Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Auswirkungen von Infrastrukturkanälen auf die Nachhaltigkeit von Quartiererschließungen
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Marius Raff
Bereits 1901 beschrieb Herr Kallman, dass das lose Verlegen von Ver- und Entsorgungsleitungen im Straßenquerschnitt umständlich und auf Dauer sehr kostspielig ist. Eine wesentlich nachhaltigere Lösung des Unterbringens der Leitungsinfrastruktur stellt der sogenannte Infrastrukturkanal dar. In diesem werden alle Ver- und Entsorger in einem begehbaren Leitungsgang unterhalb der Straße geführt. Dies ermöglicht, dass Straßenquerschnitte weitestgehend ohne Straßeneinbauten auskommen können und keine Aufgrabungen im Straßenkörper durchgeführt werden müssen. Um Gemeinden und Netzbetreiber von den Vorzügen des Infrastrukturkanals zu überzeugen, wurde ein reales Erschließungsprojekt mit und ohne Infrastrukturkanal bepreist. Die Arbeit belegt, dass sich die hohe anfängliche Investition in einen Infrastrukturkanal, nach spätestens 150 Jahren amortisiert. Des Weiteren werden zahlreiche umwelttechnische Vorteile dieser Erschließungsmethode erläutert.
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3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 331 Auswirkungen von Infrastrukturkanälen auf die Nachhaltigkeit von Quartiererschließungen Marius Raff, B. Eng HBC Biberach, Gottmadingen Zusammenfassung Bereits 1901 beschrieb Herr Kallman, dass das lose Verlegen von Ver- und Entsorgungsleitungen im Straßenquerschnitt umständlich und auf Dauer sehr kostspielig ist. Eine wesentlich nachhaltigere Lösung des Unterbringens der Leitungsinfrastruktur stellt der sogenannte Infrastrukturkanal dar. In diesem werden alle Ver- und Entsorger in einem begehbaren Leitungsgang unterhalb der Straße geführt. Dies ermöglicht, dass Straßenquerschnitte weitestgehend ohne Straßeneinbauten auskommen können und keine Aufgrabungen im Straßenkörper durchgeführt werden müssen. Um Gemeinden und Netzbetreiber von den Vorzügen des Infrastrukturkanals zu überzeugen, wurde ein reales Erschließungsprojekt mit und ohne Infrastrukturkanal bepreist. Die Arbeit belegt, dass sich die hohe anfängliche Investition in einen Infrastrukturkanal, nach spätestens 150 Jahren amortisiert. Des Weiteren werden zahlreiche umwelttechnische Vorteile dieser Erschließungsmethode erläutert. 1. Einführung „Das Wort, dass die Erde, Raum für alle habe, trifft hinsichtlich des Straßenkörpers der Großstädte jedenfalls nicht mehr zu, und nur mit unendlicher Mühe ist es möglich geworden, allen zum Teil divergierenden Interessen der vielen Verwaltungen und Unternehmungen, die die öffentlichen Straßen und Wege zur Fortführung ihrer Leitungen benötigen, ohne gegenseitige Beeinträchtigung zu entsprechen. Ohne auf die Anlage von untergeordneter Bedeutung einzugehen, sei nur erwähnt, dass die Kanalisation, die Wasserwerke, die Gasanstalten, die Rohrpost, die Telegraphenkabel, die Fernsprech-Kabelröhren und -Kanäle, die Feuerwehr- und Polizeitelegraphen noch neben den Starkstromleitungen ihren Platz und zum Teil sehr reichliches Baurayon beanspruchen. Hierzu kommen als weitere erschwerende Umstände die zahllosen Abzweigungen nach den Häusern für Gas, Wasser, Telephon, elektrisches Licht und dergl., …, und all dies soll wohlmöglich noch auf den Bürgersteigen platziert werden, um die umständlichen, kostspieligen, besonders störenden Erd- und Pflasterarbeiten auf dem Damm tunlichst zu verhüten.