eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
0217
2025
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Nachhaltigkeit messen: Ökobilanzierung im Straßenbau am Beispiel EPD-Asphaltmischgut

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2025
Leonie Weber
Nachhaltigkeit im Straßenbau ist aufgrund der Klimaziele und CO2-Reduktionsvorgaben von zentraler Bedeutung. Unternehmen sind zunehmend verpflichtet, ihre Umweltwirkungen zu minimieren und transparent darzustellen. Ökobilanzierungen (LCA) bieten eine wissenschaftlich fundierte Methode zur Bewertung der Umweltauswirkungen von Bauprodukten wie Asphalt. Umweltproduktdeklarationen (EPDs), die diese Daten enthalten, sind ein wichtiges Instrument für nachhaltige Bauprojekte. Sie ermöglichen eine transparente Kommunikation der Umweltwirkungen und sind oft eine Voraussetzung für öffentliche Ausschreibungen. Die Inhalte von EPDs basieren auf internationalen Normen und berücksichtigen den gesamten Lebenszyklus eines Produkts. Die Ökobilanzierung hilft, Ressourcenverbrauch und Emissionen zu analysieren und potenzielle Umweltprobleme frühzeitig zu erkennen.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 307 Nachhaltigkeit messen: Ökobilanzierung im Straßenbau am Beispiel EPD-Asphaltmischgut Leonie Weber, B. Eng. e-hoch-3 eco impact experts GmbH & Co. KG, Darmstadt Zusammenfassung Nachhaltigkeit im Straßenbau ist aufgrund der Klimaziele und CO 2 -Reduktionsvorgaben von zentraler Bedeutung. Unternehmen sind zunehmend verpflichtet, ihre Umweltwirkungen zu minimieren und transparent darzustellen. Ökobilanzierungen (LCA) bieten eine wissenschaftlich fundierte Methode zur Bewertung der Umweltauswirkungen von Bauprodukten wie Asphalt. Umweltproduktdeklarationen (EPDs), die diese Daten enthalten, sind ein wichtiges Instrument für nachhaltige Bauprojekte. Sie ermöglichen eine transparente Kommunikation der Umweltwirkungen und sind oft eine Voraussetzung für öffentliche Ausschreibungen. Die Inhalte von EPDs basieren auf internationalen Normen und berücksichtigen den gesamten Lebenszyklus eines Produkts. Die Ökobilanzierung hilft, Ressourcenverbrauch und Emissionen zu analysieren und potenzielle Umweltprobleme frühzeitig zu erkennen. 1. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Straßenbau Nachhaltigkeit ist längst kein Schlagwort mehr, sondern eine zentrale Anforderung an den modernen Straßenbau in Deutschland und der EU. Angesichts der ehrgeizigen Klimaziele - wie dem European Green Deal und den nationalen Verpflichtungen zur CO 2 -Reduktion - stehen wir vor der Herausforderung, Infrastrukturprojekte umweltbewusst zu gestalten. Der Straßenbau, als bedeutender Ressourcen- und Energieverbraucher, spielt dabei eine Schlüsselrolle. Unternehmen im Straßenbau sind zunehmend verpflichtet, ihre Umweltwirkungen transparent darzustellen und zu minimieren. Dies erfordert eine ganzheitliche Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Bauprojekten - von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zur Nutzung und Entsorgung. Die Ökobilanz ist eine praxisnahe, wissenschaftlich fundierte Methode zur Bewertung von Umweltauswirkungen. Besonders Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declaration, EPD), die neben allgemeinen Produktinformationen auch die Umweltwirkungen in Form einer Ökobilanz enthalten, sind in der Baubranche weit verbreitet. Sie ermöglichen es, Umweltwirkungen klar und nachvollziehbar gegenüber allen Stakeholdern zu kommunizieren. EPDs schaffen eine wertvolle Entscheidungsgrundlage für eine nachhaltigere Planung und Bauausführung. Da EPDs speziell auf Bauprodukte ausgelegt sind, stellen sie ein etabliertes Instrument in der Baubranche dar, das Unternehmen dabei unterstützt, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. 