eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 3/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2023
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Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke und Gussasphalt nebeneinander: Die Versuchsstrecke auf der Autobahn A 61

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2023
Stefan Höller
Beton zeichnet sich durch eine hohe Steifigkeit aus. Bei anforderungsgerechter Herstellung können Betonfahrbahnen eine lange Nutzungsdauer ohne Verformungen aufweisen und sind daher besonders für den Schwerlastverkehr geeignet. Mit Asphalt als flexible Variante lässt sich eine höhere Lärmminderung erreichen und Bauen und Sanieren lassen sich einfacher und schneller durchführen. Dies eignet sich besonders für niedrigere Achslasten. In den letzten Jahren wurde viel darüber diskutiert, wie man die beiden Baustoffe Asphalt und Beton am besten kombiniert. Eine vielversprechende Konstruktion ist die Anordnung von Beton auf dem Hauptfahrstreifen und Asphalt auf der 2. und weiteren Fahrstreifen. Die Betonbauweise erfüllt die Anforderungen des Lkw-Verkehrs und die Asphaltbauweise den Anforderungen des Pkw-Verkehrs. Dieser Ansatz wird seit vielen Jahren auf Autobahnen in Nordrhein-Westfalen erprobt und weiterentwickelt. Im Jahr 2021 wurde erstmals im Rahmen einer Versuchsstrecke neben einer Asphaltkonstruktion mit einer Deckschicht aus Gussasphalt eine durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke hergestellt. Die bisherigen Entwicklungsschritte, die aktuelle Versuchsstrecke und weitere geplante Aktivitäten werden hier vorgestellt.
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3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 269 Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke und Gussasphalt nebeneinander: die Versuchsstrecke auf der Autobahn A 61 ORR Dipl.-Ing. Stefan Höller Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach Abstract Beton zeichnet sich durch eine hohe Steifigkeit aus. Bei anforderungsgerechter Herstellung können Betonfahrbahnen eine lange Nutzungsdauer ohne Verformungen aufweisen und sind daher besonders für den Schwerlastverkehr geeignet. Mit Asphalt als flexible Variante lässt sich eine höhere Lärmminderung erreichen und Bauen und Sanieren lassen sich einfacher und schneller durchführen. Dies eignet sich besonders für niedrigere Achslasten. In den letzten Jahren wurde viel darüber diskutiert, wie man die beiden Baustoffe Asphalt und Beton am besten kombiniert. Eine vielversprechende Konstruktion ist die Anordnung von Beton auf dem Hauptfahrstreifen und Asphalt auf der 2. und weiteren Fahrstreifen. Die Betonbauweise erfüllt die Anforderungen des Lkw-Verkehrs und die Asphaltbauweise den Anforderungen des Pkw- Verkehrs. Dieser Ansatz wird seit vielen Jahren auf Autobahnen in Nordrhein-Westfalen erprobt und weiterentwickelt. Im Jahr 2021 wurde erstmals im Rahmen einer Versuchsstrecke neben einer Asphaltkonstruktion mit einer Deckschicht aus Gussasphalt eine durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke hergestellt. Die bisherigen Entwicklungsschritte, die aktuelle Versuchsstrecke und weitere geplante Aktivitäten werden hier vorgestellt. 