eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
0217
2025
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B12/B32 Umbau Knotenpunkt bei Hergatz

0217
2025
Adrian Schubert
Andreas Müller
Stephanie Riedler
Am Verkehrsknotenpunkt der B12/B32 bei Hergatz ist aufgrund festgestellter Sanierungsbedarfe an vier Bauwerken sowie sicherheitsrelevanter Mängel an der Rampenabfahrt der B12 auf die B32 eine Neuplanung erforderlich. In einer Vorstudie wurden verschiedene Lösungsansätze entwickelt, wobei der Neubau eines Kreisverkehrs als Vorzugsvariante identifiziert wurde. Durch diese Lösung wird zukünftig nur noch eines von vier Brückenbauwerken benötigt. Nur das Bauwerk über die Bahnstrecke wird in angepasster Lage durch einen Neubau ersetzt. Das Projekt wurde und wird in den Leistungsphasen 01–04 vollständig mit der BIM-Methode bearbeitet. Zu den Anwendungsfällen gehören unter anderem die Bestandserfassung, die Koordination der Fachgewerke sowie die Kosten- und Terminplanung. Besondere Herausforderungen lagen in der Einführung aller Beteiligten in die BIM-Methodik und der Bewältigung der Schnittstellen zwischen Vermessung, Ingenieurbau und Verkehrsanlage. Dieser Artikel gibt eine Einführung in das Projekt, beschreibt das Vorgehen bei der Vor- und Entwurfsplanung und erläutert die Umsetzung der BIM-Methodik.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 55 B12/ B32 Umbau Knotenpunkt bei Hergatz Optimierung eines Verkehrsknotens - Ein (BIM-) Praxisbeispiel zur Schnittstelle Straßen- und Ingenieurbau Dipl.-Ing. Adrian Schubert Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten Dr.-Ing. Andreas Müller Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten Stephanie Riedler, M. Sc. KB Augsburg GmbH, Neusäß Zusammenfassung Am Verkehrsknotenpunkt der B12/ B32 bei Hergatz ist aufgrund festgestellter Sanierungsbedarfe an vier Bauwerken sowie sicherheitsrelevanter Mängel an der Rampenabfahrt der B12 auf die B32 eine Neuplanung erforderlich. In einer Vorstudie wurden verschiedene Lösungsansätze entwickelt, wobei der Neubau eines Kreisverkehrs als Vorzugsvariante identifiziert wurde. Durch diese Lösung wird zukünftig nur noch eines von vier Brückenbauwerken benötigt. Nur das Bauwerk über die Bahnstrecke wird in angepasster Lage durch einen Neubau ersetzt. Das Projekt wurde und wird in den Leistungsphasen 01-04 vollständig mit der BIM-Methode bearbeitet. Zu den Anwendungsfällen gehören unter anderem die Bestandserfassung, die Koordination der Fachgewerke sowie die Kosten- und Terminplanung. Besondere Herausforderungen lagen in der Einführung aller Beteiligten in die BIM-Methodik und der Bewältigung der Schnittstellen zwischen Vermessung, Ingenieurbau und Verkehrsanlage. Dieser Artikel gibt eine Einführung in das Projekt, beschreibt das Vorgehen bei der Vor- und Entwurfsplanung und erläutert die Umsetzung der BIM-Methodik. 1. Projektbeschreibung des Knotenpunktes B12/ B32 Hergatz Der Abschnitt der Umbaumaßnahme befindet sich unmittelbar östlich zum Ortsbereich der Gemeinde Hergatz, wie in Abbildung 2 dargestellt. Die Gemeinde Hergatz befindet sich im bayerisch-schwäbischen Landkreis Lindau. Die nächstgrößere Stadt ist Wangen im Allgäu, diese liegt nördlich des Umbaubereichs im Südosten Baden- Württembergs. Im betrachteten Streckenabschnitt kreuzen sich die Bundesstraßen 12 und 32 in einem höhenfreien Knotenpunkt. Der Knotenpunkt befindet sich unmittelbar nördlich der bestehenden, nicht elektrifizierten Bahnstrecke 5362 im Bereich des