eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
0217
2025
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Kaltrecycling auf der BAB A555 als Ersatz für Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht

0217
2025
Bastian Wacker
Ivan Isailović
Mehdi Kalantari
Dirk Jansen
Stephan Ehlers
Hans-Werner Seul
In wahrscheinlich allen Bereichen der Gesellschaft ist das Thema Nachhaltigkeit angekommen und wird mit verschiedenen Möglichkeiten und Aktivitäten bedient. Im Bereich des Straßenbaus wird der ausgebaute Asphalt bereits sehr gut in den einzelnen Asphaltschichten wiederverwendet. Wertvolle Ressourcen werden somit gespart. Mit der Technologie des Kaltrecyclings ist es möglich, zum einen große Mengen (bis zu 100 %) wiederzuverwenden sowie zum anderen energieärmer und mit kurzen Transportwegen zu produzieren. Entweder wird das ausgebaute Material unmittelbar nach dem Ausbau aufbereitet und wieder eingebaut (In-situ) oder z. B. auf einem nahegelegenen Parkplatz zwischengelagert und dort mit einer mobilen Kaltrecyclingmischanlage (KMA) zusammen mit Schaumbitumen und Zement aufbereitet (In-plant). Auf der BAB A 555 südlich von Köln haben sich Auftragnehmer und Auftraggeber bei einer Seitenstreifenertüchtigung auf die In-Plant Lösung verständigt. Der Schwerverkehr wird für die Dauer der Baumaßnahme (ca. 2 Jahre) auf den Seitenstreifen umgelegt. Bei diesem Pilotprojekt musste das Ausgangsmaterial von einer anderen Maßnahme verwendet werden, weil es (Bestand aus Beton) nicht geeignet war. Das Projektteam (STRABAG AG, TPA GmbH, Wirtgen Group) hat Ende Mai 2023 anstelle der Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht ein Bitumenstabilisiertes Material (BSM) in zwei Lagen (16 cm und 10 cm) eingebaut und mit einer Asphaltdeckschicht aus Splittmastixasphalt (SMA 11 S, 4 cm) überbaut (resultierende Belastungsklasse Bk100). Vor der Verkehrsfreigabe wurden zerstörungsfreie Prüfungen (Tragfähigkeitsmessungen mit dem Falling Weight Deflectometer (FWD) und Traffic Speed Deflectometer (TSD) sowie Georadarmessungen) durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) durchgeführt. Diese werden während der Zeit der baustellenbedingten Verkehrsumlegung auf den Seitenstreifen regelmäßig wiederholt. Im Rahmen der gemeinsamen Projektarbeit zwischen der Autobahn GmbH (NL Rheinland, Zentrale), der STRABAG AG, der TPA GmbH und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) werden die gewonnenen Daten ausgewertet, analysiert und gemeinsam veröffentlicht. Parallel werden weitere Streckenabschnitte gesucht, bei denen zusätzliche Erfahrungen gesammelt werden sollen.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 215 Kaltrecycling auf der BAB A555 als Ersatz für Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht Ressourcenschonung durch hohe Recyclingquote Dr. Bastian Wacker Die Autobahn GmbH des Bundes, Berlin Dr. Ivan Isailović TPA GmbH, Köln Dr. Mehdi Kalantari Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach Dr. Dirk Jansen Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach Stephan Ehlers STRABAG AG, Lemgo Hans-Werner Seul Die Autobahn GmbH des Bundes - NL Rheinland, Euskirchen Zusammenfassung In wahrscheinlich allen Bereichen der Gesellschaft ist das Thema Nachhaltigkeit angekommen und wird mit verschiedenen Möglichkeiten und Aktivitäten bedient. Im Bereich des Straßenbaus wird der ausgebaute Asphalt bereits sehr gut in den einzelnen Asphaltschichten wiederverwendet. Wertvolle Ressourcen werden somit gespart. Mit der Technologie des Kaltrecyclings ist es möglich, zum einen große Mengen (bis zu 100 %) wiederzuverwenden sowie zum anderen energieärmer und mit kurzen Transportwegen zu produzieren. Entweder wird das ausgebaute Material unmittelbar nach dem Ausbau auf bereitet und wieder eingebaut (In-situ) oder z.