eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
0217
2025
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Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung

0217
2025
Klaus Tilger
Oft kennen Entscheider die informationstechnischen Paradigmen zur digitalen Verarbeitung von Informationen nicht. Das ist mit ein entscheidender Grund, warum Digitalisierung nicht zufriedenstellend funktioniert. Es werden daher ausgewählte Grundprinzipien als notwendige Grundgesetze für das digitale Arbeiten wiederholt. Die durchgeführte Digitalisierung wird am Pilotprojekt zum digitalen Bauen und Abrechnen „L 181 Ersatzneubau Villingen Kuhmoosbachbrücke“ exemplarisch dargestellt. Es werden der Aufbau des Digital Twins unter den Anforderungen des Baubetriebs Peter Gross Infrastruktur GmbH & Co. KG erläutert und ausgewählte digitale Usecases herausgegriffen. Bauen ist hochdynamisch und kann nicht durch statische CAD-Prozesse effektiv abgebildet werden. Damit wird der momentane Widerspruch im digitalen Bauen am Beispiel deutlich und die Punkte aufgezeigt, die in einer funktionierenden und weltweit anerkannten IT-Lösung angewandt werden müssen. Nur aktuelle und bestätigte Informationen des SOLL und des IST ermöglichen es, das Gesamtmodell für das digitale Abrechnen einzusetzen.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 137 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung Dr. Klaus Tilger A+S Consult GmbH, Dresden Zusammenfassung Oft kennen Entscheider die informationstechnischen Paradigmen zur digitalen Verarbeitung von Informationen nicht. Das ist mit ein entscheidender Grund, warum Digitalisierung nicht zufriedenstellend funktioniert. Es werden daher ausgewählte Grundprinzipien als notwendige Grundgesetze für das digitale Arbeiten wiederholt. Die durchgeführte Digitalisierung wird am Pilotprojekt zum digitalen Bauen und Abrechnen „L 181 Ersatzneubau Villingen Kuhmoosbachbrücke“ exemplarisch dargestellt. Es werden der Auf bau des Digital Twins unter den Anforderungen des Baubetriebs Peter Gross Infrastruktur GmbH & Co. KG erläutert und ausgewählte digitale Usecases herausgegriffen. Bauen ist hochdynamisch und kann nicht durch statische CAD-Prozesse effektiv abgebildet werden. Damit wird der momentane Widerspruch im digitalen Bauen am Beispiel deutlich und die Punkte aufgezeigt, die in einer funktionierenden und weltweit anerkannten IT-Lösung angewandt werden müssen. Nur aktuelle und bestätigte Informationen des SOLL und des IST ermöglichen es, das Gesamtmodell für das digitale Abrechnen einzusetzen. 1. Digitale Grundlagen Bestand Es wird eine Auswahl von Grundprinzipien zum Auf bau des Gesamtmodells am gewählten Praxisprojekt vorgenommen und dabei die Notwendigkeit erläutert: BIM ist die Übergabe aller Informationen in digitaler Form: Digitale Informationen sind nur maschinell weiter verarbeitbare vollständige Informationen des jeweiligen Fachs. Demnach sind PDFs, Zeichnungen oder IFCs ohne vollständig fachliche Parametrisierung oder fachlichen Bezug beispielsweise zur Trassierung keine weiter verarbeitbaren Informationen für digitale Workflows. In der Praxis werden jedoch im Allgemeinen nicht ausreichend digitale oder in diesem Sinn vollständige Informationen übergeben. Die Folgen sind das Re-Digitalisieren und das nicht vollständige Verfügen der Informationen im Baubetrieb. BIM ist 100 % objektorientiertes Planen am Fachobjekt: Objektorientiertes Arbeiten bedeutet ausschließlich Fachobjekte zu bilden, die einen fachlichen Fachplanungsgegenstand abbilden. Dabei dürfen nicht mehrere Gegenstände in einem Fachobjekt kombiniert sein (Stütze mit Fundament) oder ein Gegenstand nichtfachlich in viele Fachobjekte zerspringen (Volumenschnipsel eines Damms oder einer Oberbauschicht). Die Fachobjekte sind Instanzen einer disjunkten Modellstruktur aus