eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
0217
2025
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Umweltverträglicher Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen im Straßenbau

0217
2025
Thomas Merkel
Bei der Erzeugung und Verarbeitung von Metallen, bei der Erzeugung von Energie und bei anderen industriellen Prozessen einerseits sowie im Zuge von Bautätigkeiten andererseits entstehen jährlich rund 260 Mio. t industrielle Nebenprodukte und mineralische Bauabfälle. Der Einsatz dieser Baustoffe im Straßenbau hat sich über viele Jahre etabliert und bewährt. Unerlässlich ist dabei die Berücksichtigung sämtlicher Anforderungen, die sich aus bautechnischer Sicht und aus umwelttechnischen Fragen ergeben. Dann tragen diese Baustoffe substanziell zur Schonung natürlicher Gesteinsrohstoffe bei und reizen die ohnehin schon begrenzten Deponiekapazitäten nicht weiter aus. Hinsichtlich der Bewertung der Umweltverträglichkeit mineralischer Baustoffe haben über Jahrzehnte die Bundesländer jeweils eigene Regelungen entwickelt. Erst seit der Föderalismusreform 2006 wurde dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für diese Fragen zugesprochen, und seitdem wurde intensiv an einer bundeseinheitlichen Regelung gearbeitet. Als Ergebnis dieser Diskussionen ist am 1. August 2023 die sogenannte Ersatzbaustoffverordnung (Ersatzbaustoff V) in Kraft getreten. Die jahrelange Entwicklung der ErsatzbaustoffV hat in den vergangenen Jahren zunehmend zu Unsicherheiten geführt, inwieweit die vorher gültigen Länderregelungen noch zeitgemäß sind. Insofern ist grundsätzlich zu begrüßen, dass dieser Prozess nun zu einem Abschluss gekommen ist. Allerdings muss anderthalb Jahre nach Inkrafttreten der ErsatzbaustoffV festgestellt werden, dass das Ziel einer verbesserten Kreislaufwirtschaft nicht erreicht wurde. Es zeigt sich deutlich, dass eine Reihe von Regelungen nachgebessert werden muss, um die ErsatzbaustoffV zum Erfolg zu führen.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 67 Umweltverträglicher Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen im Straßenbau Dr.-Ing. Thomas Merkel Fachverband Eisenhüttenschlacken e. V., Duisburg Zusammenfassung Bei der Erzeugung und Verarbeitung von Metallen, bei der Erzeugung von Energie und bei anderen industriellen Prozessen einerseits sowie im Zuge von Bautätigkeiten andererseits entstehen jährlich rund 260 Mio. t industrielle Nebenprodukte und mineralische Bauabfälle. Der Einsatz dieser Baustoffe im Straßenbau hat sich über viele Jahre etabliert und bewährt. Unerlässlich ist dabei die Berücksichtigung sämtlicher Anforderungen, die sich aus bautechnischer Sicht und aus umwelttechnischen Fragen ergeben. Dann tragen diese Baustoffe substanziell zur Schonung natürlicher Gesteinsrohstoffe bei und reizen die ohnehin schon begrenzten Deponiekapazitäten nicht weiter aus. Hinsichtlich der Bewertung der Umweltverträglichkeit mineralischer Baustoffe haben über Jahrzehnte die Bundesländer jeweils eigene Regelungen entwickelt. Erst seit der Föderalismusreform 2006 wurde dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für diese Fragen zugesprochen, und seitdem wurde intensiv an einer bundeseinheitlichen Regelung gearbeitet. Als Ergebnis dieser Diskussionen ist am 1. August 2023 die sogenannte Ersatzbaustoffverordnung (Ersatzbaustoff-V) in Kraft getreten. Die jahrelange Entwicklung der ErsatzbaustoffV hat in den vergangenen Jahren zunehmend zu Unsicherheiten geführt, inwieweit die vorher gültigen Länderregelungen noch zeitgemäß sind. Insofern ist grundsätzlich zu begrüßen, dass dieser Prozess nun zu einem Abschluss gekommen ist. Allerdings muss anderthalb Jahre nach Inkrafttreten der ErsatzbaustoffV festgestellt werden, dass das Ziel einer verbesserten Kreislaufwirtschaft nicht erreicht wurde. Es zeigt sich deutlich, dass eine Reihe von Regelungen nachgebessert werden muss, um die ErsatzbaustoffV zum Erfolg zu führen. 1. Einführung Im Laufe der vergangenen Jahre haben sich die Begriffe der Nachhaltigkeit, der Kreislaufwirtschaft und der Ressourceneffizienz zu wichtigen Themen der politischen und gesellschaftlichen Diskussion entwickelt [1, 2, 3, 4]. Die damit zusammenhängenden Fragen sind für den Straßenbau nicht neu, sie stellen ihn aber immer wieder vor große und komplexe Herausforderungen. So muss bei jeder Baumaßnahme das unausweichliche Eingreifen in die Umwelt hinsichtlich der ökologischen, ökonomischen und sozialen Wirkungen beurteilt werden. Diese drei Aspekte ins Gleichgewicht zu bringen, bedarf es branchen- und fachspezifischer Strategien. Eine dieser Strategien bezieht sich auf die Auswahl und Verwendung der Baustoffe. Die Relevanz einer effizienteren Materialnutzung und Ressourcenschonung wird allein durch die Betrachtung der im Straßenbau bewegten Stoffströme offensichtlich. Gewinnungsstätten mineralischer Baustoffe werden aufgrund der offensichtlichen Eingriffe in die Landschaft durchaus auch kritisch gesehen. Dies führt inzwischen regional teils zu Engpässen bei der Lieferung natürlicher Gesteinskörnungen. Auch kommt es - nicht nur durch umweltpolitische Vorgaben - zu einer zunehmenden Verknappung von Deponieraum. Bei der Erzeugung und Verarbeitung von Metallen, bei der Erzeugung von Energie und bei anderen industriellen Prozessen einerseits sowie im Zuge von Bautätigkeiten andererseits entstehen jährlich rund 260 Mio. t industrielle Nebenprodukte und mineralische Bauabfälle [5]. Der Einsatz dieser Baustoffe im Straßenbau