Bahnhofs Hergatz. Parallel zu den Gleisen verläuft die Gemeindeverbindungsstraße (GVS) „Sennereiweg“ als Verbindung zwischen dem Ortsgebiet und der Einmündung in die B 12 in Richtung Isny. An relevanten Zählstellen wurden in den Jahren 2015 und 2021 in etwa folgende, durchschnittlichen täglichen Verkehrsmengen ermittelt: • B12: DTV ca. 11.000 und DTV SV ca. 1000 • B32: DTV ca. 6.500 und DTV SV ca. 500 Aufgrund der Bedeutung der Verkehrsachsen B-12 und B-32 müssen während einer Umbaumaßnahme die gesamten Verkehrsbeziehungen aufrecht erhalten bleiben. Die Bundesrepublik Deutschland ist Straßenbaulastträger der B-12 und B-32 sowie Kostenträger für die gesamte Maßnahme. Vorhabensträger ist gemäß Auftragsverwaltung für Bundesfernstraßen der Freistaat Bayern, dieser wird vertreten durch das Staatliche Bauamt Kempten. Abb. 1: Rendering des Knotenpunktes B 12/ B 32 im Endzustand (Quelle: eigene Darstellung) 56 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 B12/ B32 Umbau Knotenpunkt bei Hergatz Abb. 2: Lage des Knotenpunktes im süddeutschen Raum (oben) und bei Hergatz (unten) (Quelle: OpenStreetMap.org) 2. Begründung des Vorhabens 2.1 Bauwerksuntersuchung An allen Bauwerken, die sich im Umbaubereich befinden, wurden in den Jahren 2017 / 2018 Bauwerksuntersuchungen durchgeführt. Diese ergaben Zustandsnoten zwischen 2,4 und 3,5 und einen Handlungsbedarf an allen Bauwerken. 2.2 Verkehrssicherheit Im Bestand kommt es auf der Verbindungsrampe von der B 12 aus Isny kommend und der Auffahrt zur B 12 in Richtung Lindau regelmäßig zu Rückstauungen. Hier führt ein enger Radius unter dem bestehenden Anschlussstellenbauwerk hindurch. Daher ist ein haltendes Fahrzeug nur sehr spät erkennbar. Außerdem verfügt der komplette höhenfreie Knotenpunkt im Bestand nicht über Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen, welches ein erhebliches Sicherheitsdefizit darstellt. Außerdem besteht durch die nicht vorhandene Linksabbiegespur zur GVS Sennereiweg die Gefahr von Auffahrunfällen. 3. Vorgehen bei der Planung 3.1 Vorstudie In Folge der schlechten Zustandsnoten wurde im Jahr 2020 im Rahmen einer von der Konstruktionsgruppe Bauen AG (Abkürzung: „KB“) bearbeiteten Vorstudie zunächst der Handlungsbedarf je Brückenbauwerk untersucht und anschließend weiterführende Gesamtkonzepte entwickelt, welche je eine Kombination aus Maßnahmen an den bestehenden Bauwerken (Sanierung, Ersatzneubau und Rückbau) und einen Umbau des Knotenpunktes aufzeigten. Insgesamt wurden im Rahmen der Untersuchung sieben Szenarien (Szenario A bis F, sowie Szenario F*) ausgearbeitet und die Leistungsfähigkeit und Verkehrssicherheit je Szenario beurteilt. Folgende Kriterien wurden für die Bewertung der einzelnen Planungsvarianten herangezogen (vgl. auch Abbildung 3): • Sicherheit der Verkehrsteilnehmer • Kosten • Zusätzliche kapitalisierte Kosten • Erdbewegungen • Realisierungszeit / Umsetzbarkeit • Leistungsfähigkeit / Ergebnisse aus VU Abb. 3: Ausschnitt Verkehrsuntersuchung (Quelle: gevas humberg & partner) 3.2 Die Vorzugsvariante „Kreisverkehr“ In der Vorstudie erwies sich das Szenario E “Umbau des Knotenpunktes zu einem 3-armigen Kreisverkehr” als Vorzugsvariante. Die größten Vorteile der Kreisverkehrlösung sind die hohe Verkehrssicherheit und die Kostenersparnis aus dem Entfall von insgesamt drei von vier Bauwerken, die in Zukunft nicht mehr unterhalten und instandgesetzt werden müssen. Lediglich das Brückenbauwerk 8325-651 über die die Bahnstrecke 5362 (Buchloe - Lindau) und die GVS „Sennereiweg“ muss neu errichtet werden. In Abbildung 4 und 5 ist ein Überblick über die Situation der Bestandsbauwerke gegeben. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 57 B12/ B32 Umbau Knotenpunkt bei Hergatz Abb. 4: Überblick über die vier Bestandsbauwerke am Knotenpunkt (Quelle: BayernAtlas) Abb. 5: Luftbild Knotenpunkt B 12/ B 32 (links: Bestand, rechts: geplanter Kreisverkehr, rot markiert: neues Brückenbauwerk 8325 711) (Quelle BayernAtlas) Mit der Kreisverkehrslösung wird durch ein geringeres Geschwindigkeitsniveau der Verkehrsteilnehmer sowie durch verbesserte Sichtfelder am Kreisverkehr und den beiden plangleichen Einmündungen die Verkehrssicherheit erhöht und die Unfallschwere reduziert. Zudem wird die Flüssigkeit des Verkehrs verbessert. Dadurch können bestehende Umweltbeeinträchtigungen geringfügig verbessert werden. Durch den Rückbau und die Entsiegelung nicht mehr benötigter Verkehrswege bleibt die Flächenversiegelung gegenüber der bestehenden Knotenpunktform in etwa bestehen. Gemäß dem Verkehrsgutachten ist der Kreisverkehr auch ohne Bypass für die prognostizierten Verkehrsstärken ausreichend. Die neue Anbindung der Gemeindeverbindungsstraße sorgt für ein geordnetes und sichereres Ein- und Ausfahren auf die B 12. In der weiteren Planung erfolgte eine Optimierung der Vorzugsvariante Kreisverkehr hinsichtlich der Lage und des Durchmessers. Die westliche Verschiebung der Linienführung der B-32 entlang der DB-Gleise ermöglicht die Herstellung der neuen Brücke über die Bahnstrecke neben dem Bestandsbauwerk in Endlage. Dadurch ist für die Aufrechterhaltung des Verkehrs keine Behelfsbrücke notwendig. In Tabelle 1 werden die wichtigsten Randbedingungen bei der Planung der Vorzugsvariante zusammengefasst: Tab. 1: Randbedingungen der Vorzugsvariante Zu untersuchender Planungsbereich Entlang B 12: 640 m Entlang B 32: 310 m Straßenquerschnitt Im Gesamten Planungsbereich: RQ11 bzw. RQ11B gem. RAL Zusätzliche Einmündungen Einmündung der B 12 in die GVS über eine Linksabbiegerspur Kreisverkehr Durchmesser 50 m Fahrbahnbreite 7,00 m GVS Fahrbahnbreite 3,50 m Stellenweise: 5,50 m Beids. Bankette 0,50 m Stellenweise: 0,75 m Privatweg 2,00 m lichte Breite Befestigung mit Pflasterdecke im Bereich der SÜ Abtrennung zum Sicherheitsraum der DB mit Holmgeländer 3.3 Entwurfsplanung Nach Abwägen aller vorliegenden planungsrelevanten Sachverhalte und der maßgebenden Projektziele, wurde im Rahmen der Entwurfsplanung die Kreisverkehrslösung und die für eine Aufrechterhaltung des Verkehrs notwendige Baustraße weiterverfolgt. Folgende Aspekte stellen Randbedingungen in der Entwurfsplanung dar: • Lage der Bahnlinie Kempten / Allg. - Lindau inkl. Sollgleislage & erforderliches Lichtraumprofil • Lage der Bahnlinie Wangen i. A. - Lindau • Bestehende Bundesstraßen B 12, B 32 • Bestehender Bahnübergang am Sennereiweg • Bestehende GVS parallel zur Bahnlinie Kempten / Allg. - Lindau • Durchfahrtsbreite für landwirtschaftlichen Verkehr parallel zur Bahnlinie Wangen i. A. - Lindau und Böschungsfuß von mindestens 3,00 m. • Baubarkeit der Vorzugsvariante unter Aufrechterhaltung aller Verkehrsbeziehungen • Minimierung der Auftragsmassen 58 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 B12/ B32 Umbau Knotenpunkt bei Hergatz Für die Trassierung sind folgende technischen Vorgaben relevant: • Trassierung Bundesstraßen gem. Entwurfselemente RAL 12 und Entwurfsklasse 3 • Merkblatt für die Anlage von Kreisverkehren • Einhaltung der