Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Smart Construction @ASFINAG: Ein Blick hinter die Kulissen des digitalen Baumanagements
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Michael Hohenegger
Stefan Pölzl
Die ASFINAG ist ein österreichisches Unternehmen, das für die Verwaltung, den Bau und den Betrieb von Autobahnen und Schnellstraßen verantwortlich ist. Ihre Tochtergesellschaft, die ASFINAG Bau Management GmbH, verantwortlich für Projektentwicklung und Bau- und Erhaltungsmaßnahmen fokussiert sich auf seit einiger Zeit auf die Weiterentwicklung digitaler Prozesse. Zur Verbesserung der Effizienz und Vernetzung wurde 2023 das Kernteam „Digitalisierung am Bau“ gegründet, das neue „smarte“ Strategien entwickelt, bestehende digitale Tools evaluiert und Mindeststandards für die Anwendung von Building Information Modeling (BIM) definiert. Eine Ist-Analyse zeigte, dass bereits ein hoher Digitalisierungsgrad besteht, aber Entwicklungspotenzial in Bereichen wie Prozessen, Tools und digitaler Kompetenz vorhanden ist. Ziel ist es, eine interoperable digitale Werkzeugkiste zu etablieren und deren Einführung durch Pilotprojekte und freiwillige Mitarbeit zu fördern. Digitale Formulare, wie Bautagesberichte, Feldaufnahmen oder Sicherheitsbegehungen, vereinfachen die Datenerfassung und verbessern die Entscheidungsfindung und Zusammenarbeit. BIMbasierte Bauabwicklung wird seit 2016 eingesetzt, jedoch gibt es Herausforderungen, insbesondere bei der Integration in Ausschreibungs- und Abrechnungsprozesse. Die aktuellen Standards und Softwarelösungen sind teils unzureichend, weshalb die Prozesse manuell angepasst werden müssen, was die Qualität erhöht, jedoch Mehraufwand verursacht. Parallel dazu wird an einer langfristigen Optimierung der Rahmenbedingungen gearbeitet. Neben technologischen Fortschritten sieht die ASFINAG soziale Kompetenzen als Schlüssel für den Projekterfolg. In einem Forschungsprojekt mit der TU Wien wurde untersucht, wie kooperatives Verhalten gestärkt werden kann. Transparenz, Vertrauen, Zusammenarbeit auf Augenhöhe und eine positive Unternehmenskultur sind zentrale Erfolgsfaktoren. Veränderung erfordert Zeit, Reflexion und konsequente Umsetzung. Ziel ist es, eine Win-Win-Situation zu schaffen, die auf nachhaltigen, gemeinsamen Projekterfolg ausgerichtet ist.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 49 Smart Construction @ASFINAG: Ein Blick hinter die Kulissen des digitalen Baumanagements DI Michael Hohenegger ASFINAG Baumanagement GmbH Stefan Pölzl, B. Sc. ASFINAG Baumanagement GmbH Zusammenfassung Die ASFINAG ist ein österreichisches Unternehmen, das für die Verwaltung, den Bau und den Betrieb von Autobahnen und Schnellstraßen verantwortlich ist. Ihre Tochtergesellschaft, die ASFINAG Bau Management GmbH, verantwortlich für Projektentwicklung und Bau- und Erhaltungsmaßnahmen fokussiert sich auf seit einiger Zeit auf die Weiterentwicklung digitaler Prozesse. Zur Verbesserung der Effizienz und Vernetzung wurde 2023 das Kernteam „Digitalisierung am Bau“ gegründet, das neue „smarte“ Strategien entwickelt, bestehende digitale Tools evaluiert und Mindeststandards für die Anwendung von Building Information Modeling (BIM) definiert. Eine Ist-Analyse zeigte, dass bereits ein hoher Digitalisierungsgrad besteht, aber Entwicklungspotenzial in Bereichen wie Prozessen, Tools und digitaler Kompetenz vorhanden ist. Ziel ist es, eine interoperable