Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2023
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Ansatz zur rechnerischen Dimensionierung ungebundener Pflastersteinaufbauten in Österreich
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2023
Franziska Gober
Lukas Eberhardsteiner
Ronald Blab
Im innerstädtischen Bereich kommt es bei Verkehrsflächen, die wenig Schwerverkehr ausgesetzt sind, aufgrund von gestalterischen und umwelttechnischen Vorteilen oftmals zur Anwendung ungebundener Pflasterstein-Aufbauten. In Österreich gibt es aktuell nur eine Bemessungsmethode für diese Bauart, welche in der Richtlinie RVS 03.08.63 [1] geregelt ist. Diese Methode ist in der Variation der Eingangsparameter stark eingeschränkt. Um dem entgegenzuwirken, wurde eine rechnerische Dimensionierung für ungebundene Pflasterstein-Aufbauten entwickelt. Bei Anwendung dieser Dimensionierungsmethodik können notwendige Parameter (Verkehrslast, Klima, Materialverhalten und Struktur) realistischer berücksichtigt werden. Diese werden in einem Finite Elemente Oberbau-Modell berücksichtigt, mit dem die Spannungen und Verformungen infolge verkehrlicher Belastungen ermittelt werden. Im Anschluss an die Modellberechnungen wird mittels Ansetzens geeigneter Schadenskriterien die Anzahl an Lastwechsel berechnet, die der Aufbau ertragen kann. Zuletzt wird dieser Wert mit den zu erwartenden Lastwechseln verglichen. Durch Anwendung dieser Methode können Sicherheitsreserven bei der Bemessung ungebundener Pflasterstein-Aufbauten reduziert und wirtschaftlichere Aufbauten bemessen werden.
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3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 433 Ansatz zur rechnerischen Dimensionierung ungebundener Pflastersteinaufbauten in Österreich Dipl.-Ing. Franziska Gober Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften, Österreich Assistant Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Lukas Eberhardsteiner Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften, Österreich Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Ronald Blab Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften, Österreich Zusammenfassung Im innerstädtischen Bereich kommt es bei Verkehrsflächen, die wenig Schwerverkehr ausgesetzt sind, aufgrund von gestalterischen und umwelttechnischen Vorteilen oftmals zur Anwendung ungebundener Pflasterstein-Auf bauten. In Österreich gibt es aktuell nur eine Bemessungsmethode für diese Bauart, welche in der Richtlinie RVS 03.08.63 [1] geregelt ist. Diese Methode ist in der Variation der Eingangsparameter stark eingeschränkt. Um dem entgegenzuwirken, wurde eine rechnerische Dimensionierung für ungebundene Pflasterstein-Auf bauten entwickelt. Bei Anwendung dieser Dimensionierungsmethodik können notwendige Parameter (Verkehrslast, Klima, Materialverhalten und Struktur) realistischer berücksichtigt werden. Diese werden in einem Finite Elemente Oberbau-Modell berücksichtigt, mit dem die Spannungen und Verformungen infolge verkehrlicher Belastungen ermittelt werden. Im Anschluss an die Modellberechnungen wird mittels Ansetzens geeigneter Schadenskriterien die Anzahl an Lastwechsel berechnet, die der Aufbau ertragen kann. Zuletzt wird dieser Wert mit den zu erwartenden Lastwechseln verglichen. Durch Anwendung dieser Methode können Sicherheitsreserven bei der Bemessung ungebundener Pflasterstein-Auf bauten reduziert und wirtschaftlichere Auf bauten bemessen werden. 