Fachobjektklassen mit eigenem jeweils klarem Fachverhalten. Lässt man das Fachverhalten durch Reduktion der Fachobjekte auf Geometrie und (im schlimmsten Fall nur alphanumerische) Attribute weg, können keine digitalen Workflows aufgebaut werden. BIM ist die Arbeit im Data Lifecycle: Jedes Fachobjekt, jeder Vorgang des Terminplans, jede Leistungsverzeichnis-Position, jede Bauabrechnung oder sonstige Information muss eine stabile eineindeutige Identifizierung erhalten. Erst damit ist sie unter Änderungen wiederfind- und wiedernutzbar. Digitale Workflows können nur mit und ausschließlich durch Wiederfinden und damit mit realisiertem Data Lifecycle funktionieren. Das Data Lifecycle ist ein weltweites Grundprinzip der IT; es muss auch in der Infrastruktur benutzt werden. BIM ist die vollständige Informationsübertragung und damit die Einheit aus Fachplanung und Fachmodell: Vollständige Informationen in der Infrastruktur bedeutet nicht nur ein Modell mit Geometrie, sondern umfasst alle fachplanerischen Details, die zu dieser Geometrie führen. Daraus folgt, dass Fachplanung und Fachmodell eine Einheit bilden müssen und entsprechend zur Weiterarbeit übergeben werden müssen. Damit schließt das Fachmodell die Fachplanung mit allen abhängig vernetzten Randbedingungen anderer Fächer ein. Der Aufbau und die Pflege dieses Linked-Data-Model ist ein integraler Teil der digitalen Fachplanung. In der Praxis müssen in der Regel Informationen vom Auftraggeber re-digitalisiert werden. Das bedeutet, Trassierung, Querprofillinen und -flächen, Entwässerungs- und Mediennetze sowie Baugrund- und Homogenbereichsschichtenmodelle auf analogen Grundlagen neu erstellt werden. 138 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung Abbildung 1: Grundlagen des Projekts: Digitale Bestands- und Planungsdaten Ist der Re-Digitalisierungsschritt erfolgt, können Fachobjekte damit parametrisiert werden. Die Überführung der Fachplanung in das Fachmodell geschieht vernetzt, intelligent und nach den Grundprinzipien der Informationsverarbeitung: Mit fester ID. Mit impliziten Volumina. Rein fachlich und ohne Volumenschnipsel. Externe Workflows wie das CAD der Baugrube werden durch Hinzunahme eines Workflows zur Sicherstellung des Data Lifecycles sowie klarer Übergabe der fachlichen Semantik in Form von vereinbarten Attributnamen, Datentypen und physikalischen SI-Einheiten ergänzt. Abbildung 2: Digitale Objektorientierung statt analoger Fragmentierung 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 139 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung Abbildung 3: Angepasste CAD-Workflows: Beispiel Baugrube Besonderer Schwerpunkt bildet der Baugrund, der vollparametrisch über relationale Baugrunddaten in das Gesamtmodell integriert werden muss. Die volle Parametrisierung ist zum einen für die geometrische Anpassung der Baugrundbeziehungsweise Homogenbereichsschichten auf Grundlage neuer Informationen durch das Bauen essenziell, zum anderen werden richtlinienabhängige Kennwerte relational erfasst und für den Geotechniker unter Beachtung dieser Abhängigkeiten zur weiteren Analyse übergeben. BIM ist die Vernetzung von Informationen: Informationen bedingen Informationen. Damit sind Informationen von anderen Informationen abhängig. Die Abhängigkeit bleibt erhalten, wenn sich eine Information ändert. Demnach befinden sich alle Informationen in einem gemeinsamen Netzwerk, das nur maschinell beherrschbar ist. Beispielsweise sind Homogenbereichsschichten von Baugrundschichten, Baugrundschichten von Aufschlüssen und Aufschlüsse von Aufschlusstypen abhängig. Nur die Vernetzung führt zu einem ständig qualitätsgesicherten Planungs- oder Bauprojekt. BIM ist die vollparametrische Modellierung durch implizite Volumina: Die Geometrie eines Fachobjekts ist nur eine Repräsentanz seines fachlichen