1. Einführung Das Netz der Bundesfernstraßen in Deutschland besteht aus Asphalt in verschiedenen Variationen und aus Beton in Plattenbauweise auf unterschiedlichen Tragschichten. Beton zeichnet sich durch eine hohe Steifigkeit aus. Bei anforderungsgerechter Herstellung können Betonfahrbahnen eine lange Nutzungsdauer ohne Verformungen aufweisen und sind daher besonders für den Schwerlastverkehr geeignet. Mit Asphalt als flexible Variante lässt sich eine höhere Lärmminderung erreichen und Bauen und Sanieren lassen sich einfacher und schneller durchführen. Dies eignet sich besonders für niedrigere Achslasten. Bisher werden diese beiden Baustoffe bzw. Bauweisen mit wenigen Ausnahmen getrennt voneinander behandelt. Die Verkehrsbelastung und der Anteil des Schwerverkehrs auf deutschen Straßen und Autobahnen steigen nahezu stetig. Hinzu kommen die Auswirkungen des Klimawandels, die Verknappung von Ressourcen und ein zunehmender Fachkräftemangel. Bisher konnte die Straßeninfrastruktur trotz der vielfältigen Herausforderungen auf einem hohen Niveau gehalten werden, aktuelle Untersuchungen zeigen aber, dass dafür eine hohe Anzahl und Dauer von Baustellen erforderlich ist, wodurch die Verfügbarkeit zunehmend eingeschränkt wird. Möglicherweise kommen die bisherigen Standardbauweisen an ihre Grenzen. Um die Mobilität zukünftig zu gewährleisten, sind deshalb Bauweisen mit maximaler Nutzungsdauer und minimalen Erhaltungsaufwendungen bei minimalen Verkehrseinschränkungen und minimalem Personalaufwand während des gesamten Lebenszyklus erforderlich. Potential wird darin gesehen die Fahrstreifen der Bundesfernstraßen sinnvoll mit verschiedenen Bauweisen zu versorgen. Weiterhin haben Untersuchungen gezeigt, dass mit der Anwendung einer durchgehend bewehrten Betonfahrbahndecke die Nutzungsdauer und Verfügbarkeit der Betonbauweise weiter erhöht werden kann. 2. Vorgeschichte In den 1990er Jahren wurde damit begonnen Asphalt neben Beton auf Autobahnen auszuführen. In einem ersten Entwicklungsschritt wurde Beton auf dem Hauptfahrstreifen und dem Seitenstreifen und Asphalt auf den weiteren Fahrstreifen ausgeführt, zunächst ohne zusätzliche Maßnahmen. Die Abbildung 21 zeigt einen Querschnitt der Konstruktionen. Das grundsätzliche Verhalten dieser einzelnen Bauweisen war positiv. Nach wenigen Jahren kam es jedoch zu Erosionen in der Längsfuge zwischen beiden Bauweisen. Abbildung 22 zeigt dies exemplarisch. Abbildung 21: Asphalt neben Beton, Entwicklungsstufe 1 270 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke und Gussasphalt nebeneinander: die Versuchsstrecke auf der Autobahn A 61 Abbildung 22: Erosionen in der Längsfuge Um dieses erkannte Problem zu beheben, wurde zwischen Betondecke und Asphaltkonstruktion eine vertikale Gummigranulatmatte und darunter ein Kammerdrain angeordnet. Die Abbildung 23 zeigt einen Querschnitt dieser Konstruktion. Abbildung 23: Asphalt neben Beton, Entwicklungsstufe 2 Mit dieser zusätzlichen Maßnahme war das Problem der Erosionen behoben. Nach einiger Zeit der Nutzung stellte sich aber ein anderes Problem ein. Der Asphalt neben der Granulatmatte konnte nur unzureichend verdichtet werden und es kam zu Nachverdichtungen und Setzungen mit Stufenbildung. Die Abbildung 24, links und Mitte zeigen dies exemplarisch. Als Sanierung wurde ein Streifen Asphalt herausgenommen und mit Gussasphalt verfüllt, siehe Abbildung 24, rechts. Dies ist nicht nur mit einigem Aufwand und Einschränkungen für den Verkehrsfluss verbunden, sondern stellt bis zur Sanierung eine erhebliche Gefahr vor allem für Zweiradfahrer dar. Abbildung 24: Asphalt neben Beton, Verdichtungsprobleme am Asphaltrand und geschädigte Längsfugen Auf der Basis dieser bisherigen Praxiserfahrungen entstand der 3. Entwicklungsschritt. Zwischen Beton an Asphalt wurde eine vertikale Bitumenschweißbahn angeordnet und darunter ein Dränbetonschlitz. Abbildung 25 zeigt den Konstruktionsauf bau. Abbildung 25: Asphalt neben Beton, Entwicklungsstufe 3 Mit diesem dritten Entwicklungsschritt wurden positive Erfahrungen und Langzeiterfahrungen gesammelt. Vordenker für diese neue Bauweise „Beton an Asphalt“ war