Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2023
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Qualitätssicherung von Kampagnen der Zustandserfassung und -bewertung kommunaler Verkehrsflächen
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2023
Christan Krause
Ulrich Pfeifer
Markus Stöckner
Ute Stöckner
Der Zustand kommunaler Verkehrsflächen wird seit etlichen Jahren mit verschiedenen Verfahren erfasst. Ausgehend von den Fahrbahnbefestigungen der Hauptstraßen spielen weitere Flächenarten bis hin zu Rad- und Fußwegen eine zunehmende Rolle. Die etablierten und qualitätsgesicherten Verfahren der Zustandserfassung von Fahrbahnen können hier nur eingeschränkt eingesetzt werden, so dass mit angepassten Verfahren gearbeitet werden muss. Oft nur kleine Straßenquerschnitte schränken die Anwendung der bekannten und zertifizierten Messgeräte der Zustandserfassung und -bewertung (S&A) auch auf Fahrbahnen im kommunalen Nebenstraßennetz ein. Für die daher entwickelten kleineren Fahrzeuge mit S&A-Systemen gibt es aber im Vergleich zu zertifizierten Systemen keine nachgewiesene Qualitätssicherung. Grenzen des Einsatzes zertifizierter S&A-Systeme im kommunalen Einsatzfeld werden aufgezeigt und ein Weg beschrieben, mit dem die kommunalen Bauverwaltungen Projektrisiken minimieren können.
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3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 307 Qualitätssicherung von Kampagnen der Zustandserfassung und -bewertung kommunaler Verkehrsflächen Dipl.-Ing. Christiane Krause Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, Berlin Dipl.-Ing. (FH) Ulrich Pfeifer Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, Berlin Prof. Dr.-Ing. Markus Stöckner Steinbeistransferzentrum Infrastrukturmanagement im Verkehrswesen, Karlsruhe Dr.-Ing. Ute Stöckner Steinbeistransferzentrum Infrastrukturmanagement im Verkehrswesen, Karlsruhe Zusammenfassung Der Zustand kommunaler Verkehrsflächen wird seit etlichen Jahren mit verschiedenen Verfahren erfasst. Ausgehend von den Fahrbahnbefestigungen der Hauptstraßen spielen weitere Flächenarten bis hin zu Rad- und Fußwegen eine zunehmende Rolle. Die etablierten und qualitätsgesicherten Verfahren der Zustandserfassung von Fahrbahnen können hier nur eingeschränkt eingesetzt werden, so dass mit angepassten Verfahren gearbeitet werden muss. Oft nur kleine Straßenquerschnitte schränken die Anwendung der bekannten und zertifizierten Messgeräte der Zustandserfassung und -bewertung (S&A) auch auf Fahrbahnen im kommunalen Nebenstraßennetz ein. Für die daher entwickelten kleineren Fahrzeuge mit S&A-Systemen gibt es aber im Vergleich zu zertifizierten Systemen keine nachgewiesene Qualitätssicherung. Grenzen des Einsatzes zertifizierter S&A-Systeme im kommunalen Einsatzfeld werden aufgezeigt und ein Weg beschrieben, mit dem die kommunalen Bauverwaltungen Projektrisiken minimieren können. 1. Einleitung Die Straßenverkehrsinfrastruktur stellt einen erheblichen Anteil der öffentlichen Vermögenswerte dar und leistet durch ihre Verbindungsfunktion zugleich einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Prosperität. Von großer Bedeutung ist daher eine vorausschauende Erhaltungsplanung, die es ermöglicht über kurzfristige Bauprogramme hinaus zeitgerecht auch mittel- und langfristig personelle wie finanzielle Ressourcen einsetzen zu können. Um dies zu erreichen wurden in der Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen: Die Entwicklung standardisierter Verfahren zur Zustandserfassung- und