Sichtdreiecke für v = 70 km/ h Durch die gegenüber der Vorstudie fortgeschriebenen Planungsgrundlagen (insbesondere Vermessung) konnte die Entwicklung der Geometrie in der Höhenlage erarbeitet werden. Die Lage des Kreisverkehrs wurde unter Beachtung der o. g. Zwangspunkte gewählt und in mehreren Schritten (Verschiebung, Anpassung Durchmesser) optimiert. Aufgrund der direkten räumlichen Beziehung zwischen dem Brückenbauwerk über die DB und dem Kreisverkehr, wird die Höhenlage des Kreisverkehrs maßgeblich durch das Lichtraumprofil der Bahnstrecke 5362 definiert. Als entwurfsentscheidend stellte sich die Einhaltung der notwendigen Haltesichtweite heraus: nur bei einem möglichst geradlinigen Verlauf der Achse der B12 im Anschlussbereich an den Kreisverkehr kann diese Vorgabe eingehalten werden. Die Haltesichtweite wird für einen Augpunkt und Zielpunkt auf einer Höhe von 1,00 m ermittelt. Die Länge der Sicht wird in Abhängigkeit der Entwurfsklasse, der Geschwindigkeit und der Längsneigung gem. Bild 23 nach RAL 12 ermittelt. Im vorliegenden Fall beträgt die erforderliche Haltesichtweite 130 m. Bei einem engeren Radius im Anschluss an den Kreisverkehr und einer damit weniger schiefwinkligen Lage der SÜ ist die Einhaltung der Sichtweite nicht gewährleistet (vgl. Abbildung 6). Die Sichtfläche schneidet den Fahrbahnrand und die Sicht auf den Kreisverkehr wird durch das Fahrzeugrückhaltesystem auf dem Bauwerk behindert. Eine Reduktion der Schiefe des Brückenbauwerks im Grundriss wäre angesichts der Randbedingungen nur bei einem tangentialen Anschluss des B12-Astes an den Kreisverkehr möglich. Gemäß geltender Richtlinien ist dies jedoch nicht zulässig. Somit stellt die im Lageplan in Abbildung 7 dargestellte Straßenplanung die hinsichtlich der Einhaltung aller Zwangspunkte optimierte Entwurfslösung dar. Abb. 6: Ausschnitt aus der modellbasierten Sichtweitenprüfung (Quelle: eigene Darstellung) Abb. 7: Reduktion der Brückenschiefe nur bei einem tangentialen Anschluss des B12-Astes: siehe rote Pfeile (Quelle: eigene Darstellung) 3.4 Auswirkungen der gewählten Linie auf das Brückenbauwerk Die gewählte Trassenführung prägt die Konstruktion und Geometrie des in Abbildung 8 dargestellten Brückenbauwerks maßgeblich. In der Vorplanung erwies sich ein integrales Rahmenbauwerk als Vorzugsvariante. Der einfeldrige Überbau ist monolithisch mit den Unterbauten verbunden. Der Überbauquerschnitt besteht aus Spannbetonfertigteilträgern mit Ortbetonergänzung. Diese Bauweise wurde gewählt, um den Sperrpausenbedarf zu minimieren. Abb. 8: Ansicht von Osten auf das neugeplante Brückenbauwerk (Quelle: eigene Darstellung) 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 59 B12/ B32 Umbau Knotenpunkt bei Hergatz Abb. 9: Draufsicht auf das neugeplante Brückenbauwerk (Quelle: eigene Darstellung) Abb. 10: Längsschnitt durch das neugeplante Brückenbauwerk (Quelle: eigene Darstellung) Aus den Bahnanforderungen ergibt sich eine lichte Mindesthöhe von 5,70 m über den Gleisen der Strecke 5362 und aus der Straßenplanung ein Kreuzungswinkel von 55,8 gon. Letzterer liegt knapp unterhalb der in RE-ING Teil 2, Abschnitt 2, 1.3.4 (5) festgelegten Mindestschiefe von 60 gon für den Einsatz von Spannbeton-Fertigteilen. In Abstimmung mit Vertretern des BMDV wurde jedoch festgelegt, dass diese Lösung beibehalten werden kann, sofern die Baubarkeit statisch nachgewiesen wird. Die Höhenentwicklung des Bauwerks ist durch die Konstruktionshöhe von 1,30 m sowie die Höhendifferenz zwischen der