eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2025
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Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO2-Soll- und -Ist-Werte

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2025
Jana Wackenheim
Das Thema Nachhaltigkeit und die Erfassung, Bewertung und Reduzierung von Treibhausgasen (THG) spielt gerade in der emissionsintensiven Baubranche eine zunehmend zentrale Rolle. Bei Bauprojekten darf es dabei nicht ausreichen, die Emissionen lediglich vor Ausführung in der Planung zu ermitteln (Plan), sondern diese müssen auch den tatsächlichen Emissionen aus der Bauphase (Ist) gegenübergestellt werden. Durch den Abgleich der Soll- und Ist-Werte ergibt sich ein Steuerungsinstrument für die Baubeteiligten. Das ermöglicht im nächsten Schritt, einen CO2e-Schattenpreis einzuführen und bspw. die Bewertung von Angeboten um die Dimension der THG-Emissionen als zusätzliches Vergabekriterium zu erweitern. Hierfür wird jedoch zunächst ein System benötigt, um die Erfassung zu realisieren. Im Zuge zweier Masterarbeiten bei der HOCHTIEF PPP Solutions GmbH in Zusammenarbeit mit der Hochschule Biberach (HBC) wurde ein solches System entwickelt und ein Vorschlag erarbeitet, wie die Ermittlung der geplanten Soll- Emissionen vor Bauausführung, die Erfassung der tatsächlichen Ist-Emissionen während der Bauphase sowie deren Gegenüberstellung erfolgen kann. Diese Überlegungen wurden im Zuge eines Seminars mit Bachelorstudenten der HBC in einem Excel-Tool umgesetzt.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 25 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 -Soll- und -Ist-Werte Entwicklung und Anwendung an einem Praxisprojekt Jana Wackenheim HOCHTIEF PPP Solutions GmbH, Essen Hochschule Biberach Zusammenfassung Das Thema Nachhaltigkeit und die Erfassung, Bewertung und Reduzierung von Treibhausgasen (THG) spielt gerade in der emissionsintensiven Baubranche eine zunehmend zentrale Rolle. Bei Bauprojekten darf es dabei nicht ausreichen, die Emissionen lediglich vor Ausführung in der Planung zu ermitteln (Plan), sondern diese müssen auch den tatsächlichen Emissionen aus der Bauphase (Ist) gegenübergestellt werden. Durch den Abgleich der Soll- und Ist-Werte ergibt sich ein Steuerungsinstrument für die Baubeteiligten. Das ermöglicht im nächsten Schritt, einen CO 2 e-Schattenpreis einzuführen und bspw. die Bewertung von Angeboten um die Dimension der THG-Emissionen als zusätzliches Vergabekriterium zu erweitern. Hierfür wird jedoch zunächst ein System benötigt, um die Erfassung zu realisieren. Im Zuge zweier Masterarbeiten bei der HOCHTIEF PPP Solutions GmbH in Zusammenarbeit mit der Hochschule Biberach (HBC) wurde ein solches System entwickelt und ein Vorschlag erarbeitet, wie die Ermittlung der geplanten Soll- Emissionen vor Bauausführung, die Erfassung der tatsächlichen Ist-Emissionen während der Bauphase sowie deren Gegenüberstellung erfolgen kann. Diese Überlegungen wurden im Zuge eines Seminars mit Bachelorstudenten der HBC in einem Excel-Tool umgesetzt. 1. Einführung Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit mit weltweit spürbaren Auswirkungen. Gerade der Bausektor trägt hierbei große Verantwortung, da durch diesen mit ca. 38 % ein erheblicher Teil der globalen CO 2 e-Emissionen verursacht wird [1]. Das Thema Nachhaltigkeit und die Reduzierung des Treibhausgasausstoßes gewinnt in der emissionsintensiven Baubranche daher immer mehr an Bedeutung. Dafür ist es notwendig die Emissionen, die durch die Bauprozesse und eingesetzten Materialien entstehen, zu erfassen. Nur mit Kenntnis dieser, können gezielte Maßnahmen zur Emissionsreduzierung ergriffen werden. Die Erfassung von CO₂e-Emissionen bietet nicht nur eine Grundlage für die Quantifizierung der Klimabelastung, sondern ermöglicht es auch, effektive Maßnahmen zur Emissionsreduktion zu entwickeln und deren Wirksamkeit zu überprüfen. Insbesondere im Kontext steigender regulatorischer Anforderungen, wie den Anforderungen aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und nationaler Gesetzgebungen zur Klimaneutralität, wird die Bilanzierung der Emissionen zu einer verpflichtenden Aufgabe. Darüber hinaus gewinnen nachhaltige Baupraktiken und die Verwendung CO₂e-armer Materialien zunehmend an Bedeutung, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu unterstützen. Um CO 2 e-Emissionen korrekt messen und nachverfolgen zu können wird zunächst eine Systematik benötigt, die dies ermöglicht. Da die Bauprojekte und die dabei verbauten Baustoffe den maßgeblichen Anteil der CO 2 e- Emissionen von Bauunternehmen verursachen wird die Systematik zunächst beispielhaft an einem Bauprojekt entwickelt und dargestellt. Diese lässt sich aber auch auf alle anderen Bereiche, genauso wie andere Branchen, übertragen. Zunächst wird hierfür festgelegt, welcher Indikator innerhalb welcher Systemgrenzen betrachtet wird. Im Anschluss kann mit der eigentlichen Erfassung begonnen werden. Im Modell sind hierfür zwei Zeitpunkte der Erfassung vorgesehen: - Die Plan-Emissionen werden vor Bauausführung auf Basis der Kalkulation ermittelt. - Die Ist-Emissionen werden während der Bauausführung anhand der tatsächlichen Werte ermittelt. Im Anschluss erfolgt eine Nachbilanzierung, um Abweichungen zu erkennen und Maßnahmen zur Gegensteuerung zu identifizieren. In den folgenden Kapiteln werden für die CO 2 e-Bilanzierung notwendige Grundlagen beschrieben, der erarbeitet Prozess erläutert und das darauf basierende Excel-Tool sowie dessen Anwendung an einem erstem Praxisprojekt vorgestellt. Außerdem wird ein Ausblick gegeben, welche Möglichkeiten sich daraus für Bauunternehmen aber auch Vergabestellen ergeben. 