digitale Werkzeugkiste zu etablieren und deren Einführung durch Pilotprojekte und freiwillige Mitarbeit zu fördern. Digitale Formulare, wie Bautagesberichte, Feldaufnahmen oder Sicherheitsbegehungen, vereinfachen die Datenerfassung und verbessern die Entscheidungsfindung und Zusammenarbeit. BIMbasierte Bauabwicklung wird seit 2016 eingesetzt, jedoch gibt es Herausforderungen, insbesondere bei der Integration in Ausschreibungs- und Abrechnungsprozesse. Die aktuellen Standards und Softwarelösungen sind teils unzureichend, weshalb die Prozesse manuell angepasst werden müssen, was die Qualität erhöht, jedoch Mehraufwand verursacht. Parallel dazu wird an einer langfristigen Optimierung der Rahmenbedingungen gearbeitet. Neben technologischen Fortschritten sieht die ASFINAG soziale Kompetenzen als Schlüssel für den Projekterfolg. In einem Forschungsprojekt mit der TU Wien wurde untersucht, wie kooperatives Verhalten gestärkt werden kann. Transparenz, Vertrauen, Zusammenarbeit auf Augenhöhe und eine positive Unternehmenskultur sind zentrale Erfolgsfaktoren. Veränderung erfordert Zeit, Reflexion und konsequente Umsetzung. Ziel ist es, eine Win-Win-Situation zu schaffen, die auf nachhaltigen, gemeinsamen Projekterfolg ausgerichtet ist. 1. inführung Die ASFINAG (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft) ist ein österreichisches Unternehmen, das für die Planung, Finanzierung, den Bau, den Betrieb und die Mauteinhebung auf den Autobahnen und Schnellstraßen Österreichs verantwortlich ist. Sie verwaltet ein Netz von rund 2.265 Kilometern mit 5.862 Brücken und 168 Tunnel. Die ASFINAG Bau Management GmbH (ASFINAG BMG) ist eine Tochtergesellschaft der ASFINAG und verantwortlich für sämtliche Bau- und Erhaltungsmaßnahmen im Bereich der Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich. Ihre Aufgaben umfassen den Neubau und die Sanierung, die bedarfsgerechte Projektentwicklung sowie das Asset Management. Auf Grund der vielfältigen und oft auch komplexen Aufgaben, die die Projektteams der ASFINAG BMG zu erledigen haben, sind vor allem Innovation und Digitalisierung zwei Tätigkeitsbereiche in denen wesentliche Entwicklungen stattgefunden haben. Dabei hat sich vor allem der Begriff des smarten Baumanagements im Sinne von effizienten Prozessen in Verbindung mit zielgerichteten digitalen Tools mit der Kernkomponente Mensch geprägt. 2. Kernteam „Digitalisierung am Bau“ Für das Baumanagement wurden in den letzten Jahren unzählige digitale Tools und Plattformen auf den Markt gebracht, die alle versprechen die Projektabwicklung wesentlich zu vereinfachen und effizienter zu gestalten. Auch die ASFINAG BMG hat sich in der Vergangenheit einige dieser Tools angesehen, jedoch festgestellt, dass zwar einige dieser Tools und Plattformen gute Ansätze enthalten, jedoch die speziellen und teils komplexen Prozesse des Baumanagements nur unzureichend ganzheitlich abdecken. Darüber hinaus stellen sie oftmals Insellösungen dar, die wenig vernetzt sind oftmals auch an Prozessen vorbei arbeiten. Daher hat die ASFINAG BMG im Jahr 2023 das abteilungsübergreifende Kernteam „Digitalisierung am Bau“ gegründet, um die Digitalisierung im Baumanagement voranzutreiben und einem smarten Baumanagement im Sinne der Vernetzung einen Schritt näher zu kommen. Derzeit sind neben allen Baumanagement-relevanten Abteilungen auch das Team Analytics und die Konzernsteuerung eingebunden. 