eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
0217
2025
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Herausforderungen bei der Weiterentwicklung eines Straßenerhaltungsmanagement-Ansatzes zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte im kommunalen Bereich

0217
2025
Amina Wachsmann
Markus Stöckner
Christian Holldorb
Die bestehende Straßeninfrastruktur in Kommunen stellt eine wichtige Grundlage für die Gesellschaft dar und muss deshalb erhalten werden. Zur systematischen und strategischen Planung erforderlicher Erhaltungsmaßnahmen können so genannte Straßenerhaltungsmanagementsysteme (oder Pavement Management Systeme) eingesetzt werden. Diese Systeme liefern entscheidungsunterstützende Ergebnisse für die Maßnahmenplanung. Bisher werden in diesen Systemen nur technisch-ökonomische Grundlagen und keine weitergehenden Informationen zur Integration umweltrelevanter Aspekte berücksichtigt. Der vorliegende Beitrag thematisiert vor diesem Hintergrund die Herausforderungen bei der Weiterentwicklung eines Pavement Management Ansatzes zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte im kommunalen Bereich. Der Beitrag basiert u. a. auf Erkenntnissen, die an der Hochschule Karlsruhe im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundforschungsvohabens gewonnen wurden.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 263 Herausforderungen bei der Weiterentwicklung eines Straßenerhaltungsmanagement-Ansatzes zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte im kommunalen Bereich Amina Wachsmann, M. Eng. Hochschule Karlsruhe, Institut für Verkehr und Infrastruktur (IVI) Prof. Dr.-Ing. Markus Stöckner Hochschule Karlsruhe, Institut für Verkehr und Infrastruktur (IVI) Prof. Dr.-Ing. Christian Holldorb Hochschule Karlsruhe, Institut für Verkehr und Infrastruktur (IVI) Zusammenfassung Die bestehende Straßeninfrastruktur in Kommunen stellt eine wichtige Grundlage für die Gesellschaft dar und muss deshalb erhalten werden. Zur systematischen und strategischen Planung erforderlicher Erhaltungsmaßnahmen können so genannte Straßenerhaltungsmanagementsysteme (oder Pavement Management Systeme) eingesetzt werden. Diese Systeme liefern entscheidungsunterstützende Ergebnisse für die Maßnahmenplanung. Bisher werden in diesen Systemen nur technisch-ökonomische Grundlagen und keine weitergehenden Informationen zur Integration umweltrelevanter Aspekte berücksichtigt. Der vorliegende Beitrag thematisiert vor diesem Hintergrund die Herausforderungen bei der Weiterentwicklung eines Pavement Management Ansatzes zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte im kommunalen Bereich. Der Beitrag basiert u.-a. auf Erkenntnissen, die an der Hochschule Karlsruhe im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundforschungsvohabens gewonnen wurden. 1. Einführung Methoden des Pavement Managements wurden rudimentär bereits in den 1960er Jahren entwickelt. In den 1970er Jahren wurden in Kanada und den USA die ersten Bücher zum Thema veröffentlicht. [1] Die Entwicklung sogenannter Pavement Management Systeme (PMS) für deutsche Bundesfernstraßen begann in den frühen 1990er Jahren. [2] Ziel dieser Systeme ist die strategische Erhaltung der Straßeninfrastruktur und der damit verbundenen Werte (Assets). „Der Wert kann materiell oder immateriell, finanziell oder nichtfinanziell sein und schließt die Berücksichtigung von Risiken (..) und Verpflichtungen ein. Er kann in verschiedenen Phasen der Asset-Lebensdauer (..) positiv oder negativ sein“. [3] Unter dem Begriff der strategischen Straßenerhaltung wird dabei die Einhaltung eines bestimmten Budgets oder das Erreichen eines definierten Straßennetzzustandes verstanden, die von der zuständigen Straßenbauverwaltung als übergeordnete Strategie vorgegeben werden. Das zunächst für den Außerortsbereich entwickelten PMS wurden im Rahmen des FE-Vorhabens „Daten und Methoden für ein systematisches Erhaltungsmanagement innerörtlicher Straßen“ [4] für den kommunalen Bereich adaptiert, um dort ebenfalls die Vorteile der strategischen Straßenerhaltung nutzen zu können. Im Laufe der Zeit kamen neben strategischen, infrastrukturbezogenen Zielen noch weitere Anforderungen