2. Grundlagen Die Auswirkungen des Klimawandels machen eine präzise Erfassung und Bewertung von THG-Emissionen unerlässlich. In diesem Kapitel werden grundlegende Konzepte vorgestellt, die hierfür eine zentrale Rolle spielen: das Global Warming Potential (GWP), welches die Klimawirkung verschiedener Gase vergleichbar macht, die 26 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 Soll- und Ist-Werte Environmental Product Declarations (EPDs), als Datenquelle für Umweltindikatoren verschiedener Materialien und das Greenhouse Gas Protocol (GHG-Protocol), ein internationaler Standard zur systematischen Bilanzierung des Treibhauspotenzials. Diese Grundlagen schaffen die Basis für ein fundiertes Verständnis der CO₂e- Bilanzierung. 2.1 Global Warming Potential (GWP) Die Messung von Umweltauswirkungen erfordert spezifische Indikatoren, die ökologische Belastungen quantifizieren und vergleichbar machen. Solche Indikatoren ermöglichen es, komplexe Umweltfaktoren in Zahlen auszudrücken und fundierte Entscheidungen zur Minimierung negativer Effekte zu treffen. Bei der Ökobilanzierung und der THG-Emissionsbewertung werden Umwelteinflüsse von Produkten, Prozessen oder Dienstleistungen entlang ihres gesamten Lebenszyklus bewertet. Die Lebenszyklusphasen nach DIN 15804 umfassen hierbei die Herstellung, die Errichtung, die Nutzung, die Entsorgung und den Rückbau bzw. die Wiederverwendung. Da bei der Ökobilanzierung sämtliche Umweltauswirkungen, wie Energieverbrauch, Luft- und Wasserverschmutzung, Ressourcenverbrauch und die THG-Emissionen berücksichtigt werden, ist diese besonders umfassend. Bei der THG-Emissionsbewertung oder auch THG- Bilanz wird jedoch ausschließlich das Treibhausgaspotenzial, also der Beitrag zum Treibhausgaseffekt, bewertet. Der zentrale Indikator zur Bewertung des Klimawandels ist das Global Warming Potential (GWP), welches in CO 2 -Äquivalenten (CO 2 e) angegeben wird. Es handelt sich hierbei um eine Maßeinheit, die ermöglicht, verschiedene THG miteinander zu vergleichen und zu bewerten. Unter dem Begriff THG werden dabei die gemäß Kyoto Protokoll regulierten THG verstanden. Hierzu zählen Kohlenstoffdioxid (CO 2 ), Methan (CH 4 ), Lachgas (N 2 O), Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFCs), Schwefelhexafluorid (SF6) und Stickstofftrifluorid (NF 3 ) [2]. Das GWP drückt daher aus, wie stark die Klimawirkung (direkt und indirekt) eines Gases im Vergleich zu CO 2 ist. Treibhausgase wie Methan (CH 4 ) oder Lachgas (N 2 O) haben z. B. eine deutlich höhere Treibhauswirkung als CO 2 . Außerdem unterscheiden sich die Gase darin, wie lange sie in der Atmosphäre verbleiben. Jedem THG kann somit eine unterschiedlich starke Wirkung auf den Treibhauseffekt zugeschrieben werden und deren gesamtheitliche Wirkung als CO 2 e zusammengerechnet werden. Betrachtet auf einen Zeitraum von 100 Jahren wird das GWP von CO 2 als Referenzwert dabei mit 1 kg/ CO 2 e festgelegt. Methan hat aufgrund seiner deutlich größeren Absorptionsfähigkeit ein 28mal höheres GWP als CO 2 [3]. Damit schafft das GWP eine essenzielle Grundlage, um Klimawirkungen messbar und vergleichbar zu machen. 2.2 EPDs Als Hauptdatenquelle für die Bewertung von Umweltindikatoren, insbesondere dem CO 2 e, dienen sogenannte Environmental Product Declarations (EPDs). Diese basieren auf einer standardisierten Ökobilanz und stellen die Umweltwirkungen eines Produkts über dessen gesamten Lebenszyklus transparent und vergleichbar dar. Erstellt werden diese nach internationalen Normen wie der ISO 14025 und der EN 15804 und enthalten Angaben zu allen wesentlichen Umweltindikatoren. EPDs werden vor allem in der Bau- und Bauproduktebranche genutzt, um die Nachhaltigkeit von Materialien und Produkten zu bewerten. Zu finden sind EPDs in Datenbanken, wie der Ökobaudat. Außerdem gibt es weitere branchenspezifische Datenbanken im Baubereich, wie die Building Research Establishment Environmental Assessment Method (BREEAM) oder das Leadership in Energy and Environmental Design (LEED), die Informationen über die THG- Emissionen von Baumaterialien und -produkten bereitstellen können. Zukünftig wird darüber hinaus mit der im Juli 2024 eingeführten Ökodesign-Verordnung ein (digitaler) Produktpass eingeführt, mit dem primären Ziel, mehr Transparenz zu schaffen und umweltfreundliche Produkte zu fördern [4] [5]. Ergänzend hierzu sieht die Bauprodukte-Verordnung der EU, welche voraussichtlich 2025 in Kraft tritt, vor, dass der Hersteller für die Zulassung eines Bauproduktes zwingend das zertifizierte GWP des Produktes vorweisen muss [6]. Abbildung 1: Lebenszyklusphasen nach DIN EN 15804 [7] 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 27 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 Soll- und Ist-Werte In den EPDs werden verschiedene Lebenszyklusphasen in sogenannte Module untergliedert und diesen den entsprechenden Emissionen zugeordnet. Das Modul A umfasst dabei die Produktionsphase, Modul B die Nutzungsphase, Modul C die Entsorgungsphase und das Modul D die Vorteile und Lasten der Wiederverwertung. 