-B. auf einem nahegelegenen Parkplatz zwischengelagert und dort mit einer mobilen Kaltrecyclingmischanlage (KMA) zusammen mit Schaumbitumen und Zement auf bereitet (In-plant). Auf der BAB-A-555 südlich von Köln haben sich Auftragnehmer und Auftraggeber bei einer Seitenstreifenertüchtigung auf die In-Plant Lösung verständigt. Der Schwerverkehr wird für die Dauer der Baumaßnahme (ca. 2-Jahre) auf den Seitenstreifen umgelegt. Bei diesem Pilotprojekt musste das Ausgangsmaterial von einer anderen Maßnahme verwendet werden, weil es (Bestand aus Beton) nicht geeignet war. Das Projektteam (STRABAG-AG, TPA-GmbH, Wirtgen Group) hat Ende Mai 2023 anstelle der Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht ein Bitumenstabilisiertes Material (BSM) in zwei Lagen (16-cm und 10-cm) eingebaut und mit einer Asphaltdeckschicht aus Splittmastixasphalt (SMA-11-S, 4 cm) überbaut (resultierende Belastungsklasse Bk100). Vor der Verkehrsfreigabe wurden zerstörungsfreie Prüfungen (Tragfähigkeitsmessungen mit dem Falling Weight Deflectometer (FWD) und Traffic Speed Deflectometer (TSD) sowie Georadarmessungen) durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) durchgeführt. Diese werden während der Zeit der baustellenbedingten Verkehrsumlegung auf den Seitenstreifen regelmäßig wiederholt. Im Rahmen der gemeinsamen Projektarbeit zwischen der Autobahn-GmbH (NL-Rheinland, Zentrale), der STRABAG-AG, der TPA-GmbH und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) werden die gewonnenen Daten ausgewertet, analysiert und gemeinsam veröffentlicht. Parallel werden weitere Streckenabschnitte gesucht, bei denen zusätzliche Erfahrungen gesammelt werden sollen. 1. Einführung Vorhandene Ressourcen sinnvoll und dauerhaft zu nutzen ist Bestandteil jeder Überlegung, auch im Straßenbau hat sich dies schon seit Jahrzehnten etabliert und wird stetig verbessert. Das bedeutet, dass das Material, welches bei Erhaltungsmaßnahmen ausgebaut wird, im besten Fall auch in derselben Maßnahme und im gleichen Einsatzbereich (Einbauschicht) eingebaut wird. Dies ist für die Auftraggeber in verschiedenen Bereichen relevant aber auch für die Auftragnehmer ergeben sich positive Möglichkeiten, weil Prozesse optimiert und Materialtransporte reduziert werden können. Durch eine Verwendung direkt innerhalb der Maßnahme können so Umweltbelastungen und der Abbau von neuen Materialien reduziert werden. 216 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Kaltrecycling auf der BAB A555 als Ersatz für Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht Neben der Verarbeitung des Materials in einer nahegelegenen Mischanlage, kann das Material auch durch Kaltrecyclingmaßnahmen (In-Situ, In-Plant) auf bereitet und anschließend eingebaut werden. In den letzten Jahrzehnten wurden vor allem International Erfahrungen aufgebaut und angewendet, aber auch in Deutschland gab es Anwendungen und wissenschaftliche Begleitungen [1]. Auch bei der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV) wird das Thema durch verschiedene Arbeitskreise bearbeitet. Die internationalen und nationalen Weiterentwicklungen [2] zeigen weitere Einsatzbereiche als „nur“ den Einsatz in Fundationsschichten und somit auch bei höherwertigen Einsatzbereichen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) konnte auf dem Demonstrations-, Untersuchungs- und Referenzareal der BASt (duraBASt) eine Teststrecke anlegen und im Rahmen von zeitraffenden Belastungsversuchen sowie zerstörungsfreien, aber auch zerstörenden Prüfverfahren