eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
kstr
expert Verlag Tübingen
0217
2025
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Maßnahmen der Straßenbauverwaltung BW zur Förderung nachhaltiger Bauausführungen in der Vergabe und dem Bauvertrag

0217
2025
Thomas Chakar
In der Vergabe von Bauleistung und deren Abrechnung ist bisher einzig der Preis für die angebotene und vereinbarte Leistung maßgeblich. Somit lassen sich bisher Nachhaltigkeitskriterien (vorrangig mit Blick auf den Klima- und Ressourcenschutz) nur umsetzen, sofern sie entweder bereits in der Vergabe vorgegeben sind (bspw. beim Maximalrecycling BW) oder sich Nachhaltigkeitsfaktoren aus wirtschaftlichen Gründen auf dem Markt durchsetzen und behaupten können (bspw. aufgrund von Energiepreisen). In Deutschland haben Straßenbauverwaltungen diverser Länder und die Autobahn GmbH des Bundes (AdB) begonnen, in der Vergabe neben dem Wertungskriterium „Preis“ weitere Kriterien zu berücksichtigen um bspw. den Transportaufwand der Baustoffe im Sinne des Klimaschutzes zu minimieren. Die Straßenbauverwaltung (SBV) BW verfolgt in Abstimmung mit der Bauwirtschaft BW eigene Ansätze, um im Bereich der baulichen Erhaltung von Verkehrsflächen aus Asphalt eine CO2-minimierte Herstellung, Transport und Einbau zu unterstützen. Neben der Einbeziehung von Klimaschutzkriterien in der Vergabe wird auch ein sog. „CO2-Bonus“ als Alternativmethode getestet. Diverse Pilotmaßnahmen sind zur Erfahrungssammlung bzgl. der Methoden, Kriterien und deren Gewichtungen derzeit in der Umsetzung.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 127 Maßnahmen der Straßenbauverwaltung BW zur Förderung nachhaltiger Bauausführungen in der Vergabe und dem Bauvertrag Dr.-Ing. Thomas Chakar Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, Stuttgart Zusammenfassung In der Vergabe von Bauleistung und deren Abrechnung ist bisher einzig der Preis für die angebotene und vereinbarte Leistung maßgeblich. Somit lassen sich bisher Nachhaltigkeitskriterien (vorrangig mit Blick auf den Klima- und Ressourcenschutz) nur umsetzen, sofern sie entweder bereits in der Vergabe vorgegeben sind (bspw. beim Maximalrecycling BW) oder sich Nachhaltigkeitsfaktoren aus wirtschaftlichen Gründen auf dem Markt durchsetzen und behaupten können (bspw. aufgrund von Energiepreisen). In Deutschland haben Straßenbauverwaltungen diverser Länder und die Autobahn GmbH des Bundes (AdB) begonnen, in der Vergabe neben dem Wertungskriterium „Preis“ weitere Kriterien zu berücksichtigen um bspw. den Transportaufwand der Baustoffe im Sinne des Klimaschutzes zu minimieren. Die Straßenbauverwaltung (SBV) BW verfolgt in Abstimmung mit der Bauwirtschaft BW eigene Ansätze, um im Bereich der baulichen Erhaltung von Verkehrsflächen aus Asphalt eine CO 2 -minimierte Herstellung, Transport und Einbau zu unterstützen. Neben der Einbeziehung von Klimaschutzkriterien in der Vergabe wird auch ein sog. „CO 2 -Bonus“ als Alternativmethode getestet. Diverse Pilotmaßnahmen sind zur Erfahrungssammlung bzgl. der Methoden, Kriterien und deren Gewichtungen derzeit in der Umsetzung. 1. Einführung Zum 11. Februar 2023 ist in Baden-Württemberg ein novelliertes Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz (KlimaG BW) in Kraft getreten [1]. Mit der Fortschreibung des KlimaG BW hat BW als Vorreiter den CO 2 -Schattenpreis ab dem 1. Juni 2023 eingeführt. Der CO 2 -Schattenpreis ist ein wirksames Instrument, um die Kosten, die durch den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid entstehen, sichtbar zu machen. Gemäß dem Koalitionsvertrag Baden-Württemberg 2021 lautet das Ziel: „Als Bauherr und bei Vergaben systematisch einen CO 2 - Schattenpreis von mindestens 180 Euro pro Tonne CO 2 zu berücksichtigen.