2.3 Greenhouse Gas Protocol Das GHG Protocol ist der international führende Standard für die Erfassung und Berichterstattung über die von Unternehmen ausgestoßenen THG-Emissionen. Es gibt klare Richtlinien und Methoden für die Bilanzierung von THG-Emissionen vor und liefert damit eine wichtige Grundlage für die Überwachung und Reduzierung der Emissionen von Unternehmen und Organisationen. Bei der Erfassung werden die Emissionen in drei Kategorien, sogenannte Scopes unterteilt. Diese dienen der Kategorisierung und Abgrenzung der verschiedenen Quellen von THG-Emissionen. Abbildung 2: Scopes des GHG-Protocol [8] Scope 1 umfasst alle direkten Emissionen aus eigenen oder kontrollierten Quellen (z. B. Verbrennung fossiler Brennstoffe durch eigene Fahrzeuge). Scope 2 beinhaltet sämtliche indirekten Emissionen aus dem eigenen Energieverbrauch (z. B. Strom oder Fernwärme). Der Scope 3 deckt alle Emissionen ab, die infolge vor- oder nachgelagerter Tätigkeiten entstehen (z. B. gekaufte Waren oder Dienstleistungen), also alle weiteren Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. 3. Berechnung der Soll-Emissionen Zunächst müssen die Emissionen für die Baumaßnahme bzw. das Bauprojekt vor der eigentlichen Ausführung ermittelt werden. Hierfür müssen die zu betrachtenden Indikatoren sowie die Systemgrenze festgelegt werden. Im Anschluss kann dann die Ermittlung der Emissionen im Zuge der Planungsphase erfolgen. 3.1 Betrachtungsgrenzen Für die Betrachtung wird der Indikator GWP gewählt. Andere Indikatoren, wie Luft- und Wasserverschmutzung oder der Ressourcenverbrauch werden zunächst nicht betrachtet. Zukünftig kann es aber sinnvoll sein, weitere Indikatoren in die Betrachtung zu integrieren. Bauprojekte und die damit zusammenhängenden Bauleistungen stellen i. d. R. eine Kombination verschiedener Arbeiten und Prozesse dar, bei denen die verwendeten Materialien und Geräte direkte sowie indirekte THG- Emissionen verursachen. Da ein Großteil der Arbeiten durch Nachunternehmer (NUs) erbracht wird, deren Emissionen unter den Scope 3 fallen, macht dieser den größten Anteil aus. Dennoch sind im Modell auch die Scopes 1 und 2 zu erfassen. Da hier die eigenen Emissionen abgebildet werden, sind dies diejenigen Emissionen, auf die das Unternehmen selbst den größten Einfluss hat und damit die Erfolge von Reduktionsmaßnahmen direkt sichtbar werden. Die Unternehmen sind aktiv zu motivieren ihre eigenen Emissionen zu reduzieren und so eine Vorbildfunktion für ihre NUs zu übernehmen. Da die Bauphase als Basis des gesamten Lebenszyklus gilt, dort der Anteil an verbautem Material und eingesetzten Ressourcen besonders hoch ist und hier am meisten Einfluss auf den gesamten Lebenszyklus ausgeübt werden kann, wird die Betrachtung zunächst auf die Herstellungs- und Bauphase beschränkt. Da sie zudem zeitlich begrenzt sind, ist eine klare Abgrenzung möglich, wodurch die Datenerfassung erleichtert wird. Die nachgelagerten Emissionen, die sich aus der Nutzung, der Erhaltung, dem Betrieb und dem Rückbau ergeben, werden 28 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 Soll- und Ist-Werte zunächst nicht betrachtet, da die dort entstehenden Emissionen nur sehr schwer prognostizierbar sind, mit vielen Unsicherheiten verbunden und von vielen Variablen abhängig sind. Dennoch ist langfristig eine Betrachtung des gesamten Projektlebenszyklus notwendig, um die Umweltauswirkungen vollständig zu erfassen. Für ein Bauprojekt werden im vorgeschlagenen Modell somit die vorgelagerten Emissionen für Herstellung und Transport der eingesetzten Baustoffe, sowie die direkt durch die Bauprozesse z. B. infolge von Kraftstoffverbräuchen ausgestoßenen THG-Emissionen einbezogen. Vorerst beschränken sich das Modell dabei auf die Betrachtung von Infrastrukturmaßnahmen. Die Emissionen müssen dabei in direktem Zusammenhang mit der Baumaßnahme stehen und dieser direkt zugeordnet werden können. Emissionen, die nur indirekt durch die Bauleistung verursacht werden, z. B. Emissionen der Zentralabteilungen eines Bauunternehmens, wie die Personalabteilung o. ä., werden nicht einbezogen. Auch Emissionen infolge der entstehenden Abfälle und deren Entsorgung werden nicht berücksichtigt. Der Rückbau, also bspw. das Abfräsen von alten Straßenschichten, wird über den Geräteeinsatz und die Transportentfernungen der Abtransporte einbezogen. Der Entsorgungsprozess der ausgebauten Materialien bei den Entsorgungsbetrieben wird nicht betrachtet. Dies liegt daran, dass im Infrastrukturbau, insbesondere beim Straßenbau, der Großteil der Materialien recycelt bzw. auf bereitet und wiederverwendet wird. Die sich so ergebenden Emissionen werden bei der Herstellung des Materials sowieso einbezogen und würden sonst doppelt angesetzt. Abbildung 3: Festgelegte Systemgrenze für die Emissionsberechnung [9] 3.2 Plan-CO 2 e-Emissionen Um die CO 2 e-Emissionen vor der eigentlichen Bauausführung ermitteln zu können müssen zunächst alle erwarteten Mengen kalkulatorisch ermittelt werden. Die sich daraus ergebenden Massenbilanz für die eingesetzten Materialien und verbrauchten Treibstoffe kann dann mit den zugehörigen Emissionsfaktoren verrechnet werden. Hierfür ist es wichtig, dass die Materialien mit ihren produktspezifischen Eigenschaften, wie Betongüte, Druckfestigkeit oder Stahlbzw. Asphaltsorte jeweils separat erfasst werden. Je nach Materialeigenschaft können sich nämlich die Emissionsfaktoren unterscheiden. Die ermittelten Mengen werden mit ihren spezifischen CO 2 e-Fußabdrücken multipliziert. Für die meisten Baumaterialien liegen in Datenbanken bereits generische Werte vor. Auch einige Lieferanten sind bereits in der Lage, die spezifischen CO 2 e -Werte ihrer Produkte zu liefern. Sollten keine Werte vorliegen, können diese über den Herstellungsprozess und dessen Prozessemissionen sowie die eingesetzten Energieträger errechnet werden [10] [11]. Wichtig ist hierbei, dass nur die Emissionen aus dem Modul A (Herstellungs- und Bauphase: A1-A5) angesetzt werden. Abschließend können dann die Ergebnisse der CO 2 e-Bilanz anschaulich