Bewertung von Außerortsstraßen insbesondere auf Bundes- und Länderebene sowie die darauf auf bauenden Untersuchungen zur Prognose der Entwicklung des Fahrbahnzustandes und der damit zu erwartenden Maßnahmekosten sind mit den eingeführten Zertifizierungsverfahren der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) heute Stand der Technik [1], [2] sowie [3], [4], [5]. Kommunale Baulastträger haben daher früh begonnen, die ZEB-Methode ebenfalls einzusetzen um ihre Ressourcen effizient zur Aufgabenerfüllung einsetzen zu können. Die kommunal oft unterschiedlichen Ausgangsbedingungen haben in der Folge zu einer Erweiterung des technischen Regelwerkes geführt, das jedoch nicht alle erforderlichen Aspekte für alle anzutreffenden Bauweisen abdeckt [6], [7]. Darüber hinaus enthält das Regelwerk [6] unterschiedliche Methoden zur Durchführung der ZEB (vgl. Abschnitt 2), jedoch keine formalen Anforderungen zu deren Qualitätssicherung. In der Folge sind unterschiedliche Anbieter für ZEB-Dienstleistungen auf dem Markt anzutreffen, deren Ergebnisqualität von den kommunalen Auftraggebern zu beurteilen ist: Welche Daten sind valide und vergleichbar, erfüllen also die Anforderungen an Wiederholbarkeit und Unabhängigkeit von der Erfassung selbst? Welche Daten liefern damit die notwendige Qualität um auf Basis des Standes der Technik die operativen und strategischen Entscheidungen im Sinne eines Asset Managements [8], [9] treffen zu können? Zur Beantwortung dieser Fragen ist eine Vorgehensweise erforderlich, zu der nachfolgend ein Lösungsansatz vorgestellt wird. Dieser baut auf der messtechnischen Zustandserfassung auf, so dass zunächst die unterschiedlichen im kommunalen Regelwerk enthaltenen Verfahren nochmals beleuchtet werden. 2. Kommunale Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) Grundsätzlich stehen zur Zustandserfassung der Oberflächeneigenschaften von Straßen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Erfasst werden in der Regel die Aspekte Längs- und Querebenheiten sowie Oberflächenschäden. Abhängig von ihrer Methodik stellen die Verfahren der Zustandserfassung und -bewertung unterschiedliche Anforderungen an Zeit- und Kostenintensität. 308 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Qualitätssicherung von Kampagnen der Zustandserfassung und -bewertung kommunaler Verkehrsflächen Im Ergebnis bedienen sie unterschiedliche Qualitätsstandards, die letztlich auch Einfluss nehmen auf die o.g. Fragestellungen in Bezug auf die Nutzung der Daten. 2.1 Visuell-sensitive Erfassung Die Begehung durch ein Team zur visuell-sensitiven Zustandserfassung stellt eine klassische Methode dar. Jedoch ist eine visuell-sensitive Erfassung von Zustandsgrößen durch geschultes Personal zeitaufwändig und kostenintensiv. Die Integration der Bewertung in den Erfassungsvorgang birgt aufgrund menschlicher Einschätzungen das Risiko verzerrter Ergebnisse und lässt keine Möglichkeiten rückwirkend das Qualitätsniveau von Anlagenteilen oder einzelner Bewertungsaspekte zu justieren. 