50 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Smart Construction @ASFINAG: Ein Blick hinter die Kulissen des digitalen Baumanagements 2.1 Zielsetzung Das Kernteam „Digitalisierung wurde mit folgenden Zielsetzungen gegründet: • Durchführung einer Ist-Analyse zur Erhebung des aktuellen Digitalisierungsgrades in der ASFINAG BMG • Erstellung einer Roadmap für eine Gesamtstrategie, Zielbilder und Umsetzungsschritte zur Erhöhung der Digitalisierung im Bauwesen der ASFINAG BMG. • Evaluierung und Weiterentwicklung bestehender digitaler Services zur Steigerung der Nutzerzufriedenheit und des Anwendungsgrades. • Definition und Festlegung von Mindeststandards zur BIM-Anwendung in Projekten. 2.2 Ist-Analyse und Roadmap Zur Erhebung des Digitalisierungsgrades wurden sämtliche Mitarbeitende der ASFINAG BMG sowie auch Externe (z. B. Planungsbüros, Örtliche Bauaufsichten, Baufirmen etc.) befragt. Die Auswertung der Antworten hat ergeben, dass grundsätzlich bereits ein hoher Digitalisierungsgrad auf den Baustellen und im Baumanagement gegeben ist, aber in einzelnen Teilbereichen Entwicklungspotential besteht. Im Rahmen der nachfolgenden Roadmaperstellung wurden drei Schwerpunktfelder identifiziert: • Prozesse: Die Prozesse der BMG werden hinsichtlich ihrer Eignung für den Einsatz digitaler Werkzeuge evaluiert. Ungeeignete Prozesse sollen entweder angepasst oder aufgegeben werden, um die Nutzung digitaler Werkzeuge zu fördern. Zudem müssen die Datenflüsse und Datenverantwortlichen in den Prozessen klar definiert sein. Alle vorhandenen Daten sollen verknüpft und einheitlich von der Entstehung bis zur Archivierung und Löschung verwaltet werden. Verantwortliche Personen und ein einheitliches Verständnis für die Bedeutung der Daten sind hierbei essenziell. • Digitale Werkzeugkiste: Der Einsatz digitaler Tools folgt dem Prinzip “Tool follows Use”. Vor der Einführung neuer Werkzeuge wird geprüft, welche Ziele damit verfolgt werden, welche Datensätze entstehen und wie die zugehörigen Prozesse und Workflows aussehen. Bestehende Werkzeuge sollen, wenn möglich, erweitert oder genutzt werden, um die Ziele zu erreichen. Ziel ist es, eine schlanke, hochfunktionale, interoperable und intuitiv zu bedienende “digitale Werkzeugkiste” zu schaffen, die zentral gesteuert werden kann. • Weiterentwicklung digitaler Kompetenz: Die Bereitstellung einer neuen “digitalen Werkzeugkiste” für die Projektteams erfordert einen strukturierten und angeleiteten Zugang. Die Einführung soll zunächst auf freiwilliger Basis erfolgen, wobei Pilotprojekte und “Early Adopters” eine zentrale Rolle spielen. Nach einer erfolgreichen ersten Phase ist eine flächendeckende Ausrollung geplant, begleitet von entsprechenden Unternehmensvorgaben. Entlang dieser Roadmap wurden beginnend mit 2023 einige Maßnahmen und Projekte auf den Weg gebracht. Drei konkrete Beispiele sollen im nachfolgenden verdeutlichen, dass smartes Baumanagement viele Facetten hat. Einfache Schritte der Digitalisierung können Daten wesentlich leichter zum Fließen bringen, neue Rahmenbedingungen gelebte Prozesse zum Umsturz bringen und vermeintlich weit verbreitete Kompetenzen, doch nicht so weit verbreitet sind. 3. Digitale Formulare Auf unseren Baustellen werden Tag täglich unzählige Informationen erstellt und erfasst. Beginnend mit den verantwortlichen Personen auf der Baustelle, über die eingesetzten Materialien und Werkzeuge bis hin zu den Maßnahmen der Arbeitssicherheit. Alle