Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2023
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Digitale Zwillinge von Straßeninfrastrukturen - Theorie, Umsetzungsbausteine und Implementierung
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2023
Christian Forster
Tim Zinke
Digitale Zwillinge gewinnen im Bauwesen und auch im Infrastrukturbau zunehmend an Bedeutung. Dies wird sowohl durch vielfältige wissenschaftliche Untersuchungen und Diskussion vorangetrieben als auch durch erste praktische Umsetzungen. Der vorliegende Beitrag stellt die Strukturierung, Entwicklung und Implementierung eines digitalen Zwillings für Verkehrsinfrastrukturen auf Streckenzugebene vor. Für das PPP-Projekt „ViA6West“ ist für eine Bundesautobahn auf einer Länge von 47,2 km ein Digitaler Zwilling umgesetzt worden, der Daten aus verschiedenen Quellen wie Inspektionen, Straßenbefahrungen, Verkehrsdaten, Wetterdaten und 3-D-Modelldaten miteinander verknüpft. Diese Daten werden in einer zentralen Datenhaltung gespeichert und für verschiedene Anwendungsfälle aufbereitet, welche beispielhaft vorgestellt werden. Als Basis für die tägliche Arbeit wird ein Dashboard eingesetzt, das mit Hilfe einer Business Intelligence Lösung erzeugt wird. Die Umsetzung erfolgt durch die HOCHTIEF PPP Solutions GmbH und die HOCHTIEF ViCon GmbH.
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3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 247 Digitale Zwillinge von Straßeninfrastrukturen - Theorie, Umsetzungsbausteine und Implementierung Dipl.-Ing. Christian Forster HOCHTIEF ViCon, Essen Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Tim Zinke HOCHTIEF ViCon, Essen Zusammenfassung Digitale Zwillinge gewinnen im Bauwesen und auch im Infrastrukturbau zunehmend an Bedeutung. Dies wird sowohl durch vielfältige wissenschaftliche Untersuchungen und Diskussion vorangetrieben als auch durch erste praktische Umsetzungen. Der vorliegende Beitrag stellt die Strukturierung, Entwicklung und Implementierung eines digitalen Zwillings für Verkehrsinfrastrukturen auf Streckenzugebene vor. Für das PPP-Projekt „ViA6West“ ist für eine Bundesautobahn auf einer Länge von 47,2 km ein Digitaler Zwilling umgesetzt worden, der Daten aus verschiedenen Quellen wie Inspektionen, Straßenbefahrungen, Verkehrsdaten, Wetterdaten und 3-D-Modelldaten miteinander verknüpft. Diese Daten werden in einer zentralen Datenhaltung gespeichert und für verschiedene Anwendungsfälle auf bereitet, welche beispielhaft vorgestellt werden. Als Basis für die tägliche Arbeit wird ein Dashboard eingesetzt, das mit Hilfe einer Business Intelligence Lösung erzeugt wird. Die Umsetzung erfolgt durch die HOCHTIEF PPP Solutions GmbH und die HOCHTIEF ViCon GmbH. 1. Einführung In den letzten Jahren wird die Digitalisierung im Bereich der Verkehrsinfrastrukturen durch die öffentliche Hand stark vorangetrieben. Der Grundstein dieses Prozesses wurde durch die Reformkommission Bau von Großprojekten aus dem Jahr 2015 gelegt [1]. Als ein Ergebnis der im Jahr 2015 vorgeschlagenen Maßnahmen ist der Masterplan BIM Bundesfernstraßen entstanden, der eine übergeordnete Strategie für die Implementierung von verschiedenen Digitalisierungskomponenten beinhaltet [2]. Im Vordergrund steht dabei die phasenweise Einführung der BIM-Methode für die Planung und Ausführung von Bauprojekten. Gleichzeitig wird als Zukunftsbild der Digitale Zwilling eingeführt, der vornehmlich auf das Erhalten und Betreiben von Bauwerken abzielt und damit seine Hauptaufgabe in der Nutzungsphase ausübt. Diese Einordnung liefert eine wichtige Grundlage für die Festlegung, welche Aufgaben dem Digitalen