eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
0217
2025
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Versickerungsfähige Pflasterbauweise

0217
2025
Alexander Eichler
Im Vortrag „Versickerungsfähige Pflasterbauweise – Ein Schlüssel zur Ressourcenschonung im Straßenbau“ werden die technischen Hintergründe dieser Bauweise vor dem dringlichen Ziel des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung beleuchtet. Versickerungsfähige Flächenbefestigungen liefern dabei einen aktiven Beitrag zum Umgang mit der Ressource Regenwasser, greifen positiv in den Wasserhaushalt ein und haben über eine wassersensible Stadtgestaltung positive Auswirkungen auf das Kleinklima. In diesem Kontext wird auch der „graue“ Baustoff Beton durchleuchtet. Durch den Einsatz von CO2 optimierten Zementen, Ökostrom in der Herstellung sowie die Zugabe von Recyclingmaterialien tun sich ungeahnte Potentiale auf. Unser aller Ziel sollte das harmonische Miteinander von H2O in allen Formen der Siedlungswasserwirtschaft, Bepflanzungen und Flächenbefestigungen, als die Ausrichtung auf eine „blau, grün und graue Infrastruktur“ sein. Die Idee dieser ineinandergreifenden und abgestimmten Infrastruktur kann im Zusammenspiel von Wasser und Pflanzen im urbanen Raum auch in Zeiten des Klimawandel weiterhin ein angenehmes Wohnen und Arbeiten in den Zentren unseres Lebens ermöglichen.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 191 Versickerungsfähige Pflasterbauweise Ein Schlüssel zur Ressourcenschonung im Straßenbau? Alexander Eichler, Technischer Betriebswirt Lithonplus GmbH & Co. KG, Elchingen Zusammenfassung Im Vortrag „Versickerungsfähige Pflasterbauweise - Ein Schlüssel zur Ressourcenschonung im Straßenbau“ werden die technischen Hintergründe dieser Bauweise vor dem dringlichen Ziel des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung beleuchtet. Versickerungsfähige Flächenbefestigungen liefern dabei einen aktiven Beitrag zum Umgang mit der Ressource Regenwasser, greifen positiv in den Wasserhaushalt ein und haben über eine wassersensible Stadtgestaltung positive Auswirkungen auf das Kleinklima. In diesem Kontext wird auch der „graue“ Baustoff Beton durchleuchtet. Durch den Einsatz von CO 2 optimierten Zementen, Ökostrom in der Herstellung sowie die Zugabe von Recyclingmaterialien tun sich ungeahnte Potentiale auf. Unser aller Ziel sollte das harmonische Miteinander von H 2 O in allen Formen der Siedlungswasserwirtschaft, Bepflanzungen und Flächenbefestigungen, als die Ausrichtung auf eine „blau, grün und graue Infrastruktur“ sein. Die Idee dieser ineinandergreifenden und abgestimmten Infrastruktur kann im Zusammenspiel von Wasser und Pflanzen im urbanen Raum auch in Zeiten des Klimawandel weiterhin ein angenehmes Wohnen und Arbeiten in den Zentren unseres Lebens ermöglichen. Versicherungsfähige Verkehrsflächen „Versicherungsfähige Verkehrsflächen“ dienen als alternative und ergänzende Entwässerungslösungen und können einen wichtigen Beitrag zur ökologischen Ausrichtung städtischen Flächenbefestigung leisten. Das Regelwerk schließt seinen Kreis mit dem Merkblatt „Versickerungsfähige Verkehrsflächen“ (MVV) hinsichtlich grundlegender Anforderungen an diese Bauweise. Als „Versickerungsfähige Verkehrsflächen“ werden Flächenbefestigungen bezeichnet, die zu einem gewissen Maß Niederschlagswasser ohne nennenswerten Rückhalt durchlassen und den natürlichen Wasserkreislauf nicht behindern. Dies können offenporigen Befestigungen mit Dränbeton oder Drainasphalt sein oder im Vortrag behandelten Pflasterflächen, welche zumeist mit durchlässigen Fugenfüllungen verlegt werden. Der Umweltaspekt muss auf die spätere Nutzung eingehen, so dass eine Gefährdung von Boden und Grundwasser kategorisch ausgeschlossen ist. Insbesondere dürfen keine Altlasten auf der zu bauenden Anlage vorhanden sein. Des Weiteren darf auf wasserdurchlässigen Flächenbefestigung kein Umgang mit wassergefährdenden Stoffen erfolgen. Eine weitere Voraussetzung sind geeignete Tragschichten. Hier können genauso klassische Tragschichten ohne Bindemittel wie offenporig gebundene Tragschichten zum Einsatz kommen. Zur Sicherung der Filterstabilität verweist das Merkblatt auf durch Geotextile. Spezielle Geokunststoffe, wie Aquatextilien, können Schadstoffe