dargestellt und ausgewertet werden. Dabei werden die errechneten Werte noch einmal kritisch geprüft und hinterfragt, um eine Berücksichtigung aller relevanten THG-Emittenten sicherzustellen. Es gilt immer, je spezifischer die angesetzten Emissionsfaktoren sind, desto genauer wird die Berechnung des Plan-Wertes. Beispielsweise sind konkrete Angaben zu Transportentfernungen oder EPDs vom Produzenten, sofern diese schon bekannt sind, immer den generischen Werten aus z. B. der Ökobaudat vorzuziehen. Da die Preiskalkulation vor Bauausführung grundsätzlich aufgrund von Mengen und Leistungsansätzen durchgeführt wird, ist es sinnvoll, zukünftig die Ermittlung der CO 2 e -Fußabdrücke dort bereits zu integrieren. Dafür müssten im Kalkulationsprogramm die entsprechenden Formeln sowie CO 2 e-Werte aus Datenbanken hinterlegt oder verknüpft werden. So können neben den Einzelkosten der Teilleistung (EdT) auch die Einzelemissionen der Teilleistung (EET) ermittelt werden. Somit wird es möglich, die THG-Emissionen als eine Art zweite Währung je Teilleistung zu verstehen und bereits während der Kalkulation Optimierungspotenziale zu identifizieren. Analog zur Preisbildung wird über die Summe der Einzelemissionen der Teilleistungen die Einheitsemission (EE) für jede LV-Position ermittelt. Multipliziert mit der Ge- 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 29 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 Soll- und Ist-Werte samtmenge ergibt sich die Gesamtemission (GE) für die jeweilige LV-Position. Vor tatsächlichem Baustart besteht so die Möglichkeit, die voraussichtlich durch das Bauprojekt verursachten Emissionen, einzuschätzen und aufgegliedert nach Emissionsverursacher darzustellen. 3.3 Vorteile aus der Erfassung der CO 2 e vor Bauausführung Aus der frühzeitigen zahlenmäßigen Erfassung der THG-Emissionen ergeben sich zwei wesentliche Vorteile. Durch das Hinzufügen der Emissionen als eine Art zweite Währung im Kalkulationsprogramm werden diese bereits in der Kalkulation ersichtlich. Somit bietet sich die Möglichkeit, nicht nur den Preis, sondern auch die THG-Emissionen zu optimieren. Dadurch kann schon in der Planung Einfluss auf die erwarteten Emissionen genommen werden. Durch eine einheitliche Erfassungsmethode ist es im Anschluss möglich verschiedene Angebote für ein Projekt nicht nur preislich, sondern auch in Bezug auf die erwarteten Emissionen zu vergleichen. So können Auswirkungen verschiedener Bauweisen und Materialien nicht nur in der Dimension der Kosten, sondern auch hinsichtlich deren Emissionen, untersucht werden. Außerdem bildet die Erfassung der projektspezifischen THG-Emissionen eine wichtige Grundlage für eine mögliche CO 2 - Bepreisung. In diesem Zusammenhang ergibt sich die Möglichkeit, die Emissionen als Bewertungskriterium auch bei Vergaben von Projekten einzubeziehen, was wiederum mit der bereits genannten Vergleichbarkeit einhergeht. Bei der Vergabe von Bauleistungen können Vergabestellen in diesem Fall neben den Kosten die Dimension der THG-Emissionen in der Bewertung berücksichtigen, wodurch umweltfreundlichere Bauweisen und Produkte gefördert werden. Dies kann entweder direkt über einen CO 2 e-Schattenpreis oder indirekt durch Einführung eines zusätzlichen Vergabekriteriums erfolgen [12]. Für die Bauunternehmer entsteht dadurch ein Anreiz, ein Optimum zwischen den Herstellkosten und den ausgestoßenen Emissionen anzustreben. 4. Ermittlung der Ist-Emissionen In den folgenden Abschnitten wird beschrieben, was unter Plan-, Soll- und Ist-Werten zu verstehen ist. Außerdem wird erläutert, wie die Ist-Emissionen erfasst werden können und warum dies notwendig ist. 4.1 Plan/ Soll/ Ist Am Ende der Angebotskalkulation vor Bauausführung und Zuschlagserteilung werden Plan-Werte ermittelt. Diese ergeben sich aus den kalkulierten Mengen an Material, Maschinen, etc. je ME, den dazugehörigen Plan- CO 2 e-Emissionen und der geplanten Ausbringungsmenge je ME. Die Zusammenhänge zwischen Plan-, Soll- und Ist-CO 2 e-Werten lassen sich aus den Grundlagen der Kostenrechnung herleiten. Werden die Plan-CO 2 e-Werte an die Soll-Ausbringungsmenge angepasst, die sich aus möglichen Leistungsänderungen ergeben, wird von Soll-CO 2 e-Werten gesprochen. Die Ist-CO 2 e-Werte ergeben sich aus der tatsächlich eingesetzten Ressourcenmenge, also der Ist-Ausbringungsmenge und den zugehörigen Ist-CO 2 e -Werten. Die Soll-CO 2 e-Werte geben damit an, welche Emissionen nicht überschritten werden dürfen und haben damit Vorgabecharakter im Hinblick der Überprüfung der Ist- CO 2 e-Werte. Das folgende Schaubild veranschaulicht die Zusammenhänge zwischen Plan-, Soll- und Ist-Werten. Abbildung 4: Zusammenhang Plan-, Soll- und Ist-Emissionen 30 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 Soll- und Ist-Werte Aufgrund von Leistungsänderungen kann es dazu kommen, dass die geplante Ausbringungsmenge auf die Soll- Ausbringungsmenge angepasst werden muss. Daher muss auch eine Anpassung der zulässigen Emissionen auf Grundlage der Soll-Ausbringungsmenge erfolgen. Die so errechneten Soll-Gesamtemissionen dienen als neue Vergleichsgrundlage bzgl. der Zieleinhaltung. Der Berechnung der Soll-Gesamtemissionen die Ist-Ausbringungsmenge zugrunde zu legen wäre falsch, da Soll- und Ist-Ausbringungsmenge sich häufig unterscheiden. Beispielsweise kommt es vor, dass aufgrund von Verschwendung mehr Material angeliefert, als tatsächlich verbaut wird. Wenn der AN selbstverschuldet mehr Menge ausbringt, als gemäß Soll vereinbart war, dann darf er davon nicht profitieren, indem diese Mehrmenge in den Soll-Gesamtemissionen