Geländeoberkante am Böschungsfuß und an den Flügelenden von ca. 7,60 m geprägt. Unter Berücksichtigung einer Flügeleinschüttung von 1,00 m ergeben sich bei Regelböschung rechtwinklige Flügellängen von ca. 13 m, die durch den Kreuzungswinkel auf 17 m verlängert werden. Die in Abbildung 9 ersichtliche Schiefe der Brücke hat auch Auswirkungen auf die Gestaltung der Böschungen. Im Bereich spitzwinkliger Böschungskegel ergeben sich flache Neigungen von ca. 1: 2, was zu wenig begehbaren Böschungstreppen führt. Durch den Einbau von Zwischenbermen und -podesten konnte die Treppenneigung auf 1: 1,5 optimiert werden, wie in Abbildung 10 dargestellt ist. Zusätzlich erzeugen die Längendifferenzen der Flügel ungleichmäßige horizontale Erddruckbeanspruchungen. Um diesen entgegenzuwirken, wurde die Tiefgründung des Bauwerks geneigt ausgeführt. Ein weiterer besonderer Punkt ist der nordöstliche Flügel, der aufgrund seiner Länge in den Aufweitungsbereich des angrenzenden Kreisverkehrs ragt. Zur Reduktion der Flügellänge wurde am Böschungsfuß eine Stützwand mit einer sichtbaren Höhe von 1,30 m vorgesehen. 4. Umsetzung der BIM Methodik im Projekt 4.1 BIM Ziele Für das Projekt wurden BIM-Ziele aus dem BIM-Leitfaden für digitales Planen, Bauen sowie den Betreibern im Bereich Straßen- und Brückenbau des Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr übernommen (vgl. Abbildung 11). Ein wesentliches Ziel beinhaltet die Digitalisierung des Planungsprozesses. Durch die Digitalisierung soll zukünftig über den gesamten Lebenszyklus ein schneller Zugriff auf Informationen mit geringem Aufwand erreicht werden. Die Digitalisierung stellt mittel- und langfristig die Basis für Effizienzsteigerungen in Form von Prozessautomatisierungen dar. 60 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 B12/ B32 Umbau Knotenpunkt bei Hergatz Abb. 11: Zielsetzung Digitalisierung im Straßen- und Brückenbau (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an den BIM-Leitfaden) Die Arbeitsmethode BIM wird in der Umsetzung wesentlich durch die Anwendungsfälle konkretisiert. Ein Überblick über die Anwendungsfälle ist in Tabelle-2 gegeben. Die für dieses Projekt relevanten und vom AG geforderten Anwendungsfälle werden in den folgenden Abschnitten beschrieben. Tab. 2: Überblick über die Anwendungsfälle Nr. Anwendungsfall Lph 0 Bauwerksdatenmodell 1-4 1 Bestandserfassung 1,2 3 Visualisierung 2-4 4 Bemessung und Nachweisführung 3,4 5 Koordination der Fachgewerke 2,3 7 Erstellung Vorentwurfs-, Entwurfs- und Genehmigungspläne 2-4 9 Kostenschätzung und Kostenberechnung 2,3 12 Bauablaufsimulation, Terminplanung der Ausführung 2-4 4.2 BIM Rollen / Schnittstellen Im Projekt erfolgt eine klassische Rollenverteilung gem. der BIM-Rollenverteilung. Diese wird beispielsweise im Masterplan BIM Bundesfernstraßen: Rahmendokument: Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) [1] definiert und umfasst die Rollen BIM-Manager auf Seiten des Auftraggebers sowie BIM-Gesamtkoordinator, BIM- Koordinator und BIM Autoren auf Seiten des Auftragnehmers. Der AG wird zudem durch einen BIM-Berater unterstützt. Abb. 12: Rollenverteilung im BIM-Projekt (Quelle: eigene Darstellung) Die in Abbildung 12 dargestellte Rollenverteilung dient der Abgrenzung von Verantwortlichkeitsbereichen u. a. im Hinblick auf die Modellliefergegenstände und die zugehörige Qualitätssicherung. Generell ist jeder Fachplaner bzw. BIM-Koordinator für seine eingebrachten Daten und Modelle selbst verantwortlich. Sobald