Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? – Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis
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Carsten Dierkes
Wasserdurchlässige Flächenbeläge befestigen Verkehrsflächen wie Anliegerstraßen, Parkplätze, Gehwege oder Hofflächen, ohne diese zu versiegeln. Sie verbessern den urbanen Wasserhaushalt, indem der größte Teil des Regenwassers in Richtung von Baumstandorten und in das Grundwassers versickern kann. Außerdem wirken sie Überflutungen bei Starkregen entgegen. Auch bestehende Flächen können vom Misch- oder Regenwasserkanal abgekoppelt werden. Der Erhalt des natürlichen Wasserhaushaltes ist eine zentrale Forderung des Wasserhaushaltsgesetzes und der aktuell geltenden Regelwerke im Bereich der Entwässerung wie dem DWA-Merkblatt 102-4. Wasserdurchlässige Flächenbeläge aus Betonsteinen gibt es seit den 90er Jahren und sie wurden kontinuierlich weiterentwickelt. Heute ist eine Regenerierung der Versickerungsleistung nach vielen Betriebsjahren möglich, und aktuelle Neuentwicklungen erhöhen die Verdunstung auf bis zu 50 % im Jahresmittel und kühlen damit aktiv das urbane Mikroklima. Die Anforderungen des Straßenbaus mit den Regelwerken der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV) und die Anforderungen der Wasserwirtschaft, vor allem der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) sind zu beachten. Geprüfte Sicherheit für alle Beteiligten ermöglichen allgemeine bauaufsichtliche Genehmigungen des Deutschen Instituts für Bauchtechnik (DIBt) in Berlin.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 181 Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? - Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis Dr.-Ing. Carsten Dierkes H 2 O Research GmbH, Münster Zusammenfassung Wasserdurchlässige Flächenbeläge befestigen Verkehrsflächen wie Anliegerstraßen, Parkplätze, Gehwege oder Hofflächen, ohne diese zu versiegeln. Sie verbessern den urbanen Wasserhaushalt, indem der größte Teil des Regenwassers in Richtung von Baumstandorten und in das Grundwassers versickern kann. Außerdem wirken sie Überflutungen bei Starkregen entgegen. Auch bestehende Flächen können vom Misch- oder Regenwasserkanal abgekoppelt werden. Der Erhalt des natürlichen Wasserhaushaltes ist eine zentrale Forderung des Wasserhaushaltsgesetzes und der aktuell geltenden Regelwerke im Bereich der Entwässerung wie dem DWA-Merkblatt 102-4. Wasserdurchlässige Flächenbeläge aus Betonsteinen gibt es seit den 90er Jahren und sie wurden kontinuierlich weiterentwickelt. Heute ist eine Regenerierung der Versickerungsleistung nach vielen Betriebsjahren möglich, und aktuelle Neuentwicklungen erhöhen die Verdunstung auf bis zu 50 % im Jahresmittel und kühlen damit aktiv das urbane Mikroklima. Die Anforderungen des Straßenbaus mit den Regelwerken der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV) und die Anforderungen der Wasserwirtschaft, vor allem der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) sind zu beachten. Geprüfte Sicherheit für alle Beteiligten ermöglichen allgemeine bauaufsichtliche Genehmigungen des Deutschen Instituts für Bauchtechnik (DIBt) in Berlin. 1. Wasserdurchlässige Flächenbeläge in der Schwammstadt Das Thema Schwammstadt ist allgegenwärtig, Konzepte für eine klimaresiliente Umgestaltung unserer Städte sind angesichts längerer Trockenperioden und intensiverer Starkregen überfällig [1]. Neben Maßnahmen wie Gründächern, Retentionsdächern, begrünten Fassaden, Retentionsspeichern, Regen-wassernutzungsanlagen und Versickerungsanlagen besteht ein großes Potential in der Entsiegelung der Verkehrsflächen, die in den Städten in NRW z. B. bis zu 17 % der Gesamtfläche ausmachen [2], und in den Innenstädten nahezu 40 % betragen können. Wasserdurchlässige Pflasterbeläge bieten hier die Chance, Flächen zu befestigen, ohne diese zu Versiegeln und somit den Wasserhaushalt zu verbessern, indem ein Teil des Regenwassers wieder in Richtung des Grundwassers versickern kann. Der Erhalt des natürlichen Wasserhaushaltes ist eine zentrale Forderung der geltenden Regelwerke [3]. Wasserdurchlässige Flächenbeläge aus Betonsteinen gibt es seit den 90er Jahren und sie wurden kontinuierlich weiterentwickelt. Heute ist eine Regenerierung der Versickerungsleistung möglich und aktuelle Neuentwicklungen erhöhen die Verdunstung im urbanen Umfeld und kühlen damit aktiv das Mikroklima (Abb. 1) [4]. Für die Planungspraxis gelten die Anforderungen des Straßenbaus mit den Regelwerken der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV) und die Anforderungen der Wasserwirtschaft, vor allem der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA). Darüber hinaus können die Beläge eine allgemeine bauaufsichtliche Genehmigung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) erhalten, die unter anderem den Schadstoffrückhalt und somit den Schutz des Grundwassers gewährleistest und eine Regenerierbarkeit der Versickerungsleistung nach vielen Betriebsjahren voraussetzt. Abb. 1: Wasserdurchlässiger Pflasterbelag mit allgemeiner bauaufsichtlicher Genehmigung des DIBt (Foto: Godelmann GmbH & Co. KG) 1.1 Arten von wasserdurchlässigen Pflasterbelägen Grundsätzlich muss zwischen drei verschiedenen Pflastersystemen unterschieden werden. Pflaster mit Sickerfugen leiten das Wasser ausschließlich über die Fuge ab, die damit ausreichend wasserdurchlässig aufgebaut sein muss. Haufwerksporige Betonsteine haben eine poröse Struktur und leiten das Wasser durch den Beton selbst ab. Eine Kombination aus einer wasserundurchlässigen Steinoberfläche und einem haufwerksporigen Kernbeton kann man als Hybridsystem bezeichnen. Außerdem gibt es Systeme mit aufgeweiteten begrünten Fugen oder Aussparungen. Alle Systeme haben spezifische Einsatzbe- 182 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? - Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis reiche und Einschränkungen, begrünte Systeme eignen sich zum Beispiel nicht für Fahrbahnen, sondern eher für den ruhenden Verkehr oder temporär befahrene Flächen. 