diese Daten werden in unterschiedlichen Systemen und auf unterschiedlichen Medien erzeugt und erfasst. Zusätzlich erfolgt dies oft zweimal, einmal auf der Seite der Aufraggeberin und einmal auf der Seite des Auftragnehmers. Verknüpfungen oder Auswertungen sind oft schwierig und erfordern im Vorfeld zusätzliche „Digitalisierungsprozesse“. Daher geht die ASFINAG BMG seit 2024 einen neuen Weg. Jene Daten, die bisher mehrfach erfasst wurden, für Auswertungen erforderlich sind, gemäß einem vorgegebenen Prozess erfasst werden müssen, oder einfach leicht digital erfasst werden können, werden über die „Digitalen Formulare“ erfasst. Folgende digitale Formulare sind aktuell im Einsatz: • Niederschriften: Niederschriften sind für uns Berichte die zu gewissen Meilensteinen eines Projektes erfasst werden. Dabei handelt es sich um folgende Berichte: Baueinleitung, Übernahme und Schlussfeststellung. Die Baueinleitung wird zu Beginn eines Bauprojektes gemeinsam mit den Auftragnehmern durchgeführt. In dir Baueinleitung werden die wichtigsten Informationen und Vereinbarungen zum Projekt festgehalten. Der zweite Bericht Teilbzw. Übernahme wird bei der Fertigstellungsanzeige des Auftragnehmers durchgeführt. Dabei werden Informationen aus der Güte- und Funktionsprüfung sowie die beanstanden Mängel, falls welche vorhanden sind, festgehalten. Vor Ende der Gewährleistung wird eine Schlussfeststellung beim Projekt durchgeführt, dabei wird festgehalten, ob während der Betriebsphase weitere Mängel bei der ausgeführten Leistung vorhanden sind. • Digitaler Bautagesbericht: Der Bautagesbericht ist ein wesentliches Dokument auf der Baustelle, dass während der Bauausführung den aktuellen Stand des Projektes widerspiegelt. Daher ist es von enormer Wichtigkeit, diese Daten im Unternehmen zu haben und für die internen und externen Beteiligten zur Verfügung zu stellen. Bestandteile im Bautagesbericht der ASFINAG ist unter anderen eine Schnittstelle zu den ASFINAG Wetterdaten entlang der Strecke, eine Abfrage der Qualitätskriterien vom Bauunternehmer wie z. B. Anzahl von Ersthelfer*innen auf der Baustelle oder auch die Erfassung von Geräten und Personal. Ein Wesentlicher Bestandteil eines Bautagesbericht ist die Erfassung der durchgeführten Tätigkeiten und 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 51 Smart Construction @ASFINAG: Ein Blick hinter die Kulissen des digitalen Baumanagements der Anlieferungen. Dabei werden bei uns keine Lieferscheine eingescannt und per PDF abgelegt, sondern z. B. Asphaltlieferscheine werden direkt per QR-Code abgescannt und im Bautagesbericht und in der Datenbank abgespeichert. • Digitale Feldaufnahmen: Feldaufnahmen bilden die Basis für eine ordnungsgemäße Abrechnung in Österreich und müssen daher eine definierte Qualität aufweisen und nachvollziehbar dargestellt werden. Funktionen wie das Zeichen auf Bildern oder das Erstellen von Skizzen ist dabei eine wesentliche Anforderung für die digitalen Feldaufnahmen. • Benchmark Erfassung: Als zentrales und gesellschaftsübergreifendes Thema hat sich die ASFINAG zum Ziel gesetzt, die Planungs- und Kostensicherheit in den Projekten weiter zu verbessern. Ein wichtiger Bestandteil dazu ist, die Datengrundlage aus den abgeschlossenen Projekten für neue Projekte heranzuziehen. Daher werden bei allen Projekten in der Oberschwelle vordefinierte Benchmarks digital erfasst. Diese Benchmarks werden dann bei neuen