“ [1] In diesem Bericht werden bereits 1901 die Schwierigkeiten beschrieben, welche in Folge der Unterbringung von Leitungen und Kanälen im Straßenbau auftreten. Damals wie heute werden beinahe sämtliche Ver- und Entsorgungsleitungen innerhalb von städtischen Gebieten unterhalb der Straße geführt. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass sich Größe, Anzahl und Art der Leitungen im Laufe der Zeit verändern. Durch die fortlaufende Steigerung der Versorgungsanforderungen hat sich auch der Platzbedarf der Leitungen vergrößert. Die Art, wie Sie untergebracht werden, hat sich jedoch nicht nennenswert verbessert, sodass sich die 1901 beschriebenen Probleme eher vergrößert als verkleinert haben. Neben dem Platzbedarf stellen auch die Wartung, die Reparatur und die neue Verlegung der Kanäle, Leitungen und Kabel ein großes Problem dar. Ursache hierfür ist die Tatsache, dass diese von außen nicht zugänglich sind. Die einzige Möglichkeit, größere Arbeiten an den Leitungen durchzuführen, besteht darin, die darüberliegenden Straßen aufzureißen. Dies führt nicht nur zu enormen Kosten, sondern auch unter anderem zu: erhöhtem Ressourcenverbrauch, Belästigung der Anwohner durch Lärm und Staub, Schädigung anderer Leitungen durch die Baumaßnahmen und Belästigung der Verkehrsteilnehmer durch Umleitungen und Stau. Des Weiteren sind die Arbeiten aufgrund ihrer Art als gefährlich einzuschätzen und auch von der Witterung abhängig. An dieser Stelle darf nicht vergessen werden, dass die Straßen ebenfalls langfristige Schäden durch solche Reparatur- und Verlegungsarbeiten erfahren, da es nur durch vollständige Erneuerung des Oberbaus möglich ist, die ursprüngliche Qualität einer Straße wieder herzustellen. Wenn man sich im städtischen Bereich bewegt kann man sehen, wie stark dieses Problem ausgeprägt ist. Die meisten Straßen weisen eine Mehrzahl von Fugen im Asphalt auf, welche auf sogenannte Aufgrabungen in Folge von Kabel-, Leitungs-, und Kanalarbeiten zurückzuführen sind. Dabei ist der Oberbau der Straßen nicht selten nur wenige Jahre alt. Ein weiteres Problem ist es, dass unsere Gesellschaft aktuell vor einer Energiewende steht und gleichzeitig die Digitalisierung läuft. Daher scheint es teilweise noch ungewiss, welche Arten von Kabeln und Leitungen in naher Zukunft verlegt werden. Fest steht allerdings, dass auch dann, nach wie vor viele Straßen aufgerissen werden müssen, um die darunter liegende Infrastruktur instand zu setzen oder auszubauen. Sowohl die Verstädterung der Gesellschaft als auch der Klimawandel schreiten nach wie vor schnell voran, was Aussagen bezüglich der Art und Dimensionierung von Leitungen, Kanälen und Kabeln, welche in Zukunft benötigt werden zusätzlich erschweren. 332 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Auswirkungen von Infrastrukturkanälen auf die Nachhaltigkeit von Quartiererschließungen Eine Möglichkeit um all diese und weitere Probleme, welche aufgrund des konventionellen Leitungsbau entstehen zu vermeiden, stellt der sogenannte Infrastrukturkanal dar. In diesem werden sämtliche Leitungen zur Ver- und Entsorgung eines Gebiets in einem begehbaren Leitungskanal geführt. 