2. Anforderungen und Regelwerke Auf der FGSV-Seite gilt für die Bauweise das 2013 erschienene Merkblatt für Versickerungsfähige Verkehrsflächen (MVV) [5], das zurzeit überarbeitet wird. In dem Merkblatt wird auf die Richtlinien für die Anlage von Straßen - Entwässerung (RAS-Ew) [6], also aktuell die Richtlinien für die Entwässerung von Straßen (REwS) [7] verwiesen, diese gelten aber strenggenommen außerhalb von Siedlungsgebieten. Neben den Grundlagen wie Niederschlag und Versickerung, Filterstabilität und wasserwirtschaftlichen Aspekten enthält das MVV Vorgaben zur Planung und Ausführung, Auf bau und Dimensionierung, zu Baustoffen, Anforderungen und Prüfungen für versickerungsfähige Pflasterdecken. Auf Seiten der DWA gilt für die Versickerung das Arbeitsblatt DWA-A 138-1 „Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser - Teil 1: Planung, Bau, Betrieb“ [8]. Ferner gilt teilweise noch das DWA-M 153 „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Regenwasser“ [9] und im Falle einer Einleitung in ein Oberflächengewässer gilt das DWA-A 102-2/ BWK-A 3-2 - „Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer - Teil 2: Emissionsbezogene Bewertungen und Regelungen“ [10]. Strenggenommen gilt das das DWA-A 138-1 aller gs nicht für wasserdurchlässige Flächenbeläge, auf denen ausschließlich das direkt anfallende Niederschlagswasser versickert wird. Dazu heißt es: „Das vorliegende Arbeitsblatt bezieht sich auf die Versickerung von Niederschlagswasser im Sinne der Definition des Abwasserbegriffs nach § 54 WHG [11], also Wasser, das von Niederschlägen aus dem Bereich von befestigten oder bebauten Flächen gesammelt abfließt“ [8]. Bei einem wasserdurchlässigen Flächenbelag wird das Wasser nicht gesammelt und fließt nicht ab. Da Regenabflüsse von Verkehrsflächen ein hohes Schadstoffpotential aufweisen [8, 10] darf eine Versickerung nur mit einer vorherigen Behandlung möglich sein, um das Schutzgut Grundwasser nicht zu gefährden. Insofern sollten aus der Sicht des Grundwasserschutzes zwingend die Vorgaben an die Wasserqualität gemäß DWA-A 138-1 berücksichtigt werden. Die Einleitung in ein Oberflächengewässer über Planumsdrainagen ist eindeutiger geregelt, da das Wasser hier gesammelt abfließt. Ebenso entfällt diese Tatsache, wenn zusätzlich Wasser z. B. von angrenzenden Dachflächen auf die Pflasterfläche geleitet wird. Dies ist allerdings aufgrund der höheren Wasser- und Stofffrachten nicht unproblematisch und z. B. in den allgemeinen bauaufsichtlichen Genehmigungen (aBG) des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) für versickerungsfähige Flächenbeläge nicht vorgesehen. 2.1 DIBt Genehmigung Als Zulassungsstelle erteilt das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin allgemeine bauaufsichtliche Genehmigungen (abG) für Bauarten, für die es keine allgemein anerkannten Regeln der Technik gibt oder die von diesen wesentlich abweichen. Allgemeine bauaufsichtliche Genehmigungen sind Anwendbarkeitsnachweise von Bauarten im Hinblick auf bautechnische Anforderungen. Abb. 2: Wiederherstellen der Versickerungsfähigkeit nach etwa 10 bis 15 Jahren Betriebsdauer Eine Bauartgenehmigung bedeutet geprüfte Produkte und Systeme. Bezogen auf wasserdurchlässige Flächenbeläge auch Sicherheit bei der Planung, Ausschreibung und fachgerechten Erstellung, da die Bauweise und sämtliche Komponenten exakt definiert, geprüft und beschrieben werden. Ebenso enthalten sind Angaben hinsichtlich des Betriebes und der Wartung (z. B. der Wiederherstellung der Versickerungsfähigkeit) (Abb. 2) sowie Eigen- und Fremdüberwachung der Hersteller. Darüber hinaus sorgt das DIBt-Siegel für vereinfachte Genehmigungsverfahren. In der Summe bietet die Bauartzulassung also deutliche Vorteile für alle Baubeteiligten. Ein DIBt-Zulassungsverfahren für wasserdurchlässige Flächenbeläge besteht seit 2005 und beinhaltet umfangreiche Funktionsprüfungen [12]. Alle Beläge werden eingehend in einem Laborprüfverfahren auf unterschiedliche Parameter untersucht. Darunter auf den Rückhalt von Feststoffen und damit vergesellschafteten Schadstoffen (AFS), Mineralölen (MKW) und gelösten Schwermetallen (SM), den Einfluss von Tausalzen sowie auf die Umweltverträglichkeit der Baustoffe. Verwendet wird eine mehrjährige Jahresfracht der Testsubstanzen nach einem Frachtprinzip, so dass direkt auf das Langzeitverhalten der Beläge geschlossen werden kann. Auch die hydraulischen Leistungsdaten sowie die Regenerierbarkeit des Pflasters nach einem Zusetzen mit Feinstoffen werden bewertet. Die Bauartzulassung bestätigt, dass die Pflasterbauweise dauerhaft wasserdurchlässig ist und relevante Schadstoffe an der Oberfläche zurückhält. Für die Erlangung der abG werden die Anlagen von einer unabhängigen und vom DIBt benannten Prüfstelle auf Ihre Funktion und Umweltverträglichkeit geprüft. Darüber hinaus werden der Betrieb und die Wartung begutachtet. Oberstes Ziel ist der dauerhafte Schutz des Bodens und des Grundwassers nach den jeweils geltenden Regelungen und Richtlinien. Da sich diese unter ande- 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 183 Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? - Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis rem im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2006/ 118/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzungen und Verschlechterungen (GWRL), die am 16. Januar 2007 in Kraft getreten ist, noch ändern können, wird eine abG für die Dauer von jeweils fünf Jahren ausgestellt. Gegebenenfalls muss dann bei einer Veränderung der Rahmenbedingungen neu geprüft werden. Somit kann die abG flexibel an die jeweils geltenden gesetzlichen Grundlagen angepasst werden. 