wie z. B. Kohlenwasserstoffe zurückhalten und abbauen. Die Durchlässigkeit der Schichten sollte auch bauseits durch einen Schnelltest überprüft werden. Exkurs - Schnelltest „Wasserdurchlässigkeit“ Der Schnelltest mit 2 l Wasser dient der einfachen, qualitativen Abschätzung der Wasserdurchlässigkeit von Tragschichten und gibt Hinweise zur Durchlässigkeit von versickerungsfähigen Schichten. Die ermittelte Ausflusszeit von 10 Minuten entspricht etwa einer Ausflussgeschwindigkeit von 5*10-5 m/ s. Wegen der vereinfachten Versuchsbedingungen kann das Ergebnis nicht einem Durchlässigkeitsbeiwert „kf“ gleichgesetzt werden. Pro 1000 m² zu überprüfende Fläche sollten drei Schnelltests durchgeführt werden. Bei inhomogenen Voraussetzungen sind die Anzahl der Prüfungen so festzulegen, dass eine Einschätzung der Durchlässigkeit der Gesamtfläche möglich ist. Durchführung des Schnelltests Ein Prüfring (z. B. KG-Rohr, Flanschrohr) mit 300-mm Durchmesser wird auf die abgedichtete Oberfläche der zu prüfenden Schicht gelegt. Die Abdichtung (Schnellzement oder Gips) ist erforderlich, um einen seitlichen Wasseraustritt zu vermeiden. Nachdem der Prüfring versetzt wurde, ist der Prüfbereich zu wässern. Dadurch wird die Schwankungsbreite der Versuche reduziert. In den Metallring werden dann 2 l Wasser als Prüfflüssigkeit zügig, ohne Unterbrechung eingefüllt und mit der Stoppuhr die Zeit gemessen, bis die Prüfflüssigkeit vertikal versickert ist. Auswertung der Prüfung Das Ergebnis des Schnelltestes ist der Mittelwert der drei Einzelmessungen an einer Versuchsstelle. Die Bewertung einer Messstelle erfolgt nach folgender Tabelle. 192 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Versickerungsfähige Pflasterbauweise Tabelle 1 - Qualitative Abschätzung der Durchlässigkeit Abflusszeit Qualitative Abschätzung der Durchlässigkeit bis 6 Minuten ausreichend Die Versickerungsfähigkeit der geprüften Schicht kann als ausreichend betrachtet werden. Bei einer homogenen Oberflächenstruktur kann die Schicht angenommen werden. 6 bis 10 Minuten im Grenzbereich Die Versickerungsfähigkeit der geprüften Schicht muss fachkundig eingeschätzt werden. Hierzu können weitere Infiltrationsmessungen notwendig sein. > 10 Minuten nicht ausreichend Die Eignung der geprüften Schicht muss durch Infiltrationsmessungen nachgewiesen oder durch bauliche Maßnahmen verbessert werden. Beim Einsatz von „Versicherungsfähige Verkehrsflächen“ ist gemäß dem MVV immer eine zusätzliche Entwässerung vorzusehen. Dies kann eine Notentwässerung über ein Mulden-Rigolensystem oder eine nach REwS bemessene Entwässerungsmöglichkeit sein. Allerdings können bei der Bemessung der zusätzlichen Entwässerungseinrichtung die deutlich geringeren Abflussbeiwerte der versicherungsfähigen Beläge angesetzt werden. Im Merkblatt „Versickerungsfähige Verkehrsflächen“ wurde aufgrund der gesammelten Erfahrungen ein Abflussbeiwert π von 0,3 bis 0,5 angesetzt. Dieser Ansatz darf durch begründete gutachterliche Nachweise bis auf π-=-0,0 dauerhaft abgemindert werden. Planerisch sollte letzterer Wert auf die anzuwendende Situation reflektiert werden. Beispielsweise in Bereichen mit hoher Umgebungsbegrünung sollten aufgrund der Kolmation durchaus Abflussbeiwerte von 0,2 bis 0,3 in Erwägung gezogen werden. Bei versickerungsfähigen Pflasterdecken werden Fugenbreiten im Rahmen der DIN 18318 als Sickerfugen bezeichnet. Nach DIN 18318 werden die Fugenbreiten abhängig von der Steindicke gewählt. Bei Steindicken bis einschließlich 10 cm werden die Fugen mit 3 bis 5-mm ausgebildet, darüber hinaus mit 5 bis 8 mm Breite. Aufgeweitete Sickerfugen im Rahmen des Merkblattes überschreiten die Vorgaben der DIN 18318 und werden meist in einer Breite von 10 bis 30 mm ausgeführt. „Haufwerksporigen Betonsteinen“ werden in der DIN 18507 genormt und versickern auch über die durchlässige Steinstruktur. Derartige Betonsteine sind jedoch in der Regel nicht Frost- und Tausalzbeständig. Gemäß dem MVV müssen Versickerungsfähige Verkehrsflächen eine Regenspende von 270 l/ s x ha dauerhaft aufnehmen können. Diese Regenspende basiert auf dem Zeitbeiwertverfahren und nimmt einen 15-minütigen Regen von 120 l/ s x ha an. Der relativ „normale Regen“ wird mit einem Zeitbeiwert von 2,254 multipliziert, was einem 10-minütigen Regen mit