Inhalts. Ändert sich der fachliche Inhalt, muss sich auch die Repräsentanz anpassen. Damit Inhalt und Repräsentanz stets zueinander passen, muss das durch einen digitalen Prozess sichergestellt sein. Das manuelle Modellieren ist kein digitaler Prozess und muss im BIM eliminiert werden. Da implizite Volumina vollständig generiert sind, müssen sie aus ihrer Parametrik entstehen. Damit muss im Umkehrschluss die Parametrik vollständig am Fachobjekt enthalten sein. Baugrundschichten werden jeweils aus Aufschlussbereichen gleichen Baugrundtyps gebildet. Aufschlussbereiche besitzen eine Einflussfläche, die ihre Gültigkeit in Lage und Tiefe festlegen: Auffüllungen der Straße befinden sich nur im Straßenbereich; Auffüllungen des Geh- und Radwegs nur dort. Einflussflächen sind somit Teil der Parametrik der Baugrundschichten. 140 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung Abbildung 4: Parametrisches Baugrundmodell Was passiert mit dem Baugrundschichtenmodell und den davon abhängigen Mengen beispielsweise in der Baugrube, wenn neue Informationen zum Baugrund während des Bauens hinzugenommen werden? 1.1 Usecase Baugrube nach Baugrund Unter diesen Voraussetzungen können jetzt digitale Auswertungen wie auch die spätere digitale Abrechnung durchgeführt werden. Das wird am Beispiel der Berechnung der Aushubmassen der geplanten Baugrube je Baugrundtyp deutlich. Es werden folgende Grundprinzipien umgesetzt: BIM ist die reproduzierbare automatisierte Auswertung des Gesamtmodells: Digitale Berechnungen sind grundsätzlich auf gleichem oder unterschiedlichem Informationsstand reproduzierbar. Damit werden Abläufe automatisiert und die Ergebnisse deterministisch ermittelt. Je nach Menge der zu verwendenden vernetzten Informationen sind die eingesetzten Algorithmen dabei mehr oder weniger intelligent. Das Ziel der Digitalisierung ist es demnach möglichst alle verfügbaren Informationen in der jeweiligen fachlichen Spezifik zur Auswertung zu verwenden. Skripte sind unzureichend und bieten in diesem Sinn keinen digitalen Workflow an, da sie das spezifische Fachverhalten eines jeden Fachobjekts durch unspezifisches Skriptverhalten aller Fachobjekte ersetzen. BIM ist die eindeutige Abbildung klassischer Auswertungen im Digitalen: Fachplanerische Berechnungen bleiben im BIM in ihrer Semantik in der Kunst des Fachs unverändert. Sie werden im Digitalen ebenso durchgeführt und führen zu genau den gleichen Ergebnissen. Es wird also nicht die Berechnung neu erfunden, sondern der Weg zum Ergebnis. Damit geht die Forderung einher, ausschließlich digitale Prozesse einzusetzen. Die eindeutige Abbildung in diese Prozesse bezieht sich somit auf das Finden der einwandfreien maschinellen Informationsverarbeitung mit moderner Technologie. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 141 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung Abbildung 5: Parametrische Aushubmassen Der Baugrund liegt in Form von Baugrundschichten vor. Die Baugrube ist ebenso modelliert. Baugrundschicht und Baugrube besitzen ein Data Lifecycle. Damit und nur damit sind beide als Operand des geometrischen Schnitts unter Änderungen nutzbar. Der Schnitt repräsentiert ein neues Fachobjekt mit ebenso fester Identifizierung und liefert in der aktuellen Situation den korrekt geschnittenen Volumenkörper inklusive der Mengenwerte. Findet also eine Änderung der Baugrundschicht oder der Baugrube statt, führt das wegen der Vernetzung sofort zur Aktualisierung des Schnitts und damit zu aktualisierten Mengenwerte. 