Zwilling zukünftig zugeschrieben werden. Bezüglich der konkreten Inhalte, zu integrierenden Komponenten und einheitlichen Definitionen eines Digitalen Zwillings existieren derzeit keine einheitlichen Grundlagen [3]. Dies liegt daran, dass es sich bei diesem Thema um eine vergleichsweise junge Disziplin handelt. In Abb. 1 ist die Anzahl der Suchtreffer einmal für wissenschaftliche Publikationen (blau) und zum anderen für das relative Suchinteresse am Beispiel einer Suchmaschine (grün) dargestellt. Es ist zu sehen, dass ab dem Jahr 2018 ein deutlich zunehmendes Interesse zu verzeichnen ist und in den letzten vier Jahren viele unterschiedliche Initiativen, Projekte und Pilotprojekte entstanden sind. Viele davon stammen aus dem Bereich des Maschinenbaus, allerdings finden sich auch zunehmend Ansätze aus dem Bereich der Verkehrsinfrastrukturen. Abb. 1: Ergebnisse für verschiedene Begriffe für wissenschaftliche Publikationen (blau) und relatives Interesse am Beispiel einer Suchmaschine (grün) für den Zeitraum 2010 bis 2022 2. Definition und Komponenten 2.1 Ursprünge Als erste Person, die das Konzept des Digitalen Zwillings umfassend beschrieben hat, wird heute Michael Grieves von der Universität Michigan benannt. Für eine Vorlesung im Rahmen des Product Lifecycle Managements wurden vom ihm die wichtigsten Komponenten und ihre Zusammenhänge bereits im Jahr 2002 definiert [4]. 248 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Digitale Zwillinge von Straßeninfrastrukturen - Theorie, Umsetzungsbausteine und Implementierung Der Begriff des Digitalen Zwillings wurde um das Jahr 2010 herum von der NASA eingeführt, die die grundlegende Idee von Grieves adaptierte und für Luftfahrzeuge der nächsten Generation ein zukunftsweisendes Gesamtkonzept entwickeln wollte, das eine Paradigmenwechsel herbeiführen sollte. Hierfür wurde ein Schwerpunkt auf die Integration von verschiedenen Daten gelegt, um diese zur Simulation von Fahrzeugen oder Systemen zu nutzen. Ein vorrangiges Ziel war die Abbildung aller Effekte während des gesamten Lebenszyklus des zu analysierenden Systems [5]. 2.2 Definition Auf bauend auf den verschiedenen theoretischen Überlegungen der letzten 20 Jahre lassen sich verschiedene Definition identifizieren, die je nach Anwendungsdomäne, Zielgruppe oder Fokussierung auf verschiedene Lebenszyklusphasen unterschiedliche Schwerpunkte legen. Alle Definitionen haben allerdings grundlegende Komponenten gemeinsam, die im Folgenden als die Basisdefinition von Digitalen Zwillingen verwendet werden. Diese sind in Abb. 2 visualisiert. Abb. 2: Komponenten des Digitalen Zwilling sowie deren Zusammenspiel Die im Bauwesen heutzutage sehr häufig verwendete Definition geht auf Boje et al. zurück [6], der drei Komponenten eines Digitaler Zwilling beschreibt : • Eine physische Komponente (reales Asset, tatsächlich existierendes Bauwerk), • eine virtuelle Komponente (digitale Repräsentation des realen Assets) und • ein Datenaustausch zwischen den Komponenten, der bidirektional erfolgt. Es ist erkennbar, dass ein reines digitales Abbild eines tatsächlich existierenden Bauwerks noch kein Digitaler Zwilling ist. Dieser erfordert einen Datenaustausch, der sowohl Daten aus dem realen Bauwerk in die Digitale Repräsentation überträgt (z. B. Bestandaufnahme des Istzustandes einer Brücke) als auch die Digitale Repräsentation benutzt, um Maßnahmen am realen Bauwerk durchzuführen (Auswertung der aufgenommenen Daten und Ableiten von Instandhaltungshaltungsmaßnahmen, die manuell oder automatisch durchgeführt werden). Betont werden muss, dass es sich bei den Daten, die in der digitalen Repräsentation zusammengeführt