Projekten für die Kostenschätzung herangezogen. • Safety Walk: Ein Safety Walk auf der Baustelle ist eine Sicherheitsbegehung, bei der Baustellenverantwortliche, wie der Sicherheitsbeauftragte, Bauleiter oder andere verantwortliche Personen, die Baustelle inspizieren, um Sicherheitsrisiken zu identifizieren und sicherzustellen, dass alle Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Durch die digitale Erfassung werden die beteiligten Personen schneller über Sicherheitsrisiken informiert und können unverzüglich darauf reagieren. Durch die digitalen Formulare werden die benötigten Daten direkt auf der Baustelle erfasst und bieten somit eine Grundlage für eine zielgerichtete Entscheidung. Darüber hinaus wird die Integration von digitalen Berichten in andere Systeme und Prozesse zunehmen, was die Effizienz weiter steigern wird. Sie ermöglichen eine effizientere Datenverwaltung, eine schnellere Kommunikation und eine verbesserte Zusammenarbeit. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, ist es jedoch wichtig, die entsprechenden Technologien einzuführen, die Beteiligten zu schulen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. 4. BIM-basierte Bauabwicklung „Durch BIM wird vieles einfacher.“ So oder so ähnlich wird seit einigen Jahren die Arbeitsmethode Building Information Modeling (BIM) beworben. Auch die ASFI- NAG setzte seit 2016 in ihren Projekten vermehrt BIM ein. Rund 40 Projekte wurden bisher mit BIM abgewickelt. Der Aspekt der BIM-basierten Bauabwicklung, d. h. Erstellung der Ausschreibung und Abrechnung der Baumaßnahme wurde dabei bisher jedoch noch nicht in Angriff genommen. Es wurden bereits Teilaspekte versucht, doch noch nie der komplette Prozess ohne Rückfallebene einer konventionellen Vorgehensweise. Im Jahr 2023 hat sich die ASFINAG BMG entschlossen bei drei Tief bauprojekten diesen Prozess erstmal zu erproben. Entsprechend dem eingangs erwähnten Satz stand am Beginn eine Vision, die ausgehend vom aktuellen konventionellen Prozess sehr einfach gestaltet war. 4.1 Vision Durch die Verknüpfung von BIM-Modell und der AVA- Software können durch einfachen „Knopfdruck“ Ausschreibung, Vertrag, Abrechnung und Controlling erstellt bzw. abgewickelt werden. Sämtliche Informationen sind im BIM-Modell vorhanden, die AVA-Software dient lediglich zur Übersetzung der Informationen aus dem BIM-Modell in eine Vertragssprache und stellt die notwendigen Prozesse zur Abwicklung des Vertrages zur Verfügung. Änderungen im Modell oder im Vertrag werden automatisch im jeweils andere nachgezogen und aktualisiert. Mit Beginn der Arbeiten wurde jedoch sehr rasch festgestellt, dass einzelne Aspekte der aktuellen BIM-Entwicklung und bestehende Rahmenbedingungen die Umsetzung der Vision nicht so einfach zulassen würden. 4.2 Status BIM-Modell Die Modellierung in BIM-Modellen folgt dem Grundsatz „Modelliert wie gebaut“. Die derzeitigen Erfahrungen mit Modellierungen im Tief bau und bei den Kunstbauten zeigen, dass dies grundsätzlich bereits sehr gut funktioniert, obwohl hier vor allem im Tief bau noch erhebliche Einschränkungen auf Grund der derzeitigen starken Fokussierung der Software auf den Hochbau vorliegen. Schwierigkeiten treten auf, wenn das Modell auch für die Ausschreibung und die Abrechnung herangezogen werden soll. Auf Grund der Festlegungen in der Leistungsbeschreibung Verkehrsinfrastruktur (LB-VI) werden nicht alle Bauteile so abgerechnet, wie sie