1. Einführung Österreichs Verkehrsflächen werden heutzutage vorwiegend in Asphalt- oder Betonbauweise errichtet. Pflasterstein-Flächen, welche hauptsächlich für Verkehrsflächen geeignet sind, die kaum Schwerverkehrsbelastungen ertragen müssen, nehmen hierbei einen eher geringen Anteil ein. Aufgrund ihrer positiven Eigenschaften in den Bereichen Umwelt, Ökonomie und Gestaltungsmöglichkeiten nimmt ihre Bedeutung jedoch vor allem innerstädtisch, wo es diverse wenig stark befahrene Zonen (Fußgängerzonen, Parkplätze, …) gibt, zu. Um ausgeprägte Schädigungen bzw. ein frühzeitiges Ende der Lebensdauer des Auf baus zu vermeiden, ist eine entsprechende Dimensionierung erforderlich. Aktuell gibt es für die Bemessung ungebundener Pflasterstein-Auf bauten in Österreich nur eine Methode. Diese ist in der Richtlinie RVS 03.08.63 [1] geregelt. Dabei werden die erforderlichen Schichtdicken mittels Standardauf bauten aus einem Bemessungskatalog ermittelt. Die Standardauf bauten für die ungebundene Pflasterstein-Bauweise beinhalten vier Lastklassen sowie vier unterschiedliche Bautypen. Die Ermittlung der anzuwendenden Lastklasse erfolgt unter Berücksichtigung der täglichen Normlastwechsel, der Bemessungsperiode, eines Verkehrszuwachsfaktors sowie Faktoren zur Berücksichtigung der Verteilung des Schwerverkehrs. Mithilfe der ermittelten Lastklasse kann die Bautype und somit der zu verwendende Standardauf bau gewählt werden. Diese Methode ist sehr schnell und einfach anwendbar. Nachteilig ist jedoch, dass die tatsächlich vorkommenden Materialparameter nicht berücksichtigt werden können. Auch unterschiedliche Verbandsarten oder abweichende Verkehrsbelastungen bleiben unberücksichtigt. Dadurch kommt es zu hohen Bemessungsreserven und teils unwirtschaftlichen Oberbauten. Auch Sonderbemessungen können bei Verwendung des Standardkatalogs nicht durchgeführt werden. Um diesen Nachteilen entgegenzuwirken, wurde eine rechnerische Dimensionierung für ungebundene Pflasterstein-Auf bauten entwickelt. Der Ablauf dieser Methodik kann Abb. 1 entnommen werden. Neben der Verkehrsbelastung werden vier Klimaperioden sowie die konkreten Materialeigenschaften und das Reibungsverhalten zwischen den Steinen als Eingangsparameter festgelegt. Mit diesen Daten kann ein Finite Elemente (FE) Oberbau-Modell erstellt und die maßgebenden Spannungen und Verformungen berechnet werden. Unter Verwendung geeigneter Schadenskriterien kann die Anzahl an möglichen Lastwechseln und somit die Lebensdauer des Auf baus bestimmt werden. Zuletzt wird die Anzahl der ertragbaren Lastwechsel () mit den zu erwartenden Lastwechseln () verglichen, wobei [Gl. 1] stets eingehalten werden muss. (Gl. 1) 434 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Ansatz zur rechnerischen Dimensionierung ungebundener Pflastersteinaufbauten in Österreich Abb. 1: Dimensionierungsmethodik für ungebundene Pflasterstein-Auf bauten 2. Eingangsparameter In den nachfolgenden Kapiteln werden die einzelnen Eingangsparameter (Verkehrslast, Klima sowie Materialverhalten und Struktur) für das FE-Oberbau-Modell im Detail beschrieben. Diese Parameter werden angewendet, um für die auftretenden Lastfälle die technische Lebensdauer des betrachteten Oberbaus in Form der ertragbaren Anzahl an Lastwechseln zu errechnen. 2.1 Verkehrslast Auf der Einwirkungsseite wird die Verkehrsbelastung mit dem JDTLV-Wert beschrieben. Dieser ist die jährlich durchschnittliche tägliche Lastverkehrsstärke und wird für den jeweiligen Straßenquerschnitt über Verkehrszählungen oder mithilfe des JDTV-Wertes und dem Schwerverkehrs-Anteil bestimmt. [2, 3] Auf der Widerstandsseite werden Verkehrslasten detaillierter betrachtet. Hierzu gibt es drei Bemessungsstufen abhängig von den verfügbaren Verkehrsdaten für den betrachteten Streckenabschnitt (Fahrzeuggruppen, Fahrzeugklassen, Gesamtgewichts- und