2. Ökobilanzierungen als Schlüssel zur Nachhaltigkeit: Die Rolle der LCA in EPDs für Asphalt 2.1 Umweltproduktdeklarationen (EPDs) im Straßenbau: Bedeutung und Vorteile In einer Branche, die stark von Rohstoffgewinnung, Energieverbrauch und Emissionen geprägt ist, spielen EPDs eine relevante Rolle, um ökologische Nachhaltigkeit in den Fokus zu rücken und den wachsenden Anforderungen an umweltfreundliche Bauweisen gerecht zu werden. Für Unternehmen im Straßenbau bieten EPDs nicht nur die Möglichkeit, ihre Umweltleistung zu dokumentieren, sondern auch Wettbewerbsvorteile zu sichern, indem sie auf die steigende Nachfrage nach umweltbewussten Lösungen reagieren. Eine Umweltproduktdeklaration ist ein dokumentierter Nachweis über die Umweltauswirkungen eines Produkts. Sie basiert auf internationalen Normen wie ISO 14025 und EN 15804 und enthält transparente Informationen zu den Umweltauswirkungen eines Produkts über dessen gesamten Lebenszyklus - von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung und den Transport bis hin zum Einbau, zur Nutzung und Entsorgung. Dabei werden Faktoren wie Energieverbrauch, Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch und Abfallmengen berücksichtigt. Der Bedarf an EPDs wächst vor allem im Zusammenhang mit nachhaltigen Bauprojekten und Zertifizierungssystemen wie dem DGNB. Behörden, Bauherren und Planer setzen zunehmend auf EPDs, um die ökologische Qualität von Bauvorhaben zu bewerten und Nachweise für Ausschreibungen zu erbringen. Insbesondere in öffentlichen Vergabeverfahren spielen sie eine wichtige Rolle, da nachhaltiges Bauen nicht mehr nur ein Zusatzkriterium, sondern oft eine zwingende Anforderung ist. 2.2 Die Rolle der LCA in EPDs Ökobilanzen bilden den Kern jeder Umweltproduktdeklaration. Eine fundierte Ökobilanz - auch als Life Cycle Assessment (LCA) bekannt - ermöglicht es, die gesamten Umweltauswirkungen eines Produkts systematisch über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg zu erfassen und zu bewerten. 308 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Nachhaltigkeit messen: Ökobilanzierung im Straßenbau am Beispiel EPD-Asphaltmischgut 2.3 Ziele und Nutzen der Ökobilanzierung Die Ökobilanz bietet detaillierte Einblicke in den Ressourcenverbrauch und die Emissionen über alle Lebenszyklusphasen hinweg. Sie dient Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern als verlässliche Grundlage, um fundierte und nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Dabei liefert sie keine vorgefertigten Lösungen, sondern objektive Daten, die als Entscheidungsbasis genutzt werden können. Produkte oder Prozesse lassen sich so anhand ihres tatsächlichen Nutzens vergleichen - nicht nur anhand quantitativer Größen wie Gewicht oder Volumen. Zudem hilft die Ökobilanz dabei potenzielle Umweltprobleme frühzeitig zu identifizieren und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. 2.4 Methodik der Ökobilanzierung: Von der Datenerhebung zur Analyse Die Erstellung einer Ökobilanz folgt klaren methodischen Vorgaben, die in internationalen Normen festgelegt sind. Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über die wichtigsten Schritte der Ökobilanzierung, von der Definition der Systemgrenzen bis hin zur Auswertung der Ergebnisse. Standards und Richtlinien Die Durchführung einer Ökobilanz folgt internationalen Standards, um Vergleichbarkeit und Konsistenz sicherzustellen. Zentral sind dabei die internationalen Standards DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044. Während die ISO 14040 die allgemeinen Grundsätze und den Rahmen für die Lebenszyklusanalyse (LCA) festlegt, beschreibt die ISO 14044 die konkreten Anforderungen und Verfahren für die Erstellung einer Ökobilanz im Detail. Diese Normen stellen sicher, dass die Erhebung von Daten, die Analyse von Umweltauswirkungen und die Interpretation der Ergebnisse nach einheitlichen Kriterien erfolgen. Für den Bausektor spielt zusätzlich die DIN EN 15804 eine wichtige Rolle. Sie definiert spezifische Anforderungen an die Erstellung von Umweltproduktdeklarationen für Bauprodukte und legt fest, wie Umweltwirkungen berechnet und dargestellt werden müssen. Diese Norm sorgt dafür, dass die LCA-Ergebnisse konsistent und nachvollziehbar sind, was besonders im Bauwesen für die Vergleichbarkeit verschiedener Materialien und Prozesse von Bedeutung ist. Im Rahmen der Ökobilanzierung für Umweltproduktdeklarationen spielen Product Category Rules (PCR) eine zentrale Rolle. PCRs sind regelwerkartige Vorgaben, die spezifische Anforderungen für die Lebenszyklusanalyse eines Produkts innerhalb einer bestimmten Produktkategorie definieren. Sie ergänzen die allgemeinen Standards wie die ISO 14040 und ISO 14044, indem sie detaillierte Kriterien festlegen, wie die Ökobilanz für bestimmte Produktgruppen, wie etwa Asphalt im Straßenbau, erstellt werden muss. PCRs sorgen dafür, dass die Ökobilanzierung innerhalb einer Produktkategorie einheitlich und vergleichbar erfolgt. Sie legen fest, welche Lebenszyklusphasen berücksichtigt werden müssen und welche spezifischen Umweltauswirkungen zu erfassen sind. Für den Straßenbau bedeutet dies, dass bei der Erstellung einer EPD für Asphalt genau definiert wird, welche Prozesse und Emissionen in die Ökobilanz einfließen und wie diese zu quantifizieren sind. So wird beispielsweise der Energieverbrauch in der Produktion, die CO 2 -Emissionen während des Transports oder die Recyclingfähigkeit des Asphalts berücksichtigt. Darüber hinaus geben PCRs auch Aufschluss über die Datenqualität und die Quellen, die zur Erstellung einer LCA verwendet werden dürfen, um die Verlässlichkeit und Transparenz der Ergebnisse zu gewährleisten. Sie spielen somit eine wichtige Rolle bei der Harmonisierung von Ökobilanzen und der Gewährleistung, dass alle relevanten Umweltaspekte eines Produkts systematisch erfasst und korrekt dargestellt werden. Durch die Einhaltung dieser Standards und Richtlinien wird die Ökobilanz zu einem verlässlichen Instrument, das Transparenz schafft und Unternehmen sowie Behörden dabei unterstützt, fundierte Entscheidungen für eine nachhaltigere Bauweise zu treffen. Die Schritte einer Ökobilanz Das Vorgehen bei der Erstellung einer Ökobilanz gliedert sich in vier zentrale Phasen. Abb. 1: Phasen einer Ökobilanz angelehnt an DIN EN ISO 14040 Die erste Phase umfasst die Ziel- und Rahmenfestlegung. Hier werden das Ziel der Studie, der Untersuchungsrahmen und die Systemgrenzen definiert. Dazu gehört auch die Bestimmung der sogenannten funktionellen oder deklarierten Einheit. Sie ist ein zentraler Bestandteil der Ökobilanz, da sie als Bezugsgröße dient, auf die sämtliche ermittelten Umweltwirkungen bezogen werden. Beispielsweise könnte im Straßenbau der