ist etabliert, er hat sich über viele Jahrzehnte bewährt. Unerlässlich für den erfolgreichen Einsatz ist die Berücksichtigung sämtlicher Anforderungen, die sich aus bautechnischer Sicht einerseits oder aus Fragen der Umweltverträglichkeit andererseits ergeben - beide Anforderungsgruppen müssen unabhängig voneinander erfüllt werden. Dann tragen diese Baustoffe substanziell zur Schonung natürlicher Gesteinsrohstoffe bei und reizen die ohnehin schon begrenzten Deponiekapazitäten nicht weiter aus. Heute ist dem Ziel der Schonung von Gesteinsressourcen und Deponiekapazitäten mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz [6] ein gesetzlicher Rahmen gesetzt. Für eine nachhaltige Materialverwendung ist insbesondere die darin beschriebene mehrstufige Hierarchie maßgebend. Demnach sind Abfälle in erster Linie zu vermeiden. Nur, sofern dies nicht möglich ist, ist eine (im Gesetz dreistufige) Verwertung anzustreben, und erst als letzte Option überhaupt ist eine Beseitigung im Sinne einer Deponierung vorgesehen. Bedingt durch gesetzliche Randbedingungen und Anforderungen des allgemeinen Umweltschutzes ist es also notwendig, die verfügbaren industriell hergestellten und rezyklierten Gesteinskörnungen sowie Bodenmaterialien möglichst vollständig und dabei so hochwertig wie möglich zu verwenden. Durch die Ersatzbaustoffverordnung (ErsatzbaustoffV, im Folgenden kurz EBV) [7] wird (strenggenommen nur für die dort behandelten) Sekundärbaustoffe der Begriff mineralische Ersatzbaustoffe (im Folgenden: MEB) verwendet. Dieser zusammenfassende 68 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Umweltverträglicher Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen im Straßenbau Begriff wird daher im Folgenden genutzt, um bei einer einheitlichen Begrifflichkeit zu bleiben. 2. Anforderungen an Straßenbaustoffe Es ist völlig unstrittig, dass die im Straßenoberbau und im Erdbau einzusetzenden Baustoffe für den jeweiligen Anwendungszweck uneingeschränkt geeignet sein müssen. Dies umfasst immer sowohl Fragen der bautechnischen Eignung als auch Fragen des Arbeitsschutzes und umwelttechnische Aspekte in Bezug auf den Schutz von Boden und Grundwasser. Aus bautechnischer Sicht werden die Voraussetzungen für den Einsatz in den jeweiligen Zusätzlichen Vertragsbedingungen und Richtlinien sowie den jeweils einschlägigen Technischen Lieferbedingungen festgelegt. Insbesondere sind die für den Straßenbau erforderlichen Anforderungen an natürliche und künstliche Gesteine in den TL Gestein-StB [8] zusammengestellt. Dieses Regelwerk enthält beispielsweise Anforderungen an den Widerstand gegen Zertrümmerung oder gegen Frostbeanspruchung, deren Einhaltung für den jeweiligen Zweck unabhängig von der Gesteinsart grundsätzlich erforderlich ist. Daneben gibt es aber auch spezielle Prüfungen für bestimmte Gesteinsarten. Beispiele sind die Prüfung von Basalt auf „Sonnenbrand“, von RC-Baustoffen auf die stoffliche Zusammensetzung und von Stahlwerksschlacke und Hausmüllverbrennungsasche auf eine für den jeweiligen Einsatzzweck ausreichende Raumbeständigkeit. Die TL Gestein-StB enthalten darüber hinaus aber auch Anforderungen an umweltrelevante Merkmale. Bei natürlichen Gesteinskörnungen wird die Umweltverträglichkeit als gegeben angenommen und muss daher nicht nachgewiesen werden. Für industriell hergestellte und rezyklierte Gesteinskörnungen jedoch sind Anforderungen formuliert, die durch die EBV [7] vorgegeben werden. Bis zur Einführung der EBV behielten sich die Bundesländer vor, die Festlegungen zur Bewertung der Umweltverträglichkeit selbst zu definieren. Daher galten in Deutschland in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Regelungen. Diese basierten teils auf Vorschlägen der Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall [9], teils galten aber auch eigene Anforderungen (z. B. [10]). Erst seit der Föderalismusreform 2006 [11] wurde dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für diese Fragen zugesprochen, was die Entwicklung und Einführung der bundesweit gültigen Verordnung ermöglichte. Als Ergebnis wurde am 16. Juli 2021 die EBV im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren ist sie am 1. August 2023 in Kraft getreten. Grundlage der EBV-Regelungen ist ein wissenschaftliches Konzept [12, 13], das auf der Basis eines breit angelegten Verbund-Forschungsvorhabens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Si-ckerwasserprognose erarbeitet wurde. Es wurde von Schwellenwerten für das Grundwasser [14] bzw. von Hintergrundwerten im Grundwasser [15] ausgegangen und darauf auf bauend durch Modellrechnungen abgeleitet, welche Konzentrationen bestimmter Inhaltsstoffe in Sickerwasser enthalten sein dürfen, die eine Schicht oder einen Baukörper verlassen. Unter Berücksichtigung der Bewegung des Sickerwassers (mit den Inhaltsstoffen) zum Grundwasser und der Anreicherung der Inhaltsstoffe aufgrund von Anlagerungen im Boden wurden materialspezifische Grenzwerte (sog. Materialwerte) und Einsatzmöglichkeiten abgeleitet. Dass hierbei für die Erarbeitung einer bundesweiten Verordnung Annahmen getroffen, Kategorisierungen vorgenommen und Vereinfachungen zugelassen werden müssen, ist grundsätzlich nachvollziehbar und lässt sich letztlich nicht umgehen. Grundsätzlich besteht, wenn Gesteinskörnungen in technischen Bauwerken Witterungseinflüssen wie Niederschlägen und Temperaturschwankungen ausgesetzt werden, die Möglichkeit, dass durch den Kontakt mit Niederschlags- oder Sickerwasser Stoffe aus dem Baustoff gelöst und freigesetzt werden. Die Freisetzung ist von einer Vielzahl von Randbedingungen abhängig. Maßgeblich für das Freisetzungspotential sind z. B. die mineralogische und chemische Bindung, die Einbindung in die umgebende Matrix, das Maß der Kristallinität, die Korngröße sowie die Säuren- oder Basenneutralisationskapazität. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass für die meisten Stoffe keine Korrelation zwischen ihren Gesamtgehalten im Feststoff und der Löslichkeit existiert, so dass sich das Freisetzungspotential nicht anhand von Feststoffgehalten abschätzen lässt [16]. Konsequenterweise wird in der EBV wie auch schon bei den vorher gültigen Länderregelungen bei der Bewertung der MEB für den Einsatz in technischen Bauwerken in der Regel die Auslaugbarkeit herangezogen. Nur organische Parameter, die in Böden oder RC-Baustoffen enthalten sein können, sind im Feststoff zu analysieren. In Einzelfällen wird durch die Beschränkung von Einsatzgebieten eine indirekte Bewertung auch der Feststoffgehalte vorgenommen. Bereits vor über 50 Jahren wurden von der Stahlindustrie erste Verfahrensvorschiften zur Prüfung des Auslaugverhaltens von Hochofenschlacke veröffentlicht [17]. Über viele Jahre wurde als Standard-Prüfverfahren für den Straßenbau ein Schüttelverfahren mit einem Wasser/ Feststoff-Verhältnis von 10: 1 [18] auf Basis einer europäischen Norm [19] angewendet. Basierend auf den o. g. wissenschaftlichen Studien [12, 13] stützt sich die EBV auf neue Auslaugverfahren [20, 21], die mit einem Wasser/ Feststoff-Verhältnis von 2: 1 arbeiten. Die Ergebnisse lassen sich wegen der unterschiedlichen Wasser/ Feststoff-Verhältnisse nicht miteinander vergleichen, auch eine Umrechnung ist nicht möglich. Für die meisten Parameter ergeben sich bei einem Wasser/ Feststoff-Verhältnis von 2: 1 deutlich höhere Analysenergebnisse als bei einem Wasser/ Feststoff-Verhältnis von 10: 1. Basierend auf den Untersuchungsergebnissen werden die MEB klassifiziert, um die Einbaumöglichkeiten bestimmen zu können. Die Festlegung unterschiedlicher „Materialklassen“ (auf der Basis unterschiedlicher Auslaugbarkeit) ermöglicht hierbei den gezielten Einsatz je nach Bauweise einerseits und Empfindlichkeit des Untergrunds (Boden, Grundwasser) andererseits. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 69 Umweltverträglicher Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen im Straßenbau In der EBV werden zur Beurteilung der Schutzwirkung der Grundwasserdeckschicht die Bodenarten Sand, Lehm, Schluff und Ton genannt. Der Bauherr oder der Verwender (in der Regel das Bauunternehmen) der MEB hat die Beurteilung der Grundwasserdeckschichten auf der Grundlage einer bodenkundlichen Ansprache von Bodenproben oder von Baugrunduntersuchungen nach bodenmechanischen oder bodenkundlichen Normen vorzunehmen. Dabei entspricht die Bodenartenhauptgruppe Sand nach Bodenkundlicher Kartieranleitung KA 5 [22] den Bodengruppen SE, SW oder SI nach DIN 18196 [23], die Bodenartenhauptgruppen Lehm, Schluff und Ton nach KA 5 entsprechen den Bodengruppen SU, ST, GU*, GT*, SU*, ST*, UL, UM, UA, TL, TM oder TA nach DIN 18196. Die Bodenartenhauptgruppe Kies nach KA 5 (Bodengruppen GW, GE, GI, GU, GT nach DIN 18196) wird als Grundwasserdeckschicht nicht anerkannt. 3. Umsetzung im Regelwerk für den Straßenbau Auch wenn die EBV als Verordnung der Bundesregierung für sich gilt und insofern eine Umsetzung in das Regelwerk für den Straßenbau formal nicht erforderlich ist, wurde nach der Veröffentlichung der EBV im Bundesgesetzblatt [7] durch die FGSV beschlossen, die Regelungen der EBV soweit in das Regelwerk für den Straßenbau zu implementieren, wie dies die Anwendung im Straßen-, Erd- und Wegebau erleichtert. Um die Umsetzung zwischen der Veröffentlichung im BGBl und dem Inkrafttreten zwei Jahre später abschließen zu können, war die Bearbeitung in engem Rhythmus und unter großem Einsatz aller Beteiligten erforderlich. Unterschiedliche Teilaufgaben wurden in diesem Zusammenhang durch unterschiedliche Gremien übernommen. Im Ergebnis sind die Regelungen der EBV in folgenden Regelwerken für den Straßenbau umgesetzt worden, die dazu entsprechend überarbeitet wurden: • Probenahme TP Gestein-StB [18] • Prüffrequenzen in der Gütesicherung: TL Gestein-StB [8] TL G SoB-StB [24] TL BuB E-StB [25] • Durchführung der Prüfungen (Eluatherstellung und Analytik, CBR-Klasse): TP Gestein-StB [18] • Materialspezifische Anforderungswerte („Materialwerte“): TL Gestein-StB [8] • Einbaumöglichkeiten: RuA-StB [26] Insbesondere die RuA-StB [27] wurden vollständig überarbeitet: Die Erstfassung der RuA-StB wurde 2001 veröffentlicht als Ergänzung zu den damaligen TL Min-StB 2000 [28], da die TL lediglich Anforderungen an die Gesteine enthalten, aber keinen Hinweis darauf, wo Baustoffe eingesetzt werden können, welche diese Anforderungen einhalten. Mögliche Einsatzgebiete wurden damals festgelegt in Abhängigkeit von der Auslaugbarkeit, der Durchsickerbarkeit der betreffenden Schicht und der darüberliegenden Schichten sowie der Schutzwirkung der Grundwasserüberdeckung. Prinzipiell sind diese Überlegungen auch Bestandteil des wissenschaftlichen Konzepts zur EBV. In die Entscheidung über die zulässigen Einsatzmöglichkeiten gehen in der EBV die Einbauweise (z. B. Asphaltdecke, Schottertragschicht oder Straßendamm) ein sowie die Eigenschaften der Grundwasserüberdeckung und ggf. die Lage innerhalb eines Wasserschutzbereichs. Die Darstellung, wo der