1.2 Bohrpfahlwand Die Bohrpfahlwand besteht aus drei Teilen: Der Fachplanung, dem Fachmodell der Bohrpfähle und der Bewehrung in diesem Fachmodell. In der Fachplanung werden die Identifizierung und die Position der Bohrpfähle bestimmt. Diese führt als Parametrik direkt zum Fachmodell. Das Fachmodell ist im Gesamtmodell vernetzt und erhält damit unter anderem den Zugriff auf die Baugrube und das Bauwerk. Das implizite Fachmodell wird im Gesamtmodell abgeglichen und als Grundlage der innenliegenden Bewehrung direkt und konsistent weiterverarbeitet. BIM ändert also nicht die Fachplanung, sondern die Integration der Fachplanung in das Projekt und den Weg der konsistenten Verarbeitung dieser Informationen. 142 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung Abbildung 6: Bohrpfahlwand Abbildung 7: Vernetzung des Leistungsverzeichnis 2. Digitale Grundlagen Bauen Der digital Twin muss für das Bauen neben dem Bestand auch parallel die Planung der Baumaßnahme enthalten. Die digitalen Anforderungen müssen in allen Teilen erfüllt sein. Damit ist BIM die Arbeit am einzigen Gesamtmodell unter allen gegenseitigen Abhängigkeiten. Das Gesamtmodell ist das SSoT des Projekts. Damit ist jede Information für sich die eindeutige sowie verlässliche Wahrheit. Ein Koordinationsmodell kann das nicht leisten, da es nur unabhängige Fachplanungen in Form von davon abgeleiteten Fachmodellen mit unvollständigen Informationen des Fachs übereinanderstapelt. Die Wahrheit verbleibt im jeweilen Autorensystem. Die Vernetzung mit dem Leistungsverzeichnis sowie dem Terminplan ist jetzt essenziell. Sie muss unter ständigen möglichen Änderungen stabil erfolgen. In der Praxis werden dazu ungeeignete Workflows wie Modellverbindungen über durchnummerierte Ordnungszahlen oder digital unzureichende Skripte, die umständlich mit nicht qualitätsgesicherten Attributen gefüttert werden müssen, eingesetzt. Ein Fortschritt wird sich im Ergebnis logischerweise nicht einstellen. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 143 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung Im Beispielprojekt wird ein digitales Vorgehen gewählt: Das Leistungsverzeichnis, der Terminplan oder das Vorgangsmodell werden im Gesamtmodell vernetzt. Sie werden nicht primitiv mit einem Modell verbunden. BIM ist die Informationsverarbeitung in unabhängigen Ebenen der Informationen: Unabhängige Informationsebenen trennen disjunkte Informationswelten strikt von einander ab: Es dürfen keine Informationen einer Ebene in einer anderen Ebene enthalten sein. Die einzige Möglichkeit der Zusammenarbeit dieser Ebenen ist die Vernetzung. Demnach darf keine Ordnungszahl oder Vorgangsnummer am Fachobjekt in der 3D-Ebene enthalten sein. Durch unabhängige Informationsebenen können auch komplexe N: M-Beziehungen informationstechnisch korrekt gemanagt werden. Der Auf bau dieser Relationen erfolgt rein fachlich und genau einmal. Damit werden sämtliche Sonderfälle und Spezifikationen seitens des Fachobjekts beziehungsweise des Vorgangs durch sein Verhalten und seitens der Leistungsverzeichnis-Position durch den Fachautor (Mensch) festgelegt. Dadurch ist das Ergebnis fachlich von Mensch und Maschine validiert und kann beispielsweise durch die Bauüberwachung bestätigt werden (wichtig für die digitale Abrechnung). Die Vernetzung setzt das Data Lifecycle der Fachobjekte, Vorgänge und Leistungsverzeichnis-Positionen voraus. Der Mengenwert wird immer dynamisch berechnet und nicht aus nicht qualitätsgesicherten Attributen zusammenkopiert: Zunächst entscheidet die Abrechnungseinheit der Leistungsverzeichnis-Position. Diese filtert verschiedene Mengenvarianten spezifisch im jeweils vernetzten Fachobjekt. Die konkrete Auswahl trifft dann final der Fachautor und zwar spezifisch für jede Kombination Fachobjekt - Leistungsverzeichnis-Position. Damit wird zum einen ein starres Skript der Zuordnung und zum anderen eine starre QTO-Formel durch die reine fachliche Information des Fachautors ersetzt. Im nächsten Schritt könnte die Auswahl durch eine KI unterstützt werden, da der Prozess jetzt auf reine nicht abgeleitete Informationen zurückgeführt