Achslastverteilung). Die Fahrzeuggruppe gibt dabei Auskunft über die Anzahl der Fahrzeugachsen, die Fahrzeugklasse hingegen definiert Fahrzeugtypen, welche durch die Anordnung von Achsaggregaten voneinander unterschieden werden. Wie in [Tab. 1] beschrieben, wird die Verkehrsbelastung bei den Stufen 1 und 2 mithilfe von statistisch abgeleiteten Modellverteilungen eines repräsentativen Schwerverkehrskollektivs berechnet. Bei Bemessungsstufe 3 liegen genügend Verkehrsdaten vor, um eine exakte Bestimmung der Belastung vorzunehmen und dadurch Bemessungsreserven zu reduzieren. [4] Tab. 1: Bemessungsstufen für die Verkehrslast gemäß FSV [4] Stufe Fahrzeuggruppen Fahrzeugklassen Gesamtgewichts- und Achslast-verteilung Festlegung der maßgeblichen Verkehrslast 1 Modellverteilungen 2 Modellverteilungen 3 Verkehrszählungen, Wägedaten Anzumerken ist, dass die Fahrzeuggruppen stets bekannt sind, da auf Maut-Daten bzw. Verkehrszählungen zurückgegriffen wird. Hierbei lässt sich ein Problem bei der Ermittlung der Verkehrslast für ungebundene Pflasterstein-Aufbauten erkennen. Da das Schwerverkehrskollektiv grundlegend für Asphalt- und Betonstraßen entwickelt wurde und Maut- Daten für die Verteilung der Fahrzeuggruppen herangezogen werden, entspricht die Verkehrsbelastung nicht zwingend jener, welche für ungebundene Pflasterstein-Flächen üblich ist. Daraus resultiert eine Überschätzung der Verkehrsbelastung und eine damit zusammenhängende Überdimensionierung des Aufbaus. Die Anpassung des Verkehrskollektivs ist Gegenstand aktueller Forschungsprojekte. 2.2 Klima Die Tragfähigkeit des Untergrundes und damit auch weitergehend die Tragfähigkeit der ungebundenen unteren und oberen Tragschicht wird durch das Klima beeinflusst. Dies ist durch die unterschiedlichen Aggregatzustände des Wassers im Boden (flüssig, fest) begründet, welche durch unterschiedliche Temperaturen während des Jahres hervorgerufen werden. Im Winter, wenn das Wasser im Boden gefroren ist, nimmt die Tragfähigkeit zu und erreicht das Maximum des Jahres. Kommt es zur Temperaturzunahme im Frühjahr und daraus resultierend zu einem Auftauen des Eises, sinkt die Tragfähigkeit des Untergrunds aufgrund großer Wassermengen im Boden auf ein Minimum. Während der folgenden Monate nimmt der Wassergehalt im Boden ab, was zu einem Anstieg des Steifigkeitsmoduls führt. Zur Einteilung des Tragfähigkeitsverhalten wurden vier Klimaperioden, wie in [Tab. 2] dargestellt, repräsentativ für die klimatischen Verhältnisse in Österreich festgelegt. [3] Tab. 2: Untergrundtragfähigkeit abhängig von der Klimaperiode gemäß Litzka et al. [3] Klimaperiode Zeitraum E-Modul [MPa] Winter 16.12. - 15.03. 280 Frühjahr (Tauen) 16.03. - 15.05. 70 Übergang 16.05. - 15.06. 100 Sommer-/ Herbst 16.06. - 15.12. 140 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 435 Ansatz zur rechnerischen Dimensionierung ungebundener Pflastersteinaufbauten in Österreich Da die Tragfähigkeit der ungebundenen Tragschichten von jener des Untergrunds abhängt, variieren auch diese im Jahresverlauf. Das Verhältnis des E-Moduls von ungebundener unterer Tragschicht (uTS) zum Untergrund beträgt für 30 cm dicke Tragschichten 2,80. Für die Ermittlung der Tragfähigkeit der ungebundenen oberen Tragschicht (oTS) wird auf [Tab. 3] verwiesen, wobei eine zusätzliche Unterscheidung je nach U-Klasse der oberen Tragschicht laut der Richtlinie RVS 08.15.01 [5] zu berücksichtigen ist. [2] Tab. 3: Verhältnis E-Modul ungeb. obere Tragschicht (E-Modul-oTS) zu E-Modul ungeb. untere Tragschicht (E-Modul-uTS) laut FSV [2] Verhältnis E-Modul-oTS zu E-Modul-uTS Dicke ungeb. uTS [mm] 200 300 400 ungeb. oTS (Klasse U2, U3, U4) 