2.2 Niederschlag Wie hoch die Versickerungsrate eines wasserdurchlässigen Pflasters sein muss, hängt maßgeblich vom Bemessungsniederschlag ab. Versickerungsanlagen werden mit den regionalen Regendaten des KOSTRA-Atlas bemessen [13], die kostenfrei im Internet zur Verfügung stehen. Allerdings enthalten die abG eine deutschlandweit gültige Regenspende von 270 l/ (s·ha), die dauerhaft versickert werden muss. Im Einzelfall werden gemäß KOSTRA regional höhere Regenintensitäten als 270 l/ (s·ha) erreicht. Die abG und das MVV enthalten allerdings Sicherheitsfaktoren. So wird z. B. zur Ermittlung des Infiltrationswertes k i der Durchlässigkeitsbeiwert k f (Durchlässigkeitsbeiwert bzw. hydraulische Leitfähigkeit eines wassergesättigten Bodens) mit 50 % angesetzt (MVV) oder mit Abminderungsfaktoren belegt (DWA-A 138-1), was in der Praxis zu höheren Sickerleistungen führt. Daher ist die Auslegung auf 270 l/ (s·ha) in der Regel unproblematisch, auch wenn lokal Regenspenden höher ausfallen. 2.3 Oberflächenentwässerung Auch bei wasserdurchlässigen Flächenbeläge kommt es in der Regel nach mehrjähriger Nutzung vereinzelt bei Starkregen zu Oberflächenabflüssen. Bei den Entwässerungsmaßnahmen heißt es im MVV, dass die Oberflächenentwässerung nach den RAS-Ew dimensioniert wird. Strenggenommen gelten diese aber wie schon erwähnt außerhalb von Siedlungsgebieten. Bei der Frage nach Oberflächenabflüssen ist der Abflussbeiwert der Fläche entscheidend. Da die Flächenbeläge mit der Zeit z. B. durch den Reifenabrieb oder organische Feststoffe kolmatieren, wird im MVV ein Abflussbeiwert C von 0,3 bis 0,5 angegeben. Im DWA-A 138-1 wird zwischen zwei verschiedenen Abflussbeiwerten unterschieden, dem Spitzenabflussbeiwert C s und dem mittleren Abflussbeiwert C m . Für die Bemessung des Oberflächenabflusses bei Starkregen ist der Spitzenabflussbeiwert C s maßgeblich. Je nach Art der wasserdurchlässigen Fläche gibt das DWA-A 138-1 hier unterschiedliche Abflussbeiwert an (siehe Tab. 1). Tab. 1: Ausgewählte Abflussbeiwerte gemäß DWA-A 138-1 [9] Nr. Art der Flächen bzw. ihrer Befestigung Spitzenabflussbeiwert C s Mittlerer Abflussbeiwert C m 2 Pflasterflächen mit Fugenanteil > 15 % 0,7 0,60 Verbundsteine mit Sickerfugen, Sicker-/ Drainsteine 0,4 0,25 Rasengittersteine (mit häufigen Verkehrsbelastungen, z. B. Parkplatz) 0,4 0,20 Rasengittersteine (ohne häufige Verkehrsbelastung, z. B. Feuerwehrzufahrt) 0,2 0,10 Auch hier nehmen Beläge mit abG eine Sonderstellung ein, da diese dauerhaft eine Mindest-Durchlässigkeit von 270 l/ (s·ha) aufweisen und diese nachweislich wiederhergestellt werden kann und muss. Damit liegt der mittlere Abflussbeiwert bei C m < 0,1, der Spitzenabflussbeiwert kann im Extremfall aber durchaus auf etwa 0,4 ansteigen. Ob dieser bei der Entwässerungsplanung anzusetzen ist, hängt von der Gestaltung der Oberfläche ab. Ziel sollte es sein, das gesamte Niederschlagswasser auf der Fläche zu halten, wie im nächsten Kapitel erläutert wird. Entgegen den Forderungen der REwS muss das Gefälle von wasserdurchlässigen Verkehrsfläche gemäß MVV nur 1 % betragen, was bei der Planung großer Flächen von Vorteil sein kann. 2.4 Überflutungsnachweis Gemäß MVV sollte oberflächig abfließendes Regenwasser bevorzugt in eine Versickerungsanalage eingeleitet werden. Bei der Planung ist es ratsam, grundsätzlich auch über eine temporäre Zwischenspeicherung auf der Fläche nachzudenken, vor allem wenn keine ausreichenden Grünflächen zur Verfügung stehen. Die DIN 1986-100 [14] und das DWA-A 138-1 [8] fordern für innerstädtische Grundstücke mit einer Bemessungsfläche A Bem (Rechenwert für die Bemessung, der sich aus der Summe aller an die Versickerungsanlage angeschlossenen Teilflächen, multipliziert mit dem jeweils zugehörigen mittleren Abflussbeiwert ergibt) >800 m 2 die Durchführung eines Überflutungsnachweises. Dieser kann direkt mit der wasserdurchlässigen Verkehrsflä- 184 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? - Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis che erfolgen. In diesem Fall ist planerisch sicherzustellen, dass ein bestimmtes Volumen an Wasser, welches der Differenz zwischen dem dreißigjährlichen Regenereignis und der Mindest-Infiltrationsrate von 270l/ (s·ha) entspricht, schadlos auf dem Grundstück, also in diesem Fall auf der Fläche verbleibt, ohne abzufließen. Das kann zum Beispiel über ein negatives Dachgefälle oder geeignete Hochborde gewährleistet werden. Das überschüssige Niederschlagswasser versickert dann in den Minuten nach dem Regenereignis (Abb.-3, Abb.