eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 3/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
kstr
expert Verlag Tübingen
21
2023
31

Modulare Bauverfahren zur Böschungssicherung

21
2023
Mark Biesalski
Die bauliche Böschungssicherung ist in Deutschland geprägt von konventioneller Ortbetonbauweise. Modulare Fertigteilbauweisen ermöglichen es heute, die Vorteile des Ortbetons mit den Vorteilen von Fertigteilen in einem Bauwerk zu vereinen. Damit entsteht eine neue modulare Bauweise in Anlehnung an bestehende technische Ausführungsbestimmungen.
kstr310343
3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 343 Modulare Bauverfahren zur Böschungssicherung Fertigteilbauweisen im Infrastrukturbau Mark Biesalski Glatthaar Starwalls GmbH & Co. KG, Schramberg-Waldmössingen Zusammenfassung Die bauliche Böschungssicherung ist in Deutschland geprägt von konventioneller Ortbetonbauweise. Modulare Fertigteilbauweisen ermöglichen es heute, die Vorteile des Ortbetons mit den Vorteilen von Fertigteilen in einem Bauwerk zu vereinen. Damit entsteht eine neue modulare Bauweise in Anlehnung an bestehende technische Ausführungsbestimmungen. 1. Einführung Der Zustand unserer Infrastrukturnetze erfordert in den kommenden Jahrzehnten enorme Investitionen in den Neubau und die Sanierung unserer Bauwerke. Die Baustellendichte erzeugt jeden Tag kilometerlange Staus und damit einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der sich insbesondere auf zeitaufwendige, konventionelle Bauweisen auswirkt. Der Ingenieurbau der Zukunft muss schneller, effektiver, wirtschaftlicher und nachhaltiger werden. 2. Verfahren zur Böschungssicherung Die Auswahl des richtigen Verfahrens ist abhängig von vielen Faktoren und Randbedingungen. Hier näher beleuchtet werden insbesondere modulare Stützwände, sowie Spezialtief bauverfahren mit einer Verblendung mit Fertigteilvorsatzschalen. 2.1 Winkelstützwände in modularer Bauweise Neben standardisierten Fertigteilbauweisen, wie z. B. L- Winkelsteine oder Schwergewichtsmauern aus Systemblöcken, sind es insbesondere die freiplanbaren Fertigteilbauweisen, die immer mehr im Ingenieurbau zum Einsatz kommen. Massive Fertigteilwände mit einer Fundamentaus-bildung in Ortbeton sind als Maßanzug für den Planer und Bauherrn eine schnelle und wirtschaftliche Alternative zu konventionellen Bauweisen. Bauwerke dieser Art sind statisch und architektonisch frei planbar. Wandstärken, Bauteilabmessungen und Bewehrungs-grad sind individuell festlegbar. Die Planung und Ausführung kann auf Grundlage bestehender Regelwerke, wie der ZTV-Ing., erfolgen. Die Fundamentplatte kann als Ortbetonbauwerk frei dimensionierbar unter die Fertigteilwand gelegt werden oder auch als L-Winkelbauweise an die Fertigteilwand anschließen. Die Fundamentplatte wird analog zu Ortbetonbauwerken als durchgängig bewehrtes und betoniertes Bauwerk ausgebildet. Bei dieser Bauweise kommt, im Gegensatz zu Ortbetonbauwerken, zuerst die Wand und dann das Fundament. Abb. 1: Regelquerschnitt einer modularen Fertigteilbauweise 2.1.1 Gründungsformen von Stützwänden Bei ausreichender Tragfähigkeit des Baugrundes, ist die Flachgründung in frostsicherer und tragfähiger Tiefe die häufigste Gründungsform. Hierzu wird das Fundament in Abmessung, Stärke und Bewehrungsgrad auf Grundlage statischer Eingangsgrößen und der Boden-kennwerte bemessen. Spezialgründungen sind bei einer modularen Fertigteilbauweise mit einem Ortbetonfundament jederzeit möglich. 2.1.2 Gründung auf Bohrpfählen und Spundwänden Bei schlechtem Baugrund oder bei mangelndem Platz für eine klassische Abböschung werden häufig Spezialtief bauverfahren, wie Bohrpfähle und Spundwände eingesetzt. Bei solchen Gründungsarten werden die Fertigteilwände auf diesen Gründungsverfahren aufgeständert und anschließend mit einem Ortbetonbalken statisch angeschlossen. 