ist. Die Leistungsverzeichnis-Position enthält die Referenz auf seine Fachobjekte und Vorgänge. Wird die Referenzierung umgedreht und in der 3D-Ebene verbacken, sind die Informationsebenen nicht getrennt, saubere M: N-Beziehungen unmöglich und der spätere Nutzen für das Bauen und Abrechnen zerstört. Abbildung 8: nD-Ebene des Leistungsverzeichnis 144 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung 3. Anwenden des Digital Twin für das modellbasierte Abrechnen Das vernetzte Gesamtmodell wird jetzt zum automatisierten modellbasierten Abrechnen verwendet: BIM ist die konsistente Informationsverarbeitung unter ständigen Änderungen aller Informationen: Bauen ist ebenso dynamisch wie das Planen. Es muss also auch im Bauen davon ausgegangen werden, dass sich jede Information zu jedem Zeitpunkt ändern kann. Die Folgen einer Änderung kann nur ein digitaler Prozess bewerten, auswerten und neue daraus resultierende Änderungen anstoßen. Jeder menschliche Faktor führt in diesem Geflecht zu Fehlern der Konsistenz der Informationen im Gesamtmodell und damit zur nicht belastbaren Wahrheit. Ein menschlicher Prozessschritt führt unausweichlich zum Qualitätsverlust. BIM ist die digitale Abrechnung ausschließlich im jeweiligen Stand der Baustelle: Genau wie die Planung interagiert auch die Realität der Baustelle mit dem Digital Twin. Die Bauinformationen (was wurde fertiggestellt) fließen sofort in den Digital Twin ein. Damit stellt die digitale Abrechnung lediglich eine konkrete Informationsverarbeitung im Gesamtmodell dar. Die Berechnung der Ergebnisse (hier abrechenbare Mengenwerte bezüglich des Leistungsverzeichnis) erfolgt auf rein digitalem Weg. Menschliche Prozessschritte sind eliminiert und es verbleibt vorerst nur die menschliche Prüfung. Abbildung 9: Digitale Abrechnung 1/ 3 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 145 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung Abbildung 10: Voraussetzung der digitalen Abrechnung Für das digitale Abrechnen sind Informationen des SOLL inklusive vernetztem Leistungsverzeichnis sowie Terminplan in allen Details notwendig. Darin ist jede Information belastbar. Demnach entspricht sie der Wahrheit und ist widerspruchsfrei im SSoT des Projekts. Damit digitale Workflows digitale Informationsverarbeitungsprozesse durchführen können, muss die Modellstruktur standardisiert sein. Dabei bezieht die Modellstruktur das Informationsdesign mit ein. Das IST wird mit diesen Voraussetzungen digital aus dem SOLL durch Angabe der Bauleistungen ermittelt. Dadurch werden die Bauleistungen zur Parametrik des IST und alle Teilmengen durch Berechnung der Mengenwerte aus dem digital generiertem IST ermittelt. Ein entscheidender Unterschied zu aktuellen Realisierungen ist hier die vollständige Ableitung aus dem SOLL und nicht die Bestimmung des IST aus unabhängigen Aufmaßen wie Laserpunkte. Abbildung 11: Digitale Abrechnung 3/ 3 146 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung chenbar, die nur den Zuwachs bezüglich genau einer Abrechnung oder mehrerer Abrechnungen enthalten. Das Ergebnis der digitalen Abrechnung ist jeweils ein Tupel aus Abrechnungsgrundlage als DA11/ X31 und einer digitalen Abrechnungsgrundlage als ∆IST-Abrechnungsmodell. Dabei besteht das ∆IST-Abrechnungsmodell aus den einzelnen Fachobjekten der Bauabrechnungen zur jeweiligen Abrechnung, die neben den Mengenwerten, Vernetzungen zur Leistungsverzeichnis-Position, zum Vorgang im Terminplan und SOLL-Fachobjekt auch die Abrechnungsadresse (DA11) sowie das jeweilige IST enthalten. Das Fachobjekt der Bauabrechnung ist somit mit der klas- Damit muss notwendigerweise das SOLL das umzusetzende IST zu jedem Zeitpunkt repräsentieren. Das SOLL- Modell muss also bei jeder noch so kleinen Änderung beim Bauen angepasst werden und damit mit der aktuellen