1,40 1,22 1,12 ungeb. uTS (Klasse U6, U7) ungeb. oTS (Klasse U1) 2,38 2,08 1,89 ungeb. uTS (Klasse U6, U7) 2.3 Materialverhalten und Struktur Die einzelnen Schichten, für welche isotropes und linear elastisches Materialverhalten in der Berechnung angesetzt wird, werden mit den in [Tab. 4] genannten Parametern im FE-Oberbau-Modell berücksichtigt. Der E-Modul der Tragschichten und des Untergrundes variiert, wie in Kapitel 2.3 beschrieben, während des Jahres. entspricht der Dichte, der Querdehnzahl. Grundsätzlich sind die Materialparameter frei wählbar. Tab. 4: Materialeigenschaften gemäß FQP [6] Schicht E-Modul [MPa] ν [-] р [kN/ m³] Granitstein 32.700 0,25 26,0 Betonstein 32.000 0,15 24,0 Bettung 350 0,30 18,0 ungeb. oTS variiert 0,30 18,0 ungeb. uTS variiert 0,30 18,0 Untergrund variiert 0,30 16,0 3. Simulation - Finite Elemente Oberbau-Modell Mithilfe der in Kapitel 2 festgelegten Werte können die einzelnen Schichten sowie die Verkehrsbelastung im FE-Oberbau-Modell im Programm Abaqus/ CAE 2020 erstellt werden. Ergänzend muss das Verhalten (Verbund, Reibung) zwischen den Schichten bzw. Steinen sowie am Rand des Modells definiert werden. Das Verhalten der ungebundenen Schichten wird mithilfe eines Drucker-Prager Kappenmodells genauer beschrieben [7]. In Vorprojekten wurden diese fehlenden Modell-Parameter bestimmt und einer Validierung unter Zuhilfenahme eines realitätsnahen Großversuchs und Lastplattenversuchen unterzogen. [7, 8] Außerdem wurde das benötigte Verhalten zwischen den Steinen anhand von Reibungsversuchen bestimmt. [9] In den folgenden Kapiteln werden die Reibungsversuche sowie die festgelegten Modell-Parameter beschrieben. Zuletzt wird die Validierung des FE-Oberbau-Modells behandelt. 3.1 Reibungsversuche Für die Bestimmung des Reibungsverhaltens zwischen den Steinen wurden drei Versuche (in horizontaler, vertikaler und normaler Richtung der Fuge laut Abb. 2) entwickelt [10]. Zunächst wurden alle Versuche mit zwei unterschiedlichen Steintypen (Betonstein, Betonstein mit Verbundnoppen) durchgeführt. Wurde ein deutlich abweichendes Verhalten festgestellt, kam es zur Überprüfung von drei weiteren Steintypen (Granitstein, Wellenstein, Doppel-T-Stein). Dies war beim Versuch in horizontaler Richtung der Fall. Abb. 2: Darstellung der drei Richtungen der Reibungsversuche Bei den Versuchen in horizontaler und vertikaler Richtung wurden jeweils drei Steine desselben Steintyps mit verdichteten Fugen nebeneinander angeordnet und es wurde eine konstante, seitliche Einspannung aufgebracht. Anschließend wurde eine ständig zunehmende horizontale/ vertikale Last aufgebracht und gleichzeitig die horizontale/ vertikale Verschiebung des mittleren Steins bezogen auf die äußeren Steine gemessen. Die Versuche wurden mit unterschiedlichen seitlichen Einspannungen durchgeführt. [9-11] Aus den Versuchen konnte in vertikaler Richtung ein Reibungsbeiwert von 0,60 unabhängig vom Steintyp festgestellt werden. Dieser wird im FE-Programm beim tangentialen Reibungsverhalten zwischen Stein und Platte berücksichtigt. [10] Zusätzlich wird bei der Definition des horizontalen Reibungsverhalten zwischen Stein und Platte festgelegt, dass „Hard-Contact“ vorliegt und eine Trennung nach Kontakt möglich ist. Bei den Versuchen in horizontaler Richtung wurde ein Verhalten festgestellt, welches mithilfe eines Mohr-Coulomb-Reibungsgesetzes (Reibungswinkel , Kohäsion ) gemäß [Tab. 5] beschrieben werden kann. [9] Die Berücksichtigung im FE-Oberbau-Modell erfolgt hierbei über eine User-Subroutine, welche die Definition des tangentialen Reibungsverhaltens zwischen den Steinen mittels der angeführten Mohr-Coulomb-Parameter ermöglicht. 