werden, um eine Vielzahl unterschiedlicher Daten handeln kann. Dies können beispielsweise folgende Daten sein, die in Form von Datenbankinhalten, Dateien, (geometrischen) Modellen oder weiteren Formaten vorliegen: • Messdaten aus Sensoren (Verkehrsbelastung, Dehnmessstreifen (DMS), Wettersensoren, etc.) • Daten aus Bauwerksdokumentationen (Bauwerksakte, Bauwerksbücher, Inspektionsberichte, etc.) • Zustandsdaten (SIB-Bauwerke) • Modelldaten (BIM-Modell, GIS-Modell) 2.3 Anwendungsbereiche Die vorgestellte allgemeine Definition lässt sich bei Kombination mit der Idee der Anwendbarkeit im gesamten Lebenszyklus von Bauwerken in unterschiedliche Anwendungsszenarien unterteilen. Diese sind in Abb. 3 zusammengefasst. Erste Daten eines Digitalen Zwillings werden bereits in der Planungsphase erzeugt und bilden die Grundlage für die spätere Anwendung. Dies können geometrische Daten, Materialien, Qualitäten oder Produktbeschreibungen sein. Abb. 3: Einsatz des Digitalen Zwilling im Lebenszyklus 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 249 Digitale Zwillinge von Straßeninfrastrukturen - Theorie, Umsetzungsbausteine und Implementierung In der Herstellungsphase wird das erste Mal die Komponente des physischen Assets geschaffen. Vor allem im Bereich der Bauprozesse kann hier der Datenaustausch zwischen den beiden Zwillingen einen Mehrwert erzeugen. Sind beispielsweise die Positionen von Baugeräten auf der Baustelle in Echtzeit bekannt, kann eine Optimierung der Einsatzplanung erfolgen. In Bezug auf die Transportwege von Materialien, wie z. B. Aushubmaterialien, ist es so möglich, Transportdistanzen zu minimieren, indem tagesaktuell berechnet wird, an welchen Ort in welchem Maß Quellen und Senken existieren. Vor allem in der Nutzungsphase lassen sich eine Vielzahl von möglichen Anwendungsfällen für Digitale Zwillinge identifizieren. Durch die sukzessive Aufnahme, Speicherung und Verarbeitung von Daten, die während des gesamten Betriebs entstehen, kann eine Unterstützung aller durchzuführenden Geschäftsprozesse erfolgen. Auf die wichtigsten Anwendungen wird in dem Praxisbeispiel des nächsten Kapitels eingegangen. 3. Praktische Umsetzung ViA6West 3.1 Nutzen Der Digitale Zwilling ViA6West fokussiert sich auf die Anwendung in der Nutzungsphase. Daher werden im Folgenden mögliche Anwendungen in der Herstellungs- und Rückbauphase nicht weiter betrachtet. Der größte Mehrwert des Digitalen Zwillings A6 liegt in der strukturierten Speicherung der Daten sowie den sich daraus ergebenden Bearbeitungsmöglichkeiten. Verschiedene Datenquellen werden miteinander verknüpft und so zentral auswertbar gemacht. Auf diese Weise kann Wissen generiert werden, dass bei in Datensilos vorliegenden Daten nicht gewonnen werden könnte. Wissen wird erzeugt, indem eine Datenverarbeitung mit einer Business Intelligence Lösung erfolgt und so Informationen generiert werden, die wiederrum von Menschen zur Entscheidungsunterstützung eingesetzt werden. 3.2 Entwicklungsschritte Abb. 4: Top-Down Ansatz für die Entwicklung von Anwendungsfällen (auf bauend auf [7]) Digitale Zwillinge können wie beschrieben für eine Vielzahl von Aufgaben verwendet werden. Daher ist es empfehlenswert, eine strukturierte Herangehensweise zu wählen. Als praxistauglich hat sich eine Top-Down Verfahrensweise herausgestellt (siehe Abb. 4). Der Gesamtprozess sollte mit einer Zieldefinition beginnen, damit eine Zielerreichungsmessung erfolgen kann. Im Anschluss werden die bestehenden Geschäftsprozesse identifiziert, die durch den Digitalen Zwilling unterstützt werden sollen. Diese Geschäftsprozesse können dann ggf. weiter unterteilt werden. Das Ergebnis