eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
0217
2025
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Erhaltungsmanagement kommunaler Straßen – Ergebnisse aus Messungen der Verkehrsbelastung kommunaler Straßen im mFUND-Projekt DaRkSeit

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2025
Wolf Uhlig
Zur Verkehrsbelastung kommunaler Straßen durch Achslasten des Schwerverkehrs liegen bisher kaum belastbare Daten vor. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Datenbasierte Bewertung der Resilienz kommunaler Straßeninfrastruktur - DaRkSeit“ wurden über mehrere Monate hinweg Achslasten an einer Hauptverkehrsstraße in der Stadt Münster erhoben. Der Beitrag stellt die Ergebnisse der Messungen zur örtlichen Verkehrsbelastung vor.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 91 Erhaltungsmanagement kommunaler Straßen - Ergebnisse aus Messungen der Verkehrsbelastung kommunaler Straßen im mFUND-Projekt DaRkSeit Dr.-Ing. Wolf Uhlig Uhlig & Wehling GmbH, Ingenieurgesellschaft, Mittweida Abstract Zur Verkehrsbelastung kommunaler Straßen durch Achslasten des Schwerverkehrs liegen bisher kaum belastbare Daten vor. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Datenbasierte Bewertung der Resilienz kommunaler Straßeninfrastruktur - DaRkSeit“ wurden über mehrere Monate hinweg Achslasten an einer Hauptverkehrsstraße in der Stadt Münster erhoben. Der Beitrag stellt die Ergebnisse der Messungen zur örtlichen Verkehrsbelastung vor. 1. Einleitung Kommunen verfügen in der Regel über keine fundierte Grundlage zur Abschätzung der konstruktiven Zustandsentwicklung ihres Straßennetzes. Damit fehlt die Basis für ein nachhaltiges Erhaltungs-, Informations- und Finanzmanagement. Der Straßenzustand wird bisher nur auf der Grundlage visueller Merkmale an der Straßenoberfläche bewertet. Für nachhaltige Erhaltungsstrategien sind jedoch innovative Methoden für die Prognose der konstruktiven Zustandsentwicklung des gesamten Straßenauf baus in Echtzeit erforderlich. In dem vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderten mFUND-Projekt DaRkSeit [1] wurden Bestandsdaten zu Verkehrsmengen, zum Klima sowie zum Straßenauf bau analysiert. Ergänzend erfolgten Messungen der Fahrzeugtypen und Achslasten des Schwerverkehrs im fließenden Verkehr, der Temperatur an der Fahrbahnoberfläche und in verschiedenen Fahrbahntiefen sowie von Materialkennwerten in der Straße. Auf dieser Basis wurde ein Software-Tool zur Echtzeiterfassung des Schadensfortschritts der Straße, zur Berechnung der prognostizierten Restnutzungsdauer und damit zu erforderlichen baulichen Erhaltungsmaßnahmen und deren Zeitpunkt entwickelt. Eine der wesentlichen Grundlagen des entwickelten Software-Tools stellt die örtlich erhobene Verkehrsbelastung durch Fahrzeuge des Schwerverkehrs dar. Hierzu wurden in der Stadt Münster zwei stationäre Achslastwaagen installiert sowie Erhebungen mittels mobiler Kamerasysteme durchgeführt. 2. Vorbereitung und Installation der Achslastwaagen (Wim) Bei der Auswahl der Standorte der einzubauenden Achslastwaagen (Weigh-in-Motion-Messstationen - WIM) wurde in Abstimmung mit dem Hersteller des Systems angestrebt, ein repräsentatives Spektrum verschiedener innerstädtischer Ausprägungen der dimensionierungsrelevanten Einflussgröße Verkehr abzubilden. Darüber hinaus war es wichtig, dass der Verkehr am Standort der Messungen gleichmäßig - also außerhalb von Beschleunigungs- und Bremszonen - sowie staufrei fließt und die Straße an der betreffenden Stadion keine signifikante Steigung aufweist. Im Ergebnis der örtlichen Bestandsaufnahmen wurden zwei Weigh-in-Motion-Messstationen an zwei Standorten entlang des Albersloher Wegs in jeweils unterschiedlicher Fahrtrichtung eingebaut (Abbildung 1) und durch den Hersteller sowie dem Amt für Mobilität und Tief bau der Stadt Münster (AMTM) kalibriert. Vor dem Einbau der WIM-Systeme mussten umfangreiche vorbereitende Arbeiten durch das AMTM durchgeführt werden. Hierzu wurden unter anderem die Asphaltdeckschicht und Asphaltbinderschicht in stadtauswärtiger Richtung erneuert sowie zwei Schaltschränke mit 230-V- Spannungsanschluss im Straßenseitenraum installiert. 92 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Erhaltungsmanagement kommunaler Straßen Abbildung 1: links: Einbauschema der Weigh-in-Motion-Sensoren mit Induktionsschleifen (rot), Kistlers Lineas WIM- Sensoren (blau) und Temperatursensor (schwarz) (Quelle: C. Klauser, Kistler Instrumente AG), rechts: Weigh-in-Motion-Sensoren am Albersloher Weg stadteinwärts nach dem Einbau (Quelle: Stadt Münster) 3. Auswertung der Daten aus den Achslastmessungen Im Ergebnis der Messungen über einen Zeitraum von mehr als 20 Monaten konnte festgestellt werden, dass die Achslastverteilungen der beiden Fahrtrichtungen im Albersloher Weg zwar unterschiedliche Maxima aufwiesen, hinsichtlich ihrer Beanspruchungswirkung auf den Straßenoberbau pro Achsübergang jedoch das gleiche Niveau erreichten. Der ermittelte q Bm -Wert liegt mit 0,29 signifikant oberhalb des Wertes für kommunale Straßen mit einem SV-Anteil > 4 % nach Tabelle 7 der RStO 12/ 24 [2] (q Bm = 0,25) und damit genau zwischen den Werten für kommunale Straßen und Bundesautobahnen (Abbildung 2). Der Wert für den mittleren Lastkollektivquotient q Bm geht als linearer Faktor in die Ermittlung der B-Zahl ein und übt damit einen großen Einfluss auf das Ergebnis der resultierenden Belastungsklasse respektive auf die Schichtdicken der zugehörigen, standardisierten Bauweise aus. Abbildung 2: Achslastverteilung Albersloher Weg im Jahr 2023 im Vergleich zu den RStO 12/ 24 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 93 Erhaltungsmanagement kommunaler Straßen Abbildung 3: Achslastverteilung Albersloher Weg im Jahr 2023 im Vergleich zum AP EDS-1 Im Vergleich zu den standardisierten Achslastverteilungen nach den RDO Asphalt 09/ 24 [3] sowie dem AP EDS-1 [4] zeigt sich, dass die Achslastverteilungen am Albersloher Weg ein signifikant niedrigeres Niveau als die Typen BAB Fern und BAB Misch aufweisen, jedoch oberhalb des Typs BAB Nah liegen. Die ausgewiesenen Werte für den mittleren Lastkollektivquotienten q Bm beziehen sich auch hier auf jeweils einen Achsübergang eines Fahrzeuges des Schwerverkehrs (Abbildung 3). Der Wert für den Albersloher Weg liegt ca. 4 % oberhalb des Wertes für Bundesautobahnen vom Typ BAB Nah. Datenbasis bildet die 365-Tage-Messung aus dem Jahr 2023. Im Zuge der rechnerischen Dimensionierung sowie der Ermittlung des Substanzwertes geht die Achslastverteilung als dimensionierungsrelevantes Achslastkollektiv in die Berechnung der Schichtdicken bzw. der Restnutzungsdauer der Befestigung ein. 4. Auswertung der Fahrzeugtypverteilungen des Schwerverkehrs Zur Untersuchung der Fahrzeugtypverteilung des Schwerverkehrs wurden Erhebungen an den 2 Standorten am Albersloher Weg sowie an 2 weiteren Standorten im kommunalen Straßennetz von Münster (Kardinal-von-Galen-Ring und Sentruper Straße) durchgeführt. Hierzu erfolgten Kameraaufnahmen des fließenden Verkehrs (Abbildung 4) sowie die anschließende manuelle Auswertung der Fahrzeugtypen gemäß TLS 2012 [5] am Computer-Bildschirm. Abbildung 4: Kamera-System zur Erfassung des fließenden Verkehrs Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt als relative Summenhäufigkeit, die zugrunde liegenden Fahrzeugtypen werden auf der Abszisse in aufsteigender Reihenfolge innerhalb folgender gruppierter Fahrzeugklassen angeordnet: • Lkw • Lkw mit Anhänger • Sattelkraftfahrzeug • Bus • Traktor/ Traktor mit Anhänger • Sonderfahrzeug (Fahrzeugtyp 108) 94 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Erhaltungsmanagement kommunaler Straßen Abbildung 5: relative Fahrzeugtypverteilung der Fahrzeuge des Schwerverkehrs an den Messstandorten im Vergleich zu Bundesautobahnen Um die an den Messstandorten ermittelte, relative Fahrzeugtypverteilung einordnen zu können, sind in Abbildung 5 die Fahrzeugtypverteilungen von Bundesautobahnen vom Typ BAB Fern, BAB Misch und BAB Stadtnah gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass die Fahrzeugtypverteilung an allen 4 Messstandorten deutliche Unterschiede sowohl untereinander als auch im Vergleich zu den Verteilungen der Bundesautobahnen aufweisen. Hier wird die im kommunalen Straßennetz festzustellende, höhere Divergenz an Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs deutlich. Die Fahrzeugtypverteilung auf der Sentruper Straße nähert sich am ehesten der Verteilung vom Typ BAB Stadtnah, während die Verteilungen der übrigen 3 Messstandorte im Bereich der BAB-Typen Misch und Fern liegen. Für alle 4 Messstandorte typisch ist der relativ hohe Anteil von Bussen und Traktoren, verbunden mit einem vergleichsweise niedrigeren Anteil an Sattelkraftfahrzeugen im Vergleich zu Bundesautobahnen. Die Verteilung der Fahrzeugtypen des Schwerverkehrs gibt Auskunft über das zu erwartende Achslastniveau am Messstandort und ist Eingangsgröße für das Verfahren zur Ermittlung des dimensionierungsrelevanten Achslastkollektivs nach Methode 3 des AP EDS-1. 5. Fazit und Ausblick Mit dem erfolgreichen Abschluss des Projektes liegen erstmals verlässliche Daten zur Verkehrsbelastung sowie zur Temperaturbelastung kommunaler Straßen vor. Wie im Vorfeld vermutet, zeigen die Ergebnisse, dass die Verkehrsbelastung kommunaler Straßen in der Regel nicht mit jener von Bundesfernstraßen oder Außerortsstraßen vergleichbar sind. Insofern wird es erforderlich sein, verlässliche Methoden zur Bestimmung der Verkehrsbelastung kommunaler Straßen bereitzustellen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die im Projekt realisierten Messsysteme und Analysemethoden weiter zu entwickeln, um eine Anwendung auch in der Fläche bzw. in kompletten Straßennetzen zu ermöglichen. Mittels der im Projekt installierten WIM-Messstationen werden weiterhin Achslastdaten erhoben und ausgewertet, um somit weitere Kenntnisse über die Entwicklung der Verkehrsbelastung in kommunalen Straßennetzen zu erhalten. Die Ergebnisse werden im Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus anderen Forschungsvorhaben mittelfristig auch Eingang in das Regelwerk des Straßenbaus finden. Hierfür stehen insbesondere die RStO (Überarbeitung bis Ende 2025 geplant), die RDO Asphalt und RDO Beton, die RSO Asphalt (in Bearbeitung) und RSO Beton sowie die Arbeitspapiere AP EDS-1 und AP EDS-2 im Fokus. Mittweida, 05.12.2024 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 95 Erhaltungsmanagement kommunaler Straßen Literatur [1] Im Rahmen des Forschungsprogramms mFUND unterstützt das BMDV seit 2016 datenbasierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die digitale und vernetzte Mobilität der Zukunft. Die Projektförderung wird ergänzt durch eine aktive fachliche Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Forschung und durch die Bereitstellung von offenen Daten auf der Mobilithek. Weitere Informationen finden Sie unter www. mFUND.de [2] Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO), Ausgabe 2012/ Fassung 2024, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Köln, 2024 [3] Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen in Asphaltbauweise (RDO Asphalt 09/ 24), Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Köln, 2024 [4] Arbeitspapier Eingangsgrößen für die Dimensionierung und Bewertung der strukturellen Substanz - Teil 1: Verkehrsbelastung (AP EDS-1), Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Köln, 2022 [5] Technische Lieferbedingungen für Streckenstationen (TLS), Ausgabe 2012, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Köln, 2012