-4), an diesem Standort in den Niederlanden wurde ein temporärer Einstau bewusst in Kauf genommen, da der Oberbau des Flächenbelags keine ausreichende Versickerungsrate für Starkregen aufweist. Es kann sogar zusätzlich Wasser von angrenzenden Flächen wie Dächern aufgenommen werden, so dass der Regen- oder Mischwasserkanal und der Vorfluter nicht belastet werden. In diesem Fall können sowohl der Spitzenabflussbeiwert C s als auch der mittlere Abflussbeiwert C m mit 0,0 angesetzt werden, da kein Wasser von der Fläche abfließen kann. 2.5 Untergrund und Grundwasserflurabstand Hydraulische Anforderungen an den Untergrund enthalten sowohl MVV als auch das DWA-A 138-1. Gemäß MVV muss der Untergrund einen Mindestk f -Wert von > 5 · 10 -5 m/ s oder einen k i -Wert > 3·10 -5 m/ s aufweisen, die durchlässige Schicht sollte eine Mindest- Mächtigkeit von einem Meter haben. Bei einer geringeren Durchlässigkeit sind bautechnische Maßnahmen zu ergreifen, z. B. die Erhöhung der Frostschutzschicht oder die Anordnung von Planumssickerschichten mit Drainage nach RAS-Ew mit Einleitung in einen Vorfluter oder Regenwasserkanal. Das A 138 definiert den k f -Wert-Bereich, in dem Versickerungsanlagen eingesetzt werden sollten zwischen 1 · 10 -3 m/ s und 1-·-10 -6 -m/ s. Wasserdurchlässige Flächenbeläge können aber problemlos bis zu einem k f -Wert von 1 · 10 -7 -m/ s eingesetzt werden, bei noch geringeren Durchlässigkeiten ist eine Teil-Versickerung möglich, wie sie im DWA-A 138-1 beschrieben wird. Abb. 3: Wasserdurchlässiger Flächenbelag direkt nach einem Starkregen Abb. 4: Wasserdurchlässiger Flächenbelag fünf Minuten nach einem Starkregen Alternativ können gemäß MVV aber auch die örtlichen Regenspenden aus dem KOSTRA-Atlas für die Mindest- Infiltrationsrate verwendet werden. „Die Mächtigkeit des Sickerraums sollte, bezogen auf den mittleren höchsten Grundwasserstand (MHGW), grundsätzlich mindestens 1 m betragen. In Ausnahmefällen kann der Sickerraum bei geringer stofflicher Belastung der Niederschlagsabflüsse auch weniger als 1 m, jedoch mindestens 0,5 m, betragen“ [8]. Dabei bezieht sich das DWA-A 138-1 auf die Strecke zwischen der Unterkante der Versickerungsanlage und dem MHGW, das wäre bei Pflasterbelägen das Planum. Das MVV geht von einem Mindest-Abstand von der Oberkante der Pflasterfläche zum MHGW von 2,0 m und einem Mindest-Abstand von der Oberkante Unterbau/ Untergrund von 1,0 m aus. Gemäß den abG muss abweichend hiervon der Grundwasserflurabstand zwischen der Oberkante der Pflasterfläche und dem MHGW mindestens 1,0 m betragen. 2.6 Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit Das DWA-A 138-1 enthält Vorgaben zur Durchführung und Bewertung von Verfahren zur Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit. Für die Bestimmung der Durchlässigkeit des Bodens und der Trag- und Frostschutzschicht können diese Verfahren auch bei wasserdurchlässigen Flächenbelägen angewendet werden. Zu bevorzugen sind immer in-situ Methoden mit möglichst großen Messflächen wie z. B. eine Doppelring-Infiltrometer Messung. Zur Prüfung der spezifischen infiltrationsrate von Pflasterflächen sind die Verfahren nur bedingt geeignet. Bei allen Verfahren wird mit einem gewissen Überstau gearbeitet. Das ist bei Versickerungsanlagen mit Speicherfunktion (Mulden, Rigolen) auch sinnvoll, bei wasserdurchlässigen Flächenbelägen bedeutet ein minimaler Aufstau des Wassers in der Praxis aber, dass Oberflächenabfluss entsteht. Daher sollte mit möglichst geringem hydrostatischem Druck gemessen werden, da sonst die Versickerungsraten überschätzt werden. Das MVV empfiehlt das Doppelring-Infiltrometer und das Tropf-Infiltrometerverfahren (Abb. 5), bei dem ein Regen simuliert und der Aufstau auf der Fläche sehr geringgehalten wird. Darüber hinaus wird ein Schnelltest 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 185 Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? - Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis beschrieben, mit einem 300 mm Messing-Ring, der z. B. mit einer Gipsschlämme gegenüber dem Untergrund abgedichtet wird. Das erste Verfahren liefert die genauesten Ergebnisse, bei dem Schnelltest ist zu beachten, dass Wasser aus dem Ring auch seitlich in den Untergrund versickern kann. Eine Auswertung der Prüfergebnisse ist beschrieben. Abb. 5: Durchführung einer Tropf-Infiltrometer-messung Gemäß DWA-A 138-1 wird die Infiltrationsrate k i für die Bemessung als Produkt aus dem ermittelten Durchlässigkeitsbeiwert (bevorzugt aus einem Feldversuch) und einem Korrekturfaktor berechnet. Im einfachen Verfahren wird die Infiltrationsrate vereinfachend konstant angenommen, in der Realität verändert sie sich über den zeitlichen Verlauf des Regenereignisses. Örtliche Einflüsse, wie z. B. Bodenstruktur, Bodenverdichtung und Makroporen führen zu großen Bandbreiten der Durchlässigkeitsbeiwerte. Daher setzt sich der Korrekturfaktor aus einem örtlichen Korrekturfaktor (zwischen 0,1 und 1,0 je nach Kenntnisstand der örtlichen Verhältnisse) und einem Korrekturfaktor für die Bestimmungsmethode zusammen, der zwischen 0,1 für Laborverfahren mit gestörten Proben oder Sieblinienauswertungen und 1,0 für großflächige Feldversuche in Testgruben/ Probeschürfen (≥ 1 m 2 ) liegt. Doppelring- Infiltrometer-Messungen und Tropf-Infiltrometer-Messungen können mit 0,9 angesetzt werden, gelten daher als sehr genau. 