2. Weshalb es einen Technologiewechsel braucht Einer Studie zur Folge bleibt eine städtische Straßenoberfläche lediglich zwei Jahre und neun Monate unberührt. Folglich wird die erste Aufgrabung einer leitungsführenden Straße durchschnittlich nach 35 Monaten durchgeführt [2], was in 87 % der Fälle auf Arbeiten an der Leitungsinfrastruktur selbst zurückzuführen ist. [3] Dies hat aus vielerlei Hinsichten weitreichende Folgen. In erster Linie stellt eine Aufgrabung ein Mangel dar, da die Statik des Straßenkörpers gestört wird. Selbst absolut fachgerecht durchgeführte Aufgrabungen, was naturgemäß nahezu unmöglich ist, werden nach einigen Jahren in ihren Arbeitsfugen auf brechen. Dies führt durch das Eindringen von Wasser zwangsläufig zu Frostschäden, die dann nicht mehr nur die Aufgrabung selbst, sondern den ganzen Straßenkörper betreffen. Daraus lässt sich schließen, dass Aufgrabungen die Lebensdauer von Straßenkörpern, generell signifikant verkürzen. Eine weitere Folge von Aufgrabungen ist ein hoher volkswirtschaftlicher Schaden, der sich in erheblichen Wartezeiten im Verkehr und Belästigung bzw. Behinderung der anwohnenden Bürger ausdrückt. Die bei Aufgrabungen erforderlichen Arbeiten produzieren stets Lärm und Staub. Um die Verkehrsbeeinträchtigung möglichst klein zu halten, wird die Baustelleneinrichtung aufgrund des Einsatzes von Lichtsignalanlagen und großem Absperraufwand sehr kostenintensiv. Gleichzeitig wird aus selbigem Grund versucht, die abgesperrte Fläche möglichst klein zu halten, was die Arbeiten verkompliziert und den Einsatz von kleineren Maschinen erfordert. Dies führt ebenfalls zu einer Erhöhung der Kostenintensität. Auch aus ökologischer Hinsicht haben Aufgrabungen zahlreiche negative Folgen. Zwar sind die ausführenden Kräfte dazu angehalten, möglichst viel von dem aufgebrochenen Material wieder zu verwenden, in der Praxis stellt sich das aufgrund des Durchmischens der Materialien und den beengten Platzverhältnissen aber als schwierig heraus. Ebenfalls berücksichtigt werden muss, dass Aufgrabungen, das Kleinklima der innerstädtischen Bereiche erheblich verschlechtern können. Neben dem entstehenden Staub, des Staus und des Baustellenverkehrs der zahlreichen Aufgrabungen, kann das Kleinklima insbesondere durch die Beschädigung von Bäumen nachhaltig verschlechtert werden. Nicht selten werden die wenigen vorhandenen Bäume entlang von Straßen nach Aufgrabungen krank oder sterben gar ab. Ursachen hierfür sind z. B. das Durchtrennen von Wurzeln oder die zu starke Verdichtung der Wurzelräume. Ein weiteres ökologisches Problem, in Folge von Aufgrabungen ergibt sich, wenn die konventionelle Leitungsverlegung mit der Verlegung im Infrastrukturkanal verglichen wird. Aufgrund der zahlreichen Umwelteinflüsse im Boden ist die Nutzungsdauer erdverlegter Leitungen ohnehin schon kürzer als im Infrastrukturkanal. Zusätzlich besteht im Infrastrukturkanal die Möglichkeit sämtliche Leitungen auf einfachste Weise zurückzubauen. Daher können diese sortenrein recycelt oder gar wieder verwendet werden. Die Leitungen, die hingegen bei Aufgrabungen geborgen werden, sind und werden bei der Bergung, starkverschmutzt und beschädigt. Folglich fallen Sie dann, in der Regel als unverwertbarer Abfall an. Blicke in offene Leitungsgräben beweisen, dass die Arbeiten an Leitungen und die dazugehörigen Erdarbeiten bei Aufgrabungen als kompliziert und somit auch als äußerst kostenintensiv einzustufen sind. Oftmals wissen die ausführenden Bauunternehmen nicht, welche bzw. wo sie Leitungen im Bereich der aufzugrabenden Fläche antreffen werden, da die Pläne hierzu fehlen bzw. nicht der Realität entsprechen. Dies erschwert die Aushubarbeiten wesentlich. Neben der Tatsache, dass der Baggerlöffel nur dünne Schichten abtragen kann, ist zusätzlich ein zweiter Mann erforderlich, der die Arbeiten von der anderen