Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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2025
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Beurteilung der Restlebensdauer von Asphaltoberbauten anhand neuer FWD-Deflektionsparameter
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2025
Silvio Roth
Lukas Eberhardsteiner
Valentin Donev
Ronald Blab
Das Fallgewichtsdeflektometer stellt eine die am weitesten verbreiteten Methoden zur Bewertung des strukturellen Zustandes eines Straßenaufbaus dar. Die Interpretation der Ergebnisse ist jedoch aufgrund zahlreicher Einflussfaktoren nicht trivial und es existieren mehrere Ansätze und Indikatoren zur Bewertung der Tragfähigkeit. In der aktuellen österreichischen Richtlinie zur „Oberbauverstärkung von Asphaltstraßen“ [1] findet der sogenannte Einsenkungsmodul MD1 unter anderem bei der Ermittlung der rechnerischen Resttragfähigkeit Anwendung. Als Weiterentwicklung des bestehenden Modells kann nun über die Verknüpfung der rechnerischen Resttragfähigkeit ein Zusammenhang zwischen der zulässigen verbleibenden Anzahl an Lastwechsel NRest und MD1 hergestellt werden. Aus dem Vergleich der noch zulässigen Lastwechsel kann schließlich die verbleibende technische Restlebensdauer des Oberbaus berechnet werden. Die technische Restlebensdauer kann als ergänzendes Element des Erhaltungsmanagements eine wesentliche Rolle bei der vorausschauenden und nachhaltigen Planung von Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen spielen.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 111 Beurteilung der Restlebensdauer von Asphaltoberbauten anhand neuer FWD-Deflektionsparameter Dipl.-Ing. Silvio Roth Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften Assistant Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Lukas Eberhardsteiner Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften Univ.-Lektor Dipl.-Ing. Dr. techn. Valentin Donev Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Ronald Blab Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften Zusammenfassung Das Fallgewichtsdeflektometer stellt eine die am weitesten verbreiteten Methoden zur Bewertung des strukturellen Zustandes eines Straßenauf baus dar. Die Interpretation der Ergebnisse ist jedoch aufgrund zahlreicher Einflussfaktoren nicht trivial und es existieren mehrere Ansätze und Indikatoren zur Bewertung der Tragfähigkeit. In der aktuellen österreichischen Richtlinie zur „Oberbauverstärkung von Asphaltstraßen“ [1] findet der sogenannte Einsenkungsmodul M D1 unter anderem bei der Ermittlung der rechnerischen Resttragfähigkeit Anwendung. Als Weiterentwicklung des bestehenden Modells kann nun über die Verknüpfung der rechnerischen Resttragfähigkeit ein Zusammenhang zwischen der zulässigen verbleibenden Anzahl an Lastwechsel N Rest und M D1 hergestellt werden. Aus dem Vergleich der noch zulässigen Lastwechsel kann schließlich die verbleibende technische Restlebensdauer des Oberbaus berechnet werden. Die technische Restlebensdauer kann als ergänzendes Element des Erhaltungsmanagements eine wesentliche Rolle bei der vorausschauenden und nachhaltigen Planung von Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen spielen. 1. Einführung Bis auf wenige Lückenschlüsse ist das österreichische Autobahn- und Schnellstraßennetz größtenteils ausgebaut. Mit einem gewichteten Durchschnittsalter von 19-Jahren des Assets Straße [2] steht vor allem die bauliche Straßenerhaltung im Vordergrund. Umso wichtiger ist eine systematische Zustandserfassung in einem Pavement Management System, um zuverlässige Prognosen als objektive Entscheidungsgrundlage für künftige Investitionen zu gewährleisten. Die Bewertung des Straßenzustandes umfasst mehrere Zustandsmerkmale, welche durch Normierung und Gewichtung aus Gebrauchs- und Substanzwerten zu einem Gesamtwert zusammengefasst