gebaut werden. So werden z. B. der Baugrubenaushub nur bis zur Vorderkante des Fundaments vergütet, obwohl zur Herstellung der Baugrube auch Arbeitsräume und mögliche Böschungen ausgehoben werden müssen. Dadurch ergibt sich die Diskrepanz, dass Massen und Mengen aus dem Modell nicht immer den auszuschreibenden und abzurechnenden Massen und Mengen entsprechen. Darüber hinaus erfordert eine Modellierung, die Details für eine Bauausführung enthalten soll, auch eine genaue Kenntnis über Bauabwicklung und Abrechnungspraxis. Diese Erfahrung ist bei den Planungsgewerken allerdings nur bedingt vorhanden bzw. stellt eine neue Erweiterung des Leistungsbildes dar. 4.3 Status AVA-Software Der standardisierte Austausch von Daten in elektronischer Form für die Phasen Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung ist in Österreich grundsätzlich in der ÖNORM A 2063-2 geregelt. Durch diesen Standard soll es möglich sein, Modellinformationen mit Leistungspositionen zu verknüpfen und diese zwischen Auftraggeberin und Auftragnehmer auszutauschen. Allerdings befindet sich diese Norm derzeit in Überarbeitung und wurde bisher in keiner AVA-Software vollumfänglich umgesetzt. Dadurch ergibt sich derzeit im AVA- Prozess kein durchgängiger standardisierter Workflow. 52 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Smart Construction @ASFINAG: Ein Blick hinter die Kulissen des digitalen Baumanagements 4.4 Status Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es sowohl beim BIM-Modell als auch bei der AVA-Software derzeit Herausforderungen gibt. Dazu kommt noch, dass es auch laufend neue Entwicklungen bei BIM und in der Normung gibt, sodass im Zuge der Abstimmungen des neuen Prozesses auch immer Anpassungen an die aktuellen Entwicklungen erfolgen müssen. Die Projektteams, die bisher gewohnt sind, einen gut erprobten und klar strukturierten Prozess für die Bauabwicklung zu haben, stehen nun vor der Herausforderung eine wesentliche Phase des Projektes mit einem ungewohnten Prozess, mit vielen offenen Fragen und kontinuierlichen Anpassungen abzuwickeln. Eine Aufgabe die nur im Team und mit einer großen Portion Vertrauen in die Fähigkeiten des Teams gemeistert werden kann. 4.5 Lösung Ausschreibung Am Beginn der Lösungsfindung stand die Entscheidung, ob der Prozess der BIM-basierten Bauabwicklung eine gänzliche Neuentwicklung werden soll, oder ob der bestehende konventionelle Prozess angepasst werden soll. Da sehr viele Rahmenbedingungen (z. B. LB-VI, Normen, Prozesse auf der Auftragnehmerseite) noch durch den konventionellen Prozess geprägt werden, wurde entscheiden sich weiterhin am konventionellen Prozess zu orientieren. Dadurch war es für die Abwicklung der Ausschreibungsphase lediglich erforderlich die Verknüpfung zwischen BIM-Element, Menge und Ausschreibungsposition auf eine Art und Weise herzustellen, die zum einen transparent ist und zum anderen auch mit dem Auftragnehmer in lesbarer Form ausgetauscht werden kann. Da dies derzeit in der AVA-Software nicht möglich ist wurde hier der Weg einer gesonderten Liste (Microsoft Excel) gewählt. Die Erstellung dieser Liste und ebenso wie die Verknüpfung dieser Informationen mit der AVA-Software erfordern jeweils händische oder teilautomatisierte Prozesse, die auf Auftraggeber- und auf Auftragnehmerseite gleich aber unabhängig voneinander ablaufen müssen. Dies bedeutet eine gewisse Fehleranfälligkeit und mögliche Verzögerungen im Prozess. Da jedoch auch im konventionellen Prozess in dieser Phase einige Schritte händisch erfolgen (z. B. Massenermittlung, Zuordnung von Massen zu Positionen etc.) besteht zum einen kein größeres Potential für Fehler durch den neuen Prozess und zum anderen führt der neue Prozessschritt zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und damit einer gesteigerten Qualitätskontrolle. 