ein Fachplaner ein Modell eines weiteren Fachplaners in sein eigenes Teilmodell übernimmt, ist er dazu verpflichtet etwaige Kollisionen dem Urheber der Daten zur Nachbesserung mitzuteilen. Der Urheber wiederum ist dazu verpflichtet, Änderungen oder fortschreitende Entwicklung in seinem Modell zu kommunizieren und signifikante Modellstände zu übergeben. In diesem Projekt erfolgte eine vertikale Unterteilung der Fachgewerke in die Verkehrsanlagenplanung und die Planung der konstruktiven Ingenieurbauwerke (neues Brückenbauwerk und Verbauten). Beide Gewerke wurden durch die KB bearbeitet, sodass im Projekt kurze Abstimmungswege vorlagen. Die Schnittstellen zwischen den Fachgewerken erforderten Festlegungen - u. a. zu folgenden Fragen: 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 61 B12/ B32 Umbau Knotenpunkt bei Hergatz • Wer modelliert was? (betrifft z. B. Entwässerungsleitungen im Anschlussbereich Bauwerk - Strecke, Fahrbahn auf dem Bauwerk) • Wo genau verlaufen die Grenzen der Teilmodelle? • Entspricht die Zuordnung bei der Modellierung auch der Zuordnung bei der Kostenberechnung / Mengenermittlung? • Wie müssen Modellobjekte attribuiert werden, um eine teilautomatisierte Verknüpfung von Objekten mit Vorgängen des Bauzeitenplans zu ermöglichen? 4.3 BIM Projektablauf Im Rahmen der Projektvorbereitung für die Erstellung des BAPs wurde zu Beginn eine BIM-Grundlagenermittlung von der KB (= AN) durchgeführt. Bestandteil dieser Grundlagenermittlung war es, das Zusammenspiel der Softwareprodukte und damit des Informationsflusses zwischen den unterschiedlichen Fachgewerken und Projektbeteiligten genau zu analysieren und die Schnittstellen zu definieren (siehe oben). Im Rahmen der Grundlagenermittlung erfolgte ein BIM- Kickoff als Workshop mit allen Projektbeteiligten, um einerseits ein einheitliches Verständnis der Arbeitsmethode und andererseits das Verständnis über den digitalen BIM-Abwicklungsprozess der modellbasierten Zusammenarbeit sicherzustellen. In der BIM-Kollaborationsphase wurden die einzelnen BIM-Fachmodelle vom BIM-Gesamtkoordinator immer wieder zu einem Koordinationsmodell (BIM-Gesamtmodell) zusammengeführt. Die für die Qualitätssicherung notwendige Modellprüfung erfolgte AN-intern und durch den externen, AGseitigen BIM-Berater. 5. BIM Anwendungsfälle 5.1 AWF 0 Bauwerksdatenmodell Dieser Anwendungsfall dient zur Definition und gemeinsamen Abstimmung der Modellinhalte und -struktur zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Konkret wird in diesem AWF folgendes definiert und abgestimmt: • Anwendung der BIM Methodik • Trennung der Bauwerksdatenmodelle nach Fachgewerken (Fachmodelle) • Definition der einzelnen Fachmodelle • Zusammenführung der Fachmodelle in einem Koordinationsmodell • Das Koordinationsmodell ist fachmodellübergreifend zu prüfen und als Gesamtmodell zu übergeben • LOIN wird in AIA definiert • Modell-/ Projektumgriff entspricht Szenario E der Voruntersuchung (Kreisverkehr) • Modellelemente die im BIM-Modell darzustellen sind (bspw. Straße, Fundamente, prov. Verkehrsführungen, etc.) 5.2 AWF 1 Bestandserfassung Die Erfassung der Bestandssituation erfolgte durch ein geeignetes Aufmaß durch einen Vermesser. Anschließend wurden die Bestandsbauwerke durch die KB in Bestandsmodelle überführt. Folgende Eingangsdaten standen dabei zur Verfügung: • Bestandspläne • Geoinformationssysteme • Geodätische Erfassung • Digitale Spartenpläne (mit Höhenangaben und Durchmesser) • Daten zur Flächennutzung (Umgriffe