hinzu. So sollen insbesondere auch Kommunen einen relevanten Beitrag zu einer nachhaltigen Lebensweise leisten und damit die Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) maßgeblich unterstützen. [5] Die SDGs sind 17 globale Ziele, die von den Vereinten Nationen im Jahr 2015 verabschiedet wurden, um bis 2030 eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Sie zielen darauf ab, Armut zu beseitigen, Ungleichheiten zu reduzieren und den Schutz des Planeten zu gewährleisten, indem sie konkrete Maßnahmen in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Klimaschutz vorschlagen und sind auch Basis der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“ [6]. Demnach ist es notwendig, dass die Kommunen in Zukunft neben den bereits bestehenden Aufgaben auch Ziele der Nachhaltigkeit in ihr Handeln einbeziehen. Um dies zu gewährleisten, ist es notwendig, u.-a. bestehende Vorgehensweisen zu prüfen und an die neuen Zielsetzungen anzupassen. Im Bereich des Infrastrukturbaus und -betriebs sind vor allem die Umweltauswirkungen sowie der Ressourcenaufwand relevante Punkte. Für den Bereich des Tief baus im Sinne von Verkehrsflächen, Brückenbauwerken und Kanalisation widmete sich das Verbundforschungsvorhaben „Ressourcenplan kommunaler Tief bau (ReKoTi)“ unterschiedlichen, damit verbundenen Aspekten (vgl. Abb.-1). Ergebnis des Forschungsvorhabens ist ein Leitfaden sowie eine sogenannte, prototypisch entwickelte Toolbox. Der Ressourcenplan zielt dabei auf die Steigerung der kommunalen Ressourceneffizienz für die oben genannten Infrastrukturanlagen ab. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden Bestandsunterlagen und bestehende Vorgehensweisen analysiert, das anthropogene Materiallager 264 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Herausforderungen bei der Weiterentwicklung eines Straßenerhaltungsmanagement-Ansatzes zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte ermittelt, Stoffstromberechnungen durchgeführt, alternative Bauweisen und Verfahren analysiert und angewendet, kommunale Prozesse optimiert und eine Weiterentwicklung eines PMS avisiert. Der vorliegende Beitrag stellt die Ergebnisse der Weiterentwicklung des PMS zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte sowie die damit verbundenen Herausforderungen dar. Dazu wird in Kapitel-2 zunächst der Stand der Technik des PMS mit Fokus auf die kommunalen Voraussetzungen sowie eine allgemeine Beschreibung der umweltrelevanten Aspekte dargestellt. Kapitel-3 befasst sich mit einer allgemeinen Methodik zur Integration umweltrelevanter Aspekte in das PMS und den Grundlagen für das in RekoTi untersuchte und in Kapitel-4 dargestellt Praxisbeispiel. Abb.-1: Untersuchungsumfang und Themenbereiche des Forschungsvorhabens RekoTi [7] 2. Stand der Technik 2.1 Voraussetzungen kommunaler Pavement Management Systeme Bei PMS handelt es sich um datengetriebene Systeme, die für die strategische Straßenerhaltungsplanung auf Netzebene gedacht sind. Straßenerhaltung dient dabei als „Oberbegriff für bauliche Unterhaltung, Instandsetzung und Erneuerung von Straßen und/ oder ihrer Bestandteile“ [8], wobei für die strategische Erhaltungsplanung auf Netzebene lediglich Maßnahmen der Instandsetzung und Erneuerung betrachtet werden. Nach [9] handelt es sich bei der Instandsetzung um großflächige Maßnahmen auf oder an der Deckschicht, während der Erneuerung Maßnahmen an der Decke (Deck- und Binderschicht) und an den Tragschichten / am Oberbau zugeordnet werden. So- 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 265 Herausforderungen bei der Weiterentwicklung eines Straßenerhaltungsmanagement-Ansatzes zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte mit werden örtlich punktuelle oder kleinflächige Maßnahmen wie beispielsweise das Vergießen von Rissen oder das Ausbessern von Schlaglöchern aufgrund ihrer schlechten Planbarkeit nicht berücksichtigt. Als Datengrundlage des PMS dienen neben Grunddaten zum Netz (z.