436 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Ansatz zur rechnerischen Dimensionierung ungebundener Pflastersteinaufbauten in Österreich Tab. 5: Mohr-Coulomb Reibungsparameter aus den Versuchen laut Hengl et al. [9] Steintyp [MPa] [°] Betonstein 0 49,69 Granitstein 0,0189 29,56 Wellenstein 0,0422 71,15 Betonstein mit Verbundnoppen 0,4994 57,64 Doppel-T-Stein 0,7519 62,23 In Normalen-Richtung wurden zwei Steine mit einer Fuge angeordnet. Einer der beiden Steine war fixiert, der andere durch eine ständig zunehmende horizontale Last beansprucht. Auch hier wurde die relative Verschiebung der Steine zueinander ermittelt. Unabhängig vom Steintyp lässt sich das Fugenverhalten in Normalen-Richtung mit dem in [Tab. 6] dargestellten Zusammenhang beschreiben. Bei der Definition des Reibungsverhaltens in Normalen-Richtung zwischen den Steinen im FE-Oberbau-Modell erfolgt die Einbindung dieses Verhaltens über eine „Pressure-Overclosure“ Bedingung. Tab. 6: Fugenverhalten in Normalen-Richtung gemäß Hengl et al. [9] Verformung [mm] Druckspannung [MPa] -0,50 0 0,00 0,0001 0,05 0,15143 0,10 0,35921 0,15 0,62114 0,20 0,93722 0,25 1,30745 0,30 1,73183 0,35 2,21036 0,40 2,74304 0,45 3,32987 0,50 3,97085 0,55 4,66598 3.2 Zusammenfassung der Modell-Parameter Zusätzlich zu den in Kapitel 3.1 beschriebenen Parametern zur Definition des Reibungsverhaltens werden die restlichen notwendigen Parameter für das FE-Oberbau- Modell im nachfolgenden Abschnitt beschrieben. Die Tragschichten und der Untergrund wurde über ein Drucker-Prager-Kappenmodell beschrieben. Dazu wurden die Ergebnisse des FE-Oberbau-Modells mit jenen von Lastplattenversuchen (später in Kapitel 3.3 beschrieben) verglichen und die Abweichungen so gut wie möglich minimiert. Eingabedaten des resultierenden Drucker- Prager-Kappenmodells für jede Schicht sind in [Tab. 7] angeführt. Zusätzlich sind für jede Schicht folgende Werte einzugeben: R = 0, ε 0 = 0 , α = 0 sowie K = 0. [Tab. 8] fasst die Eingabeparameter für das „Cap Hardening“ des Kappenmodells zusammen. Da es für die Bettung keine Versuche zur Validierung gab, wurden dieselben Eigenschaften wie für die ungebundene obere Tragschicht angenommen. [7] Tab. 7: Materialeigenschaften „Cap Plasticity“ für die ungebundenen Schichten gemäß Füssl et al. [7] Schicht [MPa] [°] ungeb. oTS 1,0 45 ungeb. uTS 0,8 45 Untergrund 0,3 35 Tab. 8: Beschreibung des „Cap Hardening“ für die ungebundenen Schichten gemäß Füssl et al. [7] hydrostatische Fließspannung [MPa] volumetrische plastische Verformung [-] 0 0 0,01 0,0141 0,03 0,0373 0,05 0,0551 0,07 0,0690 0,10 0,0845 0,15 0,1021 0,30 0,1241 0,40 0,1335 0,50 0,1405 Für das FE-Oberbau-Modell sind auch Randbedingungen sowie Reibungsbedingungen zwischen den verbleibenden Schichten, wie in Abb. 3 ersichtlich, festzulegen. An allen Außenflächen kommt es zu elastischen Bettungen und es wird voller Verbund zwischen Untergrund und ungeb. unterer Tragschicht, ungeb. unterer Tragschicht und ungeb. oberer Tragschicht sowie ungeb. oberer Tragschicht und Bettung angesetzt. [7] Um das FE-Oberbau-Modell möglichst nah an die Realität anzupassen, können folgende Verbandsarten berücksichtigt werden: Reihen-, Kreuzfugen-, Fischgrät- und Ellbogenverband. Zusätzlich zum Eigengewicht aller Schichten wird die Struktur mit einer vertikalen Radlast von 50 kN vereinfacht als Rechteckslast in der Mitte des Modells belastet. Der maßgebende Lastfall wird zunächst über alle möglichen Lastpositionen abhängig vom gewählten Verband überprüft. Nachfolgende Berechnungen haben für den maßgebenden Lastfall zu erfolgen. Aufgrund der Linearität des Modells, können die Berechnungsergebnisse skaliert werden. Daher muss ausschließlich eine Last für jede Klimaperiode und jede Achskonfiguration angesetzt werden. Die Achskonfigurationen der berücksichtigten Fahrzeuge gemäß Kapitel 2.1 können aus diesen Ergebnissen zusammengesetzt werden. Dies führt zu einer enormen Reduzierung des Rechenaufwands. 