Seite beobachtet. Trifft man auf eine kreuzende Trasse oder eine im geringen Abstand verlegte Leitung, so ist ein nicht unwesentlicher Teil des Aushubs von Hand durchzuführen. Trotz dieser Sicherheitsvorkehrungen kommt es regelmäßig vor, dass weitere Leitungen aufgrund der Aushubarbeiten beschädigt werden. Im besten Fall wird der Sekundärschaden dann sofort bemerkt, die Aufgrabung erweitert und beide Schäden behoben. Möglich ist es aber auch, dass der Sekundärschaden zunächst oder gänzlich unentdeckt bleibt. Dies führt dazu, dass an der gleichen Stelle in kürzestem Zeitraum eine zweite Aufgrabung durchgeführt werden muss oder jahrelang z. B. Schmutzwasser ins Erdreich gelangt. Neben dem Grundwasser sind bei Aufgrabungen auch die Arbeiter selbst akut gefährdet. Das Angraben von Stromleitungen führt weltweit immer wieder zu Todesfällen von Bauarbeitern. Nicht selten, weil die vorgeschriebenen Trassenbänder entweder fehlen oder nicht ordnungsgemäß verlegt wurden. Auch die Gräben von Aufgrabungen sind als besonders gefährlich einzustufen. Zeitdruck, Platzmangel und kreuzende Leitungen führen häufig zu nicht fachgerecht abgeböschten bzw. nicht fachgerecht verbauten Grabenwänden. Zusammenfassend lässt sich bisher sagen, dass Aufgrabungen der Volkswirtschaft schaden und außerdem: kostenintensiv, straßenschädigend, gefährlich, umweltschädigend und wenig Nachhaltig sind. Die Tatsache, dass hautsächlich das erdverlegen von Leitungsinfrastruktur, Aufgrabungen erforderlich macht, verfestigt die Aussage, dass im Leitungsbau ein Technologiewechsel erforderlich ist. Nachfolgend, werden an dieser Stelle, einige Missstände bezüglich Aufgrabungen in der Praxis aufgedeckt, um den benötigten Technologiewechsel weiter zu bestärken. 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 333 Auswirkungen von Infrastrukturkanälen auf die Nachhaltigkeit von Quartiererschließungen Abb. 1: Zustand von Quartiersstraßen in Deutschland Das Foto Abb. 1: Zustand von Quartiersstraßen in Deutschland stammt aus der Gemeinde Böhringen-Rickelshausen nahe Radolfzell und spiegelt den Zustand vieler Deutscher Quartierstraßen wider. Beim Betrachten des Fotos, können einige Abweichungen von den geltenden Durchführungsbestimmungen festgestellt werden. Zunächst einmal ist zu sehen, dass um den Kanalschacht herum eine Aufgrabung durchgeführt wurde. Höchstwahrscheinlich lag die Ursache dafür, in einer Setzung des Schachtes, die durch die allgemein bekannten Verdichtungsproblematik um Straßeneinbauten entstanden ist. Des Weiteren ist vorgeschrieben, dass die Schnittflächen von Aufgrabungen geradlinig auszuführen sind. Bei der Aufgrabung des Schachtes wurde diese Regelung mutwillig oder aufgrund von Unwissenheit missachtet. Auch andere im Bild zu sehende Fugen von Aufgrabungen, erfüllen die Anforderung der Geradlinigkeit nicht ausreichend. Es wird gefordert, dass die Asphaltdeckschicht mit einer Fuge von mindestens zehn mm Stärke zu Straßeneinbauten hergestellt wird. [4] Die Fuge ist mit Fugenmassen oder Fugenbändern auszubilden. Im Bild fehlt die Fuge, Feuchtigkeitseintrag in den Straßenoberbau ist die Folge. Im Bild, sind außerdem sieben Aufgrabungen zu erkennen, deren Abstand deutlich geringer als zehn Meter zueinander ist. Gemäß ZTV A-StB 12 wäre daher ein Austausch der gesamten Asphaltdeckschicht erforderlich. Zu guter Letzt wird auch die Durchführungsbestimmung bezüglich der Randstreifen nicht eingehalten. Diese dürfen nämlich maximal nur 35 cm breit sein. Als Resultat