2.2 Visuell-bildbasierte Erfassung Die rein visuelle bzw. die visuell-bildbasierte Zustandserfassung mittels Auswertung einer Videobefahrung stellt demgegenüber allein durch den schnelleren Erfassungsvorgang eine deutliche Verfahrensbeschleunigung dar. Die visuell-bildbasierte Zustandserfassung weist dabei den Nachteil auf, dass Risse und Unebenheiten in Abhängigkeit von Witterung und Bilddarstellung oft nur grob erkennbar sind. Die Aussagen beschränken sich naturgemäß auf die Ausdehnung von Schäden unter Vernachlässigung von deren Ausprägung („Schadensschwere“). Eine abschnittsbezogene Darstellung der Auswertungen ist möglich. Ohne nachprüf bare Dokumentation der Schäden im Bild fallen die Nachteile der visuell-sensitiven Erfassung (Bewertungsverzerrung und mangelnde Nachjustierbarkeit) ebenso an. Kamera- und Kameraführungsbedingte Einschränkungen der Erkennbarkeit von Schäden können infolge fehlender Qualitätsstandards zusätzliche Quellen der Ergebnisverzerrung darstellen 2.3 Messtechnische Erfassung Als dritte Methode der Erfassung des Straßenzustandes besteht mit der zertifizierten messtechnischen Erfassung ein wiederholbares, weitgehend automatisiertes und somit qualitätsgesichertes Verfahren, auf dessen Basis eine objektive Beurteilung des Fahrbahnzustandes erfolgen kann. Anforderungen an die Wiederholbarkeit sind in den ZTV ZEB-StB [FGSV, 2006/ 2018] formal geregelt und setzen in Deutschland eine Zertifizierung durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) voraus: Die sogenannte zeitbefristete Betriebszulassung stellt damit im Rahmen von Zustandserfassungen nach den ZTV ZEB- StB 2006/ 2018 einen anerkannten Qualitätsstandard für Erfassungsabschnitte mit Längen von 100m im Außerortsbereich sowie von 20m im Bereich von Ortsdurchfahrten dar, der sicherstellt, dass vergleichbare und wiederholbare Messergebnisse erzielt werden. Die Zertifizierung mit der ZbBz als eingeführter und qualitätsgesicherter Prozess stellt aufgrund seiner Anforderungen an die Messgeräte zur Erfassung der Zustandsgrößen sowie aufgrund der verbundenen standardisierten Datenverarbeitung im Rahmen der Netzprojektion und Zustandsbewertung selbst einen qualitätssichernden Prozess dar. Mit der Zertifizierung der Messgeräte und des Auswerteprozesses gelten die Ergebnisse daher als objektiv, reliabel und valide und werden im Außerortsbereich sowie auf innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen erfolgreich eingesetzt. 2.4 Mischformen Um auch bei beengten räumlichen Verhältnissen Straßenzustandserfassungen durchführen zu können, wurden kleinere Fahrzeuge entwickelt, für die aus verschiedenen Gründen jedoch keine ZbBz-Zertifizierung vorliegt. Darüber hinaus sind im Bereich der Lasermesstechnik Laserpunktwolken in Verbindung mit Bildaufnahmen am Markt verfügbar. Bisher werden diese vorwiegend für die Digitalisierung des Straßenbestandes (Realflächen und Straßenausstattung) sowie zusammen mit Messfunktionen im Bild in Verbindung mit 360°-Panoramen als Ersatz für Vor-Ort-Termine angeboten. Eine visuell-bildbasierte Erfassung von Schäden kann in diesen Systemen ebenfalls erfolgen und wird teilweise auch als Dienstleistung angeboten. Eine Auswertung als abschnittsbezogene Zustandsgrößen ist möglich. Einzelne Anbieter sind darüber hinaus bereits in der Lage auf Basis der Lasermessdaten zusätzliche Auswertungen der Ebenheit auszuliefern. Da diesem Vorgehen einerseits eine messtechnische Vorgehensweise zugrunde liegt, andererseits aber die prozessbedingte Qualitätssicherung gegenüber dem zertifizierten ZbBz-Verfahren, wie es die oben genannte messtechnische Erfassung beschreibt, fehlt, wird diese Art der Erfassung als Mischform betrachtet. 