von Schutzgebieten, schützenswerter Baumbestand) Die Modellerstellung erfolgte gem. der BIM Methodik objektorientiert und folgte den Regeln der AIA. Da die Bestandserfassung, insbesondere bei nicht sichtbaren Elementen wie die Fundamente der Ingenieurbauwerke oder Sparten, immer mit einer gewissen Unschärfe verbunden ist, wurde für diesen Anwendungsfall ein vergleichsweise niedriges LOG von 100 bis 200 gewählt. Wichtig ist, dass allen Projektbeteiligten klar ist, dass hier eine Unschärfe vorliegt und nicht aufgrund der 3D-Geometrie von einer perfekten Abbildung der Realität auszugehen ist. Einzelne Elemente, wie beispielsweise Sparten, wurden dabei mit einem sogenannten Glaskörper modelliert, der die Unschärfe verdeutlicht. Kollisionen zwischen dem Glaskörper und modellierten Bestandsbauwerken werden bei Kollisionsprüfungen erkannt, stellen jedoch keine echten, kritischen Kollisionen dar. 5.3 AWF 3 Visualisierung Die Visualisierungen des geplanten Endzustandes (vgl. Abbildung 1) wurden von der KB mit der Software Infraworks erstellt. Die Bilder und Videos sollen u. a. im anstehenden Planfeststellungsverfahren (LPH 4) für Erläuterungen des Bauvorhabens zum Einsatz kommen. 5.4 AWF 4 Bemessung und Nachweisführung Das BIM-Modell diente der KB als Grundlage für die Planung und Nachweisführung. Bei der Planung der Verkehrsanlagen wurden insbesondere folgende Punkte modellbasiert geprüft: • Sichtweiten / Haltesichtweiten (siehe oben) • Schleppkurven (betrifft Baustraßen, Behelfsumfahrung und Endzustand) 5.5 AWF 5 Koordination der Fachgewerke Die Koordination der Fachgewerke erfolgt prinzipiell über die Zusammenführung der einzelnen Fachmodelle zu einem Koordinationsmodell. Die verwendeten Workflows sahen vor, dass die fachmodellinterne Prüfung durch die Fachkoordinatoren durchgeführt wird und sich der BIM-Gesamtkoordinator auf die Prüfung zwischen den Gewerken und die Abstimmung von auftretenden Schnittstellenproblematiken konzentriert. Die Prüfung erfolgte mittels visueller und automatisierter Kollisionsprüfung und einer regelbasierten Attributprüfung. 62 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 B12/ B32 Umbau Knotenpunkt bei Hergatz In diesem BIM-Projekt wurde auf den Einsatz einer klassischen CDE (Common Data Environment) verzichtet, da quasi alle Planer innerhalb derselben Organisation tätig sind. Die interne Kommunikation und der Datenaustausch werden effizient über firmeninterne Standards und Workflows organisiert. Der Datenaustausch mit dem Auftraggeber erfolgte bzw. erfolgt über eine Sharepoint- Plattform. 5.6 AWF 7 Erstellung von Vorentwurfs-, Entwurfs- und Genehmigungsplänen Die Ableitung der Vorplanungssowie Entwurfspläne erfolgte bereits modellbasiert, für die Genehmigungsplanung wird dies ebenso erfolgen. Das grundsätzliche Vorgehen bei der Ableitung von Plänen aus einem 3D-BIM-Modell umfasst die Erstellung von Ansichten, Draufsichten und Schnitten direkt aus dem Modell. Die abgeleiteten Darstellungen werden anschließend um Bemaßungen, Beschriftungen und, falls erforderlich, um zusätzliche nicht-modellbasierte Detailinformationen wie beispielsweise Arbeitsfugen oder Abdichtungen ergänzt. Die aus den Modellen abgeleiteten Pläne sind inhaltlich mit konventionellen 2D-Plänen vergleichbar. Folgende Punkte stellten bei der Planableitung Herausforderungen dar: • Ableitung abgewickelter Längsschnitte • Korrekte Darstellung von Auf- und Untersichten • Ausarbeitung von Schnitten mit definierter Ansichtstiefe, wie etwa bei der Ansicht eines Widerlagers Zur Anwendung kamen hierbei Lösungsansätze aus [2]. Neben der Planung der permanenten Konstruktionen erfolgte auch die Planung von temporären Maßnahmen (Baugruben, Verbauten, Behelfsumfahrung) nach der BIM-Methode. Dies ermöglichte auch für temporäre Strukturen die Planableitung basierend auf dem BIM- Modell. 