berücksichtigt wird. Zu Beginn des Abgleichs steht ein Plan-CO 2 e-Wert, der im Zuge der Kalkulation der Baumaßnahme ermittelt wurde. Dieser beruht auf kalkulierten Mengen sowie angenommenen CO 2 e-Werten für die jeweils eingesetzten Materialien und Baumaschinen. Er wird aus der Summe sämtlicher Emissionen für alle LV-Positionen ermittelt. Der Ist-Wert ergibt sich nach Abschluss der Maßnahme aus den tatsächlich eingebauten Mengen und den zugehörigen möglichst genauen Ist-CO 2 e-Werten. Ein Plan- Ist-Abgleich ist somit möglich. Allerdings kommt es im Zuge der Bauausführung häufig zu Änderungen, die sich nicht nur auf die geplanten Kosten und Termine auswirken, sondern ebenso auf die Plan-CO 2 e-Emissionen. Daher muss der Plan-Wert in einen Soll-Wert umgewandelt werden, welcher dann zukünftig im Vergleich als einzuhaltender Zielwert gilt. 4.2 Erhebung der CO 2 e-Ist-Daten Für die Durchführung des bereits beschriebenen Soll-Ist- Abgleichs ist die Bestimmung der tatsächlichen Emissionen erforderlich. Damit die Werte vergleichbar sind müssen dieselben Systemgrenzen wie bei der Ermittlung vor Bauausführung angewendet werden. Jede Abweichung von diesen vorher definierten Grenzen führt dazu, dass die erhaltenen Werte nicht mehr vergleichbar sind. Der Anwendungsbereich beschränkt sich somit zunächst wieder auf die Herstellungs- und Bauphase (Module A1-A5). Für die Ermittlung der CO 2 e-Ist-Daten werden einerseits die CO 2 e-Werte je ME, sowie die tatsächliche Ausbringungsmenge benötigt. Wo möglich sollte bei den CO 2 e-Werten auf spezifische Werte der Hersteller zurückgegriffen werden oder die Emissionsfaktoren mithilfe von Angaben der Hersteller berechnet werden. Die in Datenbanken öffentlich einsehbaren Werte bilden nämlich häufig nur Mittelwerte der ausgewählten Produktgruppen ab. Je konkretere Infos zum tatsächlich verbauten Produkt oder genutzten Treibstoff, etc. vorliegen, desto besser. Neben den spezifischen Emissionsfaktoren werden noch die tatsächlichen Mengen benötigt. Die Mengen ergeben sich im Wesentlichen aus Lieferscheinen oder Rechnungen. Neben den Materialmengen sind auch Informationen zu den, für den Transport und den Einbauprozess eingesetzten, Maschinen und Verbräuchen für die Ermittlung des CO 2 e-Ist-Fußabdrucks relevant. Hierbei sollten möglichst genaue Angaben von den beteiligten Firmen geliefert werden. Dazu zählen die Transportentfernung, die Kraftstoffart, der Kraftstoffverbrauch und die Spezifikation der für den Bauprozess verwendeten Geräte. Als Hilfsinstrument können dabei digitale Datenerfassungssysteme wie Q-point [13] oder auch Tankkartenabrechnungen herangezogen werden. Wichtig ist es, die THG-Emissionen, die Mengen und die weiteren relevanten Informationen an einer zentralen Stelle zusammenzuführen. Dort ist eine strukturierte und nachvollziehbare Speicherung notwendig. Für die (automatisierte) Datensammlung werden dann Schnittstellen zu digitalen Plattformen, wie ERP-Systemen oder Datenerfassungsplattformen, benötigt. Außerdem ist eine Schnittstelle zu den einzelnen Projektbeteiligten erforderlich, über welche diese ihre Informationen bereitstellen können. In diesem Zuge ist auch die Genauigkeit, Zuverlässigkeit sowie die Verfügbarkeit der Datenquellen zu berücksichtigen. Die Idealvorstellung zur Erfassung der Ist-Emissionen sieht vor, dass die Mengen und zugehörigen spezifischen Emissionsfaktoren direkt auf den Rechnungen oder Lieferscheinen durch den Hersteller oder das ausführende Unternehmen vermerkt werden. Die Ermittlung kann dann automatisiert über das ERP-System selbst oder über das Auslesen mittels automatisierter Texterkennung und künstlicher Intelligenz (KI) erfolgen. Mithilfe von trainierten Modellen und Mustervergleichen könnten so z. B. CO 2 e-relevante Daten wie Emissionswerte, Energieverbräuche oder Transportkilometer zuverlässig aus den Rechnungen ausgelesen werden. Neben der Optimierung und Automatisierung des Datenflusses kann die KI auch für die Datenvalidierung verwendet werden. KI-Systeme können bspw. die extrahierten CO 2 e-Werte mit vorhandenen Datenquellen oder externen Referenzdatenbanken abgleichen, um deren Richtigkeit zu validieren. Dadurch können mögliche Fehler und Inkonsistenzen erkannt und die Qualität der erfassten THG-Emissionen verbessert werden. Der Idealfall, in dem auf Rechnungen angegebene CO 2 e- Werte automatisch erkannt und in die Buchführung implementiert werden, ist derzeit noch eine Zukunftsvision. Obwohl die automatisierte Texterkennung und das maschinelle Lernen bereits große Fortschritte gemacht haben, gibt es noch einige Herausforderungen zu bewältigen, um diese Vision zu verwirklichen. Aktuell ist es vielen Unternehmen noch nicht möglich, die Emissionen von ihren Produkten oder Leistungen anzugeben, geschweige denn, diese in ihren Rechnungen zu implementieren. Aus diesem Grund wird eine Übergangslösung für die Ermittlung der CO 2 e-Ist-Emissionen benötigt. Um die Emissionen erfassen zu können, ist eine Zusammenarbeit entlang oftmals komplexer und firmenübergreifender Lieferketten erforderlich. Hierfür eignet sich der Einsatz von Erfassungstools, in denen die emissionsrelevanten Daten zusammengetragen werden können. Solche Tools existieren bereits und können als Vorbild herangezogen werden. Siemens initiierte beispielsweise das offene Estainium Netzwerk, mit dem Hersteller, Lieferanten, Kunden und Partner Daten zum CO 2 e-Fußabdruck austauschen können [14]. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 31 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 Soll- und Ist-Werte Abbildung 5: Beispielausschnitt aus dem Entwurf für ein Erfassungstool für Nachunternehmer [9] Über ein Erfassungstool sollen die jeweiligen Projektbeteiligten relevante Infos, wie Materialmengen, Transportentfernungen oder Maschinenverbräuche, einpflegen. Die Emissionswerte, die mit den jeweiligen Mengen verrechnet werden, werden ebenfalls über das Tool erfasst und abgebildet. Da bisher nur wenige eigene bzw. tatsächliche Emissionswerte vorliegen, ist gerade für den Anfang der Zugriff auf Datensätze von Durchschnittswerten aus Datenbanken notwendig. Das Ziel ist dennoch, möglichst viele eigene Emissionswerte für die Berechnung der Ist- CO 2 e-Emissionen anzusetzen. Besonders relevant sind die produkt- und lieferantenspezifischen Werte der eingebauten Materialien. Dafür wird eine Schnittstelle im Tool geschaffen, über die Lieferanten ihre produktspezifischen Emissionswerte bzw. die Basiswerte zu deren Ermittlung hinterlegen können. 4.3 Warum ist ein Soll-Ist-Abgleich nötig? In der Praxis kann eine Abfrage der Plan-Emissionen dazu führen, dass Unternehmen „bewusst niedrige“ Werte für die Emissionen ausweisen, um z. B. einen Auftrag zu erhalten. Solchem Fehlverhalten, durch bewusste Angabe zu niedriger Werte, kann entgegengewirkt werden, indem nach erfolgter Bauausführung die tatsächlichen CO 2 e-Werte den kalkulierten entgegengestellt werden. Bei Abweichungen wird eine Sanktionierung der daraus entstehenden Folgen gefordert. Wichtig ist hierbei, dass der im Angebot benannte Plan-CO 2 e-Wert, wie der Angebotspreis, als vertraglich vereinbarte Eigenschaft des Werkes gilt und damit Teil des geschuldeten Werkerfolgs darstellt. Für die Gegenüberstellung sind somit Plan-, Soll- und Ist-Werte nötig. Um festzustellen, ob die Planvorgaben, also z. B. die in der Kalkulation vor Bauausführung ermittelten Plan- CO 2 e-Werte, über- oder unterschritten werden, gibt es die Realisationskontrolle. Hierbei handelt es sich um einen Soll-Ist-Abgleich. Ein Gegensteuern bei negativer Abweichung ist dabei im konkreten Einzelfall jedoch nicht mehr möglich. Daher ist es besonders wichtig, frühzeitig eine Prognose des erwarteten Ist-Werts auf Grundlage der bisher ausgeführten Leistungen durchzuführen. Aus dem Soll-Ist-Vergleich wird damit ein Soll-Wird-Vergleich, auch Fortschrittskontrolle genannt. Hier ist ein Gegensteuern noch möglich, da zwei Zukunftswerte miteinander verglichen werden [15]. Der Soll-Istbzw. Soll-Wird-Abgleich dient somit als zusätzliches Kontrollaber auch Steuerungsinstrument. Wichtig ist hierbei, dass die Emissionen kontinuierlich aktualisiert und an den Projektfortschritt angepasst werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass zu jedem Zeitpunkt die bis dahin tatsächlich verursachten sowie prognostizierten Gesamtemissionen bekannt sind. Damit den Ist-Emissionen zum jeweiligen Zeitpunkt die entsprechenden Soll-Emissionen gegenübergestellt werden, sind die Soll-Emissionen entsprechend dem jeweiligen Leistungsstand der Baustelle hochzurechnen. Der Leistungsstand ergibt sich aus den in den Rechnungen freigegebenen Fertigstellungsgraden. Dies ermöglich ein Eingreifen und falls notwendig das Einleiten von Gegenmaßnahmen. 32 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 Soll- und Ist-Werte Abbildung 6: Gegenüberstellung der Soll- und Ist-Emissionen [9] Damit potenzielle Abweichungen direkt erkannt werden können empfiehlt es sich den Soll-Ist-Abgleich zu visualisieren. Dafür eigenen sich farbliche Hervorhebungen sowie die Verwendung von Schaubildern und Diagrammen. Der wesentliche Kernpunkt ist zunächst die Disziplinierung der Unternehmen. Durch das Wissen über die Kontrolle und Überprüfung der bei der Vergabe angegebenen Werte werden sich die Unternehmen bemühen, die Plan- Werte möglichst genau zu berechnen und anzugeben [15]. Zusätzlich dazu kommt es durch die Feststellung von Ist- Werten, die in diesem Sinne mit der Nachkalkulation vergleichbar sind, zum Auf bau von Erfahrungswissen. Damit die Unternehmen die vereinbarten Soll-Werte auch tatsächlich versuchen einzuhalten, reicht es nicht aus, die tatsächlichen Ist-Werte zu ermitteln und diese den geplanten Werten gegenüberzustellen. Um einen Anreiz zu schaffen die Ziele auch wirklich einzuhalten, bedarf es Konsequenzen bei Überschreitungen und ggf. Anreize für Unterschreitungen. Haben Unternehmen bei Nichteinhaltung der Ziele keine Konsequenzen zu erwarten, so gibt es keinen Anreiz, sich um deren Einhaltung zu bemühen. Außerdem kann nur so eine gewisse Fairness und Gerechtigkeit sichergestellt werden, wenn Unternehmen, die sich bemühen die Ziele einzuhalten, im Vergleich zu anderen nicht bevorzugt werden. Abbildung 7: mögliche visuelle Darstellung des Soll-Ist-Abgleichs nach Bauabschluss [9] 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 33 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 Soll- und Ist-Werte In diesem Zuge erscheint die Einführung eines Bonus- Malus-Systems sinnvoll. Bei Nichteinhaltung der vereinbarten Emissionsziele droht eine Pönalisierung für den Verursacher. Ein Beispiel hierfür sind Vertragsstrafen bei Überschreitung der vereinbarten Fertigstellungsfrist. Übertragen auf die CO 2 e-Emissionen ist eine Vertragsstrafe je Tonne CO 2 e, die über den vereinbarten Soll-Wert hinausgeht, denkbar. Da dies jedoch dazu führen könnte, dass die Unternehmen lediglich versuchen die Soll- Werte einzuhalten, diese jedoch nicht weiter zu verbessern, ist hierfür zusätzlicher Anreiz notwendig. Nur wenn über eine Strafe hinaus ein Anreiz geschaffen wird, die Emissionen noch weiter zu senken als vereinbart, steigt die Motivation für nachhaltiges Handeln über den definierten Rahmen hinaus. Ein zusätzliches Bonussystem kann z. B. durch finanzielle Vorteile dafür sorgen, Anreize für Unternehmen zu schaffen, ihre THG-Emissionen unter den vereinbarten Werten zu halten oder sogar darüberhinausgehende Reduktionen zu erreichen [16]. Dabei sollte das System möglichst einfach aufgebaut sein, sodass eine Überschreitung beim Soll-Ist-Abgleich je Tonne CO 2 e einen gewissen Eurobetrag Strafe gegenübersteht. Analog dazu wird jede Tonne CO 2 e, die am Ende eingespart werden konnte, mit einem finanziellen Bonus gewürdigt. Die Beträge werden dann zum Projektende mit der Schlussrechnung abgerechnet. 