und zukünftigen Realität synchronisiert sein; der Begriff „Digital Twin“ erhält seinen Sinn... Gerade diese Anpassung kann nur durch digitale Workflows effizient erfolgen. Die SOLL-Mengen werden durch die Leistungsverzeichnis-Position spezifiziert und durch die SOLL-Fachobjekte direkt ermittelt; sie entsprechen nun garantiert der Wahrheit. Abbildung 12: Digitale Abrechnung 2/ 3 Die digital ermittelten Mengenwerte aus den IST-Fachobjekten sind mit ihren jeweiligen SOLL-Fachobjekten vernetzt. Die Leistungsverzeichnis-Positionen der Abrechnung enthalten Verweise auf die IST-Fachobjekte. Damit besitzt die Abrechnung auch den Zugang zum SOLL. Aus den IST-Fachobjekten entstehen die Mengenwerte des IST direkt. Die IST-Menge wird zur RE-Menge weiterverarbeitet, in dem - jetzt im Allgemeinen der Bauleiter als Fachautor - die Übertragung des modellbasierten IST- Mengenwerts mit oder ohne Anpassung zum „menschenbasierten“ RE-Mengenwert bestätigt. Danach wird die Anpassung in jedem Fall mit dem SSoT synchronisiert. Wird die RE-Menge durch einen weiteren Qualitätsschritt bestätigt, wird sie zur Final-Menge. Diese kann beispielsweise durch eine externe Bauüberwachung geschehen. Abrechnungen sind mit ihrer jeweils vorhergehenden Abrechnung vernetzt. Damit können effektiv bereits abgerechnete und verbleibende LV-Mengen im IST und bezüglich des aktuellen SOLL berechnet sowie digital kontrolliert werden. Im Umkehrschluss sind neben dem IST-Modell, das den aktuellen Stand der Abrechnung der Baumaßname enthält, auch ∆IST-Modelle digital beresischen Abrechnungsgrundlage verbunden. Andersherum enthält die X31-Abrechnungsgrundlage den Rückverweis auf die Fachobjekte der Bauabrechnungen. Mit MMC ist ebenso die modellbasierte Übergabe der Abrechnung möglich. Grundsätzlich sind SOLL-Fachobjekt, IST-Fachobjekt, Fachobjekt der Bauabrechnung und die Abrechnung selbst verschiedene Fachobjekte im Data Lifecycle. 4. Zusammenfassung Bauen ist hochdynamisch: Es sind alle Änderungen in einem digitalen Workflow zu beachten. Sogar die Ausführungsplanung von Trassierung oder Bauwerk kann angepasst werden. Die jetzt verfügbaren neuen Informationen zum Baugrund, zur Ausführung der Baugrube samt Sicherung oder zur Ausstattung führen unmittelbar zum Anpassen der einzusetzenden Bautechnologie im SOLL-Modell und im Bauablauf. Externe Einflüsse wie das Wetter und die Verfügbarkeit von Ressourcen implizierten ebenso das Anpassen des dynamischen Bauprozess. Der digitale Benchmark ist der turn-a-round zur Korrektur aller abhängigen Informationen bis hin zur Abrechnung über korrekte Mengenwerte bei jeder Änderung. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 147 Digitale Informationen für ein digitales Bauen und eine digitale Abrechnung Damit muss während der Baumaßnahme zum einen die Wahrheit des Gesamtmodells belastbar garantiert sein und zum anderen das mit minimalem Aufwand erreicht werden. Diese Anforderungen können nur digitale Workflows realisieren. Menschliche Prozessschritte müssen eliminiert oder wenigstens minimiert werden. Es wurde eine Auswahl an prinzipiellen Grundlagen digitaler Workflows beim (Planen und) Bauen dargestellt. Sie beschreiben den einwandfreien digitalen Einsatz. In der Praxis wird sich ein Prozess etablieren, der Stück-für- Stück die klassischen manuellen - meist durch Menschen im Baubetrieb erbrachten - Arbeiten durch solche digitalen Schritte ersetzt. Auf der anderen Seite werden die vorherrschende Skepsis und das Misstrauen gegenüber digital ermittelten Grundlagen und Workflows beim Auftraggeber abgebaut. Beide Seiten bewegen sich demnach gemeinsam auf einen digitalen Kristallisationspunkt zu. Der Sinn der Digitalisierung ist nicht, bestehende Wege neu auszutreten, sondern gemeinsam neue und effiziente Verfahren zu schaffen sowie diese in der Praxis einzusetzen.