untersuchen. Diese Teststrecke wurde so angelegt, dass anstelle der Asphalttragschicht eine Schicht mit Bitumen-Stabilisierten-Material (BSM) in Kombination einer Deckschicht aus Splittmastixmaterial eingebaut wurde. Parallel wurde ein Testabschnitt nach den Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaues von Verkehrsflächen (RStO) eingebaut der dieselbe Belastung aufnehmen sollte. Im Rahmen des Projektes konnte durch zwei unterschiedliche Qualitäten des Kaltrecyclingmaterials ein Vergleich zum RStO-Auf bau erzielt werden. Dadurch wurde deutlich, dass ein guter Straßenauf bau mit Kaltrecycling mindestens die gleichen Belastungen aufnehmen kann wie der Standardauf bau [3]. Im Rahmen der Projektvorbereitung auf der BAB-A-555 südlich von Köln haben der Auftragnehmer und der Auftraggeber eine Testanwendung der Kaltrecyclingmethode im Rahmen einer Seitenstreifenertüchtigung abgestimmt. Ziel war es Erfahrungswerte bei der konkreten Projektvorbereitung (z.-B. Materialauswahl, Rezeptur, Einbaumethode) und Projektdurchführung (z.- B. Maschinenanforderungen, Materialverhalten, Baustellenablauf) zu gewinnen. Für die Nutzungszeit von 2-Jahren wurde nach Abschluss der Bauphase ein Monitoringprogramm zusammen mit der BASt abgestimmt und unmittelbar vor der Verkehrsfreigabe gestartet. 2. Rahmenbedingungen Für die Anwendung der Kaltrecycling Bauweise sind verschiedene Rahmenbedingungen zu beschreiben und festzulegen. In diesem Projekt wurden die aktuellen Vorgaben zur Anwendung der Kaltrecyclingbauweise mit Schaumbitumen angewendet und die Technologie wird als Bitumen-Stabilisiertes Material (BSM) bezeichnet. 2.1 Kaltrecycling Technologie - BSM Um Gesteinskörnungen zu einem gebundenen Baustoff zu verarbeiten, wird entweder ein chemisch wirkendes Bindemittel (z.-B. Zement) oder ein durch Erhitzung in der Viskosität reduziertes Bitumen eingesetzt. Zement reagiert mit Wasser zu starren mineralischen Strukturen, welches in einem elastischen Baustoff mit hoher Festigkeit resultiert. Bei Temperaturen über 140-°C wird Bitumen mit Gesteinskörnungen vermischt. Nach Abkühlung bleiben die viskosen Bindemitteleigenschaften erhalten, wodurch Asphalt mit viskoelastischen Bindungseigenschaften resultiert. In beiden Fällen und bei entsprechend hohen Bindemittelgehalten resultieren vollständig gebundene Baustoffe. Während der bitumengebundene Asphalt Zwangsspannungen durch Relaxation abbauen kann, müssen in zement-gebundenen Schichten Fugen oder Kerben angeordnet werden, um wilde Rissbildung zu vermeiden. Ziel der Kaltrecycling-Bauweise ist es, bei Umgebungstemperatur die flexible, viskoelastische Tragfähigkeit einer Asphaltschicht zu erhalten, ohne dass der Baustoff bei der Herstellung erhitzt werden muss. Um dennoch flexible, viskoelastische Bindungen zu erreichen kann das Bitumen entweder in Form von Bitumenemulsion oder als Schaumbitumen in das Mischgranulat eingemischt werden, zusätzlich wird auch eine geringe Menge an Zement hinzugegeben. Das endgültige Produkt wird als Bitumen- Stabilisiertes-Material (BSM) bezeichnet und wird nicht nur in der Fundationsschicht, sondern kann auch als Ersatz von anderen Schichten eingesetzt. Das endgültige Material ähnelt eher einem ungebundenen Material, bei dem die Übertragung der Kräfte durch Verzahnung erfolgt. Die internationalen Erfahrungen wurden schon auf der duraBASt im Rahmen eines Forschungsprojektes untersucht [3]. In dem folgenden Schritt soll ein reales Bauvorhaben verwendet werden, um über eine längere Zeit reale Beanspruchungen aus Verkehrsbelastung und Klimaeinflüssen analysiert zu können. 