5. Anwendung im Praxisprojekt Wie bereits beschrieben sieht das Modell zwei Zeitpunkte der Erfassung der Emissionen vor. Eine vor Bauausführung während der Planung und eine weitere zur Überprüfung während bzw. nach der Bauphase. Im Zuge eines Pilotprojekts zur Untersuchung, ob CO 2 e vergabesicher als Ausschreibungskriterium eingeführt werden können, wurde ein digitales Abfragetool gemeinsam mit SUSTRAVIA entwickelt, mit dem vor der Ausführung Emissionen durch die Bieter ermittelt werden konnten. Die Bieter hatten so die Möglichkeit neben einem grauen Angebot (nur Preis) auch ein grünes Angebot (Preis und CO 2 -Emissionen) abzugeben. Mithilfe des vom Umweltbundesamt für das Jahr 2023 empfohlenen CO 2 -Schattenpreises von 237€/ tCO 2 e ergaben sich für die grünen Angebote eine geänderte Bieterreihenfolge, ohne dabei den Bestbietenden zu tauschen. Das eingesetzte digitale Webtool bot die Möglichkeit, generische Angaben zu den eingesetzten Materialien, den Transportwegen und eingesetzten Geräten sowie deren Einsatzdauern einzupflegen. Auch spezifische Emissionsfaktoren konnten hinterlegt werden, sofern diese durch einen Nachweis bestätigt werden konnten. Das Tool ermittelte automatisch die entstehenden Emissionen, die von den Bietern mit dem Angebot eingereicht wurden. Da es bei dem Projekt erstmal darum ging, zu prüfen, ob ein solches zusätzliches Vergabekriterium den Wettbewerb einschränkt und welche Auswirkungen sich aus dem CO 2 -Schattenpreis generell ergeben, wurde der mit dem Angebot eingereichte CO 2 -Wert des Bieters, welcher den Zuschlag erhielt, nicht vertraglich fixiert. Dennoch wurden nach Ausführung der Maßnahme die tatsächlichen Ist-Emissionen ermittelt. Dies erfolgte über Lieferscheine, aus welchen mittels Bilderkennung die Materialmengen, deren Spezifikationen sowie die Transportentfernungen ermittelt wurden. Zusätzlich erfolgte eine manuelle Abfrage der tatsächlich eingesetzten Geräte und deren Einsatzdauern und Verbräuche. Für die Sanierung der Deck- und Binderschicht der ca. 7,4ha asphaltierte Fläche eines Autobahnrastplatzes der A6 bei Bad Rappenau ergaben sich normiert auf die Ist-Materialmenge Abweichungen von ca. 3,1 %. Da es sich um ein verhältnismäßig kleines Bauprojekt und eine kurze Projektdauer von ca. 2 Wochen handelte, erfolgte keine kontinuierliche Emissionserfassung während der Bauphase, da ein Gegensteuern in dieser kurzen Zeit nur schwer möglich ist. Für größere Projekte mit längeren Projektdauern sollte die kontinuierliche Erfassung der Emissionen in Abhängigkeit des Baufortschritts und der damit zusammenhängende Soll-Ist-Abgleich aber in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Abbildung 8: Screenshot aus dem digitalen Webtool der SUSTRAVIA 34 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 Soll- und Ist-Werte Mit dem Thema Soll-Ist-Abgleich und dem Zusammenführen aller CO 2 e-relevanten Informationen von den verschiedenen Projektbeteiligten haben sich die Bachelorstudierenden des Studiengangs Projektmanagement (Bau) der HBC im Rahmen einer Seminararbeit beschäftigt. Die ca. 20 Studierenden entwickelten hierbei mit Unterstützung durch das Nachhaltigkeitsteam der HOCHTIEF PPP Solutions GmbH ein Excel-Tool, in welchem neben der Ermittlung der Soll- und Ist-Emissionen auch direkt ein Soll-Ist-Abgleich ausgeführt wird. Über Input-Masken für die verschiedenen Baubeteiligten können alle relevanten Daten für die Plan-, Soll- und Ist-Emissionen eingegeben werden. Der Soll-Ist-Abgleich erfolgt anschließend automatisch. Beim Erstellen des Soll-Ist-Abgleichs ist dabei wichtig, dass die Soll-Emissionen auf den jeweiligen Leistungsstand heruntergerechnet werden, um diese den tatsächlichen Ist-Emissionen gegenüberzustellen. Die Ist-Emissionen spiegeln dabei immer den aktuellen Projektstand wider. Die Soll-Emissionen wurden hingegen für das Gesamtprojekt ermittelt und müssen entsprechend angepasst werden, um einen zielführenden Abgleich zu ermöglichen. Dies geschieht zunächst aus dem Technischen Controlling, abgeleitet über den Quotienten Ist/ Soll, welcher mit dem ursprünglichen Plan-Wert multipliziert wird. Abweichungen zwischen den sich so ergebenden Soll- und Ist-Werten werden farblich hervorgehoben. Später sollte zur genaueren Berechnung der Hochrechnung bzw. Erstellung einer Prognose eine Verknüpfung mit dem Projektterminplan erfolgen. Ein Terminplan mit festgelegten Stichtagen für das Monitoring gibt automatisiert die prozentualen Soll-Fortschritte der Positionen zum Stichtag an. Somit ist auch eine Hochrechnung bzw. Prognose umsetzbar. Ohne eine Prognose besteht die Gefahr, dass falsche Rückschlüsse aus der Hochrechnung gezogen werden. Fallen beispielsweise maschinenintensive Arbeiten nur zum zeitlichen Beginn einer Position an, lässt die reine Hochrechnung fälschlich vermuten, dass die Ist-CO 2 e-Werte die Soll-CO 2 e-Werte im weiteren Projektverlauf überschreiten werden. Alternativ kann der aktuelle Projektstand über eine Abfrage vom Anwender, also z.