der nicht Einhaltung sind Risse in den Fugen zwischen zwei Aufgrabungen zu sehen. Schlussfolgern lässt sich daher, dass sich die Lebensdauer von Straßen durch Mängel bei der Ausführung von Aufgrabungen zusätzlich verringert. Dabei ist zu beachten, dass die Schuld daran, nur zu geringfügigen Teilen den bauausführenden Unternehmen zuzuschreiben ist. Die Fugenausbildung zwischen Asphaltdeckschicht und Einbauten muss beispielsweise separat ausgeschrieben werden, fehlt aber oftmals im Leistungsverzeichnis. Das Problem der mangelnden Ausführung ist viel mehr strukturell bzw. technisch zu sehen, die in Deutschland zum größtenteils veraltete Leitungsinfrastruktur führt schlicht und ergreifend zu sehr vielen Aufgrabungen, die sowohl das beteiligte Personal als auch das Budget der Gemeinden an ihre Grenzen bringen. Der zunehmende Fachkräftemangel wird diese Situation künftig verschärfen und unterstreicht die Notwendigkeit eines Technologiewechsels zusätzlich. 3. Lebenszyklus der Leitungsinfrastur einer Quartierstraße Um zu beweisen, dass sich ein Infrastrukturkanal aus ökonomischer Sicht rechnet, wurden die Kosten die beim baulichen Erschließen eines Gebiets und dem anschließenden betriebsgerechten Erhalten der Leitungsinfrastruktur über einen Nutzungszeitraum von 150 Jahren entstehen verglichen. Dieser Zeitraum wird gewählt, da bei einem Infrastrukturkanal aus Stahlbetonfertigteilen von einer kalkulatorischen Lebensdauer von 150 Jahren ausgegangen werden darf. Für den Vergleich wurden die Kosten gegenübergestellt, die sich einerseits aus der konventionellen Erschließung, sprich mit erdverlegter Leitungsinfrastruktur und andererseits aus der Erschließung mit einem Infrastrukturkanal ergeben. Um ein möglichst realistischen Kostenvergleich durchzuführen, wurden sämtliche Mengen und Dimensionen anhand eines realen Projektes ermittelt. Das zu erschließende Gebiet befindet sich auf dem Festland der Gemeinde 78479 Insel Reichenau bei Konstanz. Dort soll im Lindenbühl West auf 6 ha ein neues Wohnquartier mit nachhaltigem Wohnkonzept entstehen. Insgesamt soll Wohnraum für 2000 Menschen und Raum für 10 Kleinbetriebe wie Bäckereien oder Fitnessstudios geschaffen werden. Reihenhäuser, Wohnblocks und Kleinbetriebe gliedern sich an die mittig gelegene 745 m lange Haupterschließungsstraße an und werden über insgesamt 16 Hausanschlüsse, sogenannte Sammelhausanschlüsse versorgt. Mit Hilfe einer Bedarfsanalyse ermittelte man die notwendigen Ver- und Entsorgungskapazitäten des Gebiets. Anhand dieser wurde dann die Dimension des benötigten Infrastrukturkanals bestimmt. Prinzipiell gibt es verschiedene Möglichkeiten für Art und Material der baulichen Hülle als auch für die Vortriebsweise. Da es sich bei dem Projekt um eine Neuerschließung handelt, legte man sich auf eine offene Bauweise fest. 334 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Auswirkungen von Infrastrukturkanälen auf die Nachhaltigkeit von Quartiererschließungen Tab. 1: Gegenüberstellung der Kosten Als Material wurde Stahlbeton gewählt, da dieser schlicht und ergreifend am dauerhaftesten ist und bereits seit 2000 Jahren erfolgreich unterhalb der Erde verbaut wird. Um den hohen Qualitätsansprüchen für eine kalkulatorische Nutzungsdauer von 150 Jahren gerecht zu werden, entschied man sich außerdem für den Einsatz von Stahlbetonfertigteile. Sowohl Rechteckquerschnitte als auch kreisrunde Fertigteile kommen für einen Infrastrukturkanal in Frage. Aufgrund des statischen Systems und der Geometrie