Lebenszyklus von 1-Tonne Asphalt von der Rohstoffgewinnung bis zum Rückbau analysiert werden. In der zweiten Phase, der Sachbilanz (eng. Life Cycle Inventory, LCI) erfolgt die Erhebung aller relevanten Daten 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 309 Nachhaltigkeit messen: Ökobilanzierung im Straßenbau am Beispiel EPD-Asphaltmischgut zu Material- und Energieflüssen. Dabei werden Inputs wie Rohstoffe und Energie sowie Outputs wie Emissionen und Abfälle entlang der betrachteten Lebenszyklusphasen erfasst. Diese Phase erfordert eine sorgfältige Datensammlung, um alle Prozesse und deren Umweltwirkungen präzise abzubilden. Die dritte Phase ist die Wirkungsabschätzung (eng. Life Cycle Impact Assessment, LCIA). Hier werden die erfassten Daten den verschiedenen Umweltindikatoren zugeordnet und bewertet. Zu den wichtigsten Kategorien gehören etwa der Ressourcenverbrauch, die Treibhausgasemissionen (CO 2 -Äquivalente) und die Versauerung. Welche Umweltindikatoren letztlich berücksichtigt werden, hängt jedoch von den spezifischen Anforderungen der Untersuchung ab. Vorgaben hierzu können in den sogenannten Product Category Rules oder ähnlichen branchenspezifischen Dokumenten festgelegt sein. Darüber hinaus kann die Auswahl der Umweltindikatoren auch von den besonderen Umweltauswirkungen eines Produkts oder dessen Einsatzkontext abhängen. In der abschließenden vierten Phase, der Interpretation der Ergebnisse, werden die Daten analysiert und die Erkenntnisse zusammengefasst. Ziel ist es, Hotspots im Lebenszyklus zu identifizieren, also Bereiche mit besonders hohen Umweltbelastungen. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für Handlungsempfehlungen und Optimierungsmöglichkeiten, die Unternehmen helfen, umweltfreundlichere Entscheidungen zu treffen und potenzielle Schwachstellen im Prozess frühzeitig zu erkennen. Der Prozess einer Ökobilanz ist als iterativ zu verstehen, wobei die einzelnen Phasen nicht linear durchlaufen werden, sondern vielmehr dynamisch angepasst werden können. Erkenntnisse und Unstimmigkeiten, die in späteren Phasen auftreten, können dazu führen, dass frühere Schritte überprüft und modifiziert werden müssen. Dies gewährleistet, dass der Untersuchungsrahmen, die Datensammlung und die Analyse kontinuierlich optimiert und an neue Erkenntnisse angepasst werden, um eine möglichst präzise und valide Ergebnisfindung zu ermöglichen. Im Folgenden wird detailliert erläutert, wie eine Ökobilanz im Rahmen einer EPD für Asphalt aufgebaut ist. Dabei wird erläutert, wie Daten zu Rohstoffen, Energieverbrauch und Emissionen gesammelt und ausgewertet werden, um eine transparente und verlässliche Analyse zu gewährleisten. 3. Praktische Erkenntnisse zur Datenerhebung im Asphaltmischwerk: Ein Leitfaden für die Sachbilanz Im Rahmen eines Projekts zur Entwicklung eines Begleitdokuments für die Product Category Rules (PCR) für Asphaltmischgut wurde eine exemplarische Umweltproduktdeklaration erstellt. Diese EPD diente nicht nur als Modell zur Veranschaulichung des Prozesses, sondern auch als wichtige Quelle für praktische Erkenntnisse und Herausforderungen im Bereich der Ökobilanzierung. Insbesondere konzentrierte sich die Datenerhebung auf die Module A1 bis A3, welche die Rohstoffgewinnung, Transportprozesse sowie die Produktion im Asphaltmischwerk umfassen. Diese Module sind für alle EPDs verpflichtend und bilden daher eine essenzielle Grundlage für die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Abb. 2: Phasen des