Einsatz für den jeweiligen Baustoff möglich ist, sofern die Anforderungswerte eingehalten werden, erfolgt in der EBV in Tabellenform. Das Grundprinzip dieser Tabellen wurde von den sog. Verwertererlassen aus NRW [29, 30, 31] übernommen, wo es sich über viele Jahre bewährt hat. Im Unterschied zur EBV, die ausschließlich umweltrelevante Aspekte regelt, berücksichtigen die neu gefassten RuA-StB [26] auch Aspekte der Bautechnik. Insbesondere wurden in den RuA-StB in den Einbautabellen für die einzelnen MEB die Zeilen, die entsprechend dem R1- Regelwerk der FGSV (= Vertragsgrundlagen und Richtlinien) aus bautechnischen Gründen nicht zulässig sind, durch Schraffur eindeutig als nicht zulässig gekennzeichnet. Die ausschließlich auf der Bewertung der Umwelteigenschaften beruhenden Tabellen in der EBV hatten teils zu Fragen geführt, ob eine „bisher“ aus bautechnischen Gründen nicht zulässige Nutzung von MEB evtl. doch möglich sei. Außerdem wurden durch die RuA-StB die Regelungen der EBV erforderlichenfalls „übersetzt“ in den Sprachgebrauch des Straßenbaus, sowie präzisiert oder ergänzt, wo dies für die mit Planung, Ausschreibung und Bau von Straßenbauwerken befassten Personen von Relevanz ist. Eine Änderung von Regelungen der Verordnung erfolgte ausdrücklich nicht - die EBV als Verordnung der Bundesregierung gilt uneingeschränkt. Dies gilt selbst dann, wenn die EBV offensichtlich Fehler enthält - der im BGBl veröffentlichte Text ist bindend. 4. Anerkennung als Produkt Für MEB ist die Frage, ob sie als Abfälle einzustufen sind oder als Produkte von großer Bedeutung. Eine Anerkennung als Produkt baut ggf. bestehende Vorurteile und Hemmnisse seitens der Verwender ab und der Entfall spezifischer mit dem Abfallrecht verbundener Verpflichtungen, z. B. beim Transport oder bei der Lagerung, vereinfacht die Nutzung. Die grundsätzlichen Regelungen dazu werden im KrWG [6] getroffen. Dort werden für Nebenprodukte (in § 4 KrWG) und für das Ende der Abfalleigenschaft (in § 5 KrWG) Kriterien genannt, die die Voraussetzung für die Anerkennung als Produkt bilden. Durch die EBV wurde schon zu Beginn der Diskussionen nicht allein auf mineralische Abfälle abgezielt, sondern sie sollte genauso den Einsatz von Nebenprodukten regeln sowie von Stoffen, die das Ende der Abfalleigenschaft erreicht haben. Zur gemeinsamen Benennung wurde daher seinerzeit auch eigens der Begriff „mineralischer Ersatzbaustoff“ (MEB) kreiert. Über einige Jahre enthielten die Entwürfe zur EBV auch explizite Vorschrif- 70 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Umweltverträglicher Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen im Straßenbau ten, welche MEB als Nebenprodukte bzw. als Abfallende-Stoffe anerkannt werden können. Diese Regelungen waren letzten Endes nicht konsensfähig und wurden im Zuge der Diskussionen wieder gestrichen. Damit gelten für die in der EBV behandelten Baustoffe weiterhin die allgemeinen Regelungen des KrWG, die also bisher nicht durch eine Spezialvorschrift ergänzt oder verdrängt wurden. Um die Kriterien der §§ 4, 5 KrWG zu konkretisieren, hat jedoch inzwischen das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) Ende 2023 „Eckpunkte zur Abfallende- Verordnung für bestimmte mineralische Ersatzbaustoffe“ vorgelegt [32]. Die vorgelegten Eckpunkte engen den Regelungsbereich allerdings extrem ein: Nur wenige Materialklassen gemäß EBV sollen das Abfallende erreichen können. Alle anderen werden von vornherein als nicht abfallendefähig angesehen. Regelungen zur Anerkennung von Nebenprodukten sollen gemäß den durch das BMUV veröffentlichten Eckpunkten überhaupt nicht getroffen werden. Das ist zwar formal für eine reine Abfallende-Verordnung korrekt. Gleichzeitig ist aber davon auszugehen, dass Festlegungen zum Abfallende in der Praxis auch eine Indizwirkung für strittige Entscheidungen zur Anerkennung eines Stoffes als Nebenprodukt haben werden. Außerdem könnten bei der geplanten Beschränkung auf Abfallende-Kriterien ausschreibende Stellen künftig Abfallende-Materialien, die gemäß der geplanten Rechtsverordnung rechtssicher bestimmt werden könnten, gegenüber Nebenprodukten bevorzugen, die ohne Konkretisierung weiterhin lediglich nach der allgemeinen Vorschrift des § 4 KrWG qualifiziert werden müssten. Die geplante Rechtsverordnung darf jedoch nicht dazu führen, dass die Marktteilnehmer die MEB in ein vorzugswürdiges Segment und ein tunlichst zu vermeidendes Segment unterteilen. Denn das hieße, dass sich für das nicht vorzugswürdige Segment das Risiko einer Benachteiligung bei der Vermarktung und damit einer Deponierung deutlich erhöhte. Seitens des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) und des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) wird die restriktive Sichtweise des BMUV kritisiert, da davon ausgegangen werden muss, dass sie sich zwar wahrscheinlich positiv für die wenigen durch die geplante Verordnung geregelten Stoffen auswirkt, gleichzeitig aber für alle anderen Materialien die Absatzchancen verschlechtert. Um diese Aussage zu belegen, wurde industrieseitig die Prognos AG mit einer Umfrage bei potenziellen Auftraggebern über den Einsatz von MEB beauftragt [33]. Das Ziel war, die tatsächlichen Auswirkungen einer Produktbzw. Abfalleinstufung im Markt zu überprüfen. Die Umfrage wurde von Mitte Dezember 2023 bis Ende Februar 2024 online durchgeführt. Der Rücklauf betrug insgesamt 457 Fragebögen und das Ergebnis ist eindeutig: Jeweils fast 80 % der Teilnehmenden an der