-B. einem Bauleiter, direkt abgefragt werden. [17] Die beiden Anwendungen aus der Praxis haben gezeigt, dass eine Erfassung der Emissionen vor und nach der Bauausführung möglich und sinnvoll ist. Wichtig ist es hierbei, den beteiligten Unternehmen die richtigen Hilfsmittel an die Hand zu geben, sodass diese mit möglichst geringem Aufwand und ohne Vorkenntnisse ihre Emissionen ermitteln können. 6. Ausblick Für die Ermittlung der CO 2 e-Emissionen werden sehr große Datenmengen gesammelt und verarbeitet. Dabei stellt deren effiziente Verwaltung und Verarbeitung eine große Herausforderung dar. Die korrekte Erfassung, Verifizierung und Zuordnung dieser Daten an den richtigen Stellen erforderten einen zeitaufwändigen und präzisen Prozess. Die Automatisierung der Schnittstellen und der Datenzusammenführung wird hierbei ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Implementierung des Prozesses sein. Neben der Optimierung und Vereinfachung der Schnittstellen wird es zukünftig auch wichtig sein, weitere Bereiche in die Betrachtungen aufzunehmen. So stellt die Bilanzierung von Hochbauprojekten neue Ansprüche an die Datenerfassung, da hier andere Materialien verarbeitet werden, sich die Bauprozesse teilweise unterscheiden und deutlich mehr Gewerke beteiligt sind. Darüber hinaus ist zu definieren, ob und wie die bei Projekten eingesetzten Baugeräte in der Bilanzierung zu berücksichtigen sind. Um zukünftig den gesamten Lebenszyklus abzudecken, ist es notwendig auch die Phasen Betrieb, Rückbau und Wiederverwertung in die Betrachtung aufzunehmen. Hierbei wird es jedoch besonders wichtig sein, klare Grenzen zu definieren, um zu vermeiden, dass dieselben Emissionen doppelt angesetzt werden. Im Rahmen verschiedener Forschungsarbeiten und des Pilotprojekts wurde aufgezeigt, dass mithilfe neuer Ansätze ein aktiver Beitrag zur Förderung der Nachhaltigkeit im Bauwesen geleistet werden und die richtigen Impulse in Richtung einer nachhaltigen Bauwirtschaft gesetzt werden können. HOCHTIEF wird hierbei weiterhin die Entwicklung innovativer Lösungsansätze vorantreiben. Aktuell wird daher untersucht, ob und wie es möglich ist, die Ist-CO 2 e-Emissionen direkt aus dem ERP-System, und den dort zur Verfügung stehenden Informationen, zu ermitteln. Nur durch klare Fakten können wir die Grundlage für die effektive Reduzierung unserer CO 2 -Emissionen schaffen. Denn letztendlich gilt: “If you can’t measure it, you can’t manage it”. Literatur [1] United Nations Environment Programme, „2020 Global Status Report for Buildings and Construction,“ 2020. [2] Umweltbundesamt, „Kyoto-Protokoll,“ 16 September 2024. [Online]. Available: https: / / www. umweltbundesamt.de/ themen/ klima-energie/ internationale-eu-klimapolitik/ kyoto-protokoll#entstehungsgeschichte-und-erste-verpflichtungsperiode [3] Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima, „Was bedeuten CO 2 -Äquivalent (CO 2 e) und Global Warming Potential (GWP)? ,“ o. J.. [Online]. Available: https: / / allianz-entwicklung-klima.de/ toolbox/ wasbedeuten-co2-aequivalent-co2e-und-global-warming-potential-gwp/ [4] Europäische Kommission, „Ökodesign-Verordnung: Neue Regeln für nachhaltige Produkte in Kraft,“ 19 Juli 2024. [Online]. Available: https: / / germany.representation.ec.europa.eu/ news/ okodesign-verordnung-neue-regeln-fur-nachhaltige-produkte-kraft-2024-07-19_de [5] BMUV, „EU-Staaten stimmen für Digitalen Produktpass und gegen Vernichtung von Neuwaren,“ 22 Mai 2023. [Online]. Available: https: / / www.bmuv.de/ pressemitteilung/ eu-staaten-stim- 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 35 Klimaverträglich bauen: Abgleich der CO 2 Soll- und Ist-Werte men-fuer-digitalen-produktpass-und-gegen-vernichtung-von-neuwaren [6] M. Hehemann, „Kein EPD - Kein Auftrag,“ Österreichischer Wirtschaftsverlag, 06 Mai 2024. [Online]. Available: https: / / www.handwerkundbau. at/ management/ epds-sind-heute-oftmals-schonpflicht-53419 [7] P. D.-I. M. Koschlik, Vorlesungsskript - Umweltschutz und Nachhaltigkeit, Module 09-11, 2021, p. 166. [8] HOCHTIEF, „Scopes gem. GHG-Protocol (interne Abbildung)“. [9] J. Wackenheim, „Entwicklung eines digitalen Verfahrens zur Erhebung von CO 2 e-Istdaten bei Infrastrukturprojekten für die Verwendung im Beschaffungsprozess,“ 2023. [10] C. Holldorb und T. Mayer, „Ökoprofil für Asphalt- und Betonbauweisen von Fahrbahnen,“ 2009. [11] L. P. Ceci, „Entwicklung eines Verfahrens für die Ermittlung und Bewertung von THG-Emissionen im Straßenbau,“ 2022. [12] A. Hofmann und M. Tiede, „Alles muss seinen richtigen Preis haben,“ Bauwirtschaft 3-4/ 2022, 2022. [13] Q Point AG, „Straßenbauprojekte einfach und modern gestalten,“ 2023. [Online]. Available: https: / / qpoint.com/ de/ [14] Siemens, „Pressemitteilung: Siemens entwickelt ökosystembasierten Ansatz für den Austausch von Emissionsdaten,“ 22 November 2021. [Online]. Available: https: / / press.siemens.com/ global/ de/ pressemitteilung/ siemens-entwickelt-oekosystembasierten-ansatz-fuer-den-austausch-von. [Zugriff am 15 Juni 2023]. [15] Wöhe et al., Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 27. Auflage Hrsg., Franz Vahlen GmbH, 2020, p. 984. [16] European Commission, „Taxation in support of green transition: an overview and assessment of existing tax practices to reduce greenhouse gas emissions,“ November 2020. [Online]. Available: https: / / op.europa.eu/ en/ publication-detail/ -/ publication/ d0db8db6-5b9b-11eb-b59f-01aa75ed71a1/ language-en [17] HBC, Projektgruppe P6 - Hochschule, „Projekthandbuch: Entwicklung eines CO 2 e-Erfassungstools,“ 25. Januar 2024.