2.2 Projektstandort BAB A555 und Messsysteme zur Bewertung und Monitoring Die BAB-A-555 gilt als die älteste Autobahn Deutschlands und wurde im Jahr 1932 eröffnet. Durch die direkte Verbindung der Städte Köln und Bonn gilt die Strecke in der Region als eine sehr wichtige Verbindung. Seit 2022 wird auf der Strecke eine grundhafte Erneuerung durchgeführt und schrittweise auch der Lärmschutz durch bauliche Maßnahmen verbessert. Im Rahmen der grundhaften Erneuerung ist es erforderlich für den fließenden Verkehr die Seitenstreifen zu ertüchtigen, um die Anzahl der Fahrspuren, auch während der Bauphase, aufrecht erhalten zu können. Im Rahmen der Vorbereitung eines weiteren Bauloses konnte somit zwischen der bauausführenden Firma und der Autobahn GmbH ein Konzept entwickelt werden, bei der die Kaltrecyclingbauweise für die Seitenstreifenertüchtigung zum Einsatz kommen konnte. Aufgrund der Tatsache, dass der Seitenstreifen mit einer Betonfahrbahndecke hergestellt wurde, konnte das Material nicht für das Kaltrecycling In-situ verwendet werden und musste von der Maßnahme abtransportiert werden. Die ausgewählte Streckenlänge für die Kaltrecyclingbauweise umfasst 500 m und soll für die temporäre 4+0 Verkehrsführung von 2 Jahren als Hauptfahrstreifen in Fahrtrichtung Norden genutzt werden. Der Streckenab- 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 217 Kaltrecycling auf der BAB A555 als Ersatz für Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht schnitt liegt nördlich von Wesseling und reicht bis zur Stadtgrenze von Köln. 3. Baustellenbericht Die Erstellung der Eignungsprüfung für das BSM sowie die Qualitätsüberwachung während des Einbaues wurden von der STRABAG-AG eigenen Gesellschaft für Qualitätssicherung und Innovation (TPA-GmbH) durchgeführt. Die umfassende BSM-Konzeption erfolgte in Anlehnung an das südafrikanische technische Regelwerk TG2 [4] sowie in Anlehnung an das Laborhandbuch für BSM-Kaltrecycling von Wirtgen [5]. Ein Flowchart zur Vorgehensweise im Rahmen der Eignungsprüfung ist in Abb.-1 dargestellt. Abb. 1: Flowchart für die BSM-Konzeption [5] Anhand von Laboruntersuchungen (Korngrößenverteilung, Aktivität des Asphaltgranulats, Proctorversuch, Spaltzugfestigkeit vor und nach Wasserlagerung, Triaxialversuch) wurde eine optimale Zusammensetzung von dem BSM mit 75-M.-% Asphaltgranulat und 25-M.-% frischer Gesteinskörnung der Lieferkörnung 0/ 5 erarbeitet. Die Zugabe von 2,0-M.-% Schaumbitumen und 1,0-M.-% Zement führten zu einer höchst-qualitativen BSM-Zusammensetzung BSM1 gemäß TG2 [4], mit den Spaltzugfestigkeiten von über 470-kPa. Die BSM-Herstellung erfolgte am Standort der Deutschen Asphalt GmbH in Langenfeld mittels einer mobilen Kaltmischanlage KMA240i (siehe Abb. 2). Aufgrund der ungebundenen Beschaffenheit des BSM ist ein sofortiger Einbau nicht notwendig. Daher konnte das Material bereits am Vortag vorgemischt und auf einer Halde, vor Witterungseinflüssen geschützt, abgelegt werden. Abb. 2: mobile Kaltmischanlage KMA240i für die BSM-Herstellung in Langenfeld (Deutsche Asphalt GmbH) Der Einbau vom BSM erfolgte auf einer im Vorfeld vorbereiteten Zementverfestigung nach TL- Beton-StB- 07 [6]. Der zweilagige Einbau hat über zwei Tage verteilt im Mai-2023, in einer Gesamtdicke von 26-cm (16-cm-+ 10-cm), stattgefunden. Im Vergleich zur konventionellen Bauweise mit Asphalt konnte hier auf den Transport mit den Thermomulden sowie auf eine Beheizung der Fertigerbohle verzichtet werden. Außerdem stand aufgrund der überwiegend ungebundenen Eigenschaften des BSM mehr Zeit für den Einbau zur Verfügung. Damit dem BSM die Feuchtigkeit durch den Unterbau nicht entzogen wird, wurde die Verfestigung im Vorfeld leicht bewässert. Auch hinter dem Fertiger wurde die Oberfläche des BSM befeuchtet, um die Verarbeitbarkeit des BSM positiv zu beeinflussen und zu verlängern. Dies soll wetterabhängig und erfahrungsbasiert erfolgen. Der BSM-Einbau erfolgte mit dem Standardfertiger Vögele S1900-3i in drei Metern Breite (siehe Abb. 3). Dabei wurde die Bohle auf einen hohen Entlastungsdruck (ca.