der Landesbetrieb Straßenbau NRW. Wesentliche Entwicklungsschritte wurden von ihm initiiert. Daraus leitet sich auch der Begriff „NRW-Bauweise“ ab. Eine zentrale Rolle spielte dabei der Autobahnring Köln mit seinen seit Jahrzehnten hohen Verkehrsbelastungen. Auch bei den vorliegenden positiven Ergebnissen und Bestätigung in der Praxis wurde nach weiteren Optimierungsmöglichkeiten gesucht. Dazu wurde das Temperaturverhalten von Beton an Asphalt näher betrachtet. In der Abbildung 26 sind die Asphaltbauweise, Beton in Plattenbauweise und Beton mit durchgehender Bewehrung als Prinzipskizzen dargestellt. Alle drei Varianten, bzw. Baustoffe dehnen sich mit steigenden Temperaturen aus und ziehen sich bei fallenden Temperaturen zusammen. Dies führt zu horizontalen Verschiebungen bzw. wo diese behindert sind, zu Spannungen. Im Falle der Asphaltbauweise findet dies in Längsrichtung kontinuierlich statt. Bei Beton in Plattenbauweisen finden diese Verschiebungen bzw. Spannungen konzentriert in den Querfugen statt. Hinzu kommt, dass die Fugenbewegungen nicht in allen Fugen einheitlich stattfinden, sondern es finden sich Fugen mit besonders großen Bewegungen und solche mit nahezu keinen Bewegungen. In einzelnen Fugen wurden Bewegungen von 3,5 mm gemessen. Im Falle einer Betondecke mit durchgehender Bewehrung bilden sich Risse in Abständen von etwa 0,7 m bis 1,4 m. Diese Risse werden von der Längsbewehrung in ihrer Öffnungsweite auf maximal 0,5 mm begrenzt. Damit finden die temperaturbedingten Verschiebungen bzw. Spannungen in Längsrichtung hier gleichmäßiger statt. Wenn Beton an Asphalt in Plattenbauweise „kraftschlüssig“ nebeneinander ausgeführt werden, führen die Temperatureinwirkungen zu Spannungsspitzen im Bereich der Querfugen. Im Falle von Asphalt „kraftschlüssig“ neben Beton mit durchgehender Bewehrung sind diese Spannungsspitzen deutlich geringer. Beide Bauweisen zeigen tendenziell mehr ein kontinuierliches Temperaturverhalten. Um das Langzeitverhalten von Beton an 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 271 Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke und Gussasphalt nebeneinander: die Versuchsstrecke auf der Autobahn A 61 Asphalt weiter zu verbessern, bietet sich hier der Einsatz der Variante mit Bewehrung an. Abbildung 26: Asphaltbauweise, Beton in Plattenbauweise, Beton durchgehend bewehrt (Prinzipskizzen) 3. Konzept der Versuchsstrecke Vom Landesbetrieb Straßenbau Rheinland-Pfalz bzw. der Autobahn des Bundes zusammen mit der BASt und der Villaret Ingenieurgesellschaft wurde die Bauweise Beton an Asphalt weiter optimiert. Hier standen die zentralen Fragen im Raum: - Wie können Asphalt und Beton optimal kombiniert werden? - Welche Bauweisenvarianten sind dafür am besten geeignet? - Welche Baustoffe eignen sich am besten? - Welche Details sind zu beachten? Diese Fragen wurden beantwortet und in ein Konzept für eine neue Versuchsstrecke überführt. Darin sind die beschriebenen Erkenntnisse zu den Bauweisen „Beton an Asphalt“ und Erkenntnisse aus anderen Versuchsstrecken zur „durchgehend bewehrten Betonfahrbahndecke“ berücksichtigt. In der Tabelle 31 und der Tabelle 32 sind die wichtigsten Eckdaten der Versuchsstrecke und die Reihenfolge der Bauleistungen dargestellt. Abbildung 3.1: Konstruktionsauf bau der Versuchsstrecke A 61 bei Boppard, Querschnitt Tabelle 31 Anforderungen an die Versuchsstrecke Anforderung Betonbauweise Beton C3545 Zement CEM III A42,5 Bewehrung längs 20mm Durchmesser Bewehrungsgrad (längs) 0,75 % Schichtdicke 24 cm Bewehrte Endsporne bzw. bewehrter Reibungsblock an den Enden der Strecke Asphaltbauweise Gussasphaltdeckschicht 0/ 5 mm Größtkorn (Standard) Asphaltbinderschicht (Standard) Asphalttragschicht (ATS 1 und 2), (Standard) Längsfuge zwischen Asphalt und Beton Dränbetonschlitz in der vertikaler Rückschnitt der Asphaltkonstruktion Herstellung vertikale Bitumenschweißbahn Ausführung Längsscheinfuge zwischen Gussasphaltdeckschicht und Betondecke Tabelle 32: Reihenfolge der Bauleistungen lfd Nr. Bauleistungen 1 Herstellung Verfestigung 2 Herstellung Dränbeton 3 Herstellung ATS 1 (gesamter Querschnitt) 4 Herstellung ATS 2 (2. Fahrstreifen) 5 Herstellung Asphaltbinderschicht (2. Fahrstreifen) 6 Vertikaler Rückschnitt Asphaltbinder- und Tragschicht 7 Herstellung Splittstreifen in ATS 1 8 Herstellung vertikale Bitumenschweißbahn 9 Herstellung bewehrte Betonfahrbahndecke (mit Grindingtextur) In der Abbildung 31 ist der Konstruktionsauf bau der Versuchsstrecke im Querschnitt skizziert. Die Versuchsstrecke wurde von der BASt und der Villaret Ingenieurgesellschaft wissenschaftlich und messtechnisch begleitet. Folgendes Untersuchungsprogramm wurde ausgeführt: Vor der Herstellung der Strecke wurden zwei Wetterstationen nach Vorgaben des Deutschen Wetterdienstes eingerichtet. Es wurden Temperaturfühler in verschiedenen Höhen in der Asphalt- und Betonkonstruktion positioniert. In den Endbereichen wurden Druckmessdosen und Extensometer positioniert. Die Längsbewehrung der Betondecke erhielt Dehnungsmessstreifen. Die Sensorik 272 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke und Gussasphalt nebeneinander: die Versuchsstrecke auf der Autobahn A 61 wird kontinuierlich betrieben. Nach Fertigstellung erfolgten in regelmäßigen Abständen visuelle Zustandserfassungen, Georadarmessungen und Deflektionsmessungen mit dem FWD. 4. Baupraktische Realisierung Versuchsstrecke und erste Ergebnisse Für die baupraktische Realisierung der Versuchsstrecke wurde vom Landesbetrieb Strassenbau Rheinland-Pfalz, bzw. der Autobahn des Bundes ein Abschnitt der A 61 bei Boppard ausgewählt. Die Umsetzung erfolgte dann im Frühjahr bis Herbst 2021. Nach Fertigung der Asphaltragschichten wurde die Quer- und Längsbewehrung für die Betondecke verlegt. Abbildung 41, rechts zeigt die Positionierung der Querbewehrung als Gitterträger und links die Längsbewehrung mit diagonal angeordneten Übergreifungsstößen. Vor der Betonage sind zwei Besonderheiten zu beachten: Zwischen Hauptfahrstreifen und Seitenstreifen wird in der bewehrten Betonfahrbahndecke eine Längsscheinfuge angeordnet. Hier dringt potentiell Wasser ein. Um diesen Bereich vor Bewehrungskorrosion zu schützen, wurde Zinkspray aufgetragen. Die Betonage der bewehrten Betondecke wurde in Tagschichten mit entsprechenden Unterbrechungen gefertigt. Zur Gewährleistung einer durchgehenden Bewehrung ohne Unterbrechungen, wurde an den späteren Tagesendfugen Hartschaumblöcke mit Aussparungen und Abdecktafeln dahinter positioniert. Dies und die Applikation des Zinksprays zeigt Abbildung 42. Abbildung 41: Längs- und Querbewehrung vor der Betonage Abbildung 42: Zinkspray als zusätzlicher Korrosionsschutz und Tagesendfuge Abbildung 43: Betonandienung und Einbau mit dem Gleitschalungsfertiger 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 273 Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke und Gussasphalt nebeneinander: die Versuchsstrecke auf der Autobahn A 61 Die Abbildung 43 zeigt die Betonandienung mittels Mobilbagger und Trog neben der Einbaustrecke und den Einbau mittels Gleitschalungsfertiger. Die Firma Schnorpfeil, die die Bauweise zum ersten Mal ausgeführt hat, tat dies auf qualitativ hohem Niveau. Besonders zu erwähnen sind die zusätzlichen Maßnahmen der Qualitätssicherungen, um vor allem bei den hohen Einbautemperaturen unmittelbar