ergibt sich jedoch, dass beim Rechteckquerschnitt der Bewehrungsgrad als auch die Gesamtmenge an Beton die benötigt wird, im Vergleich zu einem Kreisquerschnitt mit gleicher Nutzfläche deutlich höher ist. Somit fiel die Wahl auf den Kreisquerschnitt. Anhand dieser Projektierung ließen sich belastbare Erschließungskosten für das Gebiet berechnen. Diese sind bei Erschließung mit Infrastrukturkanal etwa 65 % höher. Die ermittelten Kosten können der Tabelle 1 Kostenvergleich entnommen werden. Wie bei jedem Bauprojekt sind jedoch auch die Kosten, die während der Nutzugsdauer entstehen, von zentraler Bedeutung. Allein die Tatsache, dass sämtliche Ver- und Entsorger in regelmäßigen Abständen erneuert werden müssen, führt dazu, dass sich die hohe Anfangsinvestition in einen Infrastrukturkanal in unter 150 Jahren amortisiert. Besonders erwähnenswert ist dabei, dass aufgrund der verringerten Umwelteinflüsse im Infrastrukturkanal, die Lebensdauer der Medien signifikant verlängert wird. Je nach Ver- oder Entsorger um den Faktor 1,15 bis 2,0 im Vergleich zur konventionellen Verlegung. [5] 4. Fazit Aufgrund von mangelnder Datenlage blieben zahlreiche Mehrkosten, die beim Erschließen und unterhalten der Quartierstraße auf der Reichenau mit erdverlegter Leitungsinfrastruktur entstehen, unberücksichtigt. Gleichzeitig wurden schwer zu ermittelnden Kosten, die für das Herstellen des Infrastrukturkanals benötigt werden, mit einem Sicherheitszuschlag berechnet. Die Investition amortisiert sich dennoch. Neben den wirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Vorteilen bietet die Technologie ein Gebiet mit einem Infrastrukturkanal zu erschließen, auch zahlreiche umwelttechnische Vorteile. Zu den wichtigsten gehören: 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 335 Auswirkungen von Infrastrukturkanälen auf die Nachhaltigkeit von Quartiererschließungen • Schutz vor dem direkten Austreten verunreinigter Substanzen in die Umwelt • Ressourcenschonung durch die verlängerte Lebensdauer der im Infrastrukturkanal verlegten Leitungsinfrastruktur • Verbesserte Recyclingmöglichkeiten, da ein ordentlicher Rückbau gewährleisten werden kann • Vermeiden von CO 2 -intensiven Aufgrabungsbzw. Straßenbaumaßnahmen • Schonen knapper Ressourcen wie z.-B. Sand Soll ein neues Gebiet erschlossen werden, so sollten Gemeinden künftig prüfen, ob es sich rentiert, zur Ver- und Entsorgung einen Infrastrukturkanal zu errichten. Wird hierfür das richtige Bauverfahren und die richtigen Baumaterialien verwendet, so ist die Chance, das Projekt erfolgreich abzuschließen sehr gut. Voraussetzung ist jedoch, dass ein passendes Finanzierungsbesser gesagt Betreibermodell für das geplante Projekt gewählt wird. Des Weiteren ist ein Benutzungszwang des Infrastrukturkanals für alle beteiligten Ver- und Entsorger auszusprechen, um den Projekterfolg zu gewährleisten. Literatur [1] Kallmann, M. (1901). Maßnahmen zum störungsfreien Betreiben städtischer Licht- und Bahnkabelnetze. Technisches Gemeindeblatt 4. [2] Gebhards, G. (2010). Elastomermörtel für Schachtfugen: Resümee nach mehr als zehn Jahren Praxiserfahrung. Giesel. [3] Jodl, H. G. (1996). Der begehbare Infrastrukturkanal Ein altes Thema für einen neuen Anfang? Wien: ÖIAV. [4] FGSV. (2012). Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Aufgrabungen in Verkehrsflächen . Köln. [5] Institut für Bauforschung. (2014). Nachhaltige Erschließung Ökologische und wirtschaftliche Chancen bei der. Mainz: Bauforum Rheinland-Pfalz GbR.