sind Anwendungsfälle, die eine spezifische Aufgabe abgrenzen. Der Vorteil des Denkens in Anwendungsfällen liegt in der Zerlegung eines Gesamtzusammenhangs in Einzelaufgaben (bzw. Anwendungsfälle). Diese lassen sich detailliert ausformulieren, beispielsweise indem der abzuarbeitende Prozess mit allen Prozessschritten aufgeschrieben wird. Jeder Prozessschritt erfordert für die Bearbeitung Daten, die wiederrum mit verschiedenen Hilfsmitteln bzw. Softwaretools erhoben, gespeichert oder verarbeitet werden können. Erst wenn die Daten bekannt sind, die für jeden Anwendungsfall erforderlich sind, kann mit der Implementierung des jeweiligen Anwendungsfalls begonnen werden. 3.3 Anwendungsfälle Anwendungsfälle für Verkehrsinfrastrukturen lassen sich nach [7] in drei unterschiedliche Themenbereiche einteilen: • Betriebsprozesse, die regelmäßig wiederkehrend abzuarbeiten sind und für die Unterhaltung erforderlich sind. • Erhaltungsplanung und -durchführung, die in einem größeren zeitlichen Abstand stattfinden, größere Maßnahmen erfordern und i.-d.-R. von einer anderen Personengruppe ausgeführt werden als die Betriebsprozesse. • Strategische Aufgaben des Lebenszyklusmanagements, durch welche zukünftig durchzuführende 250 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Digitale Zwillinge von Straßeninfrastrukturen - Theorie, Umsetzungsbausteine und Implementierung Maßnahmen, Kosten, Bauwerkszustände etc. berechnet bzw. prognostiziert werden. Die im Rahmen des vorliegenden Projekts umgesetzten Anwendungsfälle ordnen sich vor allem in den Bereich der Betriebsprozesse, allerdings auch in den Bereich der Erhaltungsplanung und -durchführung ein. Die Umsetzung der Anwendungsfälle im Digitalen Zwilling A6 ist als eine erste Ausprägungsstufe zu charakterisieren, die auf die Ausführbarkeit der aufgesetzten Prozesse ausgerichtet ist und nicht auf eine möglichst vollumfängliche Integration aller möglichen Anwendungsfälle. D.-h., dass eine sukzessive Weiterentwicklung des Digitalen Zwillings erfolgt, indem Prozesse kontinuierlich verbessert werden, weitere Datenquellen eingebunden werden und neue Anwendungsfälle umgesetzt werden. Darüber hinaus wird der Datenaustausch (die Maßnahmenumsetzung) aus dem Digitalen Zwilling in das reale Asset hauptsächlich über manuelle Prozesse durchgeführt. Zukünftig wird eine stärkere Automatisierung der Prozesse angestrebt. Die derzeit umgesetzten Anwendungsfälle sind in der Abb. 5 zusammengestellt. Die Umsetzung erfolgt dabei je nach erforderlichen Daten auf Streckenzugs-, Bauwerks- oder Bauteilebene. Abb. 5: Umgesetzte Anwendungsfälle Digitaler Zwilling ViA6West [8] 3.4 Datenintegration Eine wichtige Grundlage für die Implementierung eines lauffähigen Digitalen Zwillings ist die Schaffung von einheitlichen Datenstrukturen. Allen Objekten, Erhebungsergebnissen, Dokumenten, Sensoren, etc. werden dabei Attribute zugeordnet, die im Vorfeld eindeutig definiert und im Projekt konsequent angewendet werden. Die dabei zur Anwendung kommende Systematisierung wird als Projektdatenstruktur (PDS) bezeichnet. Die Projektdatenstruktur dient für alle Anwendungsfälle als Grundlage für die Verknüpfung relevanter Projektdaten aus unterschiedlichen Quellen in einem Projekt. Sie ermöglicht eine einheitliche Einordnung von Daten auch dann, wenn Autoren oder Softwarehersteller üblicherweise unterschiedliche Strukturen benutzen. Eine Projektdatenstruktur muss für jedes Projekt spezifisch aufgesetzt werden und orientiert sich an den verschiedenen Datentypen und -formten, die in den verschiedenen Anwendungsfällen erforderlich sind. Ein Beispiel für drei verschiedene Bereiche, die durch eine PDS