344 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Modulare Bauverfahren zur Böschungssicherung Abb. 2: Regelquerschnitt Gründung auf Bohrpfahlwand 2.1.3 Gründung auf Mikropfählen Bei schlechtem Baugrund oder auch zur Optimierung von Fundamentbemessung sind Zug- und Druckpfähle eine gute Möglichkeit zur Aufnahme statischer Kräfte. Hier kommt insbesondere auf eine gute Detailplanung an, um die Pfahlköpfe optimal in die Anschluss- und Fundamentbewehrung einzubinden. Abb. 3: Regelquerschnitt Gründung mit Mikropfählen 2.2 Modulare Fertigteilvorsatzschalen Spezialtief bauverfahren, wie Bohrpfähle, Spundwände und rückverankerter Spritzbeton, müssen häufig nachträglich in ihrer Ansichtsfläche gestaltet werden. Konventionell geschieht das, in der Regel, mit zusätzlichen Ortbetonwänden unter erheblichen Kosten- und Zeitaufwand. Innovative Fertigteilvorsatzschalen können hier eine wirtschaftliche Lösung sein. Gegründet auf einem Fundament, werden solche Systeme mit einem Ortbetonkopfbalken statisch an das jeweilige Verbauverfahren angeschlossen. Die Entwässerung liegt häufig mittels Drainage zwischen Verbauverfahren und der Vorsatzschale. Bei Spundwänden wird aus Korrosionsgründen der Ringraum mit Beton verfüllt. Insbesondere bei rückverankerten Spritzbetonwänden müssen die möglichen Toleranzen in der Ausführung bei der Planung einer Fertigteilvorsatzschale berücksichtigt werden. Abb. 4: Regelquerschnitt Vorsatzschale vor Spundwand Abb. 5: Ausführungsbeispiel einer Vorsatzschale im Montagezustand. 3. Fugenabdichtung in der modularen Bauweise Die klassische Fugenbandkonstruktion aus Ortbetonbauwerken, lässt sich in der Fertigteilbauweise nur mit erheblichem Mehraufwand realisieren. Zur Abdichtung von Bewegungsfugen setzt man bei Fertigteilen häufig auf Kompressionsdichtungen, in Verbindung mit einem dauerelastischen Verguss. Diese Abdichtungsvarianten sind mit ihren mechanischen Eigenschaften und dem Abdichtverhalten eine gleichwertige Alternative zum klassischem Fugenband. Abb. 6: Kompressionsprofil EK 15/ 25 System/ Quelle TPH Norderstedt 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 345 Modulare Bauverfahren zur Böschungssicherung 4. Gestaltung von Ansichtsflächen Die Fertigteilbauweise erlaubt vielfältige und wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten der Ansichtsfläche von Fertigteilwänden. Bedingt durch die liegende Fertigung solcher Wandsysteme sind hochwertige Sichtflächen deutlich einfacher zu erzielen, wie bei Ortbetonbauwerken in stehender Schalung. Von schalungsglatt bis zu individuellen Matrizenstruktur, sind viele Ausführungsvarianten möglich. Auch die Integrierung von echten Natursteinverbänden in die Fertigteilwände, ist eine sehr wirtschaftliche Ausführungsart gegenüber konventionell gemauerten Natursteinvorsätzen. Abb. 7: Modulare Stützwand mit integrierter Natursteinverblendung 5. Bauen in Rekordzeit Bei einer Höhenfreimachung in Ingolstadt konnte sich 2019 die modulare Fertigteilbauweise einer Böschungsabfangung ganz besonders beweisen. 2660 m² Stützwand in 3 Etagen in nur 9 Monaten. Nicht nur die erhebliche Verkürzung der Bauzeit war für den Bauherrn ausschlaggebend, sondern auch die deutliche Reduzierung der Baukosten und der hohe Vorfertigungsgrad. Als Maßanzug musste sich die Stützwand an das neu errichtete Brückenbauwerk anpassen. Abb. 8: BV Hepberg, 1.Etage, Stützwand mit Natursteinverblendung und Anschlussbewehrung Böschungshöhen von bis zu 9,0 m waren statisch eine Herausforderung. Die Umsetzung zeigt, wie individuell modulare Fertigteilbauweisen an statische Voraussetzungen und örtliche Gegebenheiten angepasst werden können. Abb. 9: BV Hepberg, Modulare Fertigteilstützwand 6. Innovative Produktionsverfahren Nicht standardisierbare Fertigteilbauweisen im Ingenieurbau waren bisher in der Produktion nur schwer automatisierbar. Ein innovatives Verfahren der Firma Aeditive aus Hamburg macht mit ihrem 3D-Druck Verfahren Hoffnung auf mehr Digitalisierung in der Fertigteilproduktion. Bei diesem 3D-Druck Verfahren wird in Anlehnung an ein Spritzbetonverfahren gearbeitet. Bewehrungskörbe werden mit Industrierobotern eingespritzt und zu einem finalen Fertigteil modelliert. Abb. 10: Concrete Aeditor im Fertigteilwerk, Quelle Fa. Aeditive Literatur [1] Glatthaar Starwalls: Ausschnitte aus umgesetzten [2] Ausführungsplanungen [3] Glatthaar Starwalls: Eigene Literatur und technische Aufzeichnungen [4] Mark Biesalski: Fachartikel „Strassenbaubeschleunigung“ in Straßen und Tiefbau 2/ 2020