Auffälligkeiten zu erkennten und entsprechend zu reagieren. Zur Verhinderung von Aufschüsselungen und Verschiebungen müssen an durchgehend bewehrten Betonfahrbahndecken Endbauwerke ausgeführt werden. Auswertungen früherer Strecken ergaben, dass vier bzw. sechs bewehrte Endsporne aus technischer Sicht ihre Funktion erfüllen, aber keine vollständigen Fixpunkte darstellen, sondern Restverschiebungen zulassen. Die sich anschließende Querfuge bedarf dann entsprechender Unterhaltungsaufwendungen. Alternativ kann ein bewehrter Reibungsblock mit einer Länge von 15 m und einer Tiefe 1,5 m ausgeführt werden und analog zu den Endspornen an die bewehrte Betondecke angeschlossen werden. Ziel ist ein Endbauwerk ohne Restverschiebungen. Dies wurde auf der Versuchsstrecke erstmalig ausgeführt. Die Abbildung 44 zeigt die Endsporne am Südende und den Reibungsblock am Nordende der Strecke. Abbildung 44: Endsporne und Reibungsklock an den Enden der Versuchsstrecke Abbildung 45: Kühlen der Unterlage, Nachbehandlung mit feuchtem Vliessstoff Die Herstellung der Betondecke erfolgte im Sommer 2021. Für diesen Zeitraum wurden hohe Temperaturen und starke Sonneneinstrahlung erwartet. Um trotzdem die geforderte Betonqualität zu erreichen, wurden drei Maßnahmen beschlossen. Die Unterlage wurde unmittelbar vor dem Betoneinbau mit Wasser gekühlt, siehe Abbildung 45 oben. Die Gesteinskörnungen wurden vor der Betonage mit Wasser gekühlt. Darüber hinaus wurde zusätzlich zur Nachbehandlung mit aufgesprühtem Paraffinwachs ein Vliesstoff vollflächig ausgelegt und über Tage feucht gehalten, siehe Abbildung 45 unten. In durchgehend bewehrten Betonfahrbahndecken bilden sich in regelmäßigen Abständen feine Querrisse, idealer Weise im Abstand von 0,7 m bis 1,4 m. Diese stellen keine Schäden dar, sondern sind Teil der Konstruktion. Feine Risse in gleichmäßigen Abständen und geringen Öffnungsweiten sind ein erster Hinweis auf ein positives Langzeitverhalten. Abbildung 46 zeigt exemplarisch die Rissentwicklung auf der Versuchsstrecke A 5 bei Darmstadt. In blau sind die Tagesmitteltemperaturen mit den jahreszeitlichen Zyklen dargestellt. Die verbleibenden fünf Kurven zeigen die Rissentwicklung (Anzahl Risse pro 100 m) in den fünf Untersuchungsabschnitten. Zunächst bilden sich in sehr kurzer Zeit sehr viele Risse. Dieser Prozess verlangsamt sich dann mit der Zeit. Etwa nach drei Winterperioden ist ein „endgültiges Rissbild“ erreicht. Der Vergleich mit anderen Versuchsstrecken und Einbaubedingungen ergab, dass Betonagen bei hohen Einbautemperaturen zu einer schnelleren Rissbildung und kühlere Temperaturen zu entsprechend lang- 274 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke und Gussasphalt nebeneinander: die Versuchsstrecke auf der Autobahn A 61 sameren Rissbildungen führen. Auf der Versuchsstrecke A 61 Boppard wurden die Risse bereits mehrfach visuell erfasst und weitere folgen. Abbildung 47 zeigt ein Beispiel. Das Rissbild befindet sich in der Entstehung analog zu den Untersuchungen in Darmstadt und ist noch nicht abgeschlossen. Bisher gibt es keine Auffälligkeiten. Von besonderem Interesse ist hier, welche konkreten Auswirkungen die zusätzlichen Maßnahmen der Nachbehandlung haben. Abbildung 46: zeitliche Entwicklung der Querrisse, Beispiel Versuchsstrecke A 5 bei Darmstadt Abbildung 47: Freier Querriss in der bewehrten Betondecke Auf allen bisherigen Strecken mit durchgehender Bewehrung haben sich freie Querrisse in Abständen von 0,7 m bis 1,4 m gebildet. Kleinere und größere Abstände führen später zu Betonausbrüchen bzw. großen Rissöffnungsweiten und Bewehrungskorrosion. Um dies vollständig zu verhindern, wurde zunächst in den USA und später in Belgien eine neue Methode der Risssteuerung angewendet, das sog. Crack Control. Dabei werden am rechten Fahrbahnrand in regelmäßigen Abständen kurze Kerbschnitte ausgeführt, die eine gleichmäßige Rissbildung provozieren sollen. Dieses Verfahren wurde auch auf der Versuchsstrecke in einem Teilabschnitt angewendet, siehe Abbildung 48. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass die Methode grundsätzlich wirksam ist, es aber Bereiche gibt, in denen die Kerben keinen Querriss ausgelöst haben. Möglicherweise muss bei Folgeanwendung der Zeitpunkt des Ankerbens genauer auf die Festigkeitsentwicklung abgestimmt werden. Abbildung 48: Kerbschnitte zur Risssteuerung (Crack Controll) Die Abbildung 49 zeigt Temperaturfühler vorbereitet für die Herstellung der Betondecke. Analog wurden Fühler in der Asphaltkonstruktion positioniert. Diese werden kontinuierlich betrieben und stündlich aufgezeichnet. In den folgenden Abbildungen werden ein Sommer- und ein Wintertag näher betrachtet. 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 275 Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke und Gussasphalt nebeneinander: die Versuchsstrecke auf der Autobahn A 61 Abbildung 49: Temperaturfühler vorbereitet für die Betonage Abbildung 410: Temperaturen im Asphalt (oben) und Beton (unten) im Sommer (10.08.2022) Abbildung 410 zeigt beispielhaft die Temperaturen vom 10.08.2021 in der Asphalt- und in der Betonkonstruktion über den Querschnitt verteilt. Auf der Vertikalachse ist jeweils der Abstand der Fühler von der Oberfläche in [m] dargestellt und auf der Horizontalachse die Temperaturen in [°C]. An der Oberseite gibt es über den Tag verteilt bei beiden Bauweisen starke Veränderungen von etwa +7 °C bis über +20 °C. an der Unterseite sind die Veränderungen erwartungsgemäß geringer. Auffällig ist, dass sowohl an der Oberseite als auch an der Unterseite die Temperaturen in der Asphaltkonstruktion um etwa 1,5 °C höher liegen als im Beton. Dies führt nicht unmittelbar zu einem Schaden, aber es entstehen Spannungen und Verschiebungen in der Längsfuge zwischen beiden Bauweisen. Dies wird weiter beobachtet. In der Abbildung 411 ist die Temperaturen an einem Wintertrag, 24.12.2021, dargestellt. Die Situation ist tendenziell die gleiche. Abbildung 411: Temperaturen im Asphalt und Beton im Winter (24.12.2021) Die beschriebenen Endsporne und der neuartige Reibungsblock wurden bei der Herstellung mit Extensometern ausgestattet und die horizontalen Verschiebungen kontinuierlich aufgezeichnet. Abbildung 412. Zeigt beispielhaft ein Gerät, welches seitlich an der Betondecke in einem Schutzkasten angebracht wurde. 276 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke und Gussasphalt nebeneinander: die Versuchsstrecke auf der Autobahn A 61 Abbildung 412: Extensometer hinter den Endspornen bzw. Reibungsblock Die Abbildung Abbildung 413 zeigt erste Ergebnisse dieser Messungen. Auf der Horizontalachse ist die Zeit dargestellt. Auf der Vertikalachse sind die Verschiebungen in [mm] aufgetragen. Die blauen und grauen Graphen zeigen die Bewegungen am Ende der Endsporne. Die orangen und gelben Graphen zeigt die Bewegungen am Ende des Reibungsblock. Die Endsporne vollziehen Verschiebungen von maximal 3,5 mm, der Reibungsbock Verschiebungen von weniger als 0,5 mm. Unter der Voraussetzung, dass an den Widerlagern der Extensometer keine Verschiebungen aufgetreten sind, bestätigt sich hier die Annahme, dass bei Endspornen in dieser Größenordnung Restverschiebungen stattfinden und am Reibungsblock nahezu keine Verschiebung auftreten. Die Aufzeichnungen laufen kontinuierlich weiter und werden beobachtet. Abbildung 413: horizontale Bewegungen