- 10-15- bar) und einem Tamperhub von 8- mm gefahren. Dadurch konnte eine hohe Vorverdichtung von ca.- 80- % unmittelbar hinter der Einbaubohle erreicht werden [7]. Die optimale Hauptverdichtung auf ganzer Fläche wurde mittels der 13-t schweren Walze vom Typ Hamm HD+140iVV (13- t) erreicht (siehe Abb. 4). Bei der zweiten BSM-Lage kam auch die Gummiradwalze HP280i (9,5-t) von Hamm zum Einsatz. Laut dem FDVK- System Smart Doc wurde nach ca. 7- Übergängen bereits die maximale Verdichtung erreicht. Die Glättung der BSM Oberfläche erfolgte mit einer leichten Walze Bomag BW120AD ohne Vibration. Am dritten Einbautag wurde die Asphaltdeckschicht SMA-11-S in 4-cm Dicke standardmäßig eingebaut. Zur Sicherstellung eines ausreichenden Schichtenverbundes zwischen Asphalt und BSM wurde im Vorfeld die obere BSM-Lage mit einer polymermodifizierten Emulsion PmB-C60BP4-S angespritzt. Abb. 3: Einbau von BSM (untere Lage) auf der Asphaltverfestigung mit dem Standard Fertiger Vögele S1900-3i 218 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Kaltrecycling auf der BAB A555 als Ersatz für Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht Abb. 4: Hauptverdichtung der oberen BSM-Lage mit der 13 t schweren Walze Typ Hamm HD+140iVV Die Qualitätssicherung der BSM-Herstellung sowie des Einbaues wurde kontinuierlich durchgeführt. Es wurden u.-a. folgende Untersuchungen berücksichtigt: - Probenahme und Bestimmung des Wassergehaltes, - Bestimmung der Spaltzugfestigkeit vor und nach Wasserlagerung, - Verdichtungsüberwachung mittels Troxlersonde und mittels Densitometers. Nach Fertigstellung der Straßenbefestigung wurden weiterhin Bohrkerne entnommen, die für weitere Untersuchungen herangezogen wurden. Anhand der Prüfergebnisse der Spaltzugfestigkeit lässt sich schließen, dass sowohl vor als auch nach der Wasserlagerung geringere Prüfwerte als in der Eignungsprüfung erreicht wurden (siehe Tab. 1). Dies wurde an den Probekörpern festgestellt, die im Labor aus dem entnommenen BSM-Mischgut hergestellt wurden. Jedoch liegen die Prüfwerte immer noch in einem akzeptablen Bereich gemäß dem TG2-Regelwerk. Hingegen weisen die Spaltzugfestigkeiten der an der gleichen Station entnommenen Bohrkerne (Station 6+550, Tab. 1) deutlich höhere Werte auf, welche fast auf dem Niveau der Eignungsprüfung liegen. Dies deutet vermutlich auf eine bessere Verdichtung in Situ als im Labor hin. Tab. 1: Prüfergebnisse der Spaltzugfestigkeit von BSM vor und nach Wasserlagerung Station BSM Lage ITS dry [kPa] ITS wet [kPa] im Labor hergestellte Probekörper Mischanlage - 410 302 6+700 unten 253 182 6+550 unten 246 160 6+400 unten 291 186 6+700 oben 227 137 6+550 oben 219 145 6+400 oben 215 132 aus den Bohrkernen gewonnene Probekörper 6+550 unten 424 335 oben 337 296 Die Ergebnisse der Bohrkernuntersuchung zeigen (mit Ausnahme von 2-Prüfstationen) die Erzielung eines ausreichenden Verdichtungsgrades von über 98-% für beide BSM-Lagen (siehe Tab. 2). Dies wurde auch durch die Dichtenmessung in Situ mittels Densitometer bestätigt. Die obere BSM-Lage weist höhere Verdichtungsgrade als die untere Lage auf. Aus der Bohrkernuntersuchung lässt sich weiterhin schließen, dass alle entnommenen Bohrkerne einen vollständigen Verbund zwischen der oberen BSM-Lage und der Asphaltdeckschicht aufweisen. Die gemäß TP Asphalt, Teil-48-A [8] bestimmten maximalen Scherkräfte liegen bei 14,2-kN, 15,4-kN, 21,9-kN und 23,2-kN. Demzufolge liegt ausschließlich ein Wert unter der gemäß ZTV Asphalt-StB 07/ 13 geforderten Scherkraft von mindestens 15-kN (bei Berücksichtigung der Anforderung Asphaltdeckzu Asphaltbinderschicht). Falls die Anforderung an den Schichtenverbund zwischen Asphaltdeckschicht und den allen übrigen Asphaltschichten von 12-kN in Betracht gezogen wird, liegen alle Prüfwerte über diesem Anforderungswert. Tab. 2: Erzielte Verdichtungsgrade des BSM aus der Bohrkernuntersuchung Station Nr. Verd.grad BSM Lage unten [%] Verd.grad BSM Lage oben [%] 6+700 1 96,3 100,8 2 96,7 101,1 6+550 5 98,6 102,8 6 98,2 101,5 7 99,3 101,7 8 99,9 102,0 6+400 11 98,4 101,1 12 98,7 100,9 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 219 Kaltrecycling auf der BAB A555 als Ersatz für Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht Weiterhin zeigt die Bohrkernuntersuchung, dass nur an 30-% den entnommenen Bohrkernen ein Verbund zwischen den zwei BSM-Lagen vorliegt. Ob dies mit der Art der trockenen, luftgekühlten Bohrkernentnahme zusammenhängt, ist nicht bekannt. Aufgrund der ungebundenen Beschaffenheit von BSM, leitet das Material aufgebrachte Verkehrslasten durch den Kontakt zwischen den Partikeln effektiv ab und ermöglicht die vertikale Übertragung von Lasten, ohne dabei horizontale Spannungen zu verursachen. Daher hat der fehlende Verbund zwischen den BSM-Lagen voraussichtlich keinen großen Einfluss auf die Spannungsverteilung in der Straßenbefestigung. 4. Monitoringprogramm und Erfassungsergebnisse Ziel des Monitoringprogramm bei der Maßnahme ist, dass das Verhalten des hergestellten Seitenstreifens über die verschiedenen Belastungszustände ausgewertet werden kann. Hierzu haben sich die Projektbeteiligten auf ein vierteljährliches Befahren der Strecke verständigt. Vor der Verkehrsfreigabe wurden zerstörungsfreier Messungen mit dem Traffic Speed Deflectometer (TSD) der BASt (bezeichnet als Multifunktionale Erfassungssystem zur Substanzbewertung und zum Aufbau von Straßen - MESAS) durchgeführt. Die Oberflächentemperatur des Fahrbahnbelags lag während der Messungen zwischen 18 und 22-°C. Abb. 5 zeigt den berechneten Parameter SCI- TSD in 1-m Intervallen für den BSM Abschnitt (Bk100), den davorliegenden Abschnitt (als HMA_neu bezeichnet) und den darauffolgenden Abschnitt (als JPC_alt bezeichnet). Der HMA_neu Abschnitt wurde mit einem herkömmlichen RStO-Auf bau für die Belastungsklasse Bk100 dimensioniert und hergestellt. Der Abschnitt JPC_alt wurde bislang nicht neu dimensioniert oder hergestellt und ist weiterhin die alte Betonfahrbahndecken- Konstruktion mit Fugen. Abb. 5: SCI-TSD über drei verschiedene Abschnitte (von links, der neu sanierte Standardabschnitt, der mit BSM rekonstruierte Abschnitt und die vorhandene Betonfahrbahndecke) Der SCI-TSD ist ein Tragfähigkeitsindex, der auf zwei Neigungswerten basiert, die vor und hinter dem Belastungsrad gemessen werden. Er spiegelt den Zustand der Tragfähigkeit der oberen Schichten des Fahrbahnbelags wider und ist mit dem bekannten SCI300 (Falling Weight Deflectometer - FWD) vergleichbar. Niedrigere Werte deuten auf eine bessere Tragfähigkeit hin. Beim Vergleich der herkömmlichen und der recycelten Abschnitte zeigt sich, dass beide ein ähnliches Niveau des SCI-TSD aufweisen. Im Vergleich zum bestehenden alten Betonfahrbahndeckenabschnitt ist zu erkennen, dass die Streuung der gemessenen Werte höher ist als bei den neu hergestellten Abschnitten (HMA_neu und BSM), was hauptsächlich auf die Diskontinuität durch die Fugen zurückzuführen ist. Tab. 3 zeigt die 50 und 90 Perzentile des