.researchgate.net/ publication/ 326689381 [5] Bioökonomie BW (): Lignin - ein Rohstoff mit viel Potenzial. URL: https: / / www.biooekonomie-bw. de/ fachbeitrag/ dossier/ lignin-ein-rohstoff-mit-viel- Potenzial [6] Gosselink et al. (2021): The use of lignin as a biobinder in asphalt applications [7] Tokede, Traverso, Mankaa (2020): Life Cycle Assessment of Asphalt variants in Infrastructure: the case of Lignin in Australian road pavements. URL: https: / / www.researchgate.net/ publication/ 339774146