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 437 Ansatz zur rechnerischen Dimensionierung ungebundener Pflastersteinaufbauten in Österreich Abb. 3: Beispielhafte Darstellung des FE-Oberbau-Modells samt Parameter Für die Diskretisierung des FE-Oberbau-Modells wurden einheitlich rechteckige Elemente gewählt. Bei der Bettung wurden zudem quadratische Ansatzfunktionen gewählt, bei allen anderen Schichten lineare. 3.3 Modellvalidierung Das FE-Oberbau-Modell wurde für vertikale Belastungen im Rahmen eines früheren Forschungsprojekt validiert [8]. Hierfür wurden an sieben unterschiedlichen Pflasterplatten- und Pflasterstein-Auf bauten realitätsnahe Großversuche durchgeführt. Der grundlegende Aufbau entspricht dem Standardauf bau der Richtlinie RVS 03.08.63 [1] (3- cm Sandbettung, 20- cm ungebundene obere Tragschicht und 30-cm ungebundene untere Tragschicht). Für alle Auf bauten wurde ein Reihenverband gewählt. Vier der sieben Auf bauten wurden mit Sensoren ausgestattet, um beispielsweise vertikalen Druck in den ungebundenen Schichten (Oberseite der ungebundenen oberen Tragschicht bzw. des Untergrunds) zu messen. Die Daten der Sensoren wurden herangezogen, um die Ergebnisse der Testflächen mit jenen des FE-Oberbau-Modells zu vergleichen. [7] Die für die Validierung notwendigen Materialkennwerte für das FE-Oberbau-Modell wurden im Zuge der Großversuche bestimmt. Zusätzlich wurden FWD-Versuche am gesamten Auf bau vor und nach den Großversuchen sowie Lastplattenversuche beim Einbau der ungebundenen oberen und ungebundenen unteren Tragschicht sowie des Untergrunds durchgeführt. Die Betonsteine wurden Ultraschallmessungen (Betonsteine) unterzogen. [8] 4. Schadensbewertung und Lebensdauer Mithilfe der errechneten Spannungen und Verformungen aus dem FE-Oberbau-Modell kann die Anzahl ertragbarer Lastwechsel und damit die technische Lebensdauer des Auf baus berechnet werden. Plastische Verformungen aufgrund wiederholter Belastung sind hierbei der maßgebende Faktor für das Ende der Lebensdauer ungebundener Pflasterstein-Auf bauten. Um diese bei der Ermittlung der Lastwechsel berücksichtigen zu können, werden geeignete Schadenskriterien zur Berechnung der ertragbaren Anzahl an Lastwechsel N zul herangezogen. Die Lastwechsel der Einwirkungsseite N erw und jene der Widerstandsseite N zul haben stets [Gl. 1] zu erfüllen [12]. 4.1 Schadenskriterien Plastische Verformungen sind der einschränkende Faktor für die Lebensdauer des Straßen-Oberbaus in ungebundener Pflasterstein-Bauweise. Diese entstehen in den ungebundenen Schichten zufolge auftretender Verkehrsbelastung. Damit die Verformungen bei der Berechnung der Lebensdauer berücksichtigt werden können, werden sie mithilfe geeigneter Schadenskriterien bewertet. Bei der rechnerischen Dimensionierung ungebundener Pflasterstein-Auf bauten wird auf das 95-%-Shell-Kriterium zurückgegriffen. [13] Dieses Kriterium verknüpft die Anzahl an Lastwechsel mit den zulässigen Verformungen. [14] [Gl. 2] beschreibt das genannte Kriterium. Es werden die möglichen Lastwechsel für jedes Achsaggregat i, alle vorkommenden Fahrzeugklassen j und die vier Klimaperioden k ermittelt. Maßgebend hierbei ist die größte vertikale Verformung ε zz innerhalb der ungebundenen Schichten. Der Wert ß BZ ist konstant mit 0,018. (Gl. 2) 4.2 Bestimmung der Lebensdauer Um die Lastwechsel