Lebenszyklus angelehnt an DIN EN 15804 310 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Nachhaltigkeit messen: Ökobilanzierung im Straßenbau am Beispiel EPD-Asphaltmischgut Während der Erstellung der Sachbilanz traten spezifische Herausforderungen und wichtige Lernerfahrungen zutage, die für die Entwicklung des Begleitdokuments von zentraler Bedeutung waren. Das Ziel dieses Kapitels ist es, diese Erkenntnisse detailliert darzustellen und praxisnahe Lösungsansätze aufzuzeigen, die bei der Datenerhebung und -auswertung im Asphaltmischwerk unterstützen. So wird sichergestellt, dass die ermittelten Daten nicht nur den Anforderungen an Transparenz und Genauigkeit genügen, sondern auch eine konsistente und reproduzierbare Basis für künftige EPDs bilden. Der nachfolgende Leitfaden bietet wertvolle Einsichten für alle Akteure, die an der Erstellung von Umweltproduktdeklarationen im Bereich Asphalt beteiligt sind. Ziel ist es, eine einheitliche Datengrundlage zu schaffen und damit zur Vergleichbarkeit von EPDs beizutragen. Die Erfahrungen aus diesem Projekt verdeutlichen die methodischen Anforderungen bei der Sachbilanzierung, also der Erfassung aller relevanten Stoff- und Energieflüsse, sowie die Herausforderungen und Erkenntnisse, die dabei gewonnen wurden. Ziel der exemplarischen EPD war es, die relevanten Herstellungsdaten zur exemplarischen Berechnung der Umweltwirkungen von 1 Tonne Asphaltmischgut (AC-32-T-S) mit einer Siebgröße von 32-mm zur Verwendung von Verkehrsflächen mit besonderer Beanspruchung, zu erfassen. Bevor die Ökobilanz durchgeführt wird, ist es essenziell, ein tiefgehendes Verständnis der Prozesse des zu untersuchenden Systems zu erlangen. Dies wird idealerweise durch eine Vor-Ort-Begehung erlangt. Eine umfassende Begehung des Asphaltmischwerks bildete die Grundlage für die Datenerhebung. Vor Ort konnten alle wesentlichen Prozesse, Parameter und Besonderheiten dokumentiert werden, die in die Ökobilanz einfließen. Ein detailliertes Prozessverständnis ist wichtig, um sicherzustellen, dass alle relevanten Aspekte des Produktionsablaufs erfasst werden und die damit einhergehenden In- und Output Parameter für die Ökobilanz. Abb. 3: Vereinfachtes Produktsystem zur Produktion von Asphaltmischgut am Werk Im Allgemeinen werden die folgenden Parameter bei der Berechnung von Umweltwirkungen relevant: 1. Rohstoffe In der LCA müssen alle Rohstoffe berücksichtigt werden, die in das Endprodukt einfließen. Dazu gehören Bitumen, verschiedene Gesteinsarten (z. B. Basalt, Splitt, Sand) und Recyclingasphalt (RAP). Dabei ist nicht nur die tatsächlich im Endprodukt enthaltene Menge relevant, sondern auch der Materialinput inklusive prozessbedingter Verluste und Ausschuss. Zusätzlich spielt die Herkunft der Rohstoffe eine wichtige Rolle. Wenn Gestein aus eigenen Steinbrüchen bezogen wird, ermöglicht dies den Einsatz von Primärdaten für die Module A1 (Rohstoffgewinnung) und A2 (Transport). Diese Daten haben eine hohe Qualität und bieten präzisere Einblicke in die Umweltwirkungen des Produkts. Auch Betriebsmittel, die in der Produktion von Asphaltmischgut zum Einsatz kommen, müssen berücksichtigt werden. Herausforderung und Erkenntnis: Die Auf bereitung von Rohstoffen auf dem Werksgelände wird ebenfalls in Modul A3 erfasst. Dabei treten jedoch Inkonsistenzen zwischen verschiedenen Asphaltmischwerken auf. In einigen Fällen werden die Gesteine bereits auf bereitet angeliefert, sodass der Energieverbrauch für die Auf bereitung nicht in A3 berücksichtigt wird. In anderen Fällen müssen die Gesteine vor der Verarbeitung auf dem Werksgelände zerkleinert werden, wodurch der Energieaufwand für diese Auf bereitung in A3 einfließt. Dadurch verschieben sich die entsprechenden Anteile in den Phasen A1 und A3. Betriebsmittel werden häufig im Rahmen einer jährlichen Wartung beschafft. Dies ermöglicht eine repräsentative Erfassung von Betriebsmittel im Jahresverbrauch. Dieser Verbrauch kann anschließend auf 1 Tonne Asphaltmischgut heruntergerechnet werden. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 311 Nachhaltigkeit messen: Ökobilanzierung im Straßenbau am Beispiel EPD-Asphaltmischgut Wenn RAP bei der Herstellung des zu bilanzierenden Asphaltmischguts verwendet wird, muss der enthaltene Bitumenanteil aus dem RAP sowie die Menge an Neubitumen korrekt in der Rohstoffzusammenstellung berücksichtigt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Bitumenanteile aus RAP und Neubitumen korrekt zugeordnet und nicht doppelt erfasst werden. 2. Energie Für eine vollständige Sachbilanz müssen alle Energieverbräuche erfasst werden, die während der Herstellung anfallen. Dazu zählen für die Erfassung der Energiedaten in Modul A3 elektrische Energie, Heizenergie für Trocknungsanlagen (z. B. Braunkohlestaub, Heizöl) und Kraftstoffverbräuche von Fahrzeugen vor Ort. Diese Daten bilden die Grundlage zur Berechnung der Umweltwirkungen des Energieeinsatzes. Herausforderung und Erkenntnis: Energieverbräuche schwanken stark im Jahresverlauf, insbesondere durch den Feuchtigkeitsgehalt des Gesteins. Um diese saisonalen Schwankungen abzubilden, wurden Verbrauchsdaten eines gesamten Jahres erfasst und auf eine Tonne Asphaltmischgut heruntergerechnet. Diese Methode gewährleistet eine repräsentative Datengrundlage. Die Erkenntnis hieraus war, dass eine punktuelle Erfassung nicht ausreicht, um den tatsächlichen Energiebedarf realistisch dazustellen - eine ganzjährige Betrachtung ist essenziell. 3. Verschleißteile und Betriebsmittel Auch der Verbrauch von Verschleißteilen und Betriebsmitteln muss in der Sachbilanz berücksichtigt werden. Dabei ist es wichtig, jene Teile zu erfassen, die während des Betrachtungszeitraums (in diesem Fall ein Jahr) tatsächlich ersetzt werden. Herausforderung und Erkenntnis: Die Herausforderung besteht darin, zwischen relevanten und vernachlässigbaren Teilen zu unterscheiden. Im Projekt wurde festgestellt, dass Verschleißteile mit langen Austauschzyklen vernachlässigt werden können, während häufig ersetzte Komponenten wie Mischerarme und Schutzbleche in die Bilanz einfließen sollten. 4. Emissionen Emissionen, insbesondere Treibhausgase, sind zentrale Indikatoren in der LCA. Eine Erfassung der relevanten Emissionen, die bei der Produktion des Asphaltmischguts am Werk freigesetzt werden, ist zwingend notwendig. Dabei kann zum Teil auf Daten aus Emissionsmessungen zurückgegriffen werden. Herausforderung und Erkenntnis: Punktuelle Emissionsmessungen liefern keine repräsentativen Ergebnisse, da die sie lediglich über einen kurzen Zeitraum, meist nur wenige Stunden, durchgeführt werden und somit nur eine Momentaufnahme des tatsächlichen Emissionsgeschehens darstellen. Diese Messungen erfolgen typischerweise am Schornstein, wobei die erfassten Emissionswerte stark von den aktuellen Witterungsbedingungen abhängen. Faktoren wie Feuchtigkeitsgehalt des Gesteins, das getrocknet wird, beeinflussen den Verbrennungsprozess der eingesetzten Energieträger, was wiederum zu Schwankungen bei den Emissionen