2.7 Einsatz in Wasserschutzgebieten Unter den wasserwirtschaftlichen Aspekten heißt es im MVV, dass die Herstellung versickerungsfähiger Verkehrsflächen in Wasserschutzgebieten nach den „Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wasserschutzgebieten“ (RiStWaG) auszuschließen ist [15]. Die RiStWaG gelten allerdings strenggenommen außerhalb von Siedlungsgebieten, und hier ist ein wichtiger Aspekt zu berücksichtigen. Bei wasserdurchlässigen Flächenbelägen mit abG werden die gesetzlichen Anforderungen des Boden- und Gewässerschutzes erfüllt, damit ist das Sickerwasser qualitativ ähnlich wie Wasser nach einer Oberbodenpassage zu bewerten. Je nach Wasserschutzgebietsverordnung kann solches gereinigtes Niederschlagswasser in den Schutzzonen III A und III B nach Abstimmung mit der zuständigen Wasserbehörde versickert werden. Diese Forderung des MVV ist also aus wasserwirtschaftlicher Sicht pauschal nicht immer gültig und sollte im Einzelfall geprüft werden. 3. Planung Für die Planung sind die verkehrlichen Belastungsklassen, die Beschaffenheit des Bodens sowie der Auf bau und die Materialwahl des Oberbaus von Bedeutung. 3.1 Belastungsklassen nach RStO Verkehrsflächen werden gemäß den RStO in sieben Belastungsklassen eingeordnet. Die Einteilung richtet sich nach der dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B, die als „äquivalente 10-Tonnen-Achsübergänge“ angegeben wird [16]. Dabei erfolgt die Berechnung auf Grundlage der örtlichen Gegebenheiten und voraussichtlichen Nutzungszeit sowie vor allem nach der zu erwartenden Beanspruchung. Die RStO lassen sich anwenden für Fahrbahnen und sonstige Verkehrsflächen wie z. B. Busverkehrsflächen, Parkflächen oder Rad- und Gehwege. Ausgenommen sind private Bauvorhaben wie etwa Hofflächen, Gartenwege, Garagenzufahrten oder gewerblich genutzte Flächen. Eine Bemessung in Anlehnung an die RStO ist gleichwohl ratsam. Wasserdurchlässige Pflaster lassen sich bis zur Bauklasse 1.8 anwenden. 3.2 Anforderungen an den Untergrund Zunächst ist zu klären, ob der anstehende Boden bzw. Untergrund bezüglich der Wasserdurchlässigkeit, Tragfähigkeit, des Grundwasserspiegels oder Kontaminationen aus Vornutzungen geeignet ist. Entscheidend für eine planmäßige Versickerung ist die ausreichende Durchlässigkeit aller Schichten, so auch des anstehenden Bodens bzw. Untergrundes oder des eventuell erforderlichen Unterbaus. Liegt die Durchlässigkeit des Untergrundes bzw. Unterbaus unter 5 · 10 -5 m/ s sind bautechnische Maßnahmen wie erhöhte Frostschutz- oder Tragschichten erforderlich. Eine weitere effektive Lösung sind Planumssickerschichten nach den RAS-Ew [6] mit Drainage und Anschluss an einen Regenwasserkanal oder Vorfluter. Das Verformungsmodul E v2 sollte größer als 45 MN/ m 2 sein, dies ist nach DIN 18134 [5] (Plattendruckversuch) nachzuweisen. Niedrigere Werte erfordern einen Bodenaustausch oder eine Bodenverbesserung. 3.3 Anforderungen an den Oberbau Verkehrsflächen mit Pflasterbelägen gewinnen ihre Stabilität primär aus dem Oberbau, über den die Belastungen in den Untergrund abgeleitet werden. Der Oberbau selbst besteht aus den Tragschichten und der Pflasterdecke mit Betonpflastersteinen, Bettung und Fugenfüllung (Abb. 6). Die Dimensionierung der Schichtdicken erfolgt gemäß den RStO [16]. 186 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? - Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis Wichtig für die Dimensionierung der Schichten sind die Verkehrsbelastung sowie die örtliche Frosteinwirkung und Frostempfindlichkeit des anstehenden Untergrundes nach RStO [12] und ZTVE-StB 17 [17]. Bietet der Untergrund eine ausreichende Durchlässigkeit von ≥ 5,4·10 -5 m/ s (Frostempfindlichkeitsklasse F1), richtet sich die Dimensionierung nach der Verkehrsbelastung. Bei geringerer Durchlässigkeit zwischen 5,4- ·- 10 -5 -m/ s und 1-·-10 -6 m/ s (Frostempfindlichkeitsklassen F2 und F3) muss die Dicke der Tragschichten um 10-cm bis 20-cm erhöht werden. Bei noch niedrigeren Werten muss eine angepasste Planumsentwässerung angeordnet werden. Dabei wird das Wasser aus dem Oberbau abgeleitet und über z. B. Rigolen oder Dränrohre in versickerungsfähige Bereiche oder ein Oberflächengewässer geleitet. Abb. 6: Auf bau eines Pflasterbelags Die Kernaufgabe der Frostschutzschicht besteht darin, die gesamte Konstruktion vor Frostschäden zu schützen. Aufgrund der nötigen Durchlässigkeit und Tragfähigkeit eignen sich für ungebundene Frostschutzschichten nur korngestufte Kies- oder Schottertragschichten mit geringem Feinkornanteil. Für den Sieblinienverlauf der Baustoffgemische empfiehlt sich der untere bis mittlere zulässige Sieblinienbereich nach den TL SoB-StB 20 [18]. So wird eine möglichst hohe Durchlässigkeit bei ausreichender Tragfähigkeit erreicht. Die Tragschichten müssen mit Vorsicht verdichtet werden, das Verformungsmodul E v2 auf Oberfläche muss aber mindestens 120 MN/ m 2 aufweisen, der Nachweis erfolgt nach DIN 18134 [6] (Plattendruckversuch) unter Berücksichtigung der Durchlässigkeit. Die Durchlässigkeit muss größer als 5,4- ·-10 -5 m/ s sein, die Messung erfolgt nach DIN 18130 [19] oder vor Ort durch Infiltrationsversuche. Der Feinkornanteil < 0,063-mm sollte gemäß den TL SoB-StB 20 [18] kleiner gleich 3-% sein. 3.4 Anforderungen an die Pflasterdecke Das Fugen- und Bettungsmaterial muss durchlässig sein und zudem über eine hohe Kornfestigkeit verfügen. Zu vermeiden sind Kornzertrümmerungen, sie würden die Filterstabilität und somit die hydraulische Leistung der Pflasterdecke beeinträchtigen. In diesem Falle staut sich das Wasser im Belag ein und es kommt zwangsläufig zu Schäden. Zweckmäßig sind natürliche Gesteinskörnungen gemäß den TL Gestein-StB 04/ 23 [20]. Für die Bettungs- und Fugenmaterialien gilt eine Durchlässigkeit größer gleich 5,4- ·-10 -4 m/ s. Unterschiedliche Gesteinskörnungen für Bettung und Fugen erfordern den Nachweis der Filterstabilität. Von besonderer Bedeutung ist der Kornzertrümmerungswert nach DIN EN 1097-2 [21], der den Klassen SZ 18 oder SZ 22 entsprechen muss. Für die Betonsteine gelten die DIN EN 1338 [22] bzw. für haufwerksporige Betonsteine die DIN 18507 [23]. 