Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Temperaturabgesenkter Asphalt – Maßnahmen der Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg (SBV BW) für den Technologiewandel
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Vera Schmidt
Der Asphaltstraßenbau ist, um den gestiegenen Anforderungen an den Arbeitsschutz gerecht zu werden, in einem technologischen Umbruch. Der Temperaturabgesenkte Asphalt ist durch die Einführung des Arbeitsplatzgrenzwertes (AGW) von 1,5 mg/m³ für Dämpfe und Aerosole bei der Heißverarbeitung von Bitumen ab dem 1. Januar 2020 zum zentralen Thema in der Baubranche geworden. Die Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg (SBV BW) hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um temperaturabgesenkten Asphalt (TA-Asphalt) als Standardbauweise zu etablieren. Diese Bemühungen werden von der Fortschreibung der technischen Regelwerke begleitet, insbesondere durch die Ergänzungen zu den Technischen Vertragsbedingungen im Straßenbau Baden-Württemberg (ETV-StB-BW).
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 285 Temperaturabgesenkter Asphalt - Maßnahmen der Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg (SBV BW) für den Technologiewandel Oberbaurätin Vera Schmidt Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, Stuttgart Zusammenfassung Der Asphaltstraßenbau ist, um den gestiegenen Anforderungen an den Arbeitsschutz gerecht zu werden, in einem technologischen Umbruch. Der Temperaturabgesenkte Asphalt ist durch die Einführung des Arbeitsplatzgrenzwertes (AGW) von 1,5 mg/ m³ für Dämpfe und Aerosole bei der Heißverarbeitung von Bitumen ab dem 1. Januar 2020 zum zentralen Thema in der Baubranche geworden. Die Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg (SBV BW) hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um temperaturabgesenkten Asphalt (TA-Asphalt) als Standardbauweise zu etablieren. Diese Bemühungen werden von der Fortschreibung der technischen Regelwerke begleitet, insbesondere durch die Ergänzungen zu den Technischen Vertragsbedingungen im Straßenbau Baden-Württemberg (ETV-StB-BW). 1. Einführung Die Anforderungen an die Arbeitssicherheit im Straßenbau haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Bereits im Herbst 2019 wurde durch den Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) ein Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) von 1,5 mg/ m³ für Dämpfe und Aerosole bei der Heißverarbeitung von Bitumen beschlossen. Obwohl dieser ursprünglich ab dem 1. Januar 2025 verbindlich werden sollte, wurde die Übergangsfrist für Walzasphalt um weitere zwei Jahre bis zum 31. Dezember 2026 verlängert [1]. Die Anforderungen an Gussasphalt bleiben hiervon unberührt. Die Verlängerung zeigt, dass trotz aller Fortschritte - wie dem Einsatz von Absaugvorrichtungen an Fertigern und temperaturabgesenktem Asphalt - der ambitionierte AGW noch nicht flächendeckend und prozesssicher für Walzasphalt erreicht werden konnte. 2. Rechtliche Rahmenbedingungen Die Einführung des Arbeitsplatzgrenzwertes von 1,5-mg/ m³ für Dämpfe und Aerosole aus der Heißverarbeitung von Bitumen basiert auf der Einstufung von Dampf und Aerosol aus Oxidations-bitumen als krebserzeugend. In den vergangenen Jahren konnten durch den Einsatz von Absaugvorrichtungen an Fertigern und die Weiterentwicklung von temperaturabgesenktem Asphalt (TA- Asphalt) erhebliche Fortschritte erzielt werden. Durch die Reduzierung der Asphalteinbautemperatur wird die Freisetzung von Dämpfen und Aerosolen deutlich minimiert. Diese Maßnahmen führten zu einer signifikanten Reduktion der