3. Problemstellung und Lösungsansatz Wie aufgezeigt, sind die Anforderungen kommunaler Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) ähnlich den Anforderungen der ZEB für außerörtliche Straßen hinsichtlich Nachvollziehbarkeit und Wiederholbarkeit der Messungen sowie an die Reliabilität der Ergebnisdaten, um alle Fragestellungen des Managements der Straßeninfrastruktur beantworten zu können. Die o.g. Zertifizierung der BASt wird in der Praxis daher häufig auch kommunal gefordert. Die ZbBz-zertifizierten Messfahrzeuge stoßen in kommunalen Straßennetzen jedoch an ihre Einsatzgrenzen. Die Gründe hierfür liegen in den Eigenschaften kommunaler Verkehrsnetze: Im städtischen Umfeld sind Behinderungen durch anliefernde, entsorgende oder parkende Fahrzeuge möglich, die Auswirkung auf die Fahrbzw. Erfassungslinie mit sich bringen können; eine mittige Befahrung enger Straßenräume mit Dachprofil verfälscht die Aussagekraft dieser Ergebnisse. Weitere Einschränkungen entstehen z. B. aus Gründen der Entwässerung, die Neigungswechsel innerhalb kurzer Abschnitte erfordern. Das kommunale Straßennetz ist regelmäßig durch unterschiedliche Straßenhierarchien und kleinräumige Straßenstrukturen gekennzeichnet. Diese gehen einher mit teils kurzen Straßenabschnitten und unterschiedlichen Querschnittsbreiten, so dass dort Befahrung und Messung technisch nur eingeschränkt möglich sind In der Praxis wurden daher kleinere Fahrzeuge mit S&A-Systemen entwickelt, die aber ohne Zertifizierung betrieben werden. Im Ver- 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 309 Qualitätssicherung von Kampagnen der Zustandserfassung und -bewertung kommunaler Verkehrsflächen gleich zu zertifizierten Systemen ist keine vergleichbare Qualitätssicherung bekannt. Damit stellen sich für eine effiziente kommunale Straßenzustandserfassung zwei Fragen: a. Wie kann das Qualitätsniveau auch ohne ZbBz anbieterunabhängig nachgewiesen und sichergestellt werden? Aus derzeitiger Sicht kann dies ohne aufwändige Systemprüfungen, wie sie die BASt bei der Zertifizierung durchführt, nur durch Abgleich von Befahrungsergebnissen mit den Ergebnissen einer zertifizierten Referenzbefahrungen erfolgen, um die Messungen mit einem vorher bekannten Zustand vergleichen zu können. Damit wird den Betreibern die die Möglichkeit gegeben die Qualität des jeweiligen Gerätes nachzuweisen. Dies führt zur zweiten Frage der damit verbundenen Anforderungen. b. Welche Anforderungen an das Qualitätsniveau der Straßenzustandserfassung zertifizierter Fahrzeuge werden in der alltagspraktischen Anwendung im kommunalen, nachgeordneten Straßennetz für Zustandserfassung und Bewertung erfüllt? Der mögliche äußere Einfluss bei der Befahrung (vgl. Behinderungen durch enge Querschnitte, parkende Fahrzeuge etc. und damit verbundene Schwankungen der Fahrlinien) auf die Qualität der zertifizierten Erfassungsergebnisse soll geprüft werden, um das zu fordernde Qualitätsniveau für die anstehende Zustandserfassung definieren zu können. Dazu sind vergleichende Ergebnisse für verschiedene Befahrungen durch zertifizierte Messfahrzeuge erforderlich. Zur Beantwortung der Fragen wurde wie folgt vorgegangen: Zunächst wurde eine kommunale Referenzstrecke als Vergleichsgrundlage ausgewählt. Die Befahrung und Messdatenerfassung erfolgte unabhängig voneinander durch zwei unterschiedliche ZbBz-zertifizierte Messgeräte, die Datenauswertung durch die jeweiligen Betreiber. Aus dem Vergleich der so ermittelten Messdaten können Anforderungen an die Qualität von Ergebnisdaten abgeleitet werden, die kommunal den Stand der Technik repräsentieren. 