-B. Verwaltungs-, Querschnitts- und Aufbaudaten) insbesondere auch aktuelle Daten zum Oberflächenzustand der Verkehrsflächen nach den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen (ZTV ZEB-StB)“ [10]. Zusätzlich sind die sogenannten Modellvorgaben zu definieren. Bei diesen handelt es sich beispielsweise um die Definition von maßnahmenspezifischen Kostensätzen und -modellen, Angaben zur Prognose der Entwicklung der Oberflächenmerkmale in Form von Verhaltensfunktionen und sogenannte Mängelklassenmodelle, anhand derer die wahrscheinlichen Schadensursachen zugeordnet werden. Bei der Entwicklung des PMS wurde ein modularer Aufbau gewählt (vgl. Abb.-2), sodass künftige Weiterentwicklungen durch den Austausch einzelner Module integriert werden können (vgl. [11]). Im ersten Modul werden sogenannte homogene Abschnitte ermittelt. Darunter werden Abschnitte verstanden, die in der Regel einen vergleichbaren Auf bau und vergleichbare Oberflächenzustände aufweisen. Zusätzlich können auch noch Verkehrsbelastungen zur Unterteilung von homogenen Abschnitten herangezogen werden. Die im Anschluss an das Modul-1 folgenden Module beziehen sich alle auf die homogenen Abschnitte. So wird im Modul-2 eine Zustandsprognose der in der Regel nach den ZTV ZEB-StB [10] erhobenen Oberflächenmerkmale anhand von Verhaltensfunktionen durchgeführt. Diese dient zum einen der Beschreibung der Zustandsentwicklung eines Abschnittes ohne Maßnahme und wird zum anderen zur Beschreibung der Zustandsentwicklung eines Abschnittes nach einer Maßnahme genutzt. In Modul-3 werden die sogenannten Mängelklassen ermittelt, d.-h. es wird zunächst geprüft, ob ein Abschnitt erhaltungsbedürftig ist. Diese Prüfung erfolgt in der Regel anhand der Zustandsnoten der Oberflächenzustände (dimensionslose Werte zwischen 1- =- Idealzustand und 5- =- dringender Handlungsbedarf). Überschreitet ein oder meh rere Oberflächenmerkmale den Zustandswert von 3,5, wird in Abhängigkeit der Konstellation der Zustandswerte eine Mängelklasse zugeordnet. Anhand dieser Mängelklasse erfolgt in Modul-4 die Maßnahmenzuordnung je Abschnitt. In Abhängigkeit von Abschnitt und zugeordneten Maßnahmen werden im darauffolgenden Modul die Kosten sowie die Wirksamkeit der Maßnahmen ermittelt. Zur Ermittlung der Wirksamkeit „(…) werden die Flächen ‚unter den Verhaltenskurven‘ der einzelnen Zustandsmerkmale für den ‚Nichts-tun‘-Fall ohne Maßnahme und für den Planungsfall mit Maßnahme ermittelt und verglichen. Als qualitatives Maß für die Wirksamkeit einer Erhaltungsmaßnahme wird die Differenz dieser Flächen herangezogen, die das Ausmaß der Zustandsverbesserung von Zeitpunkt einer Maßnahme bis zum Ende des Betrachtungszeitraums kennzeichnet“ [12]. Aus Kosten und Maßnahmenwirksamkeit wird daraufhin ein Wirksamkeits-Kosten-Verhältnis ermittelt. Dieses dient in Modul-6 zur Reihung der Maßnahmenvarianten. In Modul-7 erfolgt schließlich die Betrachtung auf Netzebene, welche die Optimierung der Maßnahmenauswahl bezogen auf das Gesamtnetz umfasst. Hierbei kann das Optimierungsziel entweder die effektive Nutzung eines vorgegebenen Budgets oder das Erreichen eines vorher definierten Netzzustandes sein. Bei Modul-8 handelt es sich um die grafische Auf bereitung der Berechnungsergebnisse in Form von beispielsweise Maßnahmenkosten, Maßnahmenfläche oder Zustandsentwicklung. Wie beschrieben werden somit im Rahmen des PMS lediglich technische und ökonomische Aspekte berücksichtigt. Weitere Ausführungen zum PMS sind auch in [13] dargelegt. Abb.-2: Daten, Modellvorhaben und Berechnungsablauf eines PMS [14] 266 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Herausforderungen bei der Weiterentwicklung eines Straßenerhaltungsmanagement-Ansatzes zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte Sollen PMS im kommunalen Bereich angewendet werden, stellen insbesondere die notwendigen Datengrundlagen häufig eine Herausforderung dar. Des Weiteren sind die Modellvorgaben kommunalspezifisch anzupassen. Insbesondere bei den für die Zustandsprognose notwendigen Verhaltensfunktionen liegen bislang lediglich für den Außerortsbereich entwickelte Standards vor, die beispielsweise in [15] für die Stadt Münster kalibriert wurden. 