Exposition - in vielen Fällen bis unter den Grenzwert. Dennoch zeigte sich, dass der ambitionierte AGW bisher nicht prozesssicher eingehalten werden kann. Im Rahmen des ARS 09/ 2021 hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) [2] zur Errichtung von Erprobungsstrecken aufgerufen, um praktische Erfahrungen mit temperaturabgesenktem Asphalt zu sammeln. Die SBV BW hat auf diesen Aufruf reagiert und sich an zahlreichen Pilotprojekten beteiligt, die die Realisierbarkeit und Effizienz der neuen Bauweise in der Praxis überprüfen sollten. In Baden-Württemberg konkretisieren die Ergänzungen zu den Technischen Vertragsbedingungen (ETV-StB BW, Teil 3) die Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt (ZTV Asphalt-StB) sowie die Technische Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen (TL Asphalt-StB) die Anforderungen an den Einsatz und die Qualität von Asphaltmischgütern in Baden-Württemberg. Die ETV- StB BW stellt damit sicher, dass regionale wie klimatische Bedingungen und rohstoffspezifische Eigenschaften berücksichtigt werden. Die ETV-StB BW, Teil 3.1.1 [3] zur ZTV Asphalt-StB: definiert die technischen Vorschriften an die Anforderungen an Bauweise und Qualitätssicherung im Straßenbau. TA-Asphalt muss den gleichen Prüfkriterien genügen wie herkömmliche Asphaltarten, insbesondere hinsichtlich Verformungsbeständigkeit, Standfestigkeit und Dauerhaftigkeit. Die ETV-StB BW, Teil 3.2.2 [4] zur TL Asphalt-StB: beschreibt die Anforderungen an Ausgangsstoffe, Mischgüter und Prüfmethoden. Für TA-Asphalt gelten zusätzliche Prüfungen, um die Qualität bei niedrigen Einbautemperaturen zu gewährleisten. 286 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Temperaturabgesenkter Asphalt - Maßnahmen der Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg (SBV BW) für den Technologiewandel Abb. 1: Zuordnung Zusätze und Bitumentechnologie in Hinsicht der anzuwendenden Technischen Lieferbedingung Mit der Einführung der ETV-StB-BW, Teil 3.1.1 und Teil 3.2.1, Fassung 2024, wird TA-Asphalt für Asphalttragschichten bei Landesstraßen in Baden-Württemberg zur Regelbauweise. Gleichzeitig werden Ausschreibende ermutigt, auch Binderschichten, Deckschichten und Tragdeckschichten in TA-Asphalt auszuführen. Diese Regelung zielt darauf ab, eine breite Routine im Umgang mit TA-Asphalt zu etablieren. Damit ist Baden- Württemberg eines der ersten Länder, die über das ARS 09/ 2021 hinaus den Umgang mit TA-Asphalt regelt. 3. Technische Aspekte TA-Asphalt wird bei reduzierten Misch- und Einbautemperaturen (ca. 130-160 °C) hergestellt und eingebaut. Die Temperaturabsenkung kann durch organisch modifiziertes Bitumen, chemische/ mineralische Zusätze oder Schaumbitumentechnologie erfolgen (Abb. 1). Dabei sind organische Bitumen gebrauchsfertige Bitumen gemäß Technische Lieferbedingungen für gebrauchsfertige Viskositäts-veränderte Bitumen (TL VBit-StB) oder durch Zugabe viskositätsverändernder Zusätze im Mischwerk verändertes Bitumen. Bei diesen Bitumen ist die Bitumenrheologie verändert. Alternativ können chemische Zusätze verwendet werden, die die Rheologie des Bitumens nicht verändern dürfen. Mineralische Zusätze oder die Verwendung der Schaumbitumentechnologie durch Wassereinspritzung verändern die Bitumenrheologie nicht. Ein in der ETV-StB BW Teil 3 erfolgter Vorgriff auf die neue ZTV Asphalt-StB und TL-Asphalt-StB, ist die Einführung von Bitumenpaaren. Diese definieren technisch gleichwertige Kombinationen aus verschiedenen Bitumenarten (z. B. TL Bitumen-StB und TL VBit-StB), die für spezifische Belastungsklassen und Flächenarten geeignet