4. Referenzstrecke und Datenbasis Die ausgewählte Referenzstrecke hat eine Länge von rund 20 km und umfasst sowohl unterschiedliche straßenräumliche Situationen des nachgeordneten kommunalen Straßennetzes als auch verschiedene Bauweisen. Tab. 1 zeigt die Verteilung der Bauweisen. In Abb. 1 sind Beispiele örtlicher Situationen der Referenzstrecke dargestellt. Tab. 1: Abschnitte der Referenzstrecke nach Bauweise Bauweise Anzahl der Abschnitte Anteil der Abschnitte Asphalt 939 87 % Beton 89 8 % Pflaster 51 5 % Sonstige 2 0,2 % Gesamt 1.080 100 % Insgesamt wurden innerhalb der Referenzstrecke 10 Vergleichsstrecken mit je 20 Abschnitten zu 20m untersucht. Die betrachteten Vergleichsstrecken überschneiden sich nicht. Zum Vergleich der Erfassungsergebnisse wurden die Zustandsgrößen und -merkmale durch zwei unterschiedliche ZbBz-zertifizierte Messgerätebetreiber erhoben. Dabei befährt ein Erfasser (im Weiteren Detector 1X) die Strecke einmal, der zweite Erfasser (im Weiteren Detector 3X) befährt die Strecke insgesamt dreimal. Der zeitliche Unterschied der beiden Erfassungszeitpunkte liegt bei etwa einem halben Jahr. Zum Vergleich der Ergebnisse wurde wie folgt vorgegangen: Innerhalb der Referenzstrecke wurden in Anlehnung an das Vorgehen der BASt bei der Zertifizierung der ZbBz- Fahrzeuge jeweils zwanzig Auswerteabschnitte mit kommunal üblicher Abschnittslänge von 20m herangezogen. Erfasst wurden Längs- und Querebenheiten für alle Bauweisen sowie die bauweisenspezifischen Schadensmerkmale der Oberfläche. Es wurden nur jeweils vollständig und gültig ausgewertete Abschnitte der Referenzstrecke zum Vergleich herangezogen. 5. Ergebnisse der Untersuchungen 5.1 Vergleich der Lokalisierung von Abschnitten Eine Betrachtung der Lage von Einzelschäden zeigt den Einfluss der Messwegerfassung auf die Abschnittslokalisierung. Situation A (zu Abb.2) Situation B (zu Abb.3) 310 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Qualitätssicherung von Kampagnen der Zustandserfassung und -bewertung kommunaler Verkehrsflächen Situation C (zu Abb. 4) Situation D (zu Abb. 5) Abb. 1: Beispiele örtlicher Situationen der Referenzstrecke Die in Abbildung 2 dargestellten Messwegerfassungen aus den Messfahrten 1 (Trip 1) und 2 (Trip 2) wurden jeweils neu gestartet, bei Messfahrt 3 (Trip 3) wurde die Messwegerfassung von Trip 2 fortgesetzt. Abbildung 2 zeigt beispielhaft die resultierende Verschiebung der Einzelschäden innerhalb des zulässigen Toleranzbereiches: Gegenüber Trip 1 und Trip 2 ergibt sich aufgrund der 20m-Abschnitte eine Verschiebung der Abschnitte um 1m bis zu 7m gegeneinander, wie aus den Oberflächenbildern sowie aus der Stationierung (STATION) der Bildaufnahmen zu erkennen ist: Der Vergleich der Oberflächenbilder als Auswertegrundlagen der beiden Erfasser zeigt anhand der Lage charakteristischer Oberflächenmerkmale in Abbildung 3 die Reproduzierbarkeit der Lokalisierung und der Bilddarstellungen auch unter Berücksichtigung eines alltagspraktischen Geräteinsatzes von Detector 1X, der demjenigen des Trip 3 von Detector 3X mit einem Versatz von etwa 2m entspricht. Dieser Vergleich zeigt Abweichungen von 1m bis zu 7m zwischen den betrachteten 20m- Abschnitten gegeneinander (noch innerhalb des zulässigen Toleranzbereichs). Die resultierenden Abweichungen finden sich sowohl zwischen den Fahrten der beiden Systembetreiber als auch innerhalb der Fahrten von Detector 3X. 5.2 Vergleich der Daten zur Ebenheit Die Angaben zur Ebenheit werden als statistischer Vergleich anhand ausgewählter Zustandsmerkmale der Ebenheit betrachtet. Es werden die Vergleichsgrößen (ZG) allg. Unebenheit AUN [cm³], mittl. Spurinnentiefe MSPT [mm], mittl. fiktive Wassertiefe MSPH [mm] sowie Querneigung QN [%] gem. ZTV ZEB -StB 2006 (Stand 2018) betrachtet. Dabei werden