einer 5-jährigen Auftrittswahrscheinlichkeit entspricht. Umgerechnet entspricht dies einer Niederschlagsmenge von etwa 97-mm und liegt bei einem Starkregenindex von sieben bis neun. Die Vorgaben des Merkblattes „Versickerungsfähige Verkehrsflächen“ zur Dimensionierung der Steindicke weichen von der RStO ab, da versickerungsfähige Verkehrsflächen hinsichtlich der Belastbarkeit ungleichwertig zu konventionellen Pflasterdecken nach ZTV-Pflaster sein können. Als Begründung kann angeführt werden, dass die für diese Bauweise geeigneten Fugen- und Bettungsmaterialien aufgrund des reduzierten Feinmaterialanteils nicht über eine gleichhohe Stützwirkung bei Horizontalkräften wie konventionelle Gemische aufweisen. Die Versickerungsfähige Bauweise ist im Regelfall für die Belastungsklasse BK 0,3 vorgesehen. Gemäß dem MVV können bei geringer Schadstoffbelastung auch höhere Belastungsklassen realisiert werden. Hier ist jedoch eine enge Abstimmung mit den Baugenehmigungsbehörden und den Wasserwirtschaftsämtern nötig. 08 cm Steindicke in Belastungsklasse Bk 0,3 (bis 0,1 Mio. äquivalenten 10-t-Achsübergänge) 10 cm Steindicke in Belastungsklasse Bk 0,3 > 12 cm Steindicke in höchster Belastung Versickerungsfähige Verkehrsflächen können auch gemäß der ZTV-Wegebau eingesetzt werden. So gelten die ZTV-Wegebau für ungebundene Flächen außerhalb des Straßenverkehrs. Ebenso werden versickerungsfähige Befestigungen und die begrünbare Bauweise berücksichtigt. In Abgrenzung zum FGSV-Regelwerk - insbesondere der RStO - gibt die ZTV-Wegebau einen eigenen Rahmen für die Belastbarkeit der Flächenbefestigungen vor. Nach der ZTV-Wegebau ist der Verkehr in Nutzungskategorien zu unterteilen. Nutzungskategorie N 1 - Begehbare, nicht mit Kfz befahrbare Flächenbefestigungen Nutzungskategorie N 2 - Befahrbare Flächenbefestigungen für Fahrzeuge bis 3,5-t zulässiges Gesamtgewicht. Nutzungskategorie N 3 - Wie Nutzungskategorie N-2, jedoch mit gelegentlichen Befahrungen mit Fahrzeugen bis 20 t zulässiges Gesamtgewicht. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 193 Versickerungsfähige Pflasterbauweise Begrünbare Beläge Die Steindicken sollten sich mit 8 cm oder 10 cm an der tatsächlichen Nutzung orientieren. Für begrünbare Beläge können Steindicken von 8 cm bis 12 cm abhängig von der Belastung gewählt werden. Für Feuerwehrzufahrten gilt gemäß der FLL „Richtlinie für Planung, Bau und Instandhaltung von begrünbaren Flächenbefestigungen“ eine Mindestdicke von 12 cm. Hinsichtlich der Dimensionierung ist es besonders wichtig zwischen Pflastersteinen und Rasengitterplatten (etc.) zu unterscheiden. Aufgrund der reduzierten Betonquerschnitte sind Rasengitterplatten nur für geringere Belastungen einzusetzen. Abhängig von der Bauteildicken liegt der Einsatzbereich der Rasengitterplatten von 2 t bis 7,5 t zul. Gesamtgewicht. Rasengitterplatten sollten nur für Stellflächen und ruhenden Verkehr eingesetzt werden. Rasenfugensteine sind im Einsatzbereich deutlich höher belastbarer. Können Rasengitterplatten in Feuerwehrzufahrten eingesetzt werden? Rasengitterplatten (etc.) haben den unbestreitbaren Vorteil Flächenbefestigungen sehr stark zu entsiegeln und sich über den hohen Grünanteil unauffällig in die Gestaltung der Außenanlage zu integrieren. Feuerwehrzufahrten müssen gleichzeitig in Notfällen die Befahrbarkeit sicherstellen. Für eine Notfallbefahrung sind Rasengittersteine trotz der Überschreitung des zul. Gesamtgewichts geeignet. Sollte das zulässige Gesamtgewicht im Einsatzfall überschritten werden, könnten abhängig vom Unterbau zwar einzelne Platten an den Sollbruchstellen brechen. Dies würde aber weder die Befahrbarkeit noch die Optik der Rasengittersteine wesentlich beeinträchtigen. Im Rückblick auf die RStO 01 (mittlerweile durch RStO 12 ersetzt und nicht mehr aufgeführt) konnten Rasengittersteine eingesetzt werden. So stand dort im Kapitel 5.5 Feuerwehrwege: „Feuerwehrwege können mit Bauweisen der Bauklasse-VI, mit Pflasterrasendecken und Rasengittersteindecken oder mit Einfachbauweisen entsprechender Tragfähigkeit befestigt werden.“. Gleichermaßen sollte nach der FLL „Richtlinie für Planung, Bau und Instandhaltung von begrünbaren Flächenbefestigungen“ auch bei Rasengitterelementen aus Beton eine Mindestdicke von 12 cm vorgesehen werden.