abgedeckt werden, ist in Tab. 1 zusammengestellt. Es können dabei Angaben zum Ort (Wo ist ein Element verbaut? ), Angaben zum Objekt (Um welches Objekt handelt es sich und in welchem Zusammenhang steht es zu anderen Objekten? ) und zur Tätigkeit (Um welche Tätigkeit mit welchen Beteiligten handelt es sich? ) unterschieden werden. In jedem Bereich kommen unterschiedlichen Attribute zur Anwendung. Die dargestellte Attributsliste ist nicht abschließend und kann bei einer umfangreichen Anzahl an Anwendungsfällen sehr viele Einträge beinhalten. Tab. 1: Beispiele für Attribute verwendet zur Ausformulierung der Projektdatenstruktur (PDS) Bereich Attributscodierung Beschreibung Location LBS_Abschnitt Abschnittsbezeichnung im Gesamtprojekt (Bau oder Erhaltung) Location LBS_Start Startkilometer Location LBS_End Endkilometer Object OBS_Object Objekt (z. B. Überbau) Object OBS_Subobject Teilobjekt (z. B. Kappe) Object OBS_Element Element (z. B. Beton der Kappe) Work WBS_Prozess Art des Prozesses (Inspektion, Erneuerung, etc.) Work WBS_Trade Gewerk, das den jeweiligen Prozess durchführt Wie in Abb. 3 ersichtlich, werden in der Nutzungsphase sukzessive Daten aus dem Betrieb erhoben. Die Datenerhebung findet dabei vorzugsweise mit Hilfe von digitalen Formularen statt, die individuell erarbeitete Front- Ends besitzen und in denen die Projektdatenstruktur abruf bar ist. Ein Beispiel wird in Abb. 6 gezeigt. Abb. 6: Digitales Aufnahmeformular mit Datenbankanbindung zur automatischen Synchronisation von Eingaben Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Datenspeicherung in dem jeweils erforderlichen Format unter Zuweisung aller Attribute und unter Anwendung der 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 251 Digitale Zwillinge von Straßeninfrastrukturen - Theorie, Umsetzungsbausteine und Implementierung Projektdatenstruktur erfolgt. Nur wenn hier eine durchgängige Verwendung stattfindet, kann eine Verknüpfung der Daten erfolgen und es können die beabsichtigten Auswertungen durchgeführt werden. 3.5 Implementierungsbeispiele Zwei Beispiele für Ansichten des implementierten Digitalen Zwillings A6 sind in Abb. 7 und Abb. 8 dargestellt. In Abb. 7 ist zu sehen, dass zur besseren Orientierung die Objekte mit einem digitalen Bauwerksmodell verknüpft sind. Dabei kann sowohl eine Auswahl von Modellelementen im Bauwerksmodell und die Filterung der Ergebnisse anhand dieser Auswahl erfolgen, als auch der umgekehrte Weg der Datenselektion und Anzeige der zugehörigen Bauwerksmodellelemente. Dies ist nur möglich, wenn eine konsequente Anwendung der Projektdatenstruktur für alle in den Digitalen Zwilling eingespeisten Daten erfolgt ist. In Abb. 8 ist die Einbindung von weiterführenden Dokumenten dargestellt. Es handelt sich hier um die Datenaufnahme einer Fahrbahnverschmutzung, die mit einem Foto dokumentiert wird. Das Foto wird über ein digitales Formular aufgenommen, dem Ort und ggf. dem zugehörigen Objekt zugeordnet und dann in der Datenbank gespeichert. Auf Grundlage weiterführender Attribute, die z.-B. Maßnahmen beschreiben, welche zur Mangelbeseitigung durchgeführt werden müssen, lässt sich die Leistungsfähigkeit des Digitalen Zwillings sukzessive erweitern. Die Projektdatenstruktur erlaubt darüber hinaus ein Mapping mit anderen Datenbanken. Ergebnisse von Bauwerksaufnahmen lassen sich so exportieren, dass Sie in die Datenbank SIB-Bauwerke importiert werden können. Auf diese Weise kann ein Datenaustausch erfolgen und die Interaktion zwischen unterschiedlichen Datenhaltungen ist gewährleistet. Der verwendete Mapping-Ansatz erfordert bei einer jeder Änderung eines Datenschemas allerdings auch