die Grenzwerte bezüglich der beiden Anforderungsniveaus für Kontroll- und Wiederholungsprüfungen als auch für die Eigenüberwachung angesetzt. Die Grenzwerte für AUN werden mangels Angabe in der ZTV auch auf das mittlere und maximale Stückmaß unter der 4m-Latte PGR_AVG und PGR_Max [mm] angewendet. Die Vergleichsstrecke wird dazu in Anlehnung an die ZbBz-Zertifizierung mit 20 Abschnitten, jedoch nur mit der kommunal üblichen Länge von 20m je Abschnitt angesetzt. Sie beträgt damit jeweils 400m. Beispielhaft werden nachfolgend die Ergebnisse der Vergleichsstrecke V22 dargestellt. Abbildung 4 zeigt neben der grafischen Darstellung der 20 Zustandsgrößen der betrachteten 20m-Abschnitte auch die nach ZTV ZEB-StB anzusetzenden merkmalsabhängigen Grenzwerte der Normierung zur Bewertung der Zustandsgrößen. Verschiebungen in der Abschnittsbewertung einzelner Merkmale in Abhängigkeit von der jeweiligen Befahrung werden dadurch visualisiert. Alle in Tabelle 2 grün dargestellten Prüfwerte werden eingehalten, die nicht farbigen Felder liegen außerhalb der Grenzwerte. Der nicht zertifizierungsrelevante PGR_ MAX-Wert wird -charakteristisch für die Betrachtung der gewählten Vergleichsstrecken insgesamtnur in seltenen Fällen eingehalten. 5.3 Vergleich von Oberflächenschäden Die Angaben zu Oberflächenschäden werden als statistischer Vergleich nach ausgewählten Substanzmerkmalen der Oberfläche betrachtet. Der Vergleich der Substanzmerkmale der Oberfläche erfolgt analog der BASt-Zertifizierung auf Basis der Zustandswerte. Abbildung 5 zeigt die grafische Darstellung der 20 merkmalsabhängigen Zustandsgrößen der betrachteten 20m-Abschnitte. Die dargestellte Vergleichsstrecke V88 weist dabei hinsichtlich der Merkmale FLI und AFLI Werte auf, die mangels Auftretens von Flickstellen mit ZW = 2,0 und besser bewertet werden und daher für diese beiden Merkmale nicht den Voraussetzungen an einen Prüfabschnitt für die Zertifizierung entsprechen. Die detektierten Risse (ZW_RISS) bilden sich dagegen über alle 4 Befahrungsfahrten ab. 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 311 Qualitätssicherung von Kampagnen der Zustandserfassung und -bewertung kommunaler Verkehrsflächen Abbildung 2: Vergleich der Abschnittslokalisierung anhand der Lage von Einzelschäden (3 Fahrten von Detector 3X) Abbildung 2: Vergleich der Abschnittslokalisierung anhand der Lage von Einzelschäden 312 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Qualitätssicherung von Kampagnen der Zustandserfassung und -bewertung kommunaler Verkehrsflächen Abbildung 4: Grafische Darstellung der Ebenheitsmerkmale aller 4 Befahrungsfahrten von Vergleichsstrecke V22 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 313 Qualitätssicherung von Kampagnen der Zustandserfassung und -bewertung kommunaler Verkehrsflächen Tab. 2: Vergleich der Grenzwerte der ZbBz-Zertifizierung und Eigenüberwachung sowie der Grenzwerte der Kontrollprüfungen mit Vergleichsstrecke V22 Grenzwerte der Vergleichsstrecke V22 ZbBz-Zertifizierung und Eigenüberwachung Kontrollprüfung Trip 1 (Operator 3X) zu Trip 2020 (Operator 1X) Trip 2 (Operator 3X) zu Trip 2020 (Operator 1X) Trip 3 (Operator 3X) zu Trip 2020 (Operator 1X) ZG (Zustandsgröße) Δ ZG s ZG Δ ZG s ZG Δ ZG s ZG Δ ZG s ZG Δ ZG s ZG Längsebenheit / Mittelwert Planografensimulation: PGR_AVG wenn AUN ≥ 3,0 cm³ 0,4 0,8 0,6 1,0 -0,06 0,22 -0,12 0,33 -0,08 0,17 Längsebenheit / Maximalwert Planografensimulation: PGR_Max, wenn AUN ≥ 3,0 cm³ 1,66 3,97 0,34 1,88 0,86 2,84 Querebenheit / Mittelwert