Parameters SCI- TSD (als SCI-TSD50% und SCI-TSD90% bezeichnet) sowie deren Differenz (als Δ90-50 bezeichnet) für die oben genannten Abschnitte und zwei weitere flexible Fahrbahnabschnitte. Ein Abschnitt wurde wie der HMA_ neu-Abschnitt neu hergestellt (als HMA_neu2 bezeichnet), der andere ist noch die bestehende Befestigung in Asphaltbauweise (als HMA_alt bezeichnet). Tab. 3: Verschiedene SCI-TSD Quantile auf der Grundlage der ersten Messung auf verschiedenen Abschnitten Abschnitt SCI-TSD 50% (µm) SCI-TSD 90% (µm) Δ 90-50 (µm) HMA_neu2 31 49 18 HMA_alt 52 78 26 HMA_neu 30 50 20 BSM 31 48 17 JPC_alt 70 240 170 Der Vergleich der SCI-TSD50%-Werte zwischen den HMA-Abschnitten zeigt einen deutlichen Rückgang in den neu hergestellten Abschnitten im Vergleich zu den bestehenden (alten) Abschnitten. Das Gleiche gilt für die Werte von ∆90-50. Diese Beobachtung zeigt, dass das Maß der Inhomogenität in den Tragfähigkeitsdaten eines Abschnitts ein Indikator für den Verlust der strukturellen Integrität sein kann. Dies führt zu der Überlegung, den Parameter ∆90-50 als möglichen Indikator zur Überwachung der strukturellen Integrität im Lebenszyklus einer Fahrbahn zu nutzen. Abb. 6 zeigt diesen Parameter für eine Länge von 400-m für die Abschnitte HMA_neu und BSM bei verschiedenen Messrunden nach der Verkehrsfreigabe. 220 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Kaltrecycling auf der BAB A555 als Ersatz für Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht Abb. 6: Die Veränderung der Differenz von SCI- TSD50% und SCI-TSD90% (∆90-50) in konventionellen (HMA_neu) und recycelten (BSM) Abschnitten Es ist bekannt, dass der Parameter ∆90-50 ebenfalls temperaturabhängig ist, jedoch weniger stark als die Parameter SCI-TSD50% oder SCI-TSD90% selbst. Betrachtet man den Verlauf von ∆90-50, ist erkennbar, dass beide Abschnitte nach der Verkehrsfreigabe einen Rückgang zeigen und danach beide normal ohne Anzeichen plötzlicher Änderungen verlaufen. Dies kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass nach fast einem Jahr unter Verkehr keine signifikante Veränderung der strukturellen Integrität aufgetreten ist. Es ist wichtig zu beachten, dass die Tragfähigkeit sich von der Restnutzungsdauer einer Fahrbahn unterscheidet, jedoch ein Parameter ist, der diese beeinflusst. Sie ist auch kein direkter Indikator für gute Leistung oder Haltbarkeit, da diese durch die Überwachung mehrerer Parameter über die Lebensdauer der Fahrbahn bewertet werden müssen. Die Art und Weise, wie die zerstörungsfreien Prüfungen die Tragfähigkeit messen, spiegelt eine steifigkeitsartige Eigenschaft des Fahrbahnbelags wider, die nicht nur von den eingesetzten Materialien abhängt, sondern auch von anderen Parametern wie Temperatur und Feuchtigkeitsbedingungen während der Messung. Unterschiedliche Fahrbahnen mit unterschiedlichen Materialien können bei unterschiedlichen Temperaturen unterschiedlich auf die Tragfähigkeitsmessungen reagieren, selbst wenn sie bei einer bestimmten Temperatur denselben Indexwert aufweisen. Das bedeutet, dass selbst wenn die BSM- und HMA-Abschnitte bei einer Temperatur denselben SCI-TSD-Wert aufweisen, sie bei anderen Temperaturen oder Feuchtigkeitsbedingungen nicht denselben Wert zeigen werden. Darüber hinaus sollte der Wert des SCI-TSD im BSM-Abschnitt nicht höher oder gleich dem des HMA-Abschnitts sein, um dessen Leistung als akzeptabel einzustufen. Die Tragfähigkeitsmessungen können genutzt werden, um die strukturelle Integrität beider Abschnitte unter Verkehr zu überwachen und einen möglichen Verlust dieser zu erkennen, was ein Hinweis auf Schäden im Fahrbahnbelag sein kann. Abb. 7: Die Veränderung