“ In der Zwischenzeit wurde der CO 2 - Schattenpreis von anfänglich 201 € und zwischenzeitlich 237 € auf nunmehr 250 € pro Tonne CO 2 angehoben, um den gestiegenen Umweltanforderungen gerecht zu werden. Auf Basis des KlimaG BW ist die CO 2 -Schattenpreisverordnung erlassen worden [2], die auch für den Bereich des Landesstraßenbaus Regelungen enthält. Dabei ist der CO 2 -Schattenpreis insbesondere bei der Bewertung von Varianten innerhalb der Vorplanung einzubeziehen. Im Bereich der Entwurfsplanung und insbesondere der Ausführungsplanung erfolgt ebenso die Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsziele durch den Vorrang nachhaltiger Bauweisen wie in Baden-Württemberg bspw. mit der Maximalrecycling-bauweise. Diese Bauweise mit hohen Wiederverwendungsquoten von auf bereiteten Straßenauf bruch stellt seit vielen Jahren eine Regelbauweise im Erhaltungsmanagement des Landesstraßennetzes dar. Die sich hieraus ergebenden Festlegungen eines geplanten hohen Nachhaltigkeitsstandards in der Leistungsbeschreibung oder über Auftragsausführungsbedingungen, müssen im Auftragsfall verbindlich erfüllt werden. Sofern über den Einsatz von Sekundärbaustoffen noch zahlreiche weitere Anforderungen an den Klima- und Ressourcenschutz vorgesehen werden, kann dies zu einer erheblichen Überforderung potenzieller Bieter und in der Folge zu einer erheblichen Einschränkung des Wettbewerbs führen. Es besteht außerdem Unsicherheit darüber, inwieweit besonders umweltfreundliche Lösungen für einen bestimmten Beschaffungsbedarf überhaupt im Markt verfügbar sind. Im Bereich der Bauausführung sollten sich nachhaltige Baustoffe und Bauweisen prinzipiell bereits aus wirtschaftlichen Gründen wegen der Energiepreise auf dem Markt durchsetzen. Dies erfolgt aber insbesondere dann nicht, wenn für die Herstellung bzw. den Bau spezielle Infrastruktur und/ oder Maschinen mit hohen Investitionsbedarf erforderlich sind. Die Berücksichtigung eines CO 2 -Schattenpreises kann hier unterstützend wirken. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. spricht sich in seinem Impulspapier „Klimaverträglich bauen“ [3] für die Berücksichtigung des Schattenpreises für CO 2 -Emissionen aus und fordert die Auftraggeber auf, hier entsprechend tätig zu werden. 128 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Maßnahmen der Straßenbauverwaltung BW zur Förderung nachhaltiger Bauausführungen in der Vergabe und dem Bauvertrag Abb. 1: Schematische Abläufe der Methoden - „ CO 2 -Wertungskriterium“ und „CO 2 -Bonus“ (Quelle: VM BW) 2. CO 2 -Wertungskriterium in der Vergabe Als Fördermaßnahme in der Bauausführung wird üblicherweise die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Vergabe praktiziert. Damit können Bauaufträge an Unternehmen vergeben werden, die nicht zwingend den niedrigsten Preis angeboten haben, aber evtl. preisgünstigere Anbieter bspw. durch eine klimafreundlichere Asphaltmischgutherstellung (Methode „Wertungskriterien“) in der Vergabewertung übertreffen. Hierfür sind bereits bei der Aufstellung des Angebotes vom Bieter die Klimaverträglichkeit zu den Baustoffen und Verfahren der Herstellung und des Baus in entsprechende Formulare anzugeben (Abb.1 Ablauf links „CO 2 - Wertungskriterium“). Bei der Wertung der Angebote ist neben dem Angebotspreis noch ein sog. CO 2 -Schattenpreisdelta maßgeblich. Konsequenterweise ist gleichzeitig bauvertraglich eine Strafzahlung vom Auftragnehmer