Spurrinnentiefe rechts: MSPTR [mm] -0,71 0,7 -0,61 0,6 -0,52 0,61 Querebenheit/ Mittelwert Spurrinnentiefe links MSPTL [mm] 0,7 1,5 1,0 2,5 -0,1 0,53 0,32 1,03 -0,18 0,4 Querebenheit/ Fiktive Wassertiefe rechts: MSPHR [mm] -0,26 0,56 -0,14 0,4 -0,18 0,48 Querebenheit/ Fiktive Wassertiefe rechts: MSPHL [mm] -0,26 0,65 -0,11 0,47 -0,23 0,63 Querneigung QN [%] 0,3 0,5 0,3 0,8 0,53 0,15 -0,2 0,14 0,16 0,15 314 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Qualitätssicherung von Kampagnen der Zustandserfassung und -bewertung kommunaler Verkehrsflächen Abbildung 4: Darstellung ausgewählter Substanzmerkmale der Oberfläche aller 4 Befahrungsfahrten von Vergleichsstrecke V88 Alle in der zugehörigen Tabelle grün dargestellten Prüfwerte werden eingehalten, die nicht farbigen Felder liegen außerhalb der Grenzwerte. Die Abweichungen stehen neben Verschiebungen der Lokalisierung auch in Verbindung mit der Exaktheit der Auswertung der Oberflächenmerkmale. 6. Schlussfolgerungen 6.1 Kommunale ZEB im nachgeordneten Straßennetz Die vorgenommenen Untersuchungen zeigen erwartungsgemäß, dass auch die Ergebnisse der ZbBz-zertifizierten S&A-Systeme Schwankungen unterliegen, die mit steigender Abweichung von den Bedingungen außerorts gelegener Messstrecken größer werden. Abweichungen der Ergebnisse einzelner Erfassungs- und Auswertungsvorgänge zeigen erwartungsgemäß den Einfluss von Fahrlinien, die im kommunalen Bereich durch lokal-punktuelle Straßeneinbauten wie Kanalschächte und Einläufe verursacht werde und in Verbindung mit den 20m-Abschnitten stehen. Als vergleichsweise robust erweist sich die zugrunde gelegte Abschnittslänge: Das vorliegende Verfahren orientiert sich am Zertifizierungsverfahren der BASt, legt aber im Vergleich zum BASt-Verfahren bei gleicher Anzahl der Abschnitte strengere Maßstäbe an: Durch die Verkürzung der Abschnittslängen von 100m bei der Zertifizierung auf die kommunal üblichen 20m-Abschnittslängen steigt der relative Anteil einzelner Schäden innerhalb eines Auswerteabschnitts. Damit können zulässige räumliche Verschiebungen zwischen zwei Abschnitten Einfluss auf die Abschnittsauswertung nehmen. Insgesamt bestätigen die Ergebnisse die Anwendung der messtechnischen Straßenzustandserfassung mittels ZbBz-zertifizierter Fahrzeuge auch im kommunalen Bereich nachgeordneter Straßen für Asphalt- und Betonbauweisen, so dass diese Ergebnisse hier als Benchmark dienen können. 6.2 Bedeutung für die kommunale Praxis Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass auch nichtzertifizierte S&A-Systeme zur Straßenzustandserfassung und -bewertung zugelassen werden können, wenn sie unter Einhaltung der Schwankungsbreite die Ergebnisse einer zertifizierten Referenzbefahrung reproduzieren. Alle Anforderungen an Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse, wie sie von den zertifizierten S&A-Systemen erfüllt werden, bleiben dabei unabhängig von deren Form bestehen, ebenso die Anforderungen an die Datenstrukturierung der Ergebnisse. Hierbei wird jedoch allein auf die Ergebnisqualität im Sinne der Genauigkeit der ermittelten Zustandsgrößen abgezielt, unabhängig von der Art des Auswertungs- und Erfassungsverfahrens. Dieses Vorgehen erfordert -wie beschriebeneine Referenzbefahrung, die als Vorleistung benötigt wird. Es eröffnet damit jedoch nicht nur die Möglichkeit der Straßenzustandserfassung durch nicht-zertifizierte S&A-Systeme. Vielmehr ist das „kommunale Referenzstreckensystem“ übertragbar auf weitere kommunale Anlagen: Bisher bereits auf dem Markt angebotene Dienstleistungen zur Zustandserfassung von Fuß- und Radverkehrsanlagen können mit dem Verfahren qualitätsgesichert werden. Damit bieten sich weitere Chancen zur Optimierung des Einsatzes begrenzter kommunaler Ressourcen durch die frühzeitige Ermittlung des zukünftigen Erhaltungs- und Finanzbedarfs. 