an den Endspornen und dem Reibungsblock 5. Zusammenfassung und Ausblick Die Asphalt- und Betonbauweisen haben ihre individuellen Vorteile auf Bundesfernstraßen. Beton mit seiner hohen Steifigkeit eignet sich besonders für hohe Verkehrs- und Achslasten, benötigt wenig Unterhaltung, ist aber aufwendiger in der Herstellung. Asphalt, als die flexible Variante, erreicht eine bessere Lärmreduzierung, ist einfacher und schneller in der Herstellung, eignet sich aber mehr für geringere Achslasten. Bisher werden beide Baustoffe weitestgehend getrennt voneinander behandelt. Dies betrifft sowohl das Straßenbauregelwerk als auch die baupraktische Ausführung. Steigende Verkehrs- und Achslasten, die Auswirkungen des Klimawandels, ein wachsender Fachkräfte Mangel und die Verknappung von Rohstoffen sind die großen Herausforderungen für die Straßeninfrastruktur der Zukunft. Um hier Mobilität zu gewährleisten, bedarf es innovativer Ansätze. Die bisherigen Standardbauweise mit Asphalt in den verschiedenen Varianten und Beton in Plattenbauweise stoßen möglicherweise an ihre Grenzen. Die geschickte Kombination der Asphalt- und Betonbauweise zusammen mit der Anwendung einer durchgehend bewehrten Betondecke anstelle der unbewehrten Plattenbauweise haben das Potential dies zu erreichen. Um praktische Erfahrungen mit diesem Ansatz zu sammeln, wurde eine Versuchsstrecke konzipiert und im Jahr 2021 auf der A 61 bei Boppard umgesetzt. Sie besteht aus einer durchgehend bewehrten Betonfahrbahndecke auf dem Hauptfahrstreifen und dem Seitenstreifen. Der zweite Fahrstreifen wurde in Asphaltbauweis mit einer Deckschicht aus Gussasphalt, der Asphaltvariante mit der höchsten Nutzungsdauer, gefertigt. Die Herstellung erfolgte qualitativ hochwertig ohne Auffälligkeiten. Beide Bauweisen auf den jeweiligen Fahrstreifen können realistisch ein positives Langzeitverhalten gewährleisten. Von großem Interesse ist die Längsfuge zwischen beiden. Hier wurden die bisherigen Erfahrungen aus NRW genutzt und eine Bitumenschweißbahn und ein Dränschlitz in der Längsfuge angeordnet. Weiterhin wurde zuerst Asphalt gebaut, zurückgeschnitten und Beton angebaut. Die Temperaturaufzeichnungen zeigen Unterschiede zwischen beiden Bauweisen. Dies führt zu Spannungen und Verschiebungen und einem möglichen Versagen der Längsfuge. Aktuell ist diese Fuge funktionsfähig, sie wird aber weiter beobachtet. Weiterhin wurden auf bauend auf den bisherigen Erfahrungen mit der durchgehend bewehrten Betonfahrbahndecke folgende Innovationen eingebracht. Am Ende wurde erstmalig anstelle von Endspornen ein Reibungsblock ausgeführt. Die bisherigen Auswertungen zeigen, dass 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 277 Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke und Gussasphalt nebeneinander: die Versuchsstrecke auf der Autobahn A 61 dieser ein besseres Verhalten mit nahezu keinen horizontalen Verschiebungen zeigt als die Endsporne. Weiterhin wurde zur Steuerung des Rissbildes Einkerbungen vorgenommen. Die Herstellung der Strecke war erfolgreich. Die Einbauqualität und der Fahrkomfort sind sehr hoch. Bisher gibt es keine Auffälligkeiten. Die messtechnische Ausstattung der Strecke wird kontinuierlich betrieben. Die beschriebenen neuen Ansätze werden regelmäßig untersucht, dabei kommen FWD, Georadar und visuelle Zustandserfassungen zum Einsatz. Die bisherigen Erfahrungen zu „Asphalt an Beton“ und zur „durchgehend bewehrten Betonfahrbahndecke“ sind in den Hinweispapieren der FGSV beschrieben, siehe Abbildung 51. Bei weiterem positiven Verhalten und Langzeitverhalten ist eine Aufnahme als neue Standardbauweise möglich. Abbildung 51: Hinweispapiere der FGSV zum Thema