3.5 Anforderungen an den Einbau Auch für den Einbau der Beläge gibt es konkrete Vorgaben. Da die Beläge empfindlich auf Feinststoffe reagieren, müssen alle Baustoffe mit bindigen Bestandteilen zwingend von den Flächen ferngehalten werden. Auf keinen Fall dürfen Schüttstoffe auf fertig gepflasterten Flächen zwischengelagert werden. Von Haufwerken in der Nähe der Flächen dürfen bei Regen keine Abflüsse mit Feinstbestandteilen auf die Flächen gelangen. Für Arbeiten an Beeten oder Bepflanzungen in direkter Angrenzung an die wasserdurchlässigen Flächen gelten spezielle Anforderungen. So sollten diese bereits vor Einbau der Flächenbeläge fertiggestellt sein und in jedem Fall ist sicherzustellen, dass kein Wasser von diesen unbefestigten Flächen auf die Pflasterfläche abfließt (Erosionskontrolle). 4. Betriebliche Hinweise Eine dauerhafte Funktion wasserdurchlässiger Flächenbeläge ist nur bei einem ordnungsgemäßen Betrieb gewährleistet. Dieser Beinhaltet neben der Reinigung vor allem die Regenerierung der Versickerungsfähigkeit und die richtige Wahl der abstumpfenden Mittel oder Tausalze im Winterdienst. 4.1 Verblockung und Regenerierung Eine zentrale Frage stellt das Thema Dauerhaftigkeit dar. Das System funktioniert nur dann langfristig, wenn die Versickerungsfähigkeit dauerhaft, das heißt über den gesamten Nutzungszeitraum der Flächen zwischen 30 und 40 Jahren aufrechterhalten werden kann. Wie alle wassertechnischen Anlagen bedeutet dies im Betrieb regelmäßige Wartungsbzw. Reinigungsmaßnahmen. Diese sind allerdings im Vergleich mit anderen Anlagen der Regenwasserbewirtschaftung als gering einzustufen. Ergebnisse von Forschungsprojekten zeigen, dass bei qualifiziert eingebauten wasserdurchlässigen Pflasterbelägen die Durchlässigkeiten auch nach mehreren Jahren im Betrieb in den allermeisten Fällen ausreichend hoch sind, das heißt gemäß MVV mindestens 270 l/ (s·ha) betragen. Eine entsprechende Untersuchung von Nolting [24] zeigte, dass von 23 untersuchten Belägen mit einem Alter zwischen 4 und 7 Jahren 21 noch ausreichende Durchlässigkeiten aufwiesen. Zu ähnlichen Erkenntnissen kam der Autor nach Messungen an verschiedenen Flächenbelägen im Alter zwischen 3 und 15 Jahren. Boogaard et al. [25] gingen der Frage nach, wie hoch die Versickerungsrate bei alten Belägen ist, die nicht entsprechend den Vorgaben geprüft und gereinigt worden waren. Die Ergebnisse sprechen für die Bauweise. Die mittleren 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 187 Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? - Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis Durchlässigkeiten von solchen Flächenbelägen lagen in der Regel bei etwa 100 l/ (s·ha) oder höher [25]. Die geforderten 270 l/ (s·ha) wurden zwar nicht überall erreicht, allerdings konnten selbst diese Flächenbeläge eine Wassermenge entsprechend der Misch- oder Trennkanalisation aufnehmen. Um eine ausreichende Wasserdurchlässigkeit dauerhaft zu gewährleisten, sollten gemäß Anforderungen des Deutschen Instituts für Bautechnik Messungen der Durchlässigkeit alle zehn Jahre erfolgen. Aufgrund der Ergebnisse dieser Messungen kann dann entschieden werden, ob eine Reinigung erfolgen muss, was bei Werten unter 270 l/ (s·ha) erforderlich wäre. Die Reinigung erfolgt mit einem Spül-/ Saugverfahren, welches mittlerweile von einigen Unternehmen angeboten wird. Es existieren sowohl Maschinen mit Handbetrieb für Flächen kleiner als 500 m 2 als auch Maschinen für die Reinigung von Großflächen. 4.2 Winterdienst Betriebliche Hinweise werden im MVV gegeben, da das DWA-A 138-1 den Einsatz wasserdurchlässiger Beläge nicht explizit berücksichtigt. Hier ist aus wasserwirtschaftlicher Sicht vor allem der Einsatz von Tausalzen im Winterdienst zu nennen, da diese die Beschaffenheit der Grundwasserleiter beeinträchtigen. Laut MVV sollen das „Merkblatt für den Winterdienst auf Straßen“ sowie die TL-Streu beachtet werden. Auftaumittel sollen bei versickerungsfähigen Befestigungen von Verkehrsflächen nicht verwendet werden. Bei gefügedichten Pflasterflächen soll z. B. mit Split 2/ 5 mm gestreut werden. Hier soll ergänzt werden, dass es zu den gängigen Auftaumitteln auf Basis von NaCl, MgCl oder CaCl auch Alternativen gibt, die weder korrosiv für Beton noch kritisch für das Grundwasser sind. Verkehrsflughäfen z. B. verwenden zur Enteisung ihrer Pisten organische Salze. Diese verursachen keine Korrosion und wirken auch bei niedrigen Temperaturen. Sie belasten den Boden und das Grundwasser wesentlich geringer als herkömmliches Streusalz und sind daher eine Alternative, falls Salze verwendet werden müssen [26]. Das DWA-A 138 schreibt dazu, dass Chlorid aus dem Winterdienst in keiner Behandlungsanlage zurückgehalten werden kann, eine Konzentrationsminderung erfolgt nur über die Verdünnung im Grundwasser. Eine direkte Vorgabe für den Winterdienst gibt es nicht, ein Einsatz von Tausalzen wird nicht ausgeschlossen. 