zu leisten, wenn die zugesagte überplanmäßige CO 2 -Reduzierung bei der Herstellung des Asphaltmischgutes und -einbau nicht realisiert wird (Abb. 1 „Bauphase/ Abrechnung“). Die Festlegung und Gewichtung von Nachhaltigkeitsaspekten als Zuschlagskriterien sowie deren korrekte Anwendung bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots sind allerdings mit nicht unerheblichen Herausforderungen verbunden, insbesondere in folgenden Punkten: • Vergaberechtliche Risiken: Es besteht die Gefahr, dass interessierte Unternehmen einen Verstoß gegen wesentliche vergaberechtliche Grundsätze wie Transparenz, Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit geltend machen oder aufgrund unklarer Vorgaben von einer Angebotsabgabe absehen. • Praktikabilität der Angaben und Überprüfbarkeit: Eine zentrale Fragestellung ist, inwieweit Bieter bereits bei der Angebotsabgabe belastbare und detaillierte Angaben, beispielsweise zum geplanten Geräteeinsatz oder zu Ressourcen- und Energieverbräuchen, machen können. Zudem stellt sich die Frage, ob und wie diese Angaben während der Bauausführung vom Auftraggeber mit vertretbarem Aufwand auf Einhaltung kontrolliert werden können. 3. CO 2 -Bonus Um Nachteile in der Vergabe zu vermeiden, können alternativ die Nachhaltigkeitskriterien bei der Vergabewertung außer Acht gelassen werden. Das bedeutet, das lediglich der Angebotspreis in der Vergabe maßgeblich bleibt (Abb.1 CO 2 -Bonus). Vertraglich wird jedoch eine Bonus-Zahlung vereinbart, falls das Bauunternehmen Aspekte der Nachhaltigkeit in der Ausführung erheblich über bauvertraglich definierten Mindeststandard zu Kriterien der Herstellung, des Transports und des Einbaus umsetzt. (Methode „CO 2 -Bonus“). Während der Bauphase sind entsprechende Nachweise zu erbringen und werden dann gemäß des bauvertraglich vorgegebenen Berechnungsalgorithmus (Excel) als Bonus vergütet. Der Berechnungsmodus erfolgt analog zur Methode „CO 2 - Wertungskriterium“ und ist im Vorfeld der Pilotmaßnahmen mit der Bauwirtschaft abgestimmt worden. Bei dieser Methode ist ein erhöhtes Risiko zu vermuten, dass Bieter, welche im Bieterkreis die klimaverträglichste Ausführung ermöglichen, in dem jeweiligen Einzelfall in der Wertung unterliegen. Aber auch mit dieser Methode ist es möglich, klimaverträglicheren Marktteilnehmern einen Wettbewerbsnachteil zu kompensieren. Insbesondere wenn die Perspektive vom jeweiligen Einzelfall auf die Gesamtheit der Maßnahmen gerichtet wird, führt die Kompensation der vorfinanzierten Investitionen bei nachfolgenden Angeboten zu niedrigeren Angebotspreisen und zu einer Erhöhung der Marktdominanz im Zuge nachfolgender Vergaben. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 129 Maßnahmen der Straßenbauverwaltung BW zur Förderung nachhaltiger Bauausführungen in der Vergabe und dem Bauvertrag Ein weiterer positiver Effekt der CO 2 -Bonusvariante stellt bauherrenseitig die Feststellungen in Bezug auf die Nachweisführung dar: Die endgültige Bewertung erfolgt erst nach der Ausführung und Vorlage der Unterlagen, die die Erfüllung der klimafreundlicheren Maßnahmen nachweisen. Außerdem entfällt das Erfordernis der Einforderung von Strafzahlungen bei mangelnder Umsetzung, denen höhere Risiken für aufwändige Streitigkeiten beigemessen wird als bei Bonuszahlungen. Erhöhte Baukosten, dies sich in Folge erhöhter Qualitäten hinsichtlich der Nachhaltigkeit in der Ausführung in allem Fällen ergeben, würden sich ebenso ergeben, wenn vornherein ein höherer Standard verlangt würde. Beiden Methoden ermöglichen jedoch darüber hinaus, die auf dem Markt höchstmöglichen Werte in Bezug auf Nachhaltigkeit kennenzulernen und zu ergründen. 