2.2 Beschreibung umweltrelevanter Aspekte Um ein PMS um umweltrelevante Aspekte zu erweitern, werden entsprechende Kennzahlen benötigt. Bei dem Betrachten der SDGs werden nicht lediglich - wie in dem aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskurs - Treibhausgasemissionen berücksichtigt, sondern es wird eine ganzheitliche Betrachtungsweise angestrebt. Abb. 3 gibt einen Überblick über unterschiedliche Ansätze zur lebenszyklusbasierten Umwelt- und Nachhaltigkeitsbetrachtung. Dabei wird zum einen der Entwicklungsgrad, also die Komplexität eines Systems, und zum anderen der Informationsbedarf unterschieden. Beim Lebenszyklusgedanken handelt es sich um einen qualitativen Ansatz. Darin erfolgt demnach lediglich eine Beschreibung aller in [16] definierten Lebenszyklusphasen eines betrachteten Objekts von der Planung über die Herstellung, Errichtung und Nutzung bis zur Entsorgung. Der Lebenszyklusgedanke stellt auch die Grundlage für quantitativen Lebenszyklusansätze dar, allerdings steigt der Informationsgehalt und damit die Aussagekraft in Hinblick auf Umweltaspekte. Mit dem steigenden Informationsgehalt wächst zudem auch der Entwicklungsgrad und damit die Komplexität der Berechnungsverfahren, so dass es sich hierbei um Expert*innensysteme handelt. Wie in [17] dargestellt, stehen bislang keine adäquaten Datensätze zur Beschreibung der Umweltauswirkungen im Bereich der Straßenerhaltung zur Verfügung. In der Regel sollten die Maßnahmen der Straßenerhaltung auf Grundlage von Ökobilanzierungen dargelegt werden, um die damit verbundenen Umweltauswirkungen abzubilden. Aufgrund der bislang fehlenden Datensätze kann auf kommunaler Ebene aktuell lediglich der Materialverbrauch als belastbare Kennzahl herangezogen werden. Abb. 3: Lebenszyklusbasierte Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewertungsansätze in Anlehnung an die Maslowsche Pyramide [14] 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 267 Herausforderungen bei der Weiterentwicklung eines Straßenerhaltungsmanagement-Ansatzes zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte 3. Methodik zur Integration umweltrelevanter Aspekte in das PMS 3.1 Allgemein Um das in Abschnitt-2.1 dargestellte PMS um umweltrelevante Aspekte zu erweitern, ist es notwendig Anpassungen im Ablauf des PMS vorzunehmen. Durch eine solche Weiterentwicklung stehen den Kommunen künftig zusätzliche Informationen zum Ressourcenaufwand und damit verknüpften Umweltauswirkungen im Bereich der Straßenerhaltung zur Verfügung. Diese Informationen könnten in einen Ressourcenplan des kommunalen Tief baus integriert werden, wodurch die Informationen zu bevorstehenden Maßnahmen zusätzlich umweltrelevante Informationen enthalten und dadurch beispielsweise strategische Umweltziele besser dargestellt und gesteuert werden könnten. Eine solche Weiterentwicklung eines PMS betrifft zum einen Anpassungen der bestehenden Module, zum anderen auch Ergänzungen durch weitere Module und Datengrundlagen. Abb. 4 zeigt einen in [14] dargelegten Vorschlag zur Integration umweltrelevanter Aspekte in ein PMS und damit einer Entwicklung von der rein techno-ökonomischen Betrachtungsweise hin zu einer techno-ökonomisch-ökologischen Betrachtungsweise. Zum einen sind die Modellvorgaben analog zu den maßnahmenabhängigen Kostendaten, um umweltspezifische Kennzahlen zu erweitern. Diese Daten sind im Modul-5 analog zur Kostenermittlung abschnitts- und maßnahmenabhängig zu bestimmen. Diese neue Kenngröße ist im Anschluss bei der Reihung der Maßnahmenvarianten zu berücksichtigen. Weiterführende Ausführungen zu der Methodik finden sich in [14]. Abb. 4: Vorschlag zur Anpassung des PMS-Ablaufs zur Integration umweltrelevanter Aspekte [14] 3.2 Anwendung der Methodik anhand eines Praxisbeispiels Zur Umsetzung der in Abschnitt-3.1 erläuterten Methodik für ein kommunales Netz, wurde wie folgt vorgegangen. Festlegung des Netzes Als Pilotkommune diente im Projekt RekoTi die Stadt Münster. Das betrachtete Netz umfasst die im Jahr der zu Grunde liegenden Zustandserfassung als erhaltungsbedürftig eingestuften homogenen Abschnitte im Hauptverkehrsstraßennetz der Stadt (Zustandswert mindestens eines Oberflächenmerkmals größer als 3,5). Berücksichtigte Erhaltungsmaßnahmen In den Berechnungen wurden folgende Erhaltungsmaßnahmen betrachtet: • Oberflächenbehandlung (OB) • Dünnschichtbelag (DB) • Tiefeinbau der Deckschicht (DT) • Hocheinbau der Deckschicht (DH) • Rückformung der Deckschicht (DR) • Tiefeinbau der Decke (Deck- und Binderschicht) (TD) • Tiefeinbau gebundene Schichten (TG) • Tiefeinbau Oberbau (TO) Verfolgte Ziele Durch die Einbindung des Aspektes der Ressourceneffizienz, definiert über die benötigten Baustoffmengen und die Wirksamkeit einer Maßnahme, konnte neben dem im PMS üblichen Ansatz der Betrachtung des Wirksamkeits- Kosten-Verhältnisses zusätzlich das Wirksamkeits-Ressourcen-Verhältnis betrachtet werden. Nachfolgend wer- 268 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Herausforderungen bei der Weiterentwicklung eines Straßenerhaltungsmanagement-Ansatzes zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte den diese als Strategievarianten der monetären Effizienz respektive der Ressourceneffizienz beschrieben. Weitere Modellvorgaben wurden anhand von [18; 19; 11; 4; 20-23; 13; 9; 24-27; 10] festgelegt und sind ausführlich in [28] dargelegt. 4. Praxisbeispiel zur Integration umweltrelevanter Aspekte in ein kommunales PMS Im Rahmen der Praxisanwendung wurden die Module 1 bis 6 (vgl. Abb. 4) für die beiden verfolgten Strategievarianten (vgl. 3.2) durchlaufen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Auswahl der Zielsetzung einen signifikanten Einfluss auf die Maßnahmenauswahl hat. Beispielsweise werden bei der Strategievariante Ressourceneffizienz vorwiegend Maßnahmen der Typen DR, DB, DH und DT ermittelt, da diese lediglich die Deckschicht betreffen und somit keinen (DR) oder einen geringen Ressourcenaufwand aufweisen (vgl. Abb.-5). Bei der Strategievariante monetäre Effizienz werden hingegen DT-, DH- und TD-Maßnahmen als vorteilhafteste Optionen ermittelt (vgl. Abb.-6). Im Hinblick auf den monetären Aufwand der Strategievariante Ressourceneffizienz lässt sich festhalten, dass diese in der vorliegenden Untersuchung zu tendenziell höheren monetären Aufwänden führten, wohingegen die Strategievariante monetäre Effizienz zu höheren Ressourcenaufwänden führten. Zudem konnte dargelegt werden, dass sich der Netzzustand unter der Strategievariante Ressourceneffizienz im Vergleich zur Strategievariante monetäre Effizienz deutlich schneller verschlechtert. Die ausführlichen Ergebnisse und Grafiken des Praxisbeispiels sind in [28] dargelegt. Abb.-5: Reihung der Maßnahmenvarianten für die Strategievariante Ressourceneffizienz [28] 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 269 Herausforderungen bei der Weiterentwicklung eines Straßenerhaltungsmanagement-Ansatzes zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte Abb.-6: Reihung der Maßnahmenvarianten für die Strategievariante monetäre Effizienz [28] 5. Ausblick Die Ergebnisse der beiden Strategievarianten in Kapitel-4 müssen noch ingenieurtechnisch gegeneinander abgewogen werden, so dass eine eindeutige Empfehlung unter Berücksichtigung techno-ökonomischer und ökologischer Aspekte aktuell noch aussteht. Im vorliegenden Beitrag konnte gezeigt werden, dass eine wesentliche Herausforderung bei der Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte in einem kommunalen PMS zum einen Daten zur eigentlichen Anwendung eines PMS und zum anderen Daten zur Beschreibung von Straßenerhaltungsmaßnahmen anhand umweltrelevanter Aspekte sind. Sofern kommunale Daten für die Anwendung eines PMS vorliegen, besteht eine weitere Herausforderung darin, Datensätze zu erstellen, die die Umweltauswirkungen von Straßenerhaltungsmaßnahmen ganzheitlich darstellen. Liegen diese Daten künftig vor, können Kommunen auch im Bereich der Straßenerhaltung technische, ökonomische und ökologische Aspekte systematisch berücksichtigen und somit in ihrem Handeln nachhaltiger werden. 6. Danksagung Ergebnisse aus dem Verbundforschungsvorhaben „Ressourcenplan kommunaler Tiefbau (RekoTi)“ bilden u.-a. den Rahmen für diesen Beitrag. Das Verbundforschungsvorhaben wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Förderkennzeichen 033R264 im Rahmen des wissenschaftlichen Programms Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft - Bauen und Mineralische Stoffkreisläufe (ReMin) gefördert und durch die Plattform Forschung für Nachhaltigkeit (FONA) unterstützt. 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