führt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf CO 2 -Emissionen, die in der Branche eine zentrale Rolle spielen. Da punktuelle Messungen hier keine zuverlässige Datengrundlage bieten, wird lediglich der CO 2 -Ausstoß nicht direkt aus den Messungen abgeleitet. Stattdessen erfolgt die Berechnung anhand öffentlich zugänglicher Emissionsfaktoren des Umweltbundesamtes sowie der eingesetzten Heizenergiemengen. Diese Methode ermöglicht eine konsistentere und genauere Ermittlung der CO 2 - Emissionen über längere Zeiträume und berücksichtigt die variablen Einflussfaktoren des Verbrennungsprozesses besser als punktuelle Messungen. Dieses Vorgehen ist rein auf die Erfassung von CO 2 durch Verbrennungsprozesse am Standort bezogen und schließt eine Erfassung anderer Emissionen über Emissionsmessungen nicht aus. 5. Abfälle Die Erfassung von Abfalldaten ist ebenfalls Teil der Sachbilanz. Hierzu zählen kommunale Abfälle, sowie die Entsorgung von Verschleißteilen und Betriebsmittel. Herausforderung und Erkenntnis: Es zeigte sich, dass die Dokumentation von Abfällen stark zwischen Asphaltmischwerken variiert. Während einige Werke detaillierte Berichte führen, fehlen bei anderen verlässliche Daten. Daher ist es wichtig, Unterschiede offenzulegen und transparente Kriterien für die Datenerhebung zu schaffen. 4. Fazit Auf Grundlage der detaillierten Untersuchung und Auswertung der Ökobilanzierungsdaten im Rahmen des Projektes konnte ein umfassendes Begleitdokument für die Product Category Rules (PCR) für Asphaltmischgut entwickelt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Sicht der Sachbilanz, insbesondere die präzise, ausgewählte Erfassung der Rohstoff- und Energieflüsse sowie die Emissionen und Abfälle, fließen direkt in die Ausarbeitung der PCR ein und bilden die Grundlage für eine standardisierte und transparente Ökobilanzierung von Asphaltprodukten. 312 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Nachhaltigkeit messen: Ökobilanzierung im Straßenbau am Beispiel EPD-Asphaltmischgut Das Begleitdokument für die PCR von Asphaltmischgut umfassen nun klare Vorgaben zur Erhebung und Bewertung der Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus des Produkts, von der Rohstoffgewinnung bis hin zur Entsorgung und dem Recycling [1]. Dabei wurden nicht nur die relevanten Umweltindikatoren wie CO 2 -Emissionen, Energieverbrauch und Abfallmengen berücksichtigt, sondern auch die spezifischen Anforderungen an die Datenerhebung und die Qualität der verwendeten Daten, wie sie in den Ergebnissen der Sachbilanz ermittelt wurden. Ein zentraler Aspekt ist die Berücksichtigung der unterschiedlichen Herstellungsprozesse und die Berücksichtigung von saisonalen Schwankungen im Energieverbrauch, wie sie insbesondere durch den Feuchtigkeitsgehalt des Gesteins entstehen. Zudem wurde ein Standard für die Dokumentation und Berechnung von Emissionen festgelegt, um eine konsistente und vergleichbare Datengrundlage zu gewährleisten. Das Begleitdokument ermöglicht den Asphaltproduzenten, eine einheitliche, transparente und wissenschaftlich fundierte Umweltbewertung ihrer Produkte vorzunehmen und dabei die Anforderungen an Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu erfüllen. Durch die klare Definition der relevanten Umweltauswirkungen und die methodischen Vorgaben zur Datenerhebung können Unternehmen ihre Umweltleistung effizient dokumentieren und verbessern. Literatur [1] DeutscherAsphaltVerband (DAV) e.V.: https: / / www. asphalt.de/ home/