4.6 Lösung Abrechnung Auch in der Abrechnung wurde der konventionelle Prozess zugrunde gelegt und lediglich einzelne Prozessschritte neugestaltet. Einer dieser Prozessschritte ist die Erfassung des Abrechnungsgrades der einzelnen BIM- Elemente. Dieser Schritt wird gemeinsam von Auftraggeberin und Auftragnehmer durchgeführt und soll möglichst automatisiert und barrierefrei erfolgen. Derzeit erfolgt die konventionelle Feldaufmaßerfassung in der Regel mit Papier, Stift und Maßband. Zukünftig erfolgt die Abrechnungsgraderfassung mittels Tablets und der Auswahl des/ der jeweiligen Elemente. Dabei bieten die Digitalen Formulare eine perfekte Basis. Der so erstellte digitale Datensatz steht anschließend beiden Partnern zur Verfügung und kann an die AVA-Software zur Abrechnung übergeben werden. Und dieser Schritt ist derzeit jener Schritt, der mit dem größten Fehlerpotential versehen ist. Da es derzeit in der AVA-Software keine Möglichkeit der standardisierten Übergabe von Ausmaß- und Modellinformationen gibt muss hier über die konventionelle Konstruktion von händisch in der AVA-Software erstellten Ausmaßblättern ausgewichen werden. Dabei müssen beim BIM-basierten Prozess wesentlich mehr Informationen miteinander verknüpft werden als dies beim konventionellen Prozess erforderlich ist und Automatisierung ist hier nur bedingt möglich. Auch bei diesem Prozessschritt erfolgt auf Grund der Neuheit eine gesteigerte Qualitätskontrolle, jedoch auch eine erhebliche Mehrarbeit gegenüber dem derzeitigen Prozess. Daher sind die Projektteams zwar bereit diesen Prozess im Sinne der Weiterentwicklung in dieser Form umzusetzen, jedoch besteht bereits jetzt die Anforderung die externen Rahmenbedingungen zukünftig so weit zu verändern, dass der neue Prozess schlussendlich mit weniger Arbeit bzw. effizienterer Arbeit abzuwickeln ist. 4.7 Erkenntnisse Die Entwicklung des Prozesses der BIM-basierten Bauabwicklung zeigt, dass die Einführung von digitalen Werkzeugen oder Arbeitsweisen allein nicht der Weg zu Smart Construction ist. Auch externe und interne Rahmenbedingungen müssen angepasst oder geschaffen werden, dass Vernetzung und Effizienz ihr Potential entfalten können. Ein Cross-functional Team wie das Kernteam „Digitalisierung am Bau“ ist dabei eine wesentliche Plattform, um die Erfahrungen, Erkenntnisse und die Bedürfnisse zusammenzutragen, mit der gebündelten Expertise zu evaluieren und anschließend die entsprechenden Maßnahmen gemeinsam mit den Projektteams umzusetzen. Entweder sind dies digitale Tools die erforderlich sind, Prozesse die angepasst oder externe Rahmenbedingungen, die geändert werden müssen. Nicht alles kann sofort erfolgen oder umgesetzt werden, dann ist es die Aufgabe Zwischenlösungen zu finden, die trotz alledem einen gewissen Mehrwert oder Erkenntnis schaffen oder kleine Quick Wins zulassen. 