5. Wasserhaushalt und Verdunstung Die neueste Generation wasserdurchlässiger Beläge hat zusätzliche zu der Versickerungsleistung auch höhere Verdunstungsraten, um den Wasserhaushalt auf Verkehrsflächen ins Gleichgewicht zu bringen und aktiv der Überhitzung der urbanen Räume entgegenzuwirken. Daher lassen sie sich ideal in das Schwammstadtprinzip integrieren. 5.1 Untersuchtes Pflastersystem Ein Pflasterstein mit einem dreischichtigen Auf bau wurde über mehrere Jahre auf den Wasserhaushalt untersucht (Abb. 7). Die wasserundurchlässige Vorsatzschicht des dreischichtigen Pflastersteins reflektiert Wärmeeinstrahlung und reduziert Lärmemissionen. Über die Fugen gelangt das Regenwasser gefiltert in einen haufwerksporigen Beton. Dieser Kernbereich dient als Speicherschicht. Dank seiner offenporigen Gestaltung kann er wie ein Schwamm Regenwasser aufnehmen und wieder abgeben. Die feinporige untere dritte Schicht ist als Kapillar-Schicht weniger durchlässig, speichert dadurch mehr Feuchtigkeit und hält das Wasser im Stein, so dass mehr Feuchtigkeit an die Luft abgegeben werden kann. Der Versickerungs- und Verdunstungsprozess verläuft über eine mindestens 5 mm breite Fuge bei einem flächenbezogenen Fugenanteil von 5 bis 10 %. 5.2 Lysimeteranlage Lysimeter haben das Ziel, den Wasserhaushalt von Versuchsflächen oder -auf bauten zu ermitteln. Dazu können Sickerwasserabflüsse und Oberflächenabflüsse gemessen werden und über längere Zeiträume die Verdunstung berechnet werden. In der Regel bestehen die Lysimeter aus abgeschlossenen Versuchswannen. Um möglichst geringe Randeinflüsse zu haben, sollte die Seitenflächen der Lysimeter nicht von der Sonne beschienen werden, also sollte die Konstruktion am besten in den Boden eingebaut werden. Abb. 7: Auf bau des dreischichtigen Betonsteins (Quelle: Godelmann GmbH & Co. KG) In einer Lysimeteranlage in Fensterbach wurden Testflächen eingebaut, auf denen Messungen des Oberflächen- und Sickerwasserabflusses durchgeführt wurden. Um den langfristigen Wasserhaushalt des Pflastersystems zu messen, wurden Lysimeter gemäß Abb. 8 gebaut. Hierzu wurden im Bereich der Tragschicht eine Wanne aus Edelstahl mit einem Metallrost aus verzinktem Stahl eingebaut. Die Abmessung der Auffangwanne beträgt 1000-mm x 1000-mm. Auf den Gitterrost wurde eine Edelstahlgaze mit einer Maschenweite von 63 µm verlegt, damit die Feinanteile der Bettung nicht ausgewaschen werden. 188 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? - Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis Abb. 8: Auf bau eines Lysimeters Auf diese Gaze folgte der Auf bau einer 4 cm mächtigen Bettungslage aus einem Split der Kornabstufung 2/ 5. Aus der Wanne verläuft eine Rohrleitung DN 40 aus PVC in einen Messschacht DN 400 aus Polypropylen, der ebenerdig eingegraben wurde (Abb. 9). Oberflächig ablaufendes Wasser wird an einer Seite über eine Ablaufrinne aufgefangen und ebenfalls über eine Rohrleitung DN 40 in den Messschacht geführt. Die Testfläche weist ein Gefälle von 1 % in Richtung der Ablaufrinne auf. Seitlich sind Edelstahl-Leitbleche angefügt, damit auch bei einem Aufstau kein Wasser seitlich abfließen kann. In dem Messschacht wurden Kippzähler eingebaut. Dabei handelt es sich um modifizierte Regenmesser, bei denen das Wasser über einen Trichter auf eine Kippwaage geleitet wird. Abb. 9: Einbau der Lysimeterwanne und des Messschachtes Außerdem wurde ein Regenmesser mit Datenlogger im Bereich des Messfeldes aufgebaut, um auch die Niederschläge aufzuzeichnen. 5.3 Ergebnisse der durchgeführten Messungen Im Folgenden sind die Ergebnisse über drei hydrologische Jahre von November 2021 bis Oktober 2024 erläutert. Aus den Messwerten des Niederschlages und des Sickerwassers des Flächenbelage wurden zunächst Tagesdaten berechnet, da für die jährliche Verdunstungsrate keine hochaufgelösten Daten der Regenereignisse notwendig sind. Die Jahres-Verdunstung wurde als die Differenz zwischen Niederschlag und Sickerwasserabfluss zuzüglich Oberflächenabfluss berechnet. Abb. 10 zeigt exemplarisch die Monatssummen des Niederschlages und des Sickerwassers des hydrologischen Jahres 2024. Es ist zu erkennen, dass der Sickerwasseranteil im Winter deutlich höher ist als im Sommer. Der November, der Mai und der September zeigten jeweils mehr als 100 mm Niederschlag. Trockenster Monat war der März mit etwa 20 mm Niederschlag. Tab. 2 enthält die Jahreswerte der drei Messjahre 2022 bis 2024. 2023 war das trockenste Jahr mit 578 mm Niederschlag während 2024 das nasseste Jahr mit 797 mm Niederschlag war. Die Verdunstung betrug 2022 48,4 %, 2023 48,8 % und 2024 51,5 %, also im Mittel über die drei Messjahre etwa 50 %. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 189 Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? - Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis Abb. 10: Monatswerte von Niederschlag und Sickerwasser des Jahres 2024 Tab. 2: Berechnung der Jahresverdunstung für die hydrologischen Jahre 2022 bis 2024 Hydro-logisches Jahr Niederschlag [mm] Sicker-wasser [mm] Verdunstung [%] 2022 644 332 48,4 2023 578 296 48,8 2024 797 367 51,5 6. Fazit Wasserdurchlässige Flächenbeläge müssen im Rahmen der blau-grünen Stadtentwicklung, auch als Schwammstadtprinzip bezeichnet, stärkere Anwendung finden, da die zunehmende Versiegelung im Kontext der häufiger auftretenden Starkregenereignisse kritisch zu bewerten ist. Blau-grün sollte mit einem ökologischen korrekten Grau kombiniert werden, damit auch die Verkehrsflächen ihren Beitrag zur wasser-wirtschaftlichen Transformation der urbanen Räume leisten können. Wasserdurchlässige Pflasterbeläge entsprechen allen geltenden Regelwerken in Deutschland, mit einer allgemeinen bauaufsichtlichen Genehmigung des Deutschen Instituts für Bautechnik behandeln sie das Regenwasser zum Schutz des Grundwassers und ihre Versickerungsfähigkeit kann auch nach mehreren Betriebsjahren wieder hergestellt werden, so dass sie über die gesamte Standzeit funktionieren. Durch ihre hohe Infiltrationsrate wirken sie Überflutungen bei Starkregen entgegen und kühlen über ihre Verdunstungsleistung das urbane Mikroklima. Ein idealer und wichtiger Baustein für die lebenswerte Stadt der Zukunft. Literatur [1] Neunteufel, B., König, A., Muschalla, D. (2023): Dezentrale Niederschlagswasserbewirtschaftung - Begriffe, Definitionen und Regelwerk.