5.7 AWF 9 Kostenschätzung und Kostenberechnung Mengen (Volumen, Flächen, Längen, Stückzahlen) wurden aus dem Modell entnommen und dienten als Basis für die Kostenschätzung und Kostenberechnung. Es wurden wesentliche Bauteile, die hohen Einfluss auf die Gesamtkosten haben mit Positionen im Modell verknüpft. Dies ermöglicht einfache Kontrollen und schafft die gewünschte Transparenz. 5.8 AFW 12 Terminplanung der Ausführung, Bauablaufsimulation Für die Realisierung des Umbaus des Verkehrsknotens werden zahlreiche Verkehrsführungsphasen benötigt. Die erstellte 4D-Bauablaufsimulation veranschaulicht den Bauablauf und soll bei der Öffentlichkeitsarbeit im Zuge des Genehmigungsprozesses zum Einsatz kommen. Die Erstellung der Bauablaufsimulation erfolgte mit der Software DesiteMD. Das Erstellungskonzept geht aus Abbildung 13 hervor. Die Verknüpfung zwischen Modellobjekten und Vorgängen des Terminplans erfolgte im vorliegenden Fall größtenteils skriptbasiert, d. h. automatisiert. Abb. 13: Konzept der 4D-Simulation mit DesiteMD 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 63 B12/ B32 Umbau Knotenpunkt bei Hergatz 6. Fazit Am Verkehrsknotenpunkt der B12/ B32 bei Hergatz wurde auf Grundlage von Bauwerksprüfungen und Sicherheitsanalysen eine umfassende Neuplanung notwendig. Die Vorstudie identifizierte den Bau eines Kreisverkehrs als Vorzugsvariante. Wesentliche Vorteile ergeben sich durch die Verringerung der Anzahl der Brückenbauwerke und die Behebung verkehrlicher Sicherheitsdefizite. Das Projekt wurde bisher - in den Leistungsphasen 01 bis 03 - vollständig mithilfe der BIM-Methode bearbeitet. Schwerpunkte lagen auf der Bestandserfassung, der Entwicklung eines Bauwerksdatenmodells, der interdisziplinären Koordination sowie der Kosten- und Terminplanung. Ein zentrales Anliegen war die Einführung aller Projektbeteiligten in die BIM-Arbeitsweise und die Lösung von Schnittstellenproblematiken. Es ist vorgesehen, die BIM-basierte Bearbeitung des Projektes fortzusetzen. Die Einführung von BIM-Standards, die Schulung der Beteiligten und die Erarbeitung von Lösungen für Schnittstellen führten in der Anfangsphase zu gewissen Mehraufwänden. Die Ergebnisse der BIM-Anwendungsfälle zeigen jedoch, dass die BIM-Methode auch in frühen Planungsphasen signifikante Mehrwerte schaffen kann. Insgesamt bietet das Projekt wertvolle Erkenntnisse für die Integration von BIM im Straßenbau und zeigt praxisnahe Ansätze zur Bewältigung typischer Herausforderungen. Literatur [1] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2021): Masterplan BIM Bundesfernstraßen: Rahmendokument: Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA), Version 1.0, Berlin, Deutschland, S. 27 - 29., [PDF] https: / / bmdv.bund. de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ StB/ bim-rd-aia.pdf? __ blob=publicationFile. [2] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2021): Masterplan BIM Bundesfernstraßen: Rahmendokument: Modellbasierte Planableitung für den Brückenentwurf, Version 1.0, Berlin, Deutschland, [PDF] https: / / bmdv.bund.de/ Shared- Docs/ DE/ Anlage/ StB/ bim-rd-leitfaden-brueckenentwurf.pdf? __blob=publicationFile