4. Maßnahmen der Straßenbauverwaltung BW In Abstimmung mit der Bauwirtschaft wurden im Bereich der Asphalterneuerung folgende wesentliche Faktoren zur Bewertung der Klimaverträglichkeit festgelegt: - Mischgutzusammensetzung insbesondere Anteil RC- Material - Transportaufwände Anlieferung Vorprodukte für Asphaltherstellung sowie der Anlieferung des Asphalts an die Baustelle - Lagerung Asphaltgranulat (AG) und Gesteinskörnung (Überdachung) - Energieträger zur Erwärmung AG bzw. Gesteinskörnungen (Braunkohle, Erdgas etc.) - Bauweise: Herstellung von konventionellem Asphalt (hot mix) oder temperaturabgesenktem Asphalt Die Straßenbauverwaltung in Baden-Württemberg hat sich entschieden, im ersten Schritt die CO 2 -Bonusregelung auf der Basis des CO 2 -Schattenpreises im Rahmen von zwei Pilotmaßnahmen zu testen. Ein Bonus wird bei den in 2024 durchgeführten Maßnahmen gewährt, wenn die Asphaltschicht klimafreundlicher als die Referenzasphaltschicht des Auftragsgebers hergestellt wurde. Dabei wurden nur die Hauptpositionen zur Asphaltherstellung und -einbau berücksichtigt, die als Flächenpositionen [in m²] ausgewiesen sind. Die Maßnahmen sind zum Redaktionsschluss baulich umgesetzt, die Ermittlung der Bonuszahlung steht allerdings noch aus. Ebenso wie die Analyse bezüglich der Praktikabilität und Wirksamkeit der Kriterien und Gewichtungen. In 2025 wird auch die Einbeziehung des CO 2 -Schattenpreises als Wertungskriterium in der Vergabe an 2 Maßnahmen getestet werden, damit ein Vergleich der beiden Methoden vorgenommen werden kann. 5. Fazit Die Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg verfolgt mit eigenen Ansätze Möglichkeiten, um nun auch in der Bauausführung der Nachhaltigkeit einen außerordentlichen Stellenwert beimessen zu können. Zur praktischen Umsetzung dieser Ansätze wurden in Abstimmung mit der Bauwirtschaft Festlegungen getroffen und im Rahmen von 2 Pilotmaßnahmen die Methode „CO 2 -Bonus“ in 2024 umgesetzt. Die geplante CO 2 -Bonusregelung auf der Basis des CO 2 - Schattenpreises bietet eine Möglichkeit für Anreize, die über bloße Absichtserklärungen im Rahmen der Angebotsabgabe hinausgehen. Anders als rein intentionale Ansätze belohnt die Bonusregelung Unternehmen basierend auf tatsächlichen Erfolgen und messbaren Ergebnissen. Im Jahr 2025 sind Pilotmaßnahmen vorgesehen, in denen das Nachhaltigkeitskriterium in der ansonsten üblichen Weise in der Vergabebewertung Berücksichtigung findet. Damit können die verschiedenen Methoden auf Basis einer identischen Berechnungssystematik verglichen werden. Perspektivisch sollte das Instrument der anreiz- oder ergebnisorientierten Verträge weiterentwickelt werden, bei denen die Minimierung errechneter CO 2 -Werte gezielt honoriert wird. Literatur [1] Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaG BW) vom 7. Februar 2023. [2] Verordnung des Finanzministeriums, des Umweltministeriums, des Verkehrsministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum zur Umsetzung des CO 2 -Schattenpreises (CO 2 -Schattenpreis-Verordnung - CO 2 -SP-VO) vom 15. Februar 2023. [3] Impulspapier des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie e. V. „Klimaverträglich bauen mit einem Schattenpreis für CO 2 -Emissionen“. Erstellt von der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Berlin 2023. Verfügbar unter: https: / / www. bauindustrie.de/ fileadmin/ bauindustrie.de/ Media/ Veroeffentlichungen/ 2023_Impulspapier_Klimavertraeglich_Bauen_mit_einem_Schattenpreis_ fuer_CO2_Emissionen.pdf