und damit die Lebensdauer des Oberbaus zu ermitteln, wird zunächst der Kehrwert von den Lastwechseln laut [Gl. 2] gebildet. Dies ergibt die zugehörige Schädigung C ijk für die auftretenden Achsaggregate i, Fahrzeugklassen j und Klimaperioden k wie folgt: 438 3. Kolloquium Straßenbau - Februar 2023 Ansatz zur rechnerischen Dimensionierung ungebundener Pflastersteinaufbauten in Österreich (Gl. 3) Diese wird benötigt, um die gewichtete Gesamtschädigung C zul zu berechnen. C zul errechnet sich aus der Auftretenswahrscheinlichkeit der einzelnen Fahrzeugklassen des Schwerverkehrskollektivs p j , sowie der Verteilung der Klimaperioden über das gesamte Jahr p k . (Gl. 4) Nach erneuter Bildung des Kehrwerts, erhält man die gesamt zulässige Anzahl an Lastwechsel N zul gemäß [Gl. 5]. (Gl. 5) Die Einwirkungsseite wird mithilfe von [Gl. 6] beschrieben. Dabei ist JDTLV die jährlich durchschnittliche tägliche Lastverkehrsstärke, V die Verteilung des Schwerverkehrs auf mehrere Richtungsfahrstreifen, S die Verteilung der Fahrspur innerhalb des Fahrstreifens, n die Bemessungsperiode in Jahren und z der jährliche Zuwachsfaktor. [15] Die benötigten Werte für V, S, n und z können der Richtlinie RVS 03.08.63 [16] entnommen werden. (Gl. 6) Zuletzt muss überprüft werden, ob [Gl. 1] erfüllt ist. Sollte der linke Teil der [Gl .1] einen Wert größer 1 ergeben, muss der Oberbau neu dimensioniert und die Berechnungen erneut durchgeführt werden. 5. Zusammenfassung und Ausblick Bisher können ungebundene Pflasterstein-Auf bauten in Österreich ausschließlich mithilfe eines Bemessungskatalogs dimensioniert werden. Dies führt zu hohen Bemessungsreserven und unwirtschaftlichen Auf bauten. In Zukunft soll durch die hier beschriebene rechnerische Dimensionierung eine alternative Bemessungsmethode geschaffen werden. Bei Verwendung der rechnerischen Dimensionierungsmethodik können projektspezifisch die tatsächlich auftretenden Materialkennwerte und Verkehrslasten ebenso in Rechnung gestellt werden wie unterschiedliche Steintypen, -formate und Verbandsarten. Auch Sonderbemessungen, für welche bis jetzt stets eine gesonderte Betrachtung notwendig war, können nun schnell durchgeführt werden. All dies führt zu wirtschaftlicheren Oberbauten bei gleichbleibender Lebensdauer. Literatur [1] FSV: RVS 03.08.63: Oberbaubemessung. Wien, Österreich: Österreichische Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr 2016. [2] FSV: RVS 03.08.68 Rechnerische Dimensionierung von Asphaltstraßen. Wien, Österreich: Österreichische Forschungsgesellschaft Straße-Schiene- Verkehr 2018. [3] J. Litzka, C. Molzer and R. 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Arraigada: Accelerated pavement testing on slab and block pavements using the mls10 mobile load si-mulator. In: Proceedings of the 4th international conference on accelerated pavement testing. 2012. Davis, CA, USA. [9] H. Hengl, W. Kluger-Eigl, M. Lukacevic, R. Blab and J. Füssl: Horizontal deformation resistance of paving block superstructures-Influence of paving block type, laying pattern, and joint behavior. In: Internacional Journal of Pavement Research and Technology 19(7)/ 2018, S. 1575-1594. [10] J. Füssl, W. Kluger-Eigl and R. Blab: Experimental identification and mechanical interpretation of the interaction behaviour between concrete paving blocks. In: International Journal of Pavement Engineering 17(6)/ 2016, S. 478-488. [11] R. Blab, W. Kluger-Eigl, J. Füssl, T. Hessmann and B. Gagliano: CR-Projekt Pflasterbauweisen 1. Forschungsjahr. 2014, S. 76. [12] R. Blab, L. Eberhardsteiner, K. Haselbauer, B. Marchart and T. 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