die Anpassung der Verknüpfungsbzw. Exporteinstellungen. Abb. 7: Beispiel der Verknüpfung Bauwerksmodell und weiteren Daten auf Bauwerksebene über die Projektdatenstruktur (PDS) Abb. 8: Beispiel der Verlinkung zwischen Dashboardansicht und weiterführenden Dokumenten 252 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Digitale Zwillinge von Straßeninfrastrukturen - Theorie, Umsetzungsbausteine und Implementierung 4. Zusammenfassung Digitale Zwillinge - vor allem für eine Anwendung in der Nutzungsphase von Verkehrsinfrastrukturen - werden derzeit in vielen Ausprägungen diskutiert. Es hat sich aufgrund der vergleichsweise jungen Entwicklungsgeschichte noch kein einheitliches Verständnis herausgebildet. Existierende Frameworks und erste Praxisbeispiele zeigen aber, dass bei einer strukturierten Implementierung unter Beachtung grundlegender Zusammenhänge zur Datenverknüpfung leistungsstarke Digitale Zwillinge aufgebaut werden können und eine durchgängige digitale Informationskette geschaffen werden kann. Das Praxisbeispiel ViA6West ist ein Digitaler Zwilling, der vor allem Anwendungsfälle für Betriebsprozesse, typsicherweise durchgeführt von Personen der Autobahnmeistereien, beinhaltet. Darüber hinaus sind auch verschiedene Anwendungsfälle für die Erhaltungsplanung und -durchführung integriert. Basis für die bilden vollständig verknüpfte Daten, die über eine Projektdatenstruktur in Verbindung zueinander gebracht werden. Die Anbindung ein 3-D-Bauwerksmodell ist dabei eine Hilfestellung für Nutzer, um eine bessere Orientierung durch eine Visualisierung zu geben. Zukünftig werden Digitale Zwillinge in allen Bereichen an Bedeutung gewinnen. Eine zentrale Herausforderung wird bei der Entwicklung die Integration unterschiedlicher existierender Datenquellen sein. Darüber hinaus ist es für den Bereich der öffentlichen Verkehrsinfrastrukturen erstrebenswert, offene Verknüpfungsstandards zu entwickeln, die beispielsweise auf Ontologien basieren. Auf diese Weise können unterschiedliche Softwareanbieter auf den vorliegenden Datenbeständen auf bauen und ein Wechsel zwischen Softwarelösungen wird ermöglicht. Literatur [1] BMVI (2015): Stufenplan Digitales Planen und Bauen - Einführung moderner IT-gestützter Prozesse und Technologien bei Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Berlin: Stand Dez. 2015. [2] BMVI (2021): Masterplan BIM für Bundesfernstraßen: Digitalisierung des Planens, Bauens, Erhaltens und Betreibens im Bundesfernstraßenbau mit der Methode Building Information Modeling (BIM). Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Berlin: Stand September 2021. [3] Sacks, R.; Brilakis, I.; Pikas, E.; Xie, H. S.; Girolami, M. (2020): Construction with digital twin information systems. Data-Centric Engineering, Vol. 1, 2020. [4] Grieves, M. (2016): Origins of the Digital Twin Concept. Working Paper, online verfügbar unter https: / / doi.org/ 10.13140/ RG.2.2.26367.61609. [5] Tuegel, E. J., A. R. Ingraffea, T. G. Eason, and S. M. Spottswood (2011): Reengineering Aircraft Structural Life Prediction Using a Digital Twin. International Journal of Aerospace Engineering, pp. 1-14. [6] Boje, C., A. Guerriero, S. Kubicki, and Y. Rezgui (2020): Towards a semantic Construction Digital Twin: Directions for future research. Automation in Construction, 114: 103179. [7] Zinke, T. et al. (2022) Konzeptionelle Untersuchung zur Zusammenführung von Komponenten des Digital Twin Brücke. FE-Nr. 15.0677/ 2020/ IRB 1. Zwischenbericht (unveröffentlicht). [8] buildingSMART (2022): BIM Champions 2022. Online verfügbar unter https: / / www.buildingsmart.de/ buildingsmart/ aktuelles/ die-bim-champions-2022.