der SCI-TSD (normiert auf 20-°C) in konventionellen (HMA_neu) und recycelten (BSM) Abschnitten während des ersten Jahres der Nutzung Abb. 7 zeigt den SCI-TSD-Parameter für die konventionellen (HMA_neu) und die recycelten (BSM) Abschnitte, normalisiert auf 20-°C. Es zeigt sich, dass beide Abschnitte unter der Belastung ähnlich reagieren. Es ist auch bekannt, dass das BSM-Material weniger steif ist als das HMA, weshalb die SCI-TSD-Werte im recycelten Abschnitt höher sind. Trotz der Temperatur-Normalisierung sind noch Änderungen erkennbar, was den Einfluss anderer Parameter (wie Feuchtigkeitsgehalt) auf die Ergebnisse zeigt. Zur Bewertung dieser Hypothese werden im zweiten Nutzungsjahr weitere Messungen durchgeführt. 5. Zwischenfazit und nächste Schritte Die Erfahrungen aus der Projektkonzeptionierung und der Bauausführung zeigen sehr positive Entwicklungen bei der Nutzung der Kaltrecycling-Bauweise. Auch die ersten Ergebnisse der zerstörungsfreien Messverfahren lassen auf ein gutes Level bei der Tragfähigkeit schließen. Dies ist im Rahmen der weiteren Projektlaufzeit durch regelmäßige Messungen aber auch weitergehende Untersuchungen, vor allem während des Rückbaus, zu untersuchen. Die Umsetzung von solchen innovativen Projekten ist ein wesentlicher Teil der Nachhaltigkeitsstrategie der STRA- BAG AG/ TPA GmbH. Damit wird eine hohe Einsparung von natürlichen Ressourcen gewährleistet und der Ausstoß an Treibhausgasemissionen verringert. Die BASt baut mit diesem und anderen Projekten systematisch den Kenntnisstand zu dieser nachhaltigen Bauweise auf. Ziel ist die Schaffung eines belastbaren Erfahrungshintergrundes, der sich auch für hochbelastete Streckenabschnitte im Regelwerk wiederfindet. Die Autobahn GmbH erhofft sich durch diese Testanwendung eine weitere Bauweise etablieren zu können, um bei kurzzeitigen Ertüchtigungen das vorhandene Material zu verwenden und unnötige Transporte zu verhindern. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 221 Kaltrecycling auf der BAB A555 als Ersatz für Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht Literatur [1] Wacker, Kalantari, Diekmann, 2020, Cold Recycling in Germany - Current Experiences and Future Projects, Proceedings of the 9 th International Conference on Maintenance and Rehabilitation of Pavements—Mairepav9, Lecture Notes in Civil Engineering 76, - 2020. [2] Kalantari, 2021, Foamed Bitumen and Cement Stabilized Mixes, Siegen. [3] Kalantari, 2023, Cold recycling with foamed bitumen, gained knowledge from a test track in Germany, MRP’23 - Modern Road Pavements Conference Recycling in road pavement structures, Warsaw. [4] Sabita. 2020. Technical Guideline: Bitumen Stabilised Materials. A Guideline for the Design and Construction of Bitumen Emulsion and Foamed Bitumen Stabilised Materials. TG2 Third Edition. Southern African Bitumen Association (Sabita). [5] Wirtgen. 2017. Laboratory Handbook. BSM Cola Recycling. Wirtgen GmbH. [6] FGSV, 2007, TL Beton-StB. 2007. Technische Lieferbedingungen für Baustoffe und Baustoffgemische für Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton. FGSV Verlag. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. [7] Ehlers, 2023, Aus (k)alt mach neu. Asphalt & Bitumen 6/ 2023. [8] FGSV, 2023, TP Asphalt, Teil 48 A. 2023. Abscherversuch, FGSV Verlag. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. Danksagung Ein besonderer Dank gilt dem gesamtem STRABAG AG, TPA GmbH, Autobahn GmbH und BASt Team für die gute Vorbereitung, Planung und Umsetzung des Projektes. Herzlichen Dank an Firma Wirtgen und Loudon International für die Unterstützung mit modernsten Geräten und erfahrenen Recyclingexperten.