5. Soziale Kompetenzen Im digitalen Transformationsprozess wurden in den letzten Jahren auf der strukturellen und auf der technologischen Ebene in den Projekten der Asfinag viele Neuerungen umgesetzt. Prozesse, Standards, Softwarelösungen und digitale Technologien werden auch weiterhin im Zentrum stehen, aber für eine kommerziell erfolgreiche Abwicklung von Bauprojekten wird auch immer wieder die soziale Ebene als wesentlicher Erfolgsfaktor genannt. Eine gelungene Zusammenarbeit birgt ein hohes Poten- 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 53 Smart Construction @ASFINAG: Ein Blick hinter die Kulissen des digitalen Baumanagements tial für Effizienzsteigerung und kann zur Verbesserung der Projektergebnisse beitragen. Nicht nur neue digitale Werkzeuge und Arbeitsweisen halten Einzug auf unseren Baustellen, sondern auch neue Vertragsmodelle. Vor allem Vertragsmodelle mit kooperativem Ansatz haben in den letzten Jahren stetig an Beleibtheit gewonnen, erlauben sie doch komplexe Abläufe mit hohem Potential für Konflikt schon im Vorfeld zu entschärfen, indem sie einseitige Risiken zum gemeinsamen Problem aller Seiten erklären. Jedoch hängt der Erfolg solcher kollaborativer und kooperativer Ansätze sehr stark von unserer Fähigkeit zur Zusammenarbeit, unserer sozialen Kompetenz, ab. Aber haben wir in einer digitalen Welt diese Kompetenz überhaupt noch? Was braucht es diese Kompetenz in unseren Projektteams zu stärken? Kann ich soziale Kompetenz schulen oder erlernen? Diese Fragen haben wir uns gemeinsam mit der TU Wien im Jahr 2023 in einem Forschungsprojekt angesehen. Zu den Key Learnings gehört sicherlich, dass eine nachhaltige Verhaltensänderung einen entschlossenen Prozess des ‚Dranbleibens‘ erfordert, der die Stolpersteine kennt und Ansatzmöglichkeiten beharrlich verfolgt. Die Vorstellungen eines Gegeneinanders zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind in der Branche stark verankert - geprägt durch jahrelange Berufserfahrung der Protagonisten. Änderungen in der Wertehaltung treffen damit auf großen Widerstand. Sich auf Zusammenarbeit einlassen zu können und speziell beim ersten Auftreten von Problemen nicht in alte Verhaltensmuster zurückzufallen, erfordert einen konsequenten Reflexionsprozess, intensiven Austausch mit einer durch kritische Vernunft geprägten Umgebung und einen Fokus auf positive Erfahrungen. Kooperatives Verhalten braucht vor allem ein gemeinsames Ziel und einen monetären Anreiz im Rahmen eines geeigneten Vertragswerkes, das Handeln auf Augenhöhe fördert. Erlauben die Randbedingungen eine ‚WIN-WIN‘ Situation, kann die Optimierung des übergeordneten Projekterfolges - ‚Best for Project‘ als tragfähiges, gemeinsames Ziel seine Wirksamkeit entfalten. Das Umfeld, in dem kooperatives Verhalten gedeihen kann, muss auf der einen Seite Transparenzängste und das Sicherheitsbedürfnis adressieren, andererseits Empathiefähigkeit, Agilität und innovative Co-Kreativität fördern. Vertrauen und Offenheit müssen eingebettet sein in eine stabile Unternehmenskultur, die einen konstruktiven Umgang mit Fehlern ermöglicht. Neben den übergeordneten Handlungsebenen der Unternehmenskultur und dem organisatorischen Rahmen (wie z. B. Prozesse) soll insbesondere an den Einstellungen und Kompetenzen der individuellen Mitarbeiter*innen gearbeitet werden. Entwickelt wurden Ansätze für ‚Learning by doing - Zusammenarbeit kann man nicht allein für sich lernen, sondern am besten durch eine entsprechende Begleitung der Teamarbeit. In jedem Fall geht es um komplexere, längerfristige Ansätze, denn alles, wo das Wort Kultur vorkommt, braucht Zeit.