-Österr. Wasser- und Abfallwirtschaft September 2023, https: / / doi.org/ 10.1007/ s00506-023-00990-w [2] Landesbetrieb IT.NRW (2024): Sieben Prozent der NRW-Landesfläche sind Flächen für Verkehr.- [online] https: / / www.it.nrw/ sieben-prozent-der-nrwlandesflaeche-sind-flaechen-fuer-verkehr-18075, abgerufen am 20.07.2024 [3] DWA (2022): Merkblatt DWA-M 102-4/ BWK-M 3-4 - Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer - Teil 4: Wasserhaushaltsbilanz für die Bewirtschaftung des Niederschlagswassers - März 2022.- Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Hennef. [4] Dierkes, C. Lucke, T., Hulsman, H., Vergroesen, T. (2016): Permeable pavements as effective method to restore the urban water balance.- Conference Paper, 4th IAHR Europe Congress, 27-29 July, Liege, Belgium. [5] FGSV (2013): MVV: Merkblatt für Versickerungsfähige Verkehrsflächen.- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln. [6] FGSV (2005): RAS-Ew: Richtlinien für die Anlage von Straßen - Teil: Entwässerung.- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln. [7] FGSV (2022): Richtlinien für die Entwässerung von Straßen.- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln. [8] DWA (2020): DWA-A 138-1 - Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser - Teil 1: Planung, Bau, Betrieb - Entwurf November 2020.- Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Hennef. [9] DWA (2007): DWA-M 153, Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Regenwasser, August 2007.- Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Hennef. [10] DWA (2020): DWA-A 102-2/ BWK-A 3-2 - Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer - Teil 2: Emissionsbezogene Bewertungen und Regelungen - Dezember 2020.- Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Hennef. [11] WHG (2009): Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushaltes, Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I Seite 2585), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2020 (BGBl. I Seite 1408) geändert worden ist. 190 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Was können Verkehrsflächen für die Schwammstadt leisten? - Die wasserdurchlässige Pflasterbauweise in Theorie und Praxis [12] Deutsches Institut für Bautechnik (2005): Zulassungsgrundsätzen für Niederschlagswasserbehandlungsanlagen Teil 2 für Abwasser behandelnde Flächenbeläge.- DIBt Berlin, unveröffentlicht. [13] KOSTRA-DWD-2020 (2020): Starkniederschlagshöhen für Deutschland. Deutscher Wetterdienst, Offenbach; abrufbar z. B. über www.openko.de [14] DIN 1986-100 (2016): Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke - Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056, Ausgabe 2016-12, Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin. [15] FGSV (2016): RiStWag: Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wassergewinnungsgebieten.- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln. [16] FGSV (2024): RStO 12/ 24: Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen; ; Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. [17] FGSV (2017): ZTVE-StB 17: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau; Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. [18] FGSV (2020): TL SoB-StB 20: Technische Lieferbedingungen für Baustoffgemische zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau; Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. [19] DIN 18130-2: 2015-08: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben - Bestimmung des Wasserdurchlässigkeitsbeiwerts - Teil 2: Feldversuche. [20] FGSV (2023): TL Gestein-StB 04/ 23: Technische Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau.- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. [21] DIN EN 1097-2: 2020-06: Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen - Teil 2: Verfahren zur Bestimmung des Widerstandes gegen Zertrümmerung; Deutsche Fassung EN 1097-2: 2020. [22] DIN EN 1338: 2003-08, DIN EN 1338 Berichtigung. 1: 2006-11: Pflastersteine aus Beton - Anforderungen und Prüfverfahren. [23] DIN 18507-1: 2024-06: Pflastersteine aus haufwerksporigem Beton - Teil 1: Begriffe, Anforderungen und Prüfungen. [24] Nolting, B. (2006): Langzeitverhalten wasserdurchlässiger Flächenbeläge.- 7. Kölner Kanal Kolloquium 06. und 07. September 2006 im Maternushaus, Köln. Hrsg.: TH Aachen, Institut für Siedlungswasserwirtschaft -ISA- Aachen: 2006. S.11/ 1-11/ 15. [25] Boogaard, F., Lucke, T., Beecham, S. (2014): Effect of Age of Permeable Pavements on Their Infiltration Function.- CLEAN - Soil, Air, Water, Special Issue: Surface Water Management Using Sustainable Drainage - SUDS, Volume 42, Issue 2, pages 146-152. [26] Deml, K. (2012): Von der Landebahn auf die Quartierstraße? .kommunalmagazin.ch, Nr. 4 August/ September 2012.