7. Zusammenfassung und Ausblick Der kommunale Einsatz zertifizierter S&A-Systeme zur Straßenzustandserfassung des Hauptverkehrsnetzes ist Stand der Technik. Im nachgeordneten kommunalen Straßennetz werden u. a. aufgrund der räumlichen Bedingungen auch kleinere, nicht-zertifizierte S&A-Systeme eingesetzt. Um deren Qualitätslevel prüfen zu können, wird eine Referenzbefahrung vorgeschlagen. Die vorliegenden Ausführungen zeigen das Vorgehen dazu auf. Besondere Bedeutung kommt dem Verfahren durch die Übertragbarkeit der Qualitätssicherung auf Verkehrsanlagen, die mit den zertifizierten S&A-Systemen nicht befahren werden können, zu. 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 315 Qualitätssicherung von Kampagnen der Zustandserfassung und -bewertung kommunaler Verkehrsflächen Literatur [1] FGSV, 2001-2019: Arbeitspapiere zur systematischen Straßenerhaltung, AP 9, Sammelmappe; Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, FGSV-Verlag, Köln, 2001-19. [2] FGSV, 2006/ 2018: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen (ZTV ZEB- StB 06). Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, FGSV-Verlag, Köln, 2006; Stand 2018 [3] BASt, 2019: Prozessbeschreibung Zeitbefristete Betriebszulassung (ZbBz) und Systemprüfung (Sp) von schnellfahrenden Messsystemen zur Erfassung der Substanzmerkmale (Oberfläche) (abrufbar als Download über die deutsche Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) >>https: / / www.bast.de/ DE/ Strassenbau/ Qualitaetsbewertung/ Pruefungen/ pdf/ Prozessbeschreibung-Substanz.pdf? __blob=publicationFile&v=2<<, zuletzt abgerufen am 21.04.2022) [4] BASt, 2020a: Prozessbeschreibung Zeitbefristete Betriebszulassung (ZbBz) und Systemprüfung (Sp) von schnellfahrenden Messsystemen zur Erfassung der Längsebenheit (abrufbar als Download über die deutsche Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) >>https: / / www.bast.de/ DE/ Strassenbau/ Qualitaetsbewertung/ Pruefungen/ pdf/ Prozessbeschreibung-l%C3%A4ngs.pdf? __blob=publicationFile&v=3<<, zuletzt abgerufen am 21.04.2022) [5] BASt, 2020b: Prozessbeschreibung Zeitbefristete Betriebszulassung (ZbBz) und Systemprüfung (Sp) von schnellfahrenden Messsystemen zur Erfassung der Querebenheit (abrufbar als Download über die deutsche Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) >>https: / / www.bast.de/ DE/ Strassenbau/ Qualitaetsbewertung/ Pruefungen/ pdf/ Prozessbeschreibungquer.pdf? __blob=publicationFile&v=2<<, zuletzt abgerufen am 21.04.2022) [6] FGSV, 2008-18: Arbeitspapiere zur systematischen Straßenerhaltung, AP 9, Reihe K „Kommunale Straßen; Sammelmappe; Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, FGSV-Verlag, Köln, 2008-18 [7] Oeser et. al., 2014: Oeser, M.; D. Kemper; D. Wang; D. Vallée und M. Schneider: Entwicklung von Prognosefunktionen für den Straßenzustand kommunaler Straßen. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 1107. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau, Bonn, 2014. [8] FHWA, 2012: Executive Brief: Advancing a Transportation Asset management Approach, 2012 [9] PIARC, 2017: Asset Management Manual: A Guide for Practitioners. verfügbar unter >>URL https: / / road-asset.piarc.org/ en<< -zuletzt abgerufen am 19.04.2019