sind. Tabelle 1 der Ergänzungen 2024 zur ETV- StB-BW ordnet diese Paare entsprechenden Bauweisen zu, z. B. für Tragschichten oder Deckschichten. Um die Temperaturabsenkung bei der Asphaltproduktion zu gewährleisten, dürfen ausschließlich die in den folgenden Dokumenten aufgeführten Zusätze verwendet werden: „Erfahrungssammlung über die Verwendung von Fertigprodukten und Zusätzen zur Temperaturabsenkung von Asphalt“ sowie die Pilotproduktliste TA der BASt. Diese Sammlungen, veröffentlicht durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), dokumentiert geprüfte und bewährte Produkte, die zur Temperaturabsenkung geeignet sind. Zusätze, die nicht in diesen Dokumenten aufgeführt sind, dürfen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Auftraggebers eingesetzt werden. Dabei ist sicherzustellen, dass die Wiederverwendbarkeit des Asphalts, insbesondere im Hinblick auf Recyclingprozesse, nicht eingeschränkt wird. Die ETV-StB-BW Teil 3.1.1 stellt zudem erweiterte Anforderungen an den Eignungsnachweis, die bei TA-Asphalt den Auftraggebern vorgelegt werden müssen. Unter anderem werden zusätzliche Angaben hinsichtlich der Performance-Prüfungen bei organisch modifizierten Bitumen notwendig. • Zugversuche bei niedrigen Temperaturen (-10 °C). • Einaxiale Druck-Schwellversuche nach TP Asphalt- StB, Teil 25 B1. • Abkühlversuche und Verdichtungs-temperaturen, die gemäß den festgelegten Grenzwerten von 130-160 °C variieren. Darüber hinaus müssen Angaben zum verwendeten Verfahren der Temperaturabsenkung, zu spezifischen Bindemittelsorten sowie zu den Zugabeanteilen von Zusätzen gemacht werden. Diese Anforderungen gewährleisten eine einheitliche und qualitativ hochwertige Ausführung der Bauweise. Die Kontrollprüfungen sind ebenso in der ETV spezifiziert. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 287 Temperaturabgesenkter Asphalt - Maßnahmen der Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg (SBV BW) für den Technologiewandel 4. Fazit und Ausblick Die Einführung von TA-Asphalt bringt technische Herausforderungen mit sich, insbesondere in Bezug auf die Langzeitperformance. Asphalt, der bei niedrigeren Temperaturen produziert wird, kann eine andere Struktur und Konsistenz aufweisen, was sich potenziell auf die Haltbarkeit und Tragfähigkeit der Straßen auswirken könnte. Langzeitstudien sind daher erforderlich, um die Belastbarkeit und Alterungsbeständigkeit des TA-Asphalt unter verschiedenen Witterungs- und Verkehrsbedingungen zu bewerten. Die Erkenntnisse aus den Erprobungsstrecken und der zunehmende Erfahrungsschatz der Bauunternehmen sind dabei entscheidend. Literatur [1] TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“ - Bek. d. BMAS v. 20.5.2024 - IIIb 3 - 35125 - 5 Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Bekanntmachung von Technischen Regeln. [2] Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 09/ 2021 Sachgebiet 04.04: Straßenbefestigungen 06.01 Bauweisen Straßenbaustoffe; Anforderungen, Eigenschaften StB 25/ 7182.8/ 3- ARS-21/ 09/ 3480505 Bonn, 25.03.2021 Oberste Straßenbaubehörden der Länder. [3] ETV-StB-BW-Teil 3.1: Ergänzungen zu den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt (ZTV Asphalt-StB 07/ 13), Ausgabe 2023, Teil 3.1.1 Ergänzungen zur Herstellung von Asphaltschichten mit Temperaturabgesenktem Asphalt (TA) Ausgabe 22.02.2024. [4] ETV-StB-BW Teil 3.2: Ergänzungen zu den Technischen Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen (TL Asphalt-StB 07/ 13), Ausgabe 2023 Teil 3.2.1 Ergänzungen zur Herstellung von Temperaturabgesenktem Asphaltmischgut (TA) Ausgabe 22.02.2024.