werden [3]. Mithilfe von Zustandsklassen nach dem Schulnotensystem (von 1 für „sehr gut“ bis 5 für „sehr schlecht“) wird der erfasste IST- Zustand mit dem SOLL-Zustand verglichen. Der „Gebrauchswert Sicherheit“ umfasst jene Merkmale, die der Verkehrssicherheit und dem Fahrkomfort dienen (Griffigkeit, Spurrinnen, Längs- und Querebenheit) [2]. Für Asphaltbefestigungen beschreibt der „Substanzwert Decke“ die strukturelle Beschaffenheit des Oberbaus durch die Zustandsmerkmale Risse, Oberflächenschäden, einer Gewichtung von Spurrinnen und Längsebenheit sowie dem Alter der Deckschicht [2]. Die derzeitige österreichische Straßenzustandserfassung auf dem Autobahn- und Schnellstraßennetz beruht größtenteils auf Fahrbahnoberflächenmerkmalen mit dem schnellfahrenden Messsystem RoadSTAR [4]. Für Betondecken wird zusätzlich das Zustandsmerkmal der „theoretische Tragfähigkeit“ herangezogen [2], welches zurzeit nur aufgrund der bisher ertragenen Lastwechsel und dem Alter der Konstruktion errechnet wird [5]. Eine Sonderstellung hat dabei das Fallgewichtsdeflektometer (Falling-Weight-Deflectometer - FWD). Das stationäre und zerstörungsfreie Messverfahren kann nicht nur zur Bewertung der Tragfähigkeit herangezogen werden [6], sondern dient auch als Grundlage für die Wahl von baulichen Erhaltungsmaßnahmen wie die Oberbauverstärkung von Asphaltstraßen nach der österreichischen RVS 03.08.64 [1]. Bei der Deflektionsmethode werden tatsächlich gemessene FWD-Einsenkungen mit einer Datenbank von simulierten Deflektionen (in Abhängigkeit der Jahreszeit und der gemessenen Oberflächentemperatur) verglichen, um eine Einschätzung der Resttragfähigkeit der Asphaltschicht zwischen 50 % und 100 % abzugeben und eine geeignete Ausgleichsschichtdicke des Asphalts auszuwählen [1]. Zu diesem Zweck wurde vom Herausgeber der Richtlinien und Vorschriften für den Straßenbau (RVS), die Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr (FSV), die Software ReTra veröffentlicht, um die Berechnungen für den Endnutzer zu vereinfachen und zu automatisieren. Diese Methodik kann jedoch auch zur Berechnung der verbleibenden zulässigen Normlastwechsel herangezo- 112 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Beurteilung der Restlebensdauer von Asphaltoberbauten anhand neuer FWD-Deflektionsparameter gen werden, um daraus in weiterer Folge die bestehende Restlebensdauer zu ermitteln. Nach einer kurzen Einführung der Funktionsweise des FWD-Versuchs in Kapitel 2 und dem Einsenkungsmodul in Kapitel 3, wird die zugrunde gelegte Bemessungsmethodik (Kapitel 4) zur Berechnung der Resttragfähigkeit (Kapitel 0) erläutert. Abschließend wird in Kapitel 6 die verbleibende zulässige Anzahl der Lastwechsel N Rest und die Restlebensdauer erläutert und anhand eins Bemessungsbeispiel exemplarisch dargelegt. 2. Fallgewichtsdeflektometer (FWD) Das Fallgewichtsdeflektometer ist ein dynamisches Messverfahren, welches die Überfahrt einer rollenden Radlast simulieren soll. Dabei wird über ein Fallgewicht und eine Lastplatte (meist mit Durchmesser 300 mm) ein konzentrierter Lastimpuls in die Straßenoberfläche eingebracht (siehe Abb. 1). Die kurzzeitige elastische vertikale Einsenkung - auch Deflektion genannt - wird entlang der Messlinie des Tragarms durch Deflektionsaufnehmer (meist Geophone) aufgezeichnet. Gemessen wird daher in erster Linie die Deflektion an der Straßenoberfläche. Aufgrund zahlreicher Einflussfaktoren ist die Interpretation der Einsenkungsmulde nicht trivial und es existieren mehrere Ansätze in der Literatur zur Ableitung und Bewertung der Tragfähigkeit [7-10]. Die einfachste Methode ist die statistische Auswertung und der Relativvergleich der Deflektionen über einen längeren Zeitraum. Deflektionsparameter wie SCI 300 , BCI und BDI [10] sind Indikatoren, die aus den Deflektionen einzelner Geophone oder auch aus