Umfrage gehen davon aus, dass die Umsetzung des Produktstatus für alle MEB in allen Materialkassen zu einer Erhöhung der Einbaumengen führen wird, bzw. im anderen Falle, dass die Umsetzung des Produktstatus nur für wenige beste Materialklassen zu einer stärker auf diese Materiaklassen fokussierten Nachfrage führt und die anderen Materialklassen künftig voraussichtlich im Wesentlichen auf Deponien verwertet/ beseitigt werden. Die EBV sorgt bereits dafür, dass die dort geregelten MEB geprüft und so eingestuft werden, dass sie in vielen Einsatzgebieten des Erd-, Tief-, Straßen- und Landschaftsbaus eingesetzt werden können. Das muss - so die Überzeugung von BMDV und BMWSB - auch Auswirkungen auf die Anerkennung als Nebenprodukt bzw. des Abfallendes haben: Im KrWG werden (s. o.) für Abfälle und Nebenprodukte jeweils vier Kriterien genannt, die die Voraussetzung für die Anerkennung als Produkt bilden. Dabei sind die ersten drei Kriterien in der Regel kaum strittig - lediglich die Formulierung im vierten Kriterium „... und insgesamt nicht zu schädlichen Aus-wirkungen auf Mensch und Umwelt führt“ wird immer wieder kontrovers diskutiert. Hier helfen die Regelungen der EBV weiter: Bei MEB, die hinsichtlich ihrer Qualität und Gütesicherung die Regeln der EBV einhalten und auch gemäß den Regeln der Verordnung eingesetzt werden bzw. dafür vorgesehen sind, sind nachteilige Veränderungen der Grundwasser-beschaffenheit [34] und schädliche Bodenveränderungen [35] nicht zu besorgen, wie in der Verordnung ausdrücklich festgehalten wird. Sie dürfen daher - vorbehaltlich der Erfüllung der jeweils ersten drei Kriterien der §§ 4, 5 KrWG - nicht als Abfälle angesehen werden, sondern müssen als Nebenprodukte anerkannt werden, bzw. als Stoffe, die das Ende der Abfalleigenschaft erreicht haben. Welchen Sinn hätte eine EBV, die den im KrWG geforderten Schutz von Boden und Grundwasser nicht gewährleistet? Deshalb sind BMDV und BMWSB davon überzeugt, dass die Einführung einer umfassenden Abfallende- und Nebenprodukt-Verordnung dringlich ist, die alle Materialien und Materialklassen der EBV einbezieht. Eine Unterscheidung zwischen hochwertigen und weniger hochwertigen mineralischen Ersatzbaustoffen nimmt weder die EBV vor, noch wäre dies zielführend. Können mineralische Ersatzbaustoffe hergestellt und in einem technischen Bauwerk eingebaut werden, dann nur, wenn von Baustoff, Einbauweise und Einbauort abhängige Werte nach der EBV eingehalten wurden. Dann aber darf auch nicht das Marktpotenzial durch eine Einstufung als Abfall reduziert werden. 5. Ausschreibung von mineralischen Ersatzbaustoffen Straßenbaumaßnahmen werden weit überwiegend durch die öffentliche Hand ausgeschrieben und beauftragt. Daher tragen die öffentlichen Auftraggeber auch eine erhebliche Verantwortung im Hinblick auf die Umsetzung der von der Bundesregierung formulierten Ziele der Ressourcenschonung [3] und der Förderung der Kreislaufwirtschaft [6]. Auch die Europäische Kommission veröffentlichte unter dem Titel „Buying Green! “ Hinweise 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 71 Umweltverträglicher Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen im Straßenbau für eine „grüne öffentliche Beschaffung“ [36]. Die entsprechende Formulierung von Ausschreibungstexten für Baumaßnahmen wäre also ein wichtiger erster Schritt, die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand einzusetzen. § 45 KrWG „Pflichten der öffentlichen Hand“ verpflichtet die Behörden des Bundes sowie die der Aufsicht des Bundes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Sondervermögen und sonstigen Stellen auch ausdrücklich, durch ihr Verhalten dazu beizutragen, die Ziele des Kreislaufwirtschaftsgesetzes umzusetzen. Zunehmend werden entsprechende Formulierungen auch in die Landes-Kreislaufwirtschaftsgesetze eingebracht. Dazu haben die genannten Stellen u. a. bei Bauvorhaben Erzeugnissen den Vorzug zu geben, die in abfallarmen Produktionsverfahren hergestellt wurden (z. B. als Nebenprodukte) oder durch das Recycling von Abfällen (z. B. als RC-Baustoffe). Solche Erzeugnisse sind in Vergabeverfahren zuzulassen und zu bevorzugen, es sei denn, es gebe keine entsprechenden geeigneten Erzeugnisse, die Mehrkosten seien unzumutbar oder es stünden andere Rechtsvorschriften der Bevorzugung entgegen. Selbstverständlich muss ein ausreichender Wettbewerb gewährleistet sein. In diesem Zusammenhang bietet die EBV den ausschreibenden Stellen nun die auch formale Sicherheit für den rechtssicheren Einsatz von MEB. Damit ist eine wesentliche Bedingung des § 45 KrWG erfüllt. Daher können und sollen diese Baustoffe bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand bevorzugt werden. Dabei ist diese Bevorzugung zwar nicht absolut, Ausnahmen sind jedoch zu begründen. Noch ein weiterer Aspekt ist bezüglich der Ausschreibung von Straßenbauwerken von Bedeutung: Durch die EBV werden für einige MEB mehrere Materialklassen auf der Basis der Auslaugbarkeit definiert. Diese Unterteilung ermöglicht einen aus hydrogeologischer Sicht differenzierten Einbau. Auf Basis des wissenschaftlichen Konzepts werden für die unterschiedlichen MEB und Materialklassen jeweils die Kombinationen aus Einbauweisen und Untergrundverhältnissen zugelassen, die eine aus Sicht des Boden- und Grundwasserschutzes verantwortbaren Einsatz ermöglichen. Das heißt aber auch, dass bei Einbausituationen, für die eine „ungünstigere“ Materialklasse geeignet und zulässig ist, in der Ausschreibung diese Materialklasse ebenfalls zugelassen werden muss. Die verbreitete Praxis, grundsätzlich nur die „besten“ Materialklassen auszuschreiben, führt dazu, dass die anderen Materialklassen kaum nachgefragt werden und letztlich deponiert werden müssen. In der Konsequenz müssen zusätzliche natürliche Gesteinsrohstoffe gewonnen und eingesetzt werden. Eine Ausschreibung nur der „besten“ Material-klassen konterkariert die der EBV zugrundeliegende Absicht, einen möglichst umfassenden verantwortlichen Einsatz von MEB zu ermöglichen. 6. Stand und Ausblick Die EBV ist am 1. August 2023 in Kraft getreten. Ziele waren, die Bewertung der Umweltverträglichkeit von MEB bundesweit zu vereinheitlichen, dabei den Schutz des Bodens und des Grundwassers zu gewährleisten und die Kreislaufwirtschaft zu befördern. Anderthalb Jahre nach dem Inkrafttreten muss festgestellt werden, dass diese Ziele nicht erreicht wurden: • Statt einer bundesweit einheitlichen Behandlung von MEB werden die verbliebenen Interpretationsspielräume in den Bundesländern unterschiedlich genutzt, teils sogar von Landkreis zu Landkreis. Auch die FAQ der LAGA [37] helfen hier nur bedingt weiter. • Bereits vor Einführung der EBV, zur Zeit der unterschiedlichen Länderregelungen, gab es Regelungen zum Schutz von Boden und Grundwasser. Diese waren evtl. nicht mehr auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand - aber immerhin so streng, dass bei Einhaltung dieser Vorschriften kein einziger Schadensfall bekannt ist. Insofern scheint die EBV zumindest keine wesentliche Verbesserung bewirkt zu haben. • Die Regelungen der EBV haben dazu geführt, dass der Einsatz von MEB seit dem Inkrafttreten zurückgegangen ist, wie z. B. auch aktuelle Umfragen belegen [38, 39]. Für die Kreislaufwirtschaft, die Schonung von natürlichen Gesteinsressourcen und Deponiekapazitäten, ist dies ein deutlicher Rückschritt. Grundsätzlich werden die o. g. Ziele der EBV weiter als richtig und wichtig angesehen. Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung sind wichtige Aspekte im Themenkomplex Klimaschutz und Nachhaltigkeit und müssen mit hohem Druck vorangebracht werden. Daher ist dringend erforderlich, die EBV zu überarbeiten. Dabei sind folgende Punkte vordringlich: • Die Einbindung von MEB in Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel verhindert effektiv die Auslaugung von ggf. kritischen Bestandteilen. Die Vorgaben der EBV haben aber dazu geführt, dass dieser Markt aus produktions- und baupraktischen Gründen seit dem Inkrafttreten der EBV nicht mehr bedient wird. Es hat sich gezeigt, dass MEB für die Herstellung von Asphaltmischgut gemäß harmonisierten europäischen Normen vom Anwendungsbereich der EBV ausgenommen werden müssen. • Im der EBV zugrundeliegenden wissenschaftlichen Konzept werden für den Fall „ungünstiger Eigenschaften der Grundwasserdeckschicht“ keinerlei Rückhalteprozesse vorausgesetzt. Für die hier zulässigen MEB bedeutet dies, dass sie die entsprechenden Anforderungen bereits beim Verlassen der MEB- Schicht einhalten müssen. Die Anforderungen an den betreffenden MEB sind also deutlich schärfer als bei Einsatzgebieten, bei denen eine Rückhaltung während der Bodenpassage angesetzt wurde. Gemäß § 19 Abs. 8 EBV wird jedoch auch für den o. g. ungünstigen Fall eine Grundwasserdeckschicht aus Kies nicht anerkannt - trotz der verschärften Anforderungen an den MEB. Bereits jetzt zeichnet sich in manchen Regionen aufgrund dieser Regelung ein deutlicher Rückgang der Kreislaufwirtschaft im Ver- 72 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Umweltverträglicher Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen im Straßenbau gleich zum Vollzug vor Inkrafttreten der EBV ab. Die möglicherweis auf einen redaktionellen Fehler zurückzuführende Regelung muss daher schnellstmöglich korrigiert werden. • Zur Bewertung des umweltverträglichen Einsatzes von MEB wurden ein wissenschaftliches Fachkonzept erarbeitet, die Auswirkungen auf Boden und Gewässer geprüft und in Bedingungen für den Einsatz dieser MEB umgesetzt [12, 13]. Wenn die gesetzten Bedingungen dies gewährleisten, sind Boden und Gewässer nicht nur bei großen, sondern selbstverständlich auch bei kleineren Einbaumengen geschützt. Dann führt jede weitere Einschränkung des Einsatzes zu unnötiger Verschiebung von Stoffströmen in die Deponierung. Dennoch werden für einige MEB Mindesteinsatzmengen je Baumaßnahme festgelegt, sie sind in Mengen von mindestens 50 m³ oder sogar mindestens 250 m³ einzubauen. Dieser Punkt ist insbesondere bei kommunalen Bauträgern von großer Bedeutung, bei denen oft kleinere Baumaßnahmen durchzuführen sind und die durch die bestehende Regelung stark in Ihren Möglichkeiten beschnitten werden, aktiv zur Kreislaufwirtschaft beizutragen. • Durch den Wegfall der wasserrechtlichen Erlaubnis bei Einhaltung der in der EBV definierten Bedingungen sollte eine Vereinfachung des Einbaus von MEB erreicht werden, auch ein Bürokratieabbau. Diese durchaus gut gemeinte Regelung führt allerdings in der Baupraxis dazu, dass nun (insbesondere private) Bauherren in die Verantwortung genommen werden, die ggf. nur einmalig oder zumindest nur selten über die Zulässigkeit eines MEB-Einsatzes entscheiden müssen. Die dadurch entstehende Rechtunsicherheit führt dazu, dass auf den Einsatz von MEB verzichtet und vermehrt auf natürliche Gesteinsbaustoffe zurückgegriffen wird. • Die Beurteilung der Grundwasserdeckschicht ist auf der Grundlage einer bodenkundlichen Ansprache von Bodenproben oder von Baugrunduntersuchungen vorzunehmen. Eine auf Kartenwerken basierende Beurteilung ist nicht zulässig. Als Begründung wird angeführt, dass Kartenwerke in der erforderlichen Detailtiefe i. d. R. nicht vorliegen [37]. Das mag in Gebieten mit kleinräumigen Veränderungen richtig sein, aber in vielen Gebieten wäre der Verzicht auf detaillierte bodenkundliche Untersuchungen vertretbar und gleichzeitig ein deutlicher Beitrag zur Kostensenkung, der sich gerade auch bei kleineren Maßnahmen bemerkbar machte. Perspektivisch wäre sinnvoll, eine bundesweit einheitliche digitale Datengrundlage zu schaffen, um Mächtigkeit und Eigenschaften der Grundwasserdeckschicht flurstücksscharf bereitzustellen. • Für einen Reihe von MEB ist der Einsatz vier Wochen vor Beginn des Einbaus anzuzeigen (Voranzeige), außerdem nochmals zwei Wochen nach Abschluss der Baumaßnahme (Abschlussanzeige). Die Verwendung anzeigepflichtiger MEB sollen anschließend in einem Kataster dokumentiert werden. Diese Anzeige- und Katasterpflicht für einige MEB werden im Markt als Diskriminierung dieser MEB wahrgenommen, sie verursachen zusätzliche Bürokratie und kaum abschätzbare Mehrkosten und senken die Akzeptanz bei Auftraggebern und sonstigen Nutzern. Selbst wenn man die Anzeigepflichten grundsätzlich befürwortet: Die Frist von vier Wochen für eine Voranzeige mag für Großprojekte realistisch sein - viele kleinere Baumaßnahmen wurden zuvor in guter Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde auch mit Bearbeitungszeiten von wenigen Tagen abgewickelt. Gerade im kommunalen Bereich sind diese Fristen absolut kontraproduktiv hinsichtlich einer Nutzung von MEB, und im Sinne eines Bürokratieabbaus ist eine Abschlussanzeige sicher ausreichend. 7. Fazit Die jahrelange Entwicklung der EBV hat in den vergangenen Jahren zunehmend zu Unsicherheiten geführt, inwieweit die vorher gültigen Länderregelungen noch zeitgemäß sind. Insofern ist grundsätzlich zu begrüßen, dass dieser Prozess nun zu einem - zumindest vorläufigen - Abschluss gekommen ist. Durch die EBV wurden die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern abgelöst, wodurch die Nutzung der in der Verordnung behandelten Baustoffe erleichtert werden soll. Zusätzlich bietet die bundesweit geltende Verordnung eine verbesserte Rechtssicherheit und -klarheit, was ebenfalls der Nutzung dieser Baustoffe zugutekommen soll. Leider muss allerdings anderthalb Jahre nach Inkrafttreten der EBV festgestellt werden, dass das Ziel einer verbesserten Kreislaufwirtschaft nicht erreicht wurde. Es zeigt sich deutlich, dass eine Reihe von Regelungen nachgebessert werden muss, um die EBV zum Erfolg zu führen. Literatur [1] Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den europäischen Rat, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Der europäische Grüne Deal. COM(2019)640, Brüssel [2] Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa. COM(2020)98, Brüssel [3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Deutsches Ressourceneffizienzprogramm III - 2020 bis 2023, Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen. Berlin [4] Die Bundesregierung: Nationale Nachhaltigkeitsstrategie - Weiterentwicklung 2021, Berlin 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 73 Umweltverträglicher Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen im Straßenbau [5] Merkel, Th.; Reiche, Th.: Einsatz von Sekundärbaustoffen für den Straßenbau als Beitrag zu Umweltschutz und Ressourceneffizienz - Rückblick und Ausblick. Straße und Autobahn, 71, 2, Kirschbaum-Verlag, Bonn, 142 - 148 [6] Kreislaufwirtschaftsgesetz vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 02.03.2023 (BGBl. I Nr. 56) [7] Ersatzbaustoffverordnung vom 9. Juli 2021 (BGBl. I S. 2598), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 13. Juli 2023 (BGBl. I Nr. 186) [8] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.): Technische Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau - TL Gestein- StB. FGSV-Nr. 613, Ausgabe 2004/ Fassung 2023 [9] Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall: Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/ Abfällen - Technische Regeln. Stand 6. November 2003 [10] Güteüberwachung von mineralischen Stoffen im Straßen- und Erdbau. Gem. RdErl. d. Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr - VI A 3 - 32-40/ 45 u. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - IV - 3 - 953-26308 - IV - 8 - 1573- 30052 v. 9.10.2001, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Nr. 78 vom 13. Dezember 2001, 1528-1533 [11] Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28. August 2006 (BGBl I Nr. 41, S. 2034-2038) [12] Susset, B.; Leuchs, W.: Ableitung von Materialwerten im Eluat und Einbaumöglichkeiten mineralischer Ersatzbaustoffe - Umsetzung der Ergebnisse des BMBF-Verbundes „Sickerwasserprognose“ in konkrete Vorschläge zur Harmonisierung von Methoden. FuE-Vorhaben im Auftrag des UBA, FKZ 205 74 251, 2008 [13] Susset, B.; Maier, U.; Finkel, M.; Grathwohl, P.: Weiterentwicklung von Kriterien zur Beurteilung des schadlosen und ordnungsgemäßen Einsatzes mineralischer Ersatzbaustoffe und Prüfung alternativer Wertevorschläge. FuE-Vorhaben im Auftrag des UBA, FKZ 3707 74 301, 2018 [14] Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser: Ableitung von Geringfügigkeitsschwellen für das Grundwasser. Aktualisierte und überarbeitete Fassung 2016. Kulturbuch-Verlag, Berlin [15] Utermann, J.; Fuchs, M.: Materialuntersuchungen im Hinblick auf den Wirkungspfad Boden-Grundwasser - Hintergrundwerte für Spurenelemente im wässrigen Eluat bei einem Wasser-Feststoffverhältnis von 2: 1 (DIN 19529). BGR, Hannover, 2010 [16] Reiche, Th.; Sokol, A.; Merkel, Th.: Feststoffgrenzwerte - der richtige Weg zur Förderung der Kreislaufwirtschaft? In: Thiel, S.; Thomé-Kozmiensky, E.; Senk, D. G.; Wotruba, H.; Antrekowitsch, H.; Pomberger, R. (Hrsg.): Mineralische Nebenprodukte und Abfälle 8 - Aschen, Schlacken, Stäube und Baurestmassen. Vivis-Verlag, Neuruppin, 2021, 55 - 67 [17] Stahl-Eisen-Prüfblätter des VDEh: Untersuchung des Auslaugeverhaltens von Hochofenschlacke. SEP 1780-71, Verlag Stahleisen, Düsseldorf, 1971 [18] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau - TP Gestein-StB. FGSV-Nr. 610, Loseblattsammlung, Stand März 2024 [19] DIN EN 12457-4: 2003-01: Charakterisierung von Abfällen - Auslaugung; Übereinstimmungsuntersuchung für die Auslaugung von körnigen Abfällen und Schlämmen - Teil 4: Einstufiges Schüttelverfahren mit einem Flüssigkeits-/ Feststoffverhältnis von 10 l/ kg für Materialien mit einer Korngröße unter 10 mm (ohne oder mit Korngrößenreduzierung) [20] DIN 19528: 2009-01 - Elution von Feststoffen - Perkolationsverfahren zur gemein-samen Untersuchung des Elutionsverhaltens von anorganischen und organischen Stoffen [21] DIN 19529: 2015-12 - Elution von Feststoffen - Schüttelverfahren zur Untersuchung des Elutionsverhaltens von anorganischen Stoffen mit einem Wasser/ Feststoff-Verhältnis von 2 l/ kg [22] Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (Hrsg.): Bodenkundliche Kartieranleitung KA5. 5. Auflage, 2005, Schweizerbart, Stuttgart [23] DIN 18196: 2011-05 - Erd- und Grundbau - Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke [24] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.): Technische Lieferbedingungen für Baustoffgemische zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau - Teil: Güteüberwachung - TL G SoB-StB. FGSV-Nr. 696, Ausgabe 2020/ Fassung 2023 [25] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.): Technische Lieferbedingungen für Bodenmaterialien und Baustoffe für den Erdbau im Straßenbau - TL BuB E-StB. FGSV-Nr. 597, Ausgabe 2020/ Fassung 2023 [26] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.): Richtlinien für die umweltverträgliche Anwendung von mineralischen Ersatzbaustoffen im Straßenbau - RuA-StB. FGSV-Nr. 642, Ausgabe 2023 [27] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.): Richtlinien für die umweltverträgliche Anwendung von industriellen Nebenprodukten und Recycling-Baustoffen im Straßenbau - RuA- StB. FGSV-Nr. 642, Ausgabe 2001 [28] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.): Technische Lieferbedingungen für Mineralstoffe im Straßenbau (Gesteinskörnungen und Werksteine im Straßenbau) - TL Min-StB, FGSV-Nr. 613, Ausgabe 2000 74 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Umweltverträglicher Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen im Straßenbau [29] Anforderungen an die Verwendung von aufbereiteten Altbaustoffen (Recycling-Baustoffen) und industriellen Nebenprodukten im Erd- und Straßenbau aus wasserwirtschaftlicher Sicht. Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft - IV A 3 - 953 - 26308 - und des Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr - III B 6 - 32 - 15/ 102 vom 30. April 1991, Ministerialblatt NW - Nr. 45 vom 18. Juli 1991. 906 - 919 [30] Anforderungen an den Einsatz von mineralischen Stoffen aus industriellen Prozessen im Straßen- und Erdbau. Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - IV - 3 - 953-26308 - IV - 8 - 1573-30052 u. d. Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr - VI A 3 - 32-40/ 45 v. 9.10.2001, Ministerialblatt für das Land Nordrhein- Westfalen, Nr. 75 vom 30. November 2001, 1472 - 1491 [31] Anforderungen an den Einsatz von mineralischen Stoffen aus Bautätigkeiten (Recycling-Baustoffe) im Straßen- und Erdbau. Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - IV - 3 - 953-26308 - IV - 8 - 1573-30052 u. d. Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr - VI A 3 - 32- 40/ 45 v. 9.10.2001, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Nr. 76 vom 3. Dezember 2001, 1494 - 1505 [32] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Eckpunktepapier zur Abfallende-Verordnung für bestimmte mineralische Ersatzbaustoffe. Stand 28.12.2023, Bonn [33] Prognos AG: Umfrage zum künftigen Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen (MEB) für acht Verbände und Interessengemeinschaften. Berlin/ Düsseldorf, 2024 [34] Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 22.12.2023 (BGBl. I Nr. 409) [35] Bundes-Bodenschutzgesetz vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 25.02.2021 (BGBl. I S. 306) [36] Europäische Kommission: Buying green! A handbook on green public procurement. 3rd Edition, Brüssel, 2016 [37] Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (2023): Fragen und Antworten zur Ersatzbau-stoffverordnung. Stand 21. September 2023 [38] Deutscher Abbruchverband, Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Bundesgemeinschaft Recycling-Baustoffe (Hrsg.): Monitoring Bericht EBV - Auswirkungen der Umsetzung der Ersatzbaustoffverordnung auf die betroffenen Unternehmen. 19.08.2024, Berlin & Köln [39] Fachverband Eisenhüttenschlacken, FEhS - Institut für Baustoff-Forschung (Hrsg.): Auswirkungen der Einführung der ErsatzbaustoffV auf die Unternehmen der Schlackenindustrie (Veröffentlichung in Vorbereitung)