zusätzlichen geometrischen Zusammenhängen der Deflektionsmulde hergeleitet werden. Komplexere Analysemethoden beruhen auf der Rückrechnung der (quasi-)elastischen Materialeigenschaften einzelner Schichten. Durch Variation der Materialkenngrößen und der einzelnen Schichtdicken wird versucht die gemessene Deflektionsmulde so genau wie möglich nachzubilden. Aufgrund der vielen unbekannten Parameter handelt es sich um ein nicht eindeutig lösbares mathematisches Problem, welches mit ingenieurmäßiger Erfahrung und Sorgfalt auf die Plausibilität kontrolliert werden muss. Einen wesentlichen Einfluss auf die Größe der Deflektionen haben die wechselnden klimatischen Witterungsbedingungen. Das viskoelastische Materialverhalten des Bindemittels Bitumen ist unter anderem maßgeblich von der Temperatur abhängig. Auch die Tragfähigkeit der ungebundenen Tragschichten kann saisonal aufgrund des Aggregatzustandes (flüssig oder gefroren) und der Menge des Wassers im Boden erheblich schwanken. Da der FWD-Versuch eine stationäre Punktmessung darstellt, muss der entsprechende Fahrstreifen abgesperrt und gesichert werden. Weiterentwicklungen im Bereich des FWD führten zu schnellfahrenden und kontinuierlichen Messverfahren wie dem Rolling Wheel Deflectometer (RWD) [11] oder dem Traffic Speed Deflectometer (TSD) [12]. Kontinuierliche Messungen eignen sich hervorragend auf Netzebene, um potenzielle Schwachstellen aufzuspüren und bei Erfordernis genauer mit dem FWD zu untersuchen [13]. 3. Einsenkungsmodul Der Einsenkungsmodul M D1 ist ein neuer Indikator zur Bewertung der Tragfähigkeit von bituminösen Befestigungen. Neben den Deflektionen der Geophone wird hierbei auch die Dicke der Asphaltschicht zur Evaluierung benötigt (siehe Abb. 1). Abb. 1: Messprinzip des FWD-Versuchs Für die Berechnung von M D1 werden die versuchstechnisch induzierten Primärwirkungen (Spannungen s FWD und Dehnungen e Di ) des Fallgewichts nach Gl. 1 betrachtet. (Gl. 1) Die durch das Fallgewicht verursachten Spannungen lassen sich aus der gemessenen Last P FWD [N] und der bekannten Fläche der runden Lastplatte A FWD = r 2 × π [mm 2 ] (üblicherweise mit Radius r = 150 mm) nach Gl. 2 ermitteln. (Gl. 2) Die Dehnung e Di wird als Quotient zwischen der gemessenen Deflektion D i [mm] und der Asphaltschichtdicke d AC [mm] an der betrachteten Stelle i nach Gl. 3 berechnet. (Gl. 3) Der Einsenkungsmodul M D1 [14] im Lasteinleitungszentrum wird für die Ermittlung der Resttragfähigkeit bei der Deflektionsmethode nach RVS 08.08.64 [1] herangezogen. Die durchgeführte Sensitivitätsanalyse [15] erlaubt zudem die Schlussfolgerung, dass M D1 ein geeigneter Prädiktor für die Tragfähigkeit der oberen bituminösen Asphaltschicht ist. 4. Rechnerische Dimensionierung Die österreichische Bemessungsmethodik [16] basiert auf einer mechanistisch-empirischen Dimensionierung und bietet zwei Möglichkeiten zur Bemessung von Asphaltbefestigungen. Die RVS 03.08.63 „Oberbaubemessung“ 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 113 Beurteilung der Restlebensdauer von Asphaltoberbauten anhand neuer FWD-Deflektionsparameter [17] bietet eine einfache Bemessungstabelle mit Standardoberbauten bei der nur wenige Eingangsgrößen auf der Einwirkungsseite benötigt werden. Für eine wirtschaftlichere und maßgeschneiderte Bemessung kann der gebrauchsverhaltensorientierte (GVO) Ansatz der „rechnerischen Dimensionierung von Asphaltstraßen“ gemäß RVS 03.08.68 [18] herangezogen werden. Die in Abb. 2 dargestellte Dimensionierungsmethodik ist bei beiden Ansätzen im Hintergrund grundsätzlich gleich, wobei die vereinfachte Oberbaubemessung nach RVS 03.08.63 [17] sämtliche Achslasten auf eine Normachse von 100 kN bezieht. Abb. 2: Dimensionierungsmethodik von Asphaltstraßen (modifiziert nach [16]) Maßgebend für die Bemessung ist der Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit in Form der Materialermüdung der Asphaltschichten. Die technische Lebensdauer des Straßenoberbaus lässt sich durch einen Vergleich der Anzahl der erwarteten Lastwechsel N erw auf der Einwirkungsseite mit der Anzahl der ertragbaren Lastwechsel N zul auf der Widerstandsseite nach Gl. 4 bestimmen. (Gl. 4) Die Berechnung der ertragbaren Lastwechsel N zul basiert auf der Schadensakkumulationshypothese nach Palmgren- Miner [19, 20] bei der die einzelnen Schädigungen einer Achsüberfahrt über die Bemessungsdauer aufsummiert werden können. Die Quantifizierung der Schädigung einer einzelnen Achsüberfahrt wird mithilfe empirischer Ermüdungsfunktionen ermittelt. Die Eingangsgrößen dieser Funktionen sind zumeist Primärwirkungen (Spannungen und Dehnungen), welche aus einem analytischen oder numerischen Oberbaumodell stammen. Entscheidende Parameter für das Oberbaumodell sind die Verkehrslast, die Anzahl und Materialeigenschaften der Schichten (Struktur) sowie die klimatischen Bedingungen. Die Verkehrslast spielt sowohl auf der Einwirkungsals auch auf der Widerstandsseite eine entscheidende Rolle, um eine zuverlässige Bemessung des Oberbaus zu gewährleisten. Je mehr Informationen des Verkehrs hinsichtlich der zu erwartenden Belastung bekannt sind, desto genauer können die Primärwirkungen bestimmt werden. Abhängig von der Verfügbarkeit von Verkehrsdaten können bei der rechnerischen Dimensionierung [18] drei Bemessungsstufen unterschieden werden. Neben der Einwirkung müssen auch die Materialeigenschaften (Schichtsteifigkeit, Querdehnungszahl) und Schichtdicken der Struktur bekannt sein. Abhängig vom gewählten Oberbaumodell können weiters verschiedene Randbedingungen und Interaktionen zwischen den jeweiligen Schichten definiert werden. Um den thermo-viskoelastischen Eigenschaften des Bitumens Rechnung zu tragen, erfolgt eine Anpassung der Steifigkeit S mix des Asphalts an die täglichen und jährlichen Temperaturschwankungen [21]. Zu diesem Zweck wurde das Jahr in sechs Klimaperioden unterteilt, welche wiederum unterschiedliche Tag- und Nachttemperaturen aufweisen. Somit ergeben sich insgesamt zwölf Temperaturperioden [18]. In Bezug auf die variierenden Tragfähigkeiten der ungebundenen Schichten während eines Jahres, bedingt durch den Aggregatzustand sowie der Wasserquantität, wurden darüber hinaus vier Untergrundtragfähigkeitsperioden definiert, welche in der Folge auch die Steifigkeiten der ungebundenen Tragschichten beeinflussen [18, 22]. Abb. 3: Ermittlung der Resttragfähigkeit und der technischen Restlebensdauer 114 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Beurteilung der Restlebensdauer von Asphaltoberbauten anhand neuer FWD-Deflektionsparameter 5. Resttragfähigkeit Auf Basis der zuvor dargelegten Grundlagen kann nun die Ermittlung der Resttragfähigkeit im Rahmen der „Oberbauverstärkung von Asphaltstraßen“ gemäß RVS 03.08.64 [1] erörtert werden. Bei der Deflektionsmethode wird die Resttragfähigkeit durch Vergleich tatsächlicher FWD-Messergebnisse mit analytischen Simulationsergebnissen nach der Mehrschichtentheorie (MST) von Burmister [23] ermittelt (siehe Abb. 3). Der Vergleich erfolgt über den bereits erläuterten Einsenkungsmodul M D1 aus Kapitel 3. Das zuvor erwähnte Berechnungsprogramm der FSV verlangt die folgenden Eingangsparameter: • Last des FWD-Versuchs • Deflektion unter der Lastplatte • Oberflächentemperatur des Asphalts • Datum der Tragfähigkeitsmessung • Bautype und Lastklasse gemäß RVS 03.08.63 Die Ermittlung des Einsenkungsmoduls M D1 erfolgt durch die Eingabe der Bautype und Lastklasse, der Deflektion unter der Lastplatte sowie der Versuchslast. Unter Berücksichtigung des Datums erfolgt eine Auswahl der korrekten Periode der Untergrundtragfähigkeit. Die repräsentativen Temperaturperioden zur Ermittlung der Asphaltsteifigkeiten S mix sind zwar für die Schadensakkumulation über die Lebensdauer hinreichend präzise, jedoch nicht bei einer punktuellen FWD-Messung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Asphalttemperaturen in Abhängigkeit von den lokalen Gegebenheiten (z.- B. Sonneneinstrahlung) erheblichen Schwankungen über den Tagesverlauf unterliegen. Daher umfasst die Simulationsdatenbank für jede Untergrundtragfähigkeitsperiode ein breites Spektrum an Oberflächentemperaturen in 5 °C-Abstufungen, um die tatsächlich gemessene Temperatur möglichst exakt in der Beurteilung abzudecken. Innerhalb der eingegrenzten Parameter wird dann die beste Übereinstimmung von M D1 gesucht, welche dann in der Datenbank mit der abgeminderten Asphaltsteifigkeit zwischen 50 % und 100 % (in 10 %-Schritten) als Simulationsparameter in Verbindung gebracht werden kann. Die Software ReTra gibt die Resttragfähigkeit der Asphaltschicht aus, mit deren Hilfe eine geeignete Ausgleichsschichtdicke D A aus der Tabelle der RVS 03.08.64 [1] entnommen werden kann. 6. Technische Restlebensdauer Als mögliche Erweiterung der Methodik kann nun die Resttragfähigkeit (in Form der abgeminderten Asphaltsteifigkeit) herangezogen und in die rechnerische Dimensionierung auf der Bemessungsebene eingesetzt werden (siehe Abb. 3). Durch Vergleich der berechneten verbleibenden zulässigen Anzahl an Lastwechsel N Rest mit der erwarteten Anzahl an Lastwechsel N erw kann die verbleibende technische Restlebensdauer ermittelt werden (siehe Gl. 5). (Gl. 5) Am Beispiel von Lastklasse LK25, Bautype AS1 aus dem Bemessungskatalog [17] wird im Folgenden versucht die Zusammenhänge des Bewertungshintergrundes zu veranschaulichen. Die Vorgehensweise entspricht der rechnerischen Dimensionierung nach RVS 03.08.68 [18]. Als Bemessungslast für den simulierten FWD-Versuch wurde eine Normachslast von 100 kN gewählt. Bei einer Lastplatte mit einem Durchmesser von 30 cm würde dies eine vertikale Kontaktspannung von 0,707 MPa induzieren, was mit dem typischen Reifeninnendruck (7-bar) von Lastkraftfahrzeugen übereinstimmt. Die berücksichtigten Schichtdicken sind in Tab. 1 angeführt. Materialeigenschaften wie Querdehnungszahlen sowie die temperaturabhängigen Asphaltsteifigkeiten und die Steifigkeiten der ungebundenen Schichten können der RVS 03.08.68 [18] entnommen werden. Im Rahmen dieses Bemessungsbeispiels wird die Verwendung von polymermodifiziertem Bitumen (PmB) in sämtlichen bituminösen Schichten angenommen. Zur Berechnung der Asphaltsteifigkeit nach dem Wiener Modell [18] wurden übliche Kennwerte für den Hohlraumgehalt (VMA = 14,1 Vol.-%) und den Auffüllungsgrad (VFB = 68,1 Vol.-%) sowie ein 95 % Vertrauensniveau herangezogen. Für die Berechnung der verbleibenden zulässigen Anzahl der Lastwechsel N Rest in Abhängigkeit der gemessenen Einsenkungsmoduln M D1 , wurden die maßgeblichen Spannungen für alle zu variierenden Materialeigenschaften des Asphalts und der ungebundenen Schichten für alle definierten Perioden und für Resttragfähigkeiten zwischen 50 % und 100 % in 10 % Schritten nach der Mehrschichtentheorie berechnet. Dabei wurden für die Bestimmung der temperaturabhängigen asphaltmechanischen Eigenschaften nach RVS 03.08.68 [18] die repräsentativen Temperaturen an der Unterseite der Asphaltschicht in 25 cm Tiefe aus den maßgebenden Temperaturprofilen in Temperaturzone II herangezogen (siehe Tab. 2). Nachdem die 72 Berechnungen nach der Mehrschichtentheorie für alle zwölf Temperaturperioden, unter Berücksichtigung der vier Tragfähigkeitsperioden der ungebundenen Schichten, und der sechs Stufen der Abminderung der Asphaltsteifigkeit (50 % bis 100 % in 10-% Schritten) abgeschlossen waren, wurden neben den Einsenkungsmoduln auch die Spannungen für das Ermüdungskriterium bituminöser Schichten [18] berechnet. Durch Ermittlung der Schädigung und der anteilsmäßigen Gewichtung der zwölf Perioden ergibt sich, in Abhängigkeit der gewählten Stufen der Resttragfähigkeit, die zulässige Anzahl der verbleibenden Lastwechsel N Rest in Abb. 4. Da die rechnerische Dimensionierung nach RVS 03.08.68 [18] einem gebrauchsverhaltensorientierten (GVO) Ansatz folgt und daher wirtschaftlicher als die traditionelle Oberbaubemessung nach RVS 03.08.63 [17] ist, muss für 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 115 Beurteilung der Restlebensdauer von Asphaltoberbauten anhand neuer FWD-Deflektionsparameter den Bezug auf die BNLW der Bemessungstabellen noch ein Kalibrierungsfaktor von 1,26 eingeführt werden. Im Gegensatz zu den vorgeschriebenen 25 Mio. Lastwechsel bei 100 % Resttragfähigkeit, erlaubt der Einsatz von PmB eine Erhöhung der Lastklassengrenze um 10 % auf 27,5. Mio. Lastwechsel [17]. Daher beträgt die verbleibende Anzahl an Lastwechsel N Rest in Abb. 4 bei 50 % Resttragfähigkeit weiterhin 2,5 Mio. Tab. 1: Schichtdicken LK25 nach RVS 03.08.63 [17] Schicht Dicke [cm] Bituminöse Schicht 25 Ungebundene obere Tragschicht 20 Ungebundene untere Tragschicht 30 Untergrund - Tab. 2: Temperaturen an der Unterseite der Asphaltschicht [18] Periode Tag Temperatur [°C] Periode Nacht Temperatur [°C] P1 0,6 P2 1,8 P3 10,6 P4 11 P5 19,5 P6 26 P7 19,7 P8 25,6 P9 17 P10 17,6 P11 3,6 P12 6,3 Abb. 4: Zusammenhang zwischen der zulässigen Anzahl an Lastwechsel und der Resttragfähigkeit [15] Über die Verknüpfung der Resttragfähigkeit kann nun ein Zusammenhang zwischen der zulässigen verbleibenden Anzahl an Lastwechsel N Rest und dem ebenfalls berechneten Einsenkungsmodul M D1 hergestellt werden (siehe Abb. 5). Wie auch bei der Bestimmung der Resttragfähigkeit bituminöser Befestigungen nach RVS 03.08.64 [1] werden die Deflektionsmulden synthetischer und realer FWD- Versuche mit Hilfe des Einsenkungsmoduls M D1 verglichen. Da der Zeitpunkt für die Zuordnung der tatsächlich gemessenen Deflektionen wesentlich ist, müssen die vier Tragfähigkeitsperioden der ungebundenen Schichten (Untergrund, UUTS, UOTS) sowie die zum Zeitpunkt der Messung vorherrschende Asphalttemperatur berücksichtigt werden. Um eine Berücksichtigung von mehr als nur den gezeigten repräsentativen Temperaturspannen zu gewährleisten, kann dieses Verfahren bei Bedarf auf ein breiteres Temperaturspektrum erweitert werden. Abb. 5: Zusammenhang zwischen der zulässige Anzahl an Lastwechsel dem Einsenkungsmoduln 116 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Beurteilung der Restlebensdauer von Asphaltoberbauten anhand neuer FWD-Deflektionsparameter 7. Zusammenfassung und Ausblick Die Verknüpfung der Resttragfähigkeit mit dem Einsenkungsmodul M D1 erlaubt die Herleitung eines Bewertungshintergrundes für die Berechnung der verbleibenden Anzahl an Lastwechsel N Rest mittels der rechnerischen Dimensionierung gemäß RVS 03.08.68 [18]. Analog zur bestehenden Berechnung der Resttragfähigkeit nach RVS 03.08.64 [1] wäre eine automatisierte Softwarelösung für alle Lastklassen und einem erweiterten Temperaturbereich realisierbar. Durch den Vergleich der verbleibenden Anzahl an Lastwechsel N Rest mit der voraussichtlich zu erwartenden Anzahl an Lastwechsel N erw kann die technische Restlebensdauer n Rest von Oberbauten bestimmt werden. Damit stünde dem Erhaltungsmanagement ein weiteres wesentliches Instrument zur nachhaltigen und vorausschauenden Planung von Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen zur Verfügung. Literatur [1] FSV, RVS 03.08.64: Oberbauverstärkung von Asphaltstraßen. 2023, Österreichische Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr: Wien, Österreich. [2] Anthofer, M., et al., Zukunftsfit Unterwegs